Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 4 S 15/22vorgehend AG Wiesbaden Az: 91 C 1104/22 (85)
Gründe
1I. Der Rechtsbeschwerdeführer begehrt die teilweise Rückzahlung des Preises für einen bei der Rechtsbeschwerdegegnerin - einer Reiseveranstalterin - gebuchten Hotelaufenthalt.
2Die auf Zahlung von 625,60 Euro und Freistellung von vorinstanzlichen Anwaltskosten gerichtete Klage ist in erster Instanz erfolglos geblieben.
3Gegen das ihm am zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger am Berufung eingelegt. Auf seinen am (Montag) eingegangenen Antrag hat das Berufungsgericht die Frist zur Begründung des Rechtsmittels bis verlängert.
4Am hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eine Berufungsbegründung eingereicht, in der die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und die für die Abweisung der Klage maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts angegriffen werden.
5Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Begründungsfrist nicht eingehalten worden sei. Gegen diese ihm am zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am eingelegten Rechtsbeschwerde.
6II. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
8Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn ein Gericht einen in seinen Machtbereich gelangten Schriftsatz einer Partei nicht zur Kenntnis nimmt. Dies gilt auch dann, wenn es gerichtsintern zu Verzögerungen bei der Weiterleitung des Schriftsatzes an die zur Entscheidung berufenen Richter gekommen ist (vgl. nur , NJW 2023, 2173 Rn. 26 f.).
9Im Streitfall durfte das Berufungsgericht danach über die Berufung nicht entscheiden, ohne die - innerhalb der wirksam verlängerten Frist eingegangene und in formeller Hinsicht ordnungsgemäße - Berufungsbegründung des Klägers zur Kenntnis zu nehmen. Letzteres ist nicht geschehen. Ausweislich eines in der Akte enthaltenen Vermerks lag dem Berufungsgericht der Schriftsatz vom bei Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht vor.
10Daraus ergibt sich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen der Schriftsatz erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung vorgelegt worden ist.
11Unabhängig davon hätte das Berufungsgericht dem Kläger vor einer Verwerfung der Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:071123BXZB1.23.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-53215