BSG Beschluss v. - B 9 V 7/23 B

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - Vorrang der Rehabilitation - erfolgversprechende und zumutbare Rehabilitationsmaßnahme - konkretes Rehabilitationsangebot vonseiten der Versorgungsverwaltung - Klärungsfähigkeit - Darlegungsanforderungen - Mitteilung der Tatsachenfeststellungen des LSG zur Erfüllung der Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 163 SGG, § 29 BVG, § 9 Abs 1 Nr 3 Alt 1 BVG, § 30 Abs 3 BVG, § 32 BVG, § 47 Abs 1 S 1 ErsDiG

Instanzenzug: SG Freiburg (Breisgau) Az: S 18 VS 4333/18 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 6 VS 1045/21 Urteil

Gründe

1I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines (höheren) Grads der Schädigungsfolgen von mindestens 90, die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs und einer Ausgleichsrente wegen der Schädigungsfolgen eines während der Ausübung des Zivildienstes erlittenen Verkehrsunfalls verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet.

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat den von ihm allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der danach vorgeschriebenen Weise dargelegt.

4Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB - juris RdNr 14; - juris RdNr 6).

6Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit eine oder mehrere hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung oder zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) aufgeworfen und in den weiteren Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt oder ob er vielmehr im Kern lediglich Fragen zur Rechtsanwendung im Einzelfall gestellt hat. Ebenso kann offenbleiben, ob diese Fragen - die Qualität als Rechtsfrage jeweils unterstellt - nicht bereits durch das von ihm zitierte (B 9/9a VS 1/06 R - SozR 4-3100 § 29 Nr 1) geklärt sind und somit keine Klärungsbedürftigkeit mehr besteht. Jedenfalls hat der Kläger die Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.

7Klärungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Revisionsgericht nach und aufgrund der Zulassung der Revision in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich entscheiden zu können ( - juris RdNr 11; B 9a V 7/06 B - SozR 4-2600 § 118 Nr 3 RdNr 5). Hingegen ist Klärungsfähigkeit im Sinne von Entscheidungserheblichkeit zu verneinen, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (stRspr; zB - juris RdNr 10; - juris RdNr 20). Zur Darlegung der Klärungsfähigkeit ist daher vom Beschwerdeführer darzutun, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste. Das wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend aufgezeigt.

8Zwar führt der Kläger aus, das LSG habe seine Entscheidung auf § 29 BVG gestützt und die Auffassung vertreten, dass die von ihm geltend gemachten Ansprüche noch nicht entstanden seien, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für ihn zumutbar und erfolgsversprechend seien und der Beklagte ihn in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit der Beantragung einer Berufsorientierungsmaßnahme und gegebenenfalls einer Berufserprobungsmaßnahme verwiesen habe. Jedoch lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, dass unabhängig von der Frage möglicher vorrangiger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 29 BVG) die weiteren Voraussetzungen der vom Kläger begehrten Leistungen vorliegen und diese nicht schon aus anderen Gründen abgelehnt werden müssten. Dies ist aber nur auf Grundlage der vom LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen zu beurteilen. Dementsprechend hätte es dem Kläger oblegen, diejenigen vom LSG festgestellten Tatsachen mitzuteilen, durch welche die rechtlichen Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten Leistungen erfüllt werden. In Bezug auf die streitigen Leistungen Berufsschadensausgleich und Ausgleichsrente nach § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz, § 9 Abs 1 Nr 3 Alt 1 iVm § 30 Abs 3, § 32 BVG wären hierfür zumindest Angaben zu den Feststellungen des Berufungsgerichts zum beruflichen Werdegang, zu einer Einkommensminderung und zur Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit notwendig. Entsprechende Darlegungen fehlen in der Beschwerdebegründung. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG selbst herauszusuchen (vgl stRspr; zB - juris RdNr 5 mwN).

9Dass der Kläger die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB - juris RdNr 10; - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).

10Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

11Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:080823BB9V723B0

Fundstelle(n):
JAAAJ-54306