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BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 24/23

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung: Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalts im Insolvenzverfahren

Gesetze: § 14 Abs 2 Nr 7 Halbs 2 BRAO, § 248 InsO, § 308 InsO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 2/23 Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin ist seit April 1985 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 6 mwN).

4Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

5a) Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen und die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 10 mwN). Abzustellen ist hier demnach auf den Zeitpunkt der der Klägerin nach ihren Angaben am zugestellten Widerrufsverfügung vom .

6b) Das Vorbringen der Klägerin begründet keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, dass sich die Klägerin in diesem Zeitpunkt in Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO befunden hat.

7aa) Zu diesem Zeitpunkt dauerte das am eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin (  IN     AG      ) noch an, so dass der damalige Vermögensverfall der Klägerin gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO widerlegbar vermutet wird.

8Außerdem bestanden zu diesem Zeitpunkt mehrere Eintragungen der Klägerin im Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO), was ebenfalls die widerlegbare Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO begründet. Diese Vermutung greift zwar dann nicht, wenn die Eintragung im Schuldnerverzeichnis im maßgeblichen Zeitpunkt bereits tilgungsreif war, weil die ihr zugrundeliegende Forderung schon vollständig getilgt war (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 50/19, juris Rn. 20; vom - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577; vom - AnwZ (Brfg) 39/17, ZInsO 2017, 2544 Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 40/19 Rn. 6). Das ist hier aber nicht der Fall, da die den Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen - wie die Klägerin selbst einräumt - erst nach dem Widerruf ihrer Zulassung vollständig beglichen wurden. Der Einwand der Klägerin, dass sich die den Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen insgesamt auf lediglich 3.300 € beliefen, lässt die Vermutungswirkung ebenfalls nicht entfallen. Der Umstand, dass es selbst wegen kleinerer Verbindlichkeiten zu Vollstreckungsmaßnahmen kommt, kann vielmehr gerade auch für prekäre, jedenfalls aber nicht mehr geordnete finanzielle Verhältnisse sprechen (vgl. Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO Rn. 31 und § 7 BRAO Rn. 89 mwN).

9bb) Zutreffend ist der Anwaltsgerichtshof auch davon ausgegangen, dass die Klägerin die gesetzliche Vermutung ihres Vermögensverfalls nicht widerlegt hat.

10Im Fall eines Insolvenzverfahrens ist die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 2/22, juris Rn. 8 mwN). Diese Voraussetzungen waren im maßgebenden Zeitpunkt nicht erfüllt. Die Mitteilung des Insolvenzverwalters im Schreiben vom , dass das Insolvenzverfahren kurz vor seinem Abschluss stehe, reicht dafür nicht aus, zumal das Verfahren selbst im Zeitpunkt der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs noch nicht beendet war und - wie die Klägerin mit der Begründung ihres Zulassungsantrags mitgeteilt hat - erst am der Schlusstermin stattgefunden hat. Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung ist auch nicht dadurch widerlegt, dass der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin freigegeben hatte (§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO; vgl. Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 29/15, juris Rn. 6; vom - AnwZ (Brfg) 19/20, juris Rn. 5 und vom - AnwZ (Brfg) 2/22, juris Rn. 9; jeweils mwN).

11Keine andere Beurteilung rechtfertigt auch der Vortrag der Klägerin, ihre finanzielle Situation habe sich inzwischen konsolidiert, die ihren Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrundeliegenden Forderungen seien nunmehr getilgt und die Eintragungen gelöscht, es habe auch im Zeitpunkt des Widerrufs keine weiteren Gläubiger gegeben und ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse seien zwischenzeitlich nachhaltig geordnet, wozu sie gegebenenfalls ein entsprechendes Verzeichnis nachreichen könne. Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung vermag dies bereits deshalb nicht zu widerlegen, weil die Rechtsprechung des Senats zur Widerlegung der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO durch eine umfassende Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nur) für die Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO gilt (vgl. Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 5 und vom - AnwZ (Brfg) 39/21, ZInsO 2022, 1461 Rn. 20), während für die Vermutung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die oben genannten Anforderungen an eine Widerlegung bestehen. Darüber hinaus würde das Vorbringen aber auch für eine Widerlegung der Vermutung aufgrund der Eintragungen der Klägerin in das Schuldnerverzeichnis nicht ausreichen, weil es auch dafür - wie oben ausgeführt - auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ankommt und eine etwaige spätere Konsolidierung erst in einem etwaigen Wiederzulassungsverfahren relevant würde.

12c) Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen auch, soweit der Anwaltsgerichtshof auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall der Klägerin bejaht hat.

13Der Anwaltsgerichtshof hat auch hier die ständige Rechtsprechung des Senats zutreffend zugrunde gelegt, nach der aufgrund der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden ist. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (st. Rspr.; siehe etwa Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 29/22, juris Rn. 12 und vom - AnwZ (Brfg) 33/22, juris Rn. 11; jeweils mwN).

14Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht verneint. Der Anwaltsgerichtshof hat insoweit zutreffend darauf verwiesen, dass die Klägerin weiterhin im Rahmen einer Bürogemeinschaft, mithin selbständig tätig ist, und weder dem von ihr vorgelegten Bürogemeinschaftsvertrag noch ihrem übrigen Vorbringen verbindliche Absprachen zur Vermeidung einer Gefährdung von Mandanteninteressen, insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit eingehenden Fremdgeldern, zu entnehmen sind. Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, hat die Klägerin auch mit der Begründung ihres Zulassungsantrags nicht vorgetragen.

152. Die weiteren Zulassungsgründe des § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis Nr. 5 VwGO sind von der Klägerin ebenfalls nicht dargetan und liegen auch nicht vor.

III.

16Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010923BANWZ.BRFG.24.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-52503