BGH Urteil v. - III ZR 192/22

Wirksamkeit der Kommunalabgabensatzung betreffend Stundungszinsen - Anschlussbeitrag Kanalisation

Leitsatz

Anschlussbeitrag Kanalisation

§ 234 Abs. 1 Satz 2 AO (hier in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchstaben a und b KAG Bbg) hat abschließenden Charakter, so dass Ersatz der geleisteten Stundungszinsen nicht auf der Grundlage des verschuldensunabhängigen Staatshaftungsanspruchs gemäß § 1 Abs. 1 StHG Bbg verlangt werden kann.

Gesetze: § 1 Abs 1 StHaftG BB, § 12 Abs 1 Nr 5 Buchst a KAG BB, § 12 Abs 1 Nr 5 Buchst b KAG BB, § 234 Abs 1 S 2 AO

Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 2 U 20/22 Urteilvorgehend Az: 3 O 54/20 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in Brandenburg. Mit Beitragsbescheid vom zog die Beklagte ihn auf der Grundlage ihrer am in Kraft getretenen Satzung - eine vorhergehende aus dem Jahr 1993 stammende war unwirksam - zu einem Kanalanschlussbeitrag zur teilweisen Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung der zentralen (leitungsgebundenen) Schmutzwasserbeseitigungsanlage in Höhe von 9.020,20 € heran. Diesen Betrag stundete sie auf Antrag des Klägers mit weiterem Bescheid vom , wofür Stundungszinsen in Höhe von 483 € anfielen. Der Kläger zahlte den Anschlussbeitrag nachfolgend in Raten in voller Höhe. Der vom Kläger parallel dazu erhobene Widerspruch und die nachfolgende Klage gegen den Beitragsbescheid blieben erfolglos. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts lehnte das Oberverwaltungsgericht in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ab. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers stellte das ) unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom (1 BvR 2961/14 u.a., NVwZ 2016, 300) fest, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, das Urteil des Verwaltungsgerichts, der Widerspruchsbescheid und der Beitragsbescheid den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) wegen des Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verletzten. Es hob den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf und verwies die Sache an dieses zurück. Die Beklagte nahm daraufhin mit Bescheid vom den Beitragsbescheid aus dem Jahr 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids zurück und erstattete den zwischenzeitlich vereinnahmten Kanalanschlussbeitrag. Ferner zahlte sie Rechtshängigkeitszinsen und ersetzte die dem Kläger im Widerspruchs- sowie im verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Verfahren entstandenen Rechtsverfolgungskosten. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts eingestellt.

2Der Kläger verlangt von der Beklagten nunmehr - gestützt auf das Staatshaftungsgesetz des Landes Brandenburg - Schadensersatz wegen der von ihm entrichteten Stundungszinsen sowie weiterer Verzugszinsen. Darüber hinaus macht er ihm durch die diesbezügliche außergerichtliche Vertretung entstandene Rechtsanwaltskosten als Schaden geltend. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

3Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

4Das Oberlandesgericht hat (veröffentlicht in BeckRS 2022, 32143) Staats- und Amtshaftungsansprüche des Klägers verneint. Insbesondere ergebe sich aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz - StHG) in der Fassung des Ersten Brandenburgischen Rechtsbereinigungsgesetzes vom (GVBl. I S. 104 - StHG Bbg) kein solcher Anspruch. Aus einer Verfassungswidrigkeit und damit objektiven Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides vom könne der Kläger keinen Anspruch aus § 1 StHG Bbg herleiten. Denn es liege ein Fall legislativen Unrechts vor, der von der Haftungsregelung nicht erfasst werde. Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG scheiterten am mangelnden Verschulden der für die Beklagte handelnden Amtsträger.

II.

5Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Der geltend gemachte Schadensersatz ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

61. Ein vorliegend vor allem in Betracht zu ziehender Staatshaftungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 StHG Bbg greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob der Beitragsbescheid materiell rechtmäßig war oder nicht. Die geltend gemachten Schadensersatzpositionen sind dem Kläger aus nachfolgenden Gründen nicht zu ersetzen.

7a) Der Stundungsbescheid, der infolge der Heranziehung des Klägers zu den Anschlussbeiträgen ergangen ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, § 12c Abs. 1 Satz 1 KAG Bbg iVm § 222 Abs. 1 Satz 1 AO), war ungeachtet des rechtlichen Schicksals des Beitragsbescheids rechtmäßig. Zwar war dieser neben der Stundungsverfügung Grundlagenbescheid für die Festsetzung der den Kläger belastenden Stundungszinsen (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG Bbg iVm § 234 Abs. 1 Satz 1 AO; vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Dokumentstand 262. Lieferung 4/2021, § 234 AO Rn. 15 f). Die Rechtmäßigkeit dieser Festsetzung hing aber nicht von dem Bestand des Beitragsbescheids und dessen rechtlicher Bewertung ab.

8Als steuerliche Nebenleistung sind die Zinsen zwar grundsätzlich abhängig vom Bestehen des gestundeten Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (Heuermann aaO Rn. 16). Diese Akzessorietät wird jedoch durch § 234 Abs. 1 Satz 2 AO eingeschränkt. Danach lässt die Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids - beziehungsweise hier des Beitragsbescheids - nach Ablauf der Stundung die bis dahin entstandenen Stundungszinsen unberührt (Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts, BT-Drs. 12/5630, S. 102; BFHE 212, 23, 28; Heuermann aaO Rn. 16; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Dokumentstand 170. Lieferung 5/2022, § 234 AO Rn. 10). Auf den Grund der Aufhebung kommt es dabei nicht an. Folglich spielt es keine Rolle, ob die mit dem Ausgangs-/Grundlagenbescheid erhobene Steuer beziehungsweise Abgabe rechtmäßig oder rechtswidrig festgesetzt worden ist. Vielmehr ist die festgesetzte Steuer - ungeachtet der gegen sie erhobenen Einwände und Rechtsbehelfe - einstweilen zu bezahlen. Maßgebend für die Festsetzung von Stundungszinsen ist damit allein der gestundete Steueranspruch nach den Verhältnissen während des Stundungszeitraums, auch wenn sich nach dessen Ablauf die Steuerfestsetzung als unzutreffend erweist und deshalb aufgehoben, geändert oder berichtigt wird (Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl., § 234 Rn. 8; Kögel in Gosch, AO/FGO, Dokumentstand Juli 2020, § 234 AO 1977 Rn. 28; Koenig in Koenig, AO, 4. Aufl., § 234 Rn. 15). Die Rechtslage gleicht der bei der Festsetzung von Säumniszinsen (vgl. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO). Sie kann nur in Ausnahmefällen dadurch noch zugunsten des Steuerpflichtigen korrigiert werden, dass bei nachträglicher Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids die Stundungszinsen aus - hier allerdings weder vorgetragenen noch sonst ersichtlichen - Billigkeitsgründen nach § 234 Abs. 2 AO nicht erhoben werden (Rüsken aaO). Änderungen des Steuerbescheids nach Ablauf der Stundung lassen vielmehr die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt (Kögel aaO Rn. 28). Um dies zu verhindern, muss der Steuer-/Abgabenpflichtige, statt eine Stundung in Anspruch zu nehmen, die Aussetzung der Vollziehung beantragen und dadurch die Akzessorietät seiner Zinsschuld gegenüber der Steuer-/Abgabenschuld sicherstellen (vgl. BFHE aaO; Rüsken aaO). Die frühere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. zB , juris Rn. 10), wonach bei einer nachträglichen Herabsetzung der Steuer - und dies muss erst recht bei Aufhebung ihrer Festsetzung gelten - die Stundungszinsen rückwirkend zu mindern waren, ist nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. aaO) mit der ab dem wirksam gewordenen Einfügung des Satzes 2 in § 234 Abs. 1 AO durch das Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (BGBl. I S. 2310) überholt (Rüsken aaO; Heuermann aaO Rn. 16; vgl. auch BFHE aaO).

9Dem kann vorliegend auch nicht mit dem Einwand begegnet werden, Schadensersatzansprüche seien von dieser Regelung nicht umfasst. Jedenfalls für den verschuldensunabhängigen Staatshaftungsanspruch aus § 1 Abs. 1 StHG kann dies schon deshalb nicht gelten, weil anderenfalls der Sinn und Zweck des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO über den Umweg der Schadensersatzleistung ausgehöhlt werden würden.

10Dem steht - anders als die Revision meint - auch nicht das Senatsurteil vom (III ZR 149/72, NJW 1975, 972, 973) entgegen. Der Senat hat in diesem Urteil entschieden, dass eine abgabenrechtliche Regelung, die dem bereits im Einspruchsverfahren obsiegenden Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen für einen Vertreter nicht gewährt, einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB auf Ersatz solcher Kosten nicht ausschließt. Dies hat der Senat damit begründet, eine dem Steuerpflichtigen günstige Einspruchsentscheidung müsse nicht - wie es für eine Haftung nach § 839 BGB vorausgesetzt werde - darauf beruhen, dass der angefochtene Steuerverwaltungsakt rechtswidrig sei. Trotz des in der Abgabenordnung (damals § 204 AO) festgelegten Legalitätsprinzips könne die Entscheidung im Vorverfahren durch Erwägungen mitbestimmt sein, die im Ergebnis Zweckmäßigkeitserwägungen gleichzustellen seien. Daraus, dass die Prüfung nicht auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts beschränkt war, hat der Senat die Schlussfolgerung gezogen, dem Abgaben-Verfahrensrecht sei insoweit die Bedeutung einer auch in den Bereich des materiellen Schadensersatzrechts hineinwirkenden abschließenden Regelung nicht beizumessen (Senat aaO unter II). Die vorliegende Konstellation ist damit jedoch nicht zu vergleichen. Denn zum einen regeln die §§ 233a bis 237 AO - worunter auch die vorliegend in Rede stehenden Stundungszinsen fallen - die Verzinsung von Steueransprüchen abschließend (§ 233 Satz 1 AO; BFHE 235, 107 Rn. 22; BFH, DStR 2012, 130, 132; Koenig aaO § 233 Rn. 6). Zum anderen unterscheidet § 234 Abs. 1 Satz 2 AO - wie bereits ausgeführt - für den Fortbestand der Zinspflicht gerade nicht danach, ob die zugrundeliegende Steuer zu Recht oder zu Unrecht erhoben worden ist. Eine allein auf die objektive Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts gestützte Schadensersatzpflicht, wie in § 1 Abs. 1 StHG vorgesehen, würde im Anwendungsbereich des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO daher zu dem oben ausgeführten Wertungswiderspruch führen. Ob dies im Zusammenhang mit einem - verschuldensabhängigen - Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG anders beurteilt werden könnte, kann aus nachstehenden Gründen (siehe Nr. 2) offenbleiben.

11b) Ein über die Rückerstattung des Anschlussbeitrags hinausgehender Anspruch auf Verzinsung der darauf gezahlten Raten (§ 288 BGB) besteht ebenfalls nicht. Allein eine - zu unterstellende - Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheids rechtfertigt den geltend gemachten Zinsanspruch nicht. Ungeachtet dessen, dass der Kläger die Voraussetzungen des Verzugs, insbesondere eine Mahnung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB), nicht vorgetragen hat, und unabhängig davon, ob der Tatbestand § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB erfüllt ist (vgl. dazu zB , NJW-RR 2008, 918 Rn. 13 - dort zu einem Anspruch auf § 826 BGB; BeckOK BGB/Lorenz, Stand: , § 286 Rn. 38), greifen auch hinsichtlich dieses Anspruchs die Erwägungen zum abschließenden Charakter der abgabenrechtlichen Zinsregelungen ein, die nicht durch zivilrechtliche Vorschriften umgangen werden dürfen. Der Abgabenordnung lässt sich kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts entnehmen, dass (Erstattungs-)Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis stets zu verzinsen sind (BFH, BeckRS 2009, 25016082 Rn. 14). Im Gegenteil bestimmt § 233 Satz 1 AO in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b KAG Bbg, dass solche Ansprüche nur verzinst werden, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (BFH, BeckRS/BFHE; BFH DStR jew. aaO). Die - ohnehin auf bestimmte Steuerarten begrenzte - Vorschrift des § 233a AO findet auf das kommunale Abgabenrecht indes keine Anwendung (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 KAG Bbg). Auch einen Grundsatz, wonach Geldschulden im Allgemeinen oder Erstattungsbeträge im Besonderen vom Schuldner zu verzinsen sind, gibt es im öffentlichen Recht nicht; vielmehr bedarf es auch dafür einer ausdrücklichen rechtlichen Regelung (vgl. zB BVerwG, NJW 1985, 2208, 2209 mwN). Eine über § 236 AO hinausgehende Zinspflicht - das heißt Prozesszinsen auf Erstattungsbeiträge, die die Beklagte bezahlt hat - gibt es in der Abgabenordnung nicht. Eine Verzinsung der vom Kläger auf die Anschlussbeiträge gezahlten Raten - gleich, ob auf Verzug oder einen anderen (schadens-)rechtlichen Gesichtspunkt gestützt - stünde dazu in einem Wertungswiderspruch.

12Dessen ungeachtet kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4, § 276 BGB). In dem vom Kläger geltend gemachten Zinszeitraum, der mit der Erhebung der Klage vor dem Verwaltungsgericht endete, war der Beklagten aber ein (fahrlässiges) Verschulden nicht vorzuwerfen. Mit einer abweichenden Beurteilung der Rechtslage durch die Gerichte brauchte sie nicht zu rechnen (vgl. nachfolgend 2).

13Deliktszinsen gemäß § 849 BGB kommen ebenfalls nicht in Betracht. Die oben angesprochene abschließende Regelung der steuer- beziehungsweise abgabenrechtlich vorgesehenen Zinsansprüche muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch insoweit durchgreifen.

14Sonstige Gründe, die den Zinsanspruch hätten rechtfertigen können - etwa in Form entgangener Anlagezinsen oder aufgewandter Kreditzinsen -, sind nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.

15c) Schließlich sind auch die als Schaden geltend gemachten Aufwendungen des Klägers für die außergerichtliche Vertretung durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten wegen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Stundungszinsen und Ersatz von Verzugszinsen (Schriftsatz vom , Anlage K 3) nicht zu erstatten. Diese Kosten sind bereits deswegen nicht ersatzfähig, weil ihm diese Positionen aus den oben genannten Gründen nicht zustanden.

162. Ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG scheitert am mangelnden Verschulden der Beklagten. Schon nach der Kollegialgerichts-Richtlinie trifft den Amtsträger in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht, wie hier das Oberverwaltungsgericht, die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat. Denn von einem Beamten kann eine bessere Rechtseinsicht als von einem mit mehreren Rechtskundigen besetzten Kollegialgericht regelmäßig nicht erwartet und verlangt werden (vgl. dazu zB Senat, Urteil vom - III ZR 245/18, NVwZ-RR 2021, 298 Rn. 17 mwN). Für einen der nach der Rechtsprechung des Senats möglichen Ausnahmefälle von diesem Grundsatz (Senat aaO) gibt es keine Anhaltspunkte.

17Dessen ungeachtet konnten die Beschäftigten der Beklagten sich bei Erlass des Bescheids auf die - vor den eingangs genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bestehende - Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Land Brandenburg stützen, wonach die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg in der Fassung vom (GVBl. I S. 174; nF) auch auf Sachverhalte, bei denen nach der Auslegung, die § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg in der Fassung vom (GVBl. I S. 200; aF) in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erfahren hatte (zB OVG Brandenburg LKV 2001, 132, 134; BeckRS 2016, 40172; LKV 2004, 555, 556), bereits Festsetzungsverjährung eingetreten wäre, keine unzulässige Rückwirkung entfaltete (OVG Berlin-Brandenburg LKV 2008, 369, 372 f; BeckRS 2008, 36299 und BeckRS 2014, 54103). Dies war überdies noch im Jahr 2012 durch das Brandenburgische Verfassungsgericht bestätigt worden (Beschluss vom - 46/11, juris Rn. 66 ff). Ergänzend kann auf die Erwägungen auf Seite 16 f des Berufungsurteils Bezug genommen werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121023UIIIZR192.22.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-53632