BGH Urteil v. - 6 StR 242/23

Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Berechnung der Wirkstoffmenge bei mehreren Betäubungsmitteln

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 8 KLs 651 Js 14923/22nachgehend Az: 6 StR 283/24 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

2Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte von seinem Lieferanten insgesamt 459 g Heroin, 14 g Kokain und 45,6 g Cannabis (Wirkstoffmengen: 38,9 g Heroinhydrochlorid, 4,01 g Kokainhydrochlorid sowie mindestens 4 g Tetrahydrocannabinol) und verwahrte die Betäubungsmittel in seiner Wohnung. Während er das Cannabis selbst konsumieren und das Kokain unentgeltlich an eine Freundin weitergeben wollte, war das Heroin für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Bei einer Durchsuchung der Wohnung fanden Polizeibeamte die Betäubungsmittel sowie einen funktionstüchtigen und mit neun Patronen geladenen Revolver, den der Angeklagte in einer Umhängetasche am Körper trug.

II.

3Das Landgericht hat übersehen, dass der Angeklagte auch den Qualifikationstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG durch die Verwahrung des Cannabis und des Kokains verwirklicht hat, weil er Betäubungsmittel „in nicht geringer Menge“ besaß. Zwar wurde vorliegend bei keinem der beiden Betäubungsmittel – für sich betrachtet – der Grenzwert zur nicht geringen Menge erreicht. Maßgeblich ist insoweit aber die Summe der beiden Wirkstoffmengen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 473/02, NStZ 2003, 434; vom – 4 StR 461/18, NStZ-RR 2019, 314; Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29a Rn. 106). Dazu ist zunächst der Prozentsatz der Einzelwirkstoffmengen vom jeweiligen Grenzwert der nicht geringen Menge zu bestimmen; sodann sind die Prozentsätze zu addieren (vgl. BeckOK-BtMG/Schmidt, 19. Ed., Vorbemerkungen zu § 29a BtMG Rn. 13 ff. mwN). Die Summe der Prozentsätze der beiden im Besitz des Angeklagten aufgefundenen und nicht zum Handel bestimmten Betäubungsmittel betrug 133,53 Prozent der nicht geringen Menge.

4In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ändert der Senat den Schuldspruch. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Einordnung des tateinheitlich begangenen Delikts als Verbrechen einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG verneint hätte und zu einer höheren Strafe gelangt wäre. Demgegenüber bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler keiner Aufhebung von Feststellungen. Die Einziehungsentscheidung hat ebenfalls Bestand. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:181023U6STR242.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-52567