BGH Urteil v. - 1 StR 57/23

Strafverurteilung wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Schwarzarbeit in der Baubranche und Abgrenzung von Tateinheit und Tatmehrheit

Gesetze: § 27 Abs 1 StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 53 Abs 1 StGB, § 266a StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Dresden Az: 5 KLs 131 Js 26188/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten E.           wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 61 Fällen, davon in 56 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, davon in 45 Fällen in weiterer Tateinheit mit Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten M.             hat es wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit Beihilfe zum Computerbetrug und mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten M.            , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, sowie seine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg, desgleichen die zuungunsten des Angeklagten E.           mit der Sachrüge geführte und auf das Absehen von einer Einziehungsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Hingegen sind die mit gleicher Zielrichtung zu Lasten des Angeklagten M.            geführte Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten E.           unbegründet.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete der Angeklagte E.           als Alleingesellschafter mithilfe des Angeklagten M.            , seines Onkels, im August 2015 die Em.     GmbH und wurde deren Geschäftsführer. Dem Rat des Angeklagten M.           , der wegen ähnlicher Tatserien aus dem Zeitraum 2002 bis 2005 bzw. 2006 bis 2011 bereits zweimal zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden war, folgend, ließ der Angeklagte E.           einen erheblichen Teil der Arbeitslöhne nicht in der Buchhaltung erfassen, sondern ab Oktober 2015 dem Buchhaltungsbüro L.     sowie ab Januar 2018 dem Steuerberatungsbüro F.       Monatslisten mit zu niedrigen Arbeitsstunden übergeben. Auf dieser unrichtigen Grundlage meldeten die gutgläubigen Büromitarbeiter gegenüber den Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger, dem Finanzamt und der S.       auf elektronischem Weg zu niedrige Arbeitslöhne; dadurch hielt der Angeklagte E.          zugunsten der Em.       GmbH im Tatzeitraum von Oktober 2015 bis August 2020 etwa 2,2 Mio. € an Sozialversicherungsbeiträgen vor, verkürzte bis Juli 2020 rund 394.000 € an Lohnsteuer inklusive Solidaritätszuschlag und ersparte rund 730.000 € an Sozialkassenbeiträgen. Bezüglich der Lohnsteuer ließ der Angeklagte E.           im Jahr 2016 und für die Monate Januar bis März 2017 Quartalsmeldungen abgeben. Die Verfolgung der Straftaten für die Monate November 2019 bis Januar 2020 sind nach § 154 Abs. 2, 1 Nr. 1 StPO eingestellt worden. Schließlich ließ der Angeklagte E.          für die Jahre 2015 bis 2019 gegenüber der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG-Bau) ebenfalls jährlich entgegen § 28a Abs. 2a SGB IV zu niedrige Jahresbruttoentgelte melden und führte daher zugunsten der Em.     GmbH fast 278.000 € an Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht ab.

3Der Angeklagte E.         wusste, dass er wegen dieser Ersparnisse die Bauleistungen der Em.      GmbH, vornehmlich auf dem Gebiet der Eisenflechterei, günstiger anbieten und dadurch mehr Gewinn im Vergleich zum legalen Handeln erwirtschaften konnte; er wollte „möglichst viel an eigenem Profit“ erzielen (UA S. 264) und damit seinen Lebensunterhalt finanzieren. Sein Gehalt von zunächst 2.000 € brutto monatlich erhöhte er bei einem Gesamtumsatz von rund 11,75 Mio. € im Zeitraum von 2015 bis 2019 ab Januar 2018 auf 4.000 € brutto monatlich, ab April 2018 auf 8.000 € brutto monatlich und schließlich ab Juni 2020 auf 11.719 € brutto monatlich. Der Angeklagte M.           , der seinen Neffen fortlaufend beriet (insbesondere UA S. 10 f., 13), war ab April 2016 mit Ausnahme der Monate August und September 2017 Bauleiter der Em.      GmbH, über deren Vermögen im November 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er verdiente zunächst 1.200 € brutto monatlich, ab Februar 2017 1.400 € brutto und ab Oktober 2017 1.800 € brutto.

4Um den Abfluss der Gelder, die der Angeklagte E.           für das Zahlen der „Schwarzlöhne“ benötigte, in der Buchhaltung erfassen und zugleich verschleiern zu können, beschaffte er sich sogenannte Abdeckrechnungen von sieben Firmen und ließ diese verbuchen; im Juli 2017 bestellte der Angeklagte M.             bei der Lo.   GmbH die erforderlichen Scheinrechnungen (UA S. 98). Der Angeklagte E.          hob monatlich durchschnittlich 100.000 € ab und bezahlte hiervon sein Gehalt sowie das der Angestellten der Em.    GmbH.

52. Das Landgericht ist bezüglich des Angeklagten M.          von einem einheitlichen bereits mit der Gründung der Baugesellschaft begonnen und mit dem Aufrechterhalten des Geschäftsbetriebs fortgesetzten Gehilfenbeitrag ausgegangen; insbesondere dem Beschaffen der Scheinrechnungen im Juli 2017 hat es keinen eigenständigen Gehalt beigemessen.

6Bezüglich beider Angeklagten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass sie ihre Gehälter nicht widerlegbar ausschließlich aus der legalen Tätigkeit der Em.      GmbH bezogen.

II.

71. Die Revision des Angeklagten E.           , die vornehmlich die Strafzumessung angreift, erweist sich aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet. Die Beurteilung der Konkurrenzen der vom Angeklagten E.           in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB) begangenen Taten folgt den vom Senat hierzu aufgestellten Grundsätzen ( Rn. 7 f. mwN). Auch die Annahme von selbständigen Taten (§ 53 Abs. 1 StGB) durch Abgabe der fünf unvollständigen Jahresmeldungen gegenüber der BG-Bau (Fälle 57 bis 61 der Urteilsgründe) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Denn diese waren erst zum 16. Februar des jeweiligen Folgejahres fällig (§ 150 Abs. 1 SGB VII, § 28a Abs. 2a Satz 1 SGB IV; § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB), mithin geraume Zeit nach den jeweiligen Monatsanmeldungen für den Dezember des Vorjahres; jedenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sind fortlaufende Gespräche des Angeklagten E.           mit den Buchhaltungskräften der Em.   GmbH (insbesondere UA S. 11 f., 52) und damit gesonderte Tatbeiträge zu entnehmen.

82. Hingegen haben die Rechtsmittel des Angeklagten M.            überwiegend Erfolg.

9a) Die Revision ist teilweise begründet.

10aa) Die Annahme einer einheitlichen Beihilfe hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

11(a) Ob die einzelnen Beiträge des Gehilfen (§ 27 Abs. 1 StGB) zueinander in Tateinheit oder -mehrheit stehen, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen auf der einen und der von ihm geförderten Haupttaten auf der anderen Seite ab. Tatmehrheit nach § 53 Abs. 1 StGB ist anzunehmen, wenn der Gehilfe durch seine Hilfeleistungen je eine andere Haupttat unterstützt, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen eindeutig zuzuordnen sind. Nur dann, wenn es an einem individuellen, ausschließlich je eine Einzeltat fördernden Tatbeitrag fehlt, ist von einer (einheitlichen) Beihilfe im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB auszugehen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 70/22 unter 2.; vom – 1 StR 436/21 Rn. 10 und vom – 1 StR 486/19 Rn. 7 f.; Urteil vom – 1 StR 224/19 Rn. 23; je mwN).

12Die einzelnen Beiträge sind nicht zu gewichten; jedes gesonderte Hilfeleisten führt zu Tatmehrheit, und zwar unabhängig davon, in welchem Ausmaß der Gehilfe dadurch die Haupttat gefördert hat. In diesem Sinne vermag etwa ein bedeutsamer Beitrag zu Beginn der Tatserie andere Teilnahmehandlungen, mit denen der Gehilfe den Haupttäter bei bestimmten Haupttaten unterstützt hat, nicht zu überlagern und nicht zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen. Dies gilt auch dann, wenn sich das Mitwirken des Gehilfen im Errichten, Aufrechterhalten und allgemeinen Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs erschöpft (vgl. zum sogenannten uneigentlichen Organisationsdelikt BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 307/20 Rn. 27; vom – 2 StR 358/17 Rn. 5 und vom – 4 StR 134/15 Rn. 12; je mwN): Wenn der Gehilfe sich unmittelbar an einer bestimmten Haupttat beteiligt, führt dies zur Tatmehrheit.

13Durch das voreilige Ausweichen auf eine einheitliche Beihilfe ist ein Gehilfe insbesondere dann beschwert, wenn eine einzelne Beihilfetat nach Beendigung der zugehörigen Haupttat verjährt ist (vgl. zur Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft innerhalb eines uneigentlichen Organisationsdelikts: Rn. 52). Auch können ihm im Falle weiterer nicht verfahrensgegenständlicher Straftaten Vorteile einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung genommen werden.

14(b) Für den Monat Juli 2017 ist mit dem Organisieren der Scheinrechnungen bereits ein eigenständiger gesonderter Gehilfenbeitrag festgestellt. Auch im Übrigen drängen sich monatlich zusammenzufassende Unterstützungshandlungen und damit Tatmehrheit auf; denn der Angeklagte M.            beriet seinen Neffen während des gesamten Tatzeitraums.

15(c) Eine Beschwer des Angeklagten durch die Annahme von Tateinheit ist letztlich nicht auszuschließen, zumal die lückenhaften Feststellungen eine revisionsgerichtliche Nachprüfung nicht zulassen, ob das Landgericht – infolge des angenommenen späten Beendigungszeitpunkts erst zu Ende August 2020 sich insoweit einer weiteren Prüfung verschließend – zurecht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§§ 55, 53, 54 StGB) zumindest mit vier Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts D.      vom abgesehen hat. Mit dieser früheren Verurteilung wurde eine vergleichbare im Zeitraum von März 2006 bis Oktober 2011 begangene Tatserie geahndet, innerhalb derer der Angeklagte M.             als Geschäftsführer der Sa.         GmbH rund 1,25 Mio. € an Sozialversicherungsbeiträgen und rund 225.000 € an Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht abgeführt hatte.

16(aa) Der Vollstreckungsstand hinsichtlich dieser früheren Gesamtfreiheitsstrafe wird nicht mitgeteilt. Damit ist nicht auszuschließen, dass die für die Monate Juli bis Oktober 2011 verhängten Einzelstrafen hier einzubeziehen sind. Nur bezüglich der Taten bis einschließlich Juni 2011, die mit Ablauf des beendet waren (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV; , BGHSt 65, 136), steht sicher fest, dass insoweit Gesamtstrafenfähigkeit mit dem weiteren – (erst) seit dem und damit nach dem erledigten – Urteil des Amtsgerichts D.      vom bestand, die dauerhaft eine Einbeziehung der vorherigen Taten sperrt, auch wenn aus den beiden früheren Urteilen des Amtsgerichts keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 183/23 Rn. 6; vom – 3 StR 204/20 Rn. 12; vom – 1 StR 615/19 Rn. 6 und vom – 4 StR 356/13 Rn. 6; je mwN).

17(bb) Nur wenn dem Urteil vom im Zeitraum ab November 2011 eine weitere Tatsachenverhandlung nachfolgte, in welcher die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB), wären auch die letzten vier Einzelstrafen aus dem Urteil vom nicht einzubeziehen. Warum das Urteil vom erst am rechtskräftig geworden ist und ob – naheliegend – ein Berufungssachurteil erging, wird indes ebenfalls nicht mitgeteilt.

18(d) Die Feststellungen sind vom Konkurrenzfehler nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Es ist auszuschließen, dass der Angeklagte M.            sich nicht an einzelnen Haupttaten innerhalb der Tatserie beteiligte (vgl. Rn. 14 bzw. 15). Die Feststellungen sind um solche zu einzelnen Unterstützungshandlungen zu ergänzen; im Übrigen sind neue Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

19bb) Die Verfahrensrügen erweisen sich aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als erfolglos.

20b) Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung (§ 464 Abs. 3 Satz 1, 3, § 311 StPO) hat ebenfalls Erfolg.

21aa) Sie ist wirksam darauf beschränkt, dass das Landgericht die Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten M.            , die auf den Einziehungsteil entfallen, nicht der Staatskasse auferlegt hat. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats – abweichend vom Prinzip der Kosteneinheit – einer gesonderten Entscheidung zugänglich (§ 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 423/20, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff. und vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff.). Die Kostenbeschwerde ist auch in der Sache begründet; der die Einziehung betreffende Kostenteil ist entscheidungsreif. Nach der Anklage hatte der Angeklagte eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 356.000 € zu gewärtigen; im Ergebnis bleibt es bei einer Nichtanordnung.

22bb) Im Übrigen hat der Angeklagte M.            die Kostentscheidung nicht angefochten; insoweit wäre die Beschwerde, wie er selbst zutreffend ausgeführt hat, wegen der in der Hauptsache erforderlichen neuen Verhandlung gegenstandslos (zuletzt BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 483/22 Rn. 12 und vom – 4 StR 64/22 Rn. 12 mN).

233. Die wirksam auf das Absehen von Einziehungsanordnungen beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind nur hinsichtlich des Angeklagten E.           begründet.

24a) Insoweit hält die Nichtanordnung der Einziehung der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung, die der Prüfung der Vermögensabschöpfung unter dem Gesichtspunkt einer Entlohnung (§ 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB: „für die Tat“) zugrunde liegt, ist rechtsfehlerhaft.

25aa) Zutreffend hat das Landgericht indes im Ergebnis angenommen, dass eine Einziehung nicht auf § 73 Abs. 1 Alternative 1 („durch die Tat“), § 73c Satz 1 StGB gestützt werden kann; denn die aus den Taten – kausal – resultierenden abschöpfbaren Vermögensvorteile bestanden ausschließlich darin, keine weiteren Sozialversicherungs- und Sozialkassenbeiträge sowie Lohnsteuern abgeführt zu haben. Diese Ersparnisse schlugen sich allein im Vermögen der Em.      GmbH nieder, waren sogleich verbraucht und konnten damit nicht im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden; die abgehobenen – möglicherweise aus den Ersparnissen finanzierten – Bargelder haben außer Betracht zu bleiben (zuletzt BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 22/23 Rn. 9 f. und vom – 1 StR 376/22 Rn. 7, 11; je mwN).

26bb) Das Landgericht hat aber die Einziehungsalternative des Tatlohns rechtsfehlerhaft geprüft.

27(a) „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 376/22 Rn. 9; vom – 2 StR 67/22 Rn. 14 und vom – 3 StR 162/22 Rn. 12 f.; je mwN). Die beiden Alternativen des § 73 Abs. 1 StGB schließen sich gegenseitig aus ( Rn. 14); eine genaue Abgrenzung ist u.a. deswegen erforderlich, weil der Anspruch des Staates auf Abschöpfung des Tatlohns von etwaigen Ausgleichsleistungen eines anderen Einziehungsbeteiligten an den Geschädigten (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB) unberührt bleibt ( unter 1. c]).

28Zudem sind vom inkriminierten Tatlohn Zuwendungen abzugrenzen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält. Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich besteht oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines solchen vorgetäuschten Anspruchs an ihn weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 67/22 Rn. 14 und vom – 1 StR 233/22 Rn. 19; Urteile vom – 6 StR 227/21 Rn. 45 und vom – 5 StR 443/19, Rn. 100).

29Schließlich ist nicht erforderlich, dass andere natürliche Personen dem Einziehungsbetroffenen den Vermögensvorteil für seine Tatbeteiligung zugewendet haben. Auch juristische Personen oder (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften können als Leistende zwischengeschaltet werden. Andernfalls wären insbesondere die geschäftsführenden Alleingesellschafter einer „Ein-Mann-GmbH“ vor der Abschöpfung übermäßiger Geschäftsführergehälter oder besonderer Entnahmen, die finanziell allein durch die rechtswidrigen Ersparnisse der juristischen Person ermöglicht sind, unberechtigt geschützt. Allein die Eigenmächtigkeit eines Einbehalts unterbricht den Kausal- und Zurechnungszusammenhang (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 376/22 Rn. 9; vom – 1 StR 133/21 Rn. 8 und vom – 1 StR 529/19 Rn. 18).

30(b) Hier drängten die Feststellungen, namentlich diejenigen zur enormen Steigerung des Gehalts während der Tatserie, zur Prüfung, ob der Angeklagte unter dem Deckmantel seines „offiziellen Lohns“ tatsächlich von den Ersparnissen in tragfähig feststellbarem Umfang profitierte, der naheliegend im Wege einer – vorsichtigen, dem Zweifelsgrundsatz genügenden – Schätzung von Mindestbeträgen zu ermitteln wäre (vgl. auch , BGHR StGB Erlangtes 33 Rn. 6, 17: ‚mit Buchgeldern private Ausgaben getätigt‘). Der Angeklagte könnte schlüssig mit sich selbst und zugleich als Vertreter der Em.      GmbH eine entsprechende Unrechtsvereinbarung getroffen haben (Insichgeschäft; § 181 Alternative 1 BGB).

31Die dem Absehen von der Einziehung zugrundeliegende Beweiswürdigung ist indes widersprüchlich bzw. lückenhaft. Denn das Landgericht hat die Taten rechtsfehlerfrei als gewerbsmäßig begangen eingestuft, was bezüglich des Computerbetrugs das Regelbeispiel des § 263a Abs. 2 StGB i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt; dem Angeklagten gelang es tatsächlich entsprechend seiner Absicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 37/19 Rn. 22; vom – 5 StR 90/08 Rn. 6 und vom – 5 StR 543/07 Rn. 5; Urteil vom – 5 StR 477/17 Rn. 17), mittelbar aus der höheren Gewinnspanne der Baugesellschaft, die aus den umfangreichen Ersparnissen in Millionenhöhe resultierte, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren (insbesondere UA S. 12, 264, 267). Diese realisierte Gewerbsmäßigkeit lässt sich nicht mit der Würdigung des Landgerichts vereinbaren, der Angeklagte habe sein Geschäftsführergehalt bereits aus der legalen Tätigkeit der Em.       GmbH bestreiten können (UA S. 279). Diesen Widerspruch hat das Landgericht nicht aufgelöst.

32b) Hingegen hat das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten M.             den Sachverhalt – den eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt – ausermittelt und dennoch keine weiteren Vermögenszuflüsse außerhalb des geringen Gehalts, namentlich Barzahlungen unter der Hand, tragfähig feststellen können (§ 261 StPO; insbesondere UA S. 266 zweiter Halbsatz, S. 279 letzter Absatz; vgl. Rn. 7-11 und vom – 1 StR 398/21 Rn. 4). Zudem hat es sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte E.          seinem Onkel den „offiziellen“ Lohn als Entgelt für die Tatbeteiligung zahlte. Dies alles lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Da ein Zufluss von abschöpfbaren Vermögensvorteilen damit bereits dem Grunde nach nicht festzustellen war, war dem Tatgericht eine Schätzung der Höhe (§ 73d Abs. 2 StGB) verwehrt (vgl. Rn. 13).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060923U1STR57.23.0

Fundstelle(n):
wistra 2024 S. 288 Nr. 7
wistra 2024 S. 3 Nr. 2
UAAAJ-53044