Nichtzulassungsbeschwerde - zu den Folgen einer unterlassenen elektronischen Übermittlung der Beschwerdebegründungsschrift
Leitsatz
1. NV: Für Steuerberater steht seit dem ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Verfügung, zu dessen Nutzung sie gemäß § 52d Satz 2 FGO verpflichtet sind.
2. NV: Eine beim Bundesfinanzhof nach dem fristgemäß als Telefaxschreiben eingegangene Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, die durch eine Steuerberaterin eingereicht wurde, entspricht diesen Anforderungen nicht und ist unwirksam.
Gesetze: FGO § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2; FGO § 52d; FGO § 116 Abs. 3 Satz 1; StBerG § 86d Abs. 6;
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
2 1. Der Kläger hat es versäumt, die Beschwerde innerhalb der dafür bestimmten Frist in der seit dem vorgeschriebenen Form zu begründen. Denn die beim Bundesfinanzhof (BFH) am innerhalb der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist (vgl. dazu § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) als Telefaxschreiben eingegangene Beschwerdebegründung entspricht nicht den —von Amts wegen zu berücksichtigenden— Anforderungen des § 52d Satz 1 und 2 FGO.
3 a) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen —und damit auch die Beschwerdebegründungsschrift—, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
4 b) Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater steht seit dem ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung.
5 aa) Durch Art. 6 Nr. 4 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom (BGBl I 2013, 3786) wurde in § 52d FGO mit Wirkung zum eine Nutzungspflicht der elektronischen Gerichtskommunikation unter anderem für Rechtsanwälte und Behörden eingeführt. Für andere vertretungsberechtigte Personen gilt dies erst, wenn ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht. Mit Art. 4 Nr. 35 und 77 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom (BGBl I 2021, 2363) wurden unter anderem die Steuerberaterplattform und das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) eingeführt.
6 bb) Gemäß § 86d Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ist die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) verpflichtet, über die Steuerberaterplattform (§ 86c StBerG) für jeden Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ein beSt empfangsbereit einzurichten. Nach § 86d Abs. 6 StBerG ist der Inhaber des beSt verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beSt zur Kenntnis zu nehmen (passive Nutzungspflicht). Nach § 157e StBerG ist die Regelung am in Kraft getreten und erstmals ab dem anzuwenden. Der gesetzlichen Verpflichtung ist die BStBK durch Einrichtung der Steuerberaterplattform und der beSt-Infrastruktur fristgerecht nachgekommen.
7 cc) Ebenso war es den Steuerberatern möglich, sich regelmäßig vor dem für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr registrieren zu lassen. Zur weiteren Begründung wird insoweit auf die Ausführungen in dem , Rz 11 ff. verwiesen, denen sich der beschließende Senat anschließt.
8 dd) Danach stand der Prozessbevollmächtigten (Steuerberaterin) des Klägers spätestens seit dem ein sicherer Übermittlungsweg „zur Verfügung“, zu dessen Nutzung sie nach § 52d Satz 2 FGO verpflichtet war (z.B. , Rz 14, m.w.N.). Ob der jeweiligen Steuerberaterin die von ihr vorzuhaltenden „technischen Einrichtungen“ zur Verfügung stehen und das beSt von ihr tatsächlich freigeschaltet wurde, ist insoweit unerheblich.
9 c) Eine wirksame Ersatzeinreichung der Beschwerdebegründung in Papierform liegt nicht vor. Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist.
10 Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat weder dargelegt noch nach § 52d Satz 4 FGO glaubhaft gemacht, dass eine technische Störung vorgelegen hat. Im Gegenteil hat sie auf das Schreiben der Senatsvorsitzenden vom , in dem sie darauf hingewiesen wurde, dass ihre Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 52d Satz 1 FGO entspreche, dem BFH mit Schreiben vom —eingegangen per Telefax am — mitgeteilt, dass sie nicht zur Nutzung des beSt verpflichtet sei und weder über die erforderliche Hardware noch über die entsprechenden Kenntnisse zur Nutzung des beSt verfüge. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daher den zur Verfügung stehenden sicheren Übermittlungsweg gar nicht eingerichtet. Eine vorübergehende technische Störung nach § 52d Satz 3 FGO ist hierin nicht zu sehen. Denn § 52d Satz 3 FGO ist nur bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt anwendbar (, Rz 24, m.w.N.).
11 d) Folglich ist die am als Telefaxschreiben beim BFH eingegangene Beschwerdebegründung unwirksam und nicht zu beachten; die Begründung gilt als nicht eingereicht. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insbesondere die Fristwahrung —hier die Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist im Sinne des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO— aus (z.B. , Rz 25, m.w.N.).
12 2. Dem Kläger kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) nicht gewährt werden.
13 Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Kläger nicht gestellt. Eine gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dies voraussetzt, dass die präsenten und gerichtsbekannten Tatsachen eine Wiedereinsetzung rechtfertigen (z.B. , Rz 9, m.w.N.).
14 Hieran fehlt es. Im Streitfall war die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht ohne Verschulden daran verhindert, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen in der Regel das Verfahrensrecht kennen (z.B. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 56 Rz 75, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung der Steuerberater, ab dem Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen über das beSt als elektronisches Dokument an die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit zu übermitteln. Der Irrtum der Prozessbevollmächtigten, hierzu nicht verpflichtet zu sein, ist nicht entschuldbar.
15 3. Aber selbst wenn man —entgegen der Meinung des beschließenden Senats— von einer wirksamen und damit fristgemäßen Einreichung der Beschwerdebegründung durch das am beim BFH eingegangene Telefaxschreiben ausginge, bliebe die Beschwerde des Klägers erfolglos. Denn die von ihm als Zulassungsgründe geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind zum Teil nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt und im Übrigen nicht gegeben.
16 a) Soweit der Kläger rügt, das Finanzgericht (FG) habe es unterlassen, den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) zur Vorlage der Belege über die von ihm erzielten Einkünfte aufzufordern und damit gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen, fehlt jeglicher Vortrag dazu, inwiefern sich aus diesen Belegen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG eine andere Entscheidung hätte ergeben können (zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen z.B. ).
17 b) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe dadurch seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt, dass es sich die dem Kläger in Luxemburg erteilte Niederlassungserlaubnis nicht bis zum Erlass des Urteils habe vorlegen lassen, kann hierin schon deshalb kein Sachaufklärungsmangel liegen, weil das FG dieses Schriftstück bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt hat (vgl. S. 12 des FG-Urteils).
18 c) Soweit der Kläger ausführt, er habe sich während des FG-Verfahrens zu dem Schreiben des Landkreises X vom , in dem das gegen ihn ausgesprochene Tierhaltungsverbot thematisiert worden sei, nicht äußern können, ist der hiermit geltend gemachte Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht ordnungsgemäß dargelegt (zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen z.B. , Rz 14). Der Kläger legt weder dar, was er vorgetragen hätte, wenn sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden wäre, noch, dass bei Berücksichtigung dieses zusätzlichen Vortrags eine andere Entscheidung des FG in der Sache möglich gewesen wäre.
19 4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
20 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.311023.IVB77.22.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2710 Nr. 47
BFH/NV 2024 S. 20 Nr. 1
DStR-Aktuell 2023 S. 14 Nr. 46
VAAAJ-52520