BSG Beschluss v. - B 5 R 56/22 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: SG Osnabrück Az: S 10 R 628/16 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 1 R 73/19 Urteil

Gründe

1I. Der Kläger wendet sich gegen Bescheide, in denen der beklagte Rentenversicherungsträger die Bewilligungsbescheide für eine große Witwerrente im Hinblick auf erzieltes, aber nicht mitgeteiltes eigenes Erwerbseinkommen rückwirkend für den Zeitraum vom bis zum hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise aufgehoben und die dadurch entstandene Überzahlung iHv 94 463,31 Euro zurückgefordert hat (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ; Teilanerkenntnis vom ). Im Klageverfahren hat das SG einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den die Beklagte aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt hat. Sodann hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil es ein grobes Mitverschulden der Beklagten im Hinblick auf von ihr unterlassene regelmäßige Einkommensprüfungen und deshalb auch das Vorliegen eines atypischen Falles angenommen hat. Dies hätte bei der Ermessensprüfung berücksichtigt werden müssen (Gerichtsbescheid vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG diese Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Die Voraussetzungen des für den Zeitraum bis zum maßgeblichen § 48 SGB X seien im Hinblick auf die grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten durch den Kläger erfüllt; zu beachtende Fristen stünden der Aufhebungsentscheidung nicht entgegen. Die Beklagte habe auch erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen habe. Ermessensfehleinschätzungen seien nicht festzustellen, zumal weder ein atypischer Fall noch ein wesentliches Mitverschulden der Beklagten vorliege.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise dargelegt. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

4Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; - juris RdNr 5). Diesen Anforderungen wird die für den Kläger mit Schriftsätzen vom und vom vorgelegte Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5Der Kläger führt als Frage von grundsätzlicher Bedeutung an, "ob in der vorliegenden Rechtssache eine typische oder atypische Konstellation gegeben ist". Diese Frage sei höchstrichterlich noch nicht geklärt. Eine Antwort auf diese Frage hänge maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab. Insoweit habe das LSG verkannt, dass die Belehrung des Klägers über seine Mitteilungspflichten "in einem sehr umfangreichen Schriftsatz erfolgte und weder prädestiniert und exponiert dargestellt wurde". Schon aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung seien insoweit die Maßstäbe des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen heranzuziehen. Auch der "Frage der Bewertung des Mitverschuldens" komme grundsätzliche Bedeutung zu. Das LSG habe dies "nichtzutreffend bewertet", weil es die im SGB I normierte Verpflichtung der Beklagten zur Beratung und Unterstützung "aufs gröbste vernachlässigt" habe; auch dies habe einen atypischen Fall zur Folge. Schließlich habe das LSG rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der Kläger "in un-typischer Weise erheblicher belastet" sei, weil "bei fehlerfreiem Verwaltungsvorgehen eine Überprüfung zu einem erheblich früheren Zeitraum erfolgt wäre".

6Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger mit diesem Vortrag abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm mit höherrangigem Recht formuliert hat. Jedenfalls fehlen jegliche Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen im Lichte bereits vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung (s zu den Anforderungen zB - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 6 mwN). Mit den vom LSG zitierten Entscheidungen des BSG zur Problematik des Vorliegens eines atypischen Falles (vgl LSG-Urteil S 12 ff unter 3.) setzt sich der Kläger nicht erkennbar auseinander. Sein Vorbringen erschöpft sich in der Behauptung, das LSG habe in seiner Rechtssache die maßgeblichen Umstände des Einzelfalles verkannt oder unzutreffend bewertet. Mit der Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG jedoch nicht dargetan werden (stRspr; vgl zB - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; - juris RdNr 13 mwN).

7Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

8Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.Düring                Hahn                Gasser

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:150622BB5R5622B0

Fundstelle(n):
YAAAJ-53222