Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 4 KLs 23/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Wohnungseinbruchdiebstahls und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Körperverletzung in zwei Fällen, in einem davon in Tateinheit mit Nötigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, sowie wegen Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.
21. Nach den Feststellungen versuchte der Angeklagte in der Nacht vom , mittels einer auf dem Hausgrundstück gefundenen Heckenschere die Terrassentür eines Einfamilienhauses zu öffnen, um im Haus nach stehlenswerten Gegenständen zu suchen. Als die durch Geräusche geweckten Bewohner an der Terrassentür erschienen, erkannte er das Scheitern seines Vorhabens und entfernte sich (Fall 1 der Urteilsgründe). Am drang der Angeklagte durch ein Kellerfenster in ein anderes Einfamilienhaus ein. Dort gefundenes Bargeld steckte er ein. Weitere Gegenstände, unter anderem Silberbesteck, steckte er in einen Plastikbeutel. Als die betagte Bewohnerin des Hauses erschien, stieß er dieser den gefüllten Beutel gegen die Brust, wodurch diese stürzte und erheblich verletzt wurde. Der Angeklagte flüchtete (Fälle 2 und 3 der Urteilsgründe). Am versetzte der Angeklagte der mit ihm aus der örtlichen Drogenszene bekannten Zeugin B. im Rahmen eines Streits zwei Kopfstöße gegen ihren Kopf, wodurch die Zeugin eine Gehirnerschütterung erlitt (Fall 4 der Urteilsgründe). An einem nicht näher festgestellten Tag nach dem drang der Angeklagte in die Wohnung der Zeugin B. ein. Dort forderte er sie zum Geschlechtsverkehr auf. Als sie ablehnte, schlug er sie mit der Faust und mit einem Hammer. Die Zeugin gab daraufhin ihre Gegenwehr auf und duldete, dass der Angeklagte mit ihr den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss vollzog (Fall 5 der Urteilsgründe). Anschließend verlangte der Angeklagte, dass er Fotos von der unbekleideten Zeugin B. fertigen dürfe. Als sie dies ablehnte, versetzte er ihr mehrere Stiche mit einem Messer und schlug sie, worauf sie ihn Bilder von ihrem unbekleideten Oberkörper fertigen ließ, auf denen auch das Gesicht der Zeugin zu erkennen ist (Fall 6 der Urteilsgründe). Bei einem späteren Zusammentreffen mit der Zeugin B. teilte der Angeklagte ihr mit, dass er die bei der vorherigen Tat gefertigten Fotos veröffentlichen werde, wenn sie ihm nicht Geld gebe. Die Zeugin kam der Forderung nach (Fall 7 der Urteilsgründe). Am verletzte der Angeklagte den Zeugen Ö. , der ihn wegen seines Verhaltens gegenüber der Zeugin B. zur Rede stellen wollte, mit einem Messer (Fall 8 der Urteilsgründe).
32. Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. , BGHSt 29, 18, 20 f.; Beschluss vom – 4 StR 480/20 Rn. 2 f. mwN) – insgesamt einer tragfähigen Beweiswürdigung entbehrt.
4a) In den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht den zu den Vorwürfen schweigenden Angeklagten der Taten durch die Aussagen der Geschädigten sowie ein „DNA-Gutachten“ überführt gesehen. Den Inhalt der Zeugenaussagen geben die Urteilsgründe lediglich dahingehend wieder, dass die Angaben den Feststellungen entsprächen. Das Gutachten habe ergeben, dass DNA-Spuren des Angeklagten sowohl an der Heckenschere (Fall 1 der Urteilsgründe) als auch an dem eingeschlagenen Kellerfenster (Fall 2 der Urteilsgründe) vorhanden waren, deren Aufbringung bei anderer Gelegenheit als bei der Ausführung der Taten auszuschließen sei.
5Diese Ausführungen vermögen die Täterschaft des Angeklagten nicht zu belegen. Sie genügen weder den besonderen Darlegungsanforderungen in Fällen, in denen – wie vorliegend – der Tatnachweis auf einem Wiedererkennen des Angeklagten durch Tatzeugen beruht (vgl. dazu Rn. 5 mwN) noch den durch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestellten Anforderungen an die Darstellung einer DNA-Vergleichsuntersuchung (vgl. exempl. Rn. 8 ff. mwN).
6b) Auch in den Fällen 4 bis 7 der Urteilsgründe begegnet die Beweiswürdigung durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Schuld des auch zu diesen Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten insoweit maßgeblich auf die Aussage der Zeugin B. gestützt. Deren Würdigung erweist sich indes als lückenhaft.
7aa) Steht – wie hier – „Aussage gegen Aussage“, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Um dem Revisionsgericht die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen, sind daher regelmäßig auch die entscheidenden Angaben des einzigen Belastungszeugen in Form einer geschlossenen Darstellung in den Urteilsgründen wiederzugeben. Dabei sind auch vorangegangene Aussagen des Zeugen wiederzugeben, wenn dies zur Überprüfung der Konstanzanalyse erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 7 mwN).
8bb) Diesem Maßstab genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht. Die Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung geben die Urteilsgründe nur äußerst knapp wieder, indem mitgeteilt wird, dass die Zeugin „das sie betreffende Geschehen“ hinsichtlich der Taten 4 bis 7 wie festgestellt geschildert habe, und nachfolgend – im Rahmen der Inhalts- und Konstanzanalyse der Strafkammer – einzelne Aussageteile, vor allem betreffend die Tat 5, als Beispiele für Details benannt werden, deren Angabe für die Glaubhaftigkeit der Aussage spreche. Diese Darstellung ermöglicht es dem Senat nicht, die Wertung der Strafkammer nachzuvollziehen. Dies gilt umso mehr, als unter den wenigen konkret benannten Aussageinhalten auch solche sind, bei denen sich angesichts der Feststellungen nicht erschließt, welche eigenen Wahrnehmungen die Zeugin bekundet haben könnte (wie insbesondere das Eindringen des Angeklagten in die Wohnung der Zeugin, welches diese „geschildert“ habe, obwohl sie nach den Feststellungen zu diesem Zeitpunkt noch schlief). Ebenfalls unzureichend ist die Darstellung der Angaben der Zeugin im Ermittlungsverfahren, die sich in der Erörterung eines inkonstanten Aussageelements – nämlich der unterschiedlich bekundeten Abfolge der Tathandlungen in den Fällen 5 und 6 – sowie der Feststellung erschöpft, dass sie im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung „insgesamt konstante Angaben zu diesem Geschehen“ gemacht habe. Ob diese Wertung, die sich auch nur auf zwei der vier Taten zum Nachteil der Zeugin B. bezieht, tragfähig ist, kann mangels hinreichend ausführlicher Wiedergabe der ihr zugrundeliegenden Aussageinhalte nicht in der gebotenen Weise vom Senat überprüft werden.
9c) Schließlich sind auch die Feststellungen zu Fall 8 der Urteilsgründe nicht tragfähig belegt. Den Urteilsgründen ist insoweit nur zu entnehmen, dass der Zeuge Ö. weitgehend konstant zu seiner polizeilichen Aussage bekundet habe, er sei am von mehreren Männern angegriffen worden und habe den Angeklagten als die Person erkannt, die ihm mit einem Messer mehrere Stiche versetzt habe. Die Würdigung der Zeugenaussage erschöpft sich darin, dass seine – im Ermittlungsverfahren noch verschwiegene – Angabe in der Hauptverhandlung, selbst bewaffnet zu dem Treffen mit dem Angeklagten gekommen zu sein, als eine für die Glaubhaftigkeit sprechende Selbstbelastung gewertet wird. Diese Würdigung verfehlt die oben bezeichneten Begründungsanforderungen in jeder Hinsicht.
103. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:241023B4STR162.23.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-54604