Online-Nachricht - Donnerstag, 30.11.2023

Gewerbesteuer | Aufteilung des Ersatzwirtschaftswertes zur Ermittlung des einfachen rechtlichen Kürzungsbetrages (BFH)

Bei der Bestimmung des einfachen Kürzungsbetrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG ist der nach § 126 Abs. 2 BewG maßgebende Ersatzwirtschaftswert im Verhältnis der eigenen Fläche zu der gepachteten Fläche anzusetzen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswertes des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt („einfache Kürzung“); maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes vor dem Ende des Erhebungszeitraums.

In den neuen Bundesländern wird jedoch kein Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt. Nach § 125 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BewG werden für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft abweichend von § 19 Abs. 1 BewG Ersatzwirtschaftswerte anstelle der Einheitswerte für das in Absatz 3 bezeichnete Vermögen ermittelt und ab der Besteuerung zugrunde gelegt. Diese Ersatzwirtschaftswerte gelten nicht nur für die Grundsteuer (§ 126 Abs. 1 BewG). Gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 BewG ist auch für andere Steuern bei demjenigen, dem Wirtschaftsgüter des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zuzurechnen sind, der Ersatzwirtschaftswert oder ein entsprechender Anteil an diesem Wert anzusetzen. Die Eigentumsverhältnisse und der Anteil am Ersatzwirtschaftswert sind im Festsetzungsverfahren der jeweiligen Steuer zu ermitteln (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BewG).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Berechnung des Kürzungsbetrages nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG für die Jahre 2014 bis 2018 für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers, der sich in den neuen Bundesländern befindet und der u.a. auch gepachtete Grundstücke umfasste. Nach Auffassung der Klägerin dürfe die Aufteilung des für grundsteuerliche Zwecke festgestellten Ersatzwirtschaftswertes ihres landwirtschaftlichen Betriebes nach § 126 Abs. 2 BewG nicht lediglich nach dem Verhältnis von Pacht- und Eigentumsflächen erfolgen. Vielmehr seien auch die weiteren im Ersatzwirtschaftswert abgebildeten Wirtschaftsgüter – vorliegend die in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgebäude sowie die Betriebsmittel - zu berücksichtigen. Mit ihrer Klage hatte die Klägerin in erster Instanz Erfolg ().

Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und wiesen die Klage ab:

  • Die Aufteilung des Ersatzwirtschaftswertes für die Ermittlung der gewerbesteuerrechtlichen Kürzung hat allein nach dem Verhältnis der eigenen zu den gepachteten Flächen zu erfolgen. Eine vorherige Aufteilung nach Wirtschaftsgutsgruppen kommt nicht in Betracht.

  • Ausgehend vom Gesetzeswortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG ist die Kürzung pauschaliert vom Einheitswert beziehungsweise "Ersatzwirtschaftswert" (Ersatzbemessungsgrundlage) vorzunehmen. Einen besonderen Aufteilungsmaßstab geben weder § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG noch § 126 BewG vor.

  • Mangels eines besonderen Aufteilungsmaßstabs sind die in fremdem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter daher spiegelbildlich mit dem Wert auszuscheiden, mit dem sie auf der Grundlage des vereinfachten Ertragswertverfahrens gemäß § 125 Abs. 4 bis 7 BewG in den Ersatzwirtschaftswert eingeflossen sind (vgl. , BStBl II 2017, 1181, Rz 32 f., m. Anm. Geserich, HFR 2017, 1003, 1004).

  • Ist der dabei in Ansatz gebrachte Wert je Hektar für die gepachteten und die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehenden Flächen identisch, folgt daraus, dass der Ersatzwirtschaftswert nach dem Verhältnis der Größe der gepachteten und der im Eigentum stehenden Flächen aufzuteilen ist.

  • Entgegen der Ansicht der Klägerin und des FG erfolgt zur Ermittlung des Eigentumsanteils am Ersatzwirtschaftswert (§ 126 Abs. 2 BewG) daher zunächst keine Aufteilung der bewirtschafteten Flächen in eigenen Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude sowie Anlagevermögen und Umlaufvermögen.

  • Ausgangspunkt für die Berechnung der gewerbesteuerrechtlichen Kürzung ist nicht ein angepasster (fiktiver) Ersatzwirtschaftswert, sondern der für die Gesamtfläche einheitlich berechnete Wert.

  • Bei der Festlegung, welche Vermögensgegenstände zum Ersatzwirtschaftswert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in den Beitrittsgebieten zu zählen sind, wird von einer Nutzungseinheit ausgegangen. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BewG handelt es sich hierbei um die dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen dienenden Wirtschaftsgüter, auch wenn der Nutzer nicht der Eigentümer ist. Insoweit haben bei der Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes die Eigentumsverhältnisse der Flächen und Wirtschaftsgüter keine Bedeutung (Stephany in Kreutziger/Schaffner/Stephany, 5. Aufl. 2021, § 125 BewG Rz 6).

  • Hintergrund der Schaffung von Ersatzwirtschaftswerten für land- und forstwirtschaftliches Vermögen im Beitrittsgebiet waren die ungeklärten Eigentumsverhältnisse sowie die noch fehlenden verwaltungsmäßigen Voraussetzungen bei der Vermessungsverwaltung und der erst im Aufbau befindlichen Finanzverwaltung (Bruschke in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 125 BewG Rz 4; , BStBl II 2017, 1177, Rz 26). Die Ersatzbemessungsgrundlage des Ersatzwirtschaftswertes wird nach dem BewG als ein von der Fläche abhängiger Ertragswert ermittelt, der sich am Hektarwert orientiert (vgl. , BStBl II 2017, 1181, Rz 32) und allein durch Multiplikation der genutzten Fläche mit einem pauschaliert nach der Ertragskraft des Grund und Bodens bestimmten ha-Satz berechnet wird (§ 125 Abs. 4, Abs. 6 BewG i.V.m. den dort genannten bewertungsrechtlichen Vorschriften).

  • Dabei wurde bei der Ableitung der Ansätze für die Vergleichswerte bei der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung eine Ertragsfähigkeit unterstellt, die unter dem mittleren Niveau der jeweiligen Nutzung im Bundesgebiet liegt (BR-Drucks 605/90, S. 114). Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in § 125 Abs. 4 BewG vorgegeben, welche Vorschriften des BewG bei der Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes sinngemäß anzuwenden sind. Danach sind die tatsächlichen Verhältnisse (§ 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG) nicht zu berücksichtigen (§ 125 Abs. 4 Satz 2 BewG), auch nicht etwaige Korrekturmöglichkeiten von Ab- und Zuschlägen nach § 41 BewG (§ 125 Abs. 4 Satz 1 BewG, vgl. BR-Drucks 605/90, S. 114).

  • Darüber hinaus verweist § 125 Abs. 4 BewG auch nicht auf § 142 BewG, der den Betriebswert teilweise wieder korrigiert (vgl. § 142 Abs. 4 BewG i.V.m. § 34 Abs. 4 BewG). Weder Gebäude noch Betriebsmittel gehen bei diesem Ertragswertverfahren mit einem gesonderten Wert in die Berechnung des Ersatzwirtschaftswertes ein (Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 126 Rz 7). Wirtschaftsgebäude und Betriebsmittel - unabhängig vom Eigentum - beeinflussen den Ersatzwirtschaftswert somit nicht. Das bedeutet zugleich, dass durch die Bewirtschaftung der gepachteten Flächen mit eigenen Betriebsmitteln weder der Wert für die eigenen Flächen erhöht noch jener für die gepachteten Flächen vermindert wird.

  • Die im Eigentum der Klägerin stehenden Flächen und die gepachteten Flächen gehen daher mit demselben Wert je Hektar in den Ersatzwirtschaftswert ein.

  • Mangels abweichender gesetzlicher Regelungen in § 126 BewG oder § 9 GewStG ergibt sich der Ersatzwirtschaftswert des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG daher allein aus dem prozentualen Anteil der Eigentumsflächen (vgl. Wackerbeck, EFG 2022, 1056).

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
ZAAAJ-53599