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BSG Beschluss v. - B 3 A 1/22 R

Sozialgerichtliches Verfahren - Klagerücknahme - Entfaltung der formellen Rechtskraft einer Revisionsentscheidung - Zeitpunkt der Urteilsverkündung - Zurückverweisung

Gesetze: § 102 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 269 Abs 3 S 1 Halbs 2 ZPO, § 705 S 1 ZPO

Instanzenzug: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 12 P 25/20 KL Urteil

Gründe

1I. Mit am in dem Termin nach Schließung der mündlichen Verhandlung verkündetem Urteil hat der Senat die Revision der klagenden Pflegekasse in einer aufsichtsrechtlichen Streitigkeit zurückgewiesen und wie die Vorinstanz entschieden, dass die Klägerin zur Übertragung von Aufgaben unter anderem der Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Leistungsgewährung und Rechnungsprüfung auf ein privates Dienstleistungsunternehmen nicht berechtigt und die streitbefangene Aufsichtsanordnung daher rechtlich nicht zu beanstanden war. Nach Verkündung des Urteils und Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe hat die Klägerin mit Schriftsatz vom sinngemäß erklärt, die Fortsetzungsfeststellungsklage in Bezug auf die aufsichtsrechtliche Maßnahme zurückzunehmen, und um Bestätigung gebeten, "dass das Verfahren damit beendet ist".

2II. Der mit dem Schriftsatz vom sinngemäß gestellte Antrag auf Feststellung, dass das am verkündete Urteil durch die Erklärung vom wirkungslos geworden ist, ist unbegründet. Dass die Klägerin mit diesem Schriftsatz die Rücknahme der Klage erklärt hat, berührt die Entscheidung des Senats nicht. Dadurch ist das auf ihre Revision am in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündete Urteil nicht nachträglich wirkungslos geworden iS von § 202 Satz 1 SGG iVm § 269 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO. Hiernach wird ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil durch die Rücknahme der Klage wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Hierfür war nach der Urteilsverkündung am indes kein Raum mehr. Äußerste Grenze der Möglichkeit zur Rücknahme der Klage im sozialgerichtlichen Verfahren ist die Rechtskraft des Urteils (§ 102 Abs 1 Satz 1 SGG). Sie tritt nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 705 Satz 1 ZPO ein, soweit ein zulässiges (ordentliches) Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden kann. Bei Revisionsentscheidungen eines obersten Bundesgerichts ist dies mangels eines statthaften weiteren (ordentlichen) Rechtsmittels hiergegen mithin der Zeitpunkt der Urteilsverkündung (vgl etwa (F) - BAGE 152, 335 RdNr 5; Götz in Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl 2020, § 705 RdNr 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 141 RdNr 2a; Seibel in Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, § 705 ZPO, RdNr 8; Ulrici in BeckOK ZPO, 50. Ed , § 705 RdNr 5). Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf Rechtsprechung des BSG beruft, wonach § 102 Abs 1 SGG "auch im Revisionsverfahren entsprechend" gelte (Verweis auf - SozR 1500 § 102 Nr 5, juris RdNr 2), betrifft das allein den Zeitraum bis zur Entscheidung über eine mit einer Nichtzulassungsbeschwerde statthaft zur Überprüfung gestellte Entscheidung eines LSG (in diesem Sinne auch GmS-OGB 1/83 - BGHZ 88, 353, juris RdNr 13). Für den Zeitraum zwischen der Verkündung des Revisionsurteils und der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe ist dem auf der Grundlage der aufgezeigten Prozessrechtslage nichts zu entnehmen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:271023BB3A122R0

Fundstelle(n):
HAAAJ-54405