Familiensache: Umfang der Verpflichtung zur Auskunft durch Belegvorlage als Grundlage für eine unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung; Auskunft über das Endvermögen für den Zugewinnausgleich
Gesetze: § 1379 BGB, § 1580 BGB, § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 117 Abs 1 S 4 FamFG, § 3 ZPO, § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: II-8 UF 185/21vorgehend AG Mülheim Az: 31 F 1150/19
Gründe
I.
1Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund jeweils in der Auskunftsstufe über nachehelichen Unterhalt und Zugewinnausgleich.
2Das Amtsgericht hat die Antragstellerin verpflichtet, dem Antragsgegner Auskunft sowohl über ihren Gewinn als selbständige Unternehmerin als auch über ihr Endvermögen zum Stichtag zu erteilen und die Auskünfte durch Vorlage von im Einzelnen bezeichneten Unterlagen zu belegen.
3Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 € nicht übersteige. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
II.
4Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Antragstellerin insbesondere nicht in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten nach ständiger Rechtsprechung, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 451/17 - FamRZ 2018, 445 Rn. 4 mwN). Die behauptete Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor.
51. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, dass eine fachkundige Unterstützung der Antragstellerin durch Dritte weder zur Erfüllung der Auskunfts- und Belegvorlagepflicht über den Gewinn als selbständige Unternehmerin noch für die Auskunft und Belegvorlage über ihr Endvermögen erforderlich sei. In dem geschuldeten Bestandsverzeichnis müssten nur die wertbildenden Faktoren der einzelnen Vermögensgegenstände angegeben werden; Wertangaben müsse das Vermögensverzeichnis nicht enthalten.
62. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
7a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich die Beschwer eines zur Auskunft und Belegvorlage verpflichteten Beteiligten nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen bzw. die Belege nicht vorlegen zu müssen. Dabei kommt es auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft bzw. die Belegvorlage erfordern (Senatsbeschluss vom - XII ZB 451/17 - FamRZ 2018, 445 Rn. 6 mwN). Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 334/19 - FamRZ 2020, 1572 Rn. 13 mwN).
8Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Wert der Beschwer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei der Bemessung der Beschwer eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob es die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluss vom - XII ZB 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 6 mwN).
9b) Derartige Ermessensfehler liegen hier nicht vor.
10Es ist weder von der Beschwerde dargelegt und glaubhaft gemacht noch anderweitig erkennbar, dass die Erfüllung der in beiden Folgesachen tenorierten Auskunfts- und Belegvorlageverpflichtungen der Antragstellerin in Summe Kosten von mehr als 600 € verursacht. Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass es für die Erteilung der geforderten Auskunft und die Vorlage der entsprechenden Belege weder betreffend den nachehelichen Unterhalt eines Sachverständigengutachtens zum Gewinn der Antragstellerin noch betreffend den Zugewinnausgleich der Hinzuziehung eines Steuerberaters hinsichtlich ihres Endvermögens bedarf.
11aa) Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde ergibt sich kein den Mindestbeschwerdewert übersteigender Aufwand daraus, dass professionelle Hilfe erforderlich wäre, um für den nachehelichen Unterhalt eine Auskunft über den Gewinn als selbständige Unternehmerin zu erteilen und diese Auskunft entsprechend zu belegen.
12Dass der Antragstellerin durch die Nennung des im Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses keine gesonderte, auf diesen Zeitpunkt bezogene Gewinnermittlung aufgegeben worden ist, ergibt sich nicht zuletzt aus einer Zusammenschau mit der zugleich angeordneten Belegvorlage. Diese bezieht sich auch auf während des laufenden Wirtschaftsjahres anfallende Unterlagen, insbesondere Kontennachweise, und wird durch die Datumsangabe zeitlich begrenzt.
13Die Antragstellerin ist mithin nur verpflichtet worden, ihre Auskunft durch Belegvorlage zu erteilen. Dies beinhaltet weder eine Verpflichtung, eine systematische Aufstellung der Gewinne der näher bezeichneten Gesellschaften und Unternehmen zu fertigen, noch gar eine solche zur Gewinnermittlung selbst, bei der fachkundige Hilfe erforderlich sein könnte. Vielmehr erstreckt sich die Verpflichtung lediglich auf eine Vorlage bereits vorhandener Belege und bietet erst die Grundlage für eine unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung im Laufe des weiteren Verfahrens.
14bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist zur Auskunftserteilung über das Endvermögen der Antragstellerin für die Zwecke des Zugewinnausgleichs auch die Befassung eines Steuerberaters nicht erforderlich, weil für die Bewertung der einzelnen Vermögensbestandteile drei Kapitalgesellschaften, eine Einzelfirma, drei Immobilien sowie sonstiges Vermögen und erhebliche Verbindlichkeiten dargestellt und in ihrem Wert ermittelt werden müssten. Das Familiengericht hat die Antragstellerin insoweit nämlich allein dazu verpflichtet, die Auskunft über ihr Endvermögen „zum Stichtag durch Vorlage eines vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses über die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen aktiven und passiven Vermögenswerte“ zu erteilen und durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen. Da mit „Vermögenswerte“ ersichtlich nur die Vermögensgegenstände gemeint sind, ist die Antragstellerin nicht zu einer Wertermittlung ihrer Unternehmensbeteiligungen verpflichtet worden, sondern nur zur Angabe der wertbildenden Faktoren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 472/20 - FamRZ 2022, 429 Rn. 19 f.). Dabei beinhaltet das Vermögensverzeichnis lediglich die Aufnahme der betreffenden Unternehmen als solche unter Beifügung der vorhandenen Jahresabschlüsse (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 594/11 - juris Rn. 8 und vom - XII ZB 487/13 - FamRZ 2014, 1286 Rn. 14). Wertangaben muss das Vermögensverzeichnis hingegen nicht enthalten (vgl. BGHZ 84, 31 = NJW 1982, 1643, 1644).
15Dass die Antragstellerin sachkundiger Hilfe angesichts eines außergewöhnlichen Umfangs ihrer Unternehmensbeteiligungen und ihres sonstigen Vermögens bedürfte, wie es der Senat etwa in einem komplexen Fall solcher Vermögenswerte von mehr als 30 Mio. € bezogen auf zwei Stichtage angenommen hat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 146/08 - FamRZ 2009, 594 Rn. 12), ist weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:251023BXIIZB250.22.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-53759