Landesamt für Steuern Niedersachsen - S 2137 - St 221/St 224a-2815/2023

Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen in der Energiewirtschaft bei rechtlich nicht entflochtenen Unternehmen

Bezug: BStBl 2013 II S. 954

An mich ist die Frage herangetragen worden, ob bei Energieversorgungsunternehmen, bei denen die Bereiche Netzbetrieb und Energiehandel nicht entflochten sind, eine Rückstellung für Mehrerlösabschöpfungen auch zu bilden ist, soweit die Verpflichtung zur Anpassung der Netzentgelte gegenüber dem (unternehmenseigenen) Vertrieb besteht.

I. Sachverhalt

Ein Energieversorgungsunternehmen (Stadtwerke), welches in der Rechtsform einer GmbH und Co. KG geführt wird, ist in verschiedene Bereiche - u. a. Netzbetrieb und Vertrieb - aufgeteilt. Die Bereiche werden zwar nicht in separaten Unternehmen geführt, sog. rechtliche Entflechtung, § 7 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), sind aber verpflichtet, ihre Bücher getrennt voneinander zu führen (sog. buchhalterische Entflechtung, § 6b Abs. 3 EnWG). Der Bereich Netzbetrieb unterhält verschiedene Versorgungsnetze (Strom-, Gas-, Wasser- und/oder Abwassernetze) und beliefert andere Energieversorgungsunternehmen, einzelne Großkunden (sog. Sondervertragskunden) und den (unternehmenseigenen) Vertrieb. Der Vertriebsteil unterhält Vertragsbeziehungen zu gewerblichen und privaten Einzelkunden.

In dem Streitfall hatte das Unternehmen über mehrere Jahre Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen gebildet. Grundlage für die Bildung der Rückstellung waren alle geleisteten Netzentgelte – also auch die Entgelte des unternehmenseigenen Vertriebs.

II. Rechtliche Würdigung

Die Voraussetzungen zur Bildung einer Rückstellung für Mehrerlösabschöpfungen bei rechtlich nicht entflochtenen Energieversorgungsunternehmen in Bezug auf einen unternehmenseigenen Vertriebsbereich liegen in der Regel nicht vor.

Energieversorgungsunternehmen können zwar grundsätzlich Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen bilden (vgl. , BStBl. 2013 II S. 954).

a) Öffentlich-rechtliche Verpflichtung

Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen dazu verpflichtet ist, Kostenüberdeckungen bei der Berechnung der Netzentgelte an die Netzkunden zurückzuerstatten bzw. diese in der folgenden Kalkulationsperiode auszugleichen. Die Verpflichtung kann sich unmittelbar aus den Verträgen oder aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung auf Anpassung der Netzentgelte liegt m. E. auch gegenüber dem unternehmenseigenen Vertrieb vor. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 3 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) in der Fassung vom bzw. § 5 Abs. 3 Anreizregulierungsverordnung (ARegV), § 11 S. 2 Stromnetzentgeltverordnung (Strom-NEV), § 10 S. 2 Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) sind auch rechtlich nicht entflochtene Energieversorgungsunternehmen bzw. Netzbetreiber verpflichtet, durch die vereinnahmten Netzentgelte erzielte Kostenüberdeckungen auszugleichen. Die Verpflichtung besteht gegenüber allen Netzkunden, gleich ob es sich dabei um Sondervertragskunden, andere Energieversorger oder den unternehmenseigenen Vertriebsteil handelt.

Eine Rückstellung für eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung setzt zusätzlich voraus, dass sich diese ausreichend konkretisiert hat, sanktionsbewehrt ist und durch Behörden überprüft werden kann. Die Verpflichtung zur Anpassung der Netzentgelte ergibt sich aus dem konkreten Gesetzesbefehl (§ 5 Abs. 3 ARegV bzw. § 11 S. 2 StromNEZ, § 10 S. 2 GasNEZ) und ist deshalb hinreichend konkret. Die Regulierungsbehörden überwachen die Energieversorgungsunternehmen gemäß § 21 EnWG. Sie können erforderlichenfalls auch im Einzelfall die Energieversorger zur Anpassung der Netzentgelte verpflichten (§§ 30, 31 EnWG) und Sanktionsmaßnahmen aussprechen (§§ 94 f. EnWG).

b) Wirtschaftliche Belastung

Bei der Verpflichtung zur Anpassung der Netzentgelte gegenüber dem unternehmenseigenen Vertriebsteil handelt es sich aber um keine Schuld des Unternehmens, sondern um eine reine Innenverpflichtung zwischen zwei Betriebsteilen. Insoweit wird das Unternehmen hierdurch wirtschaftlich nicht belastet. Die Verpflichtung hat keine Auswirkung auf den Gewinn. Dem zusätzlichen Aufwand des Bereichs Netzbetrieb steht ein gegenzurechnender Vorteil auf künftige Entgeltminderung gegenüber. Die Regelungen zur Anpassung der Netzentgelte verpflichten nur den Bereich Netzbetrieb. Der Vertriebsteil hingegen ist hierdurch nicht gebunden und muss die durch die Entgeltsenkung erlangten Vorteile nicht an seine Kunden weitergeben.

III. Fazit

Energieversorgungsunternehmen, die rechtlich nicht entflochten sind, dürfen Rückstellungen für Mehrerlösabschöpfungen nur bilden, soweit das Unternehmen durch die Verpflichtung zur Anpassung der Netzentgelte künftig wirtschaftlich belastet wird. Dies ist regelmäßig nur der Fall, wenn der Bereich Netzbetrieb unmittelbar Verträge mit Sondervertragskunden oder anderen Energieversorgern unterhält. Eine wirtschaftliche Belastung kann sich auch dadurch ergeben, dass der Vertrieb sich vertraglich ausdrücklich gegenüber seinen Kunden zur Weitergabe der Netzentgelte verpflichtet hat.

Meine Rundverfügungen vom , S 2137-138-St 222/St 221, hebe ich hiermit auf.

Landesamt für Steuern Niedersachsen v. - S 2137 - St 221/St 224a-2815/2023

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