BGH Beschluss v. - 6 StR 220/23

Instanzenzug: LG Neubrandenburg Az: 22 KLs 19/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren Bandendiebstahls in 16 Fällen, davon in einem Fall im Versuch“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Einziehung eines Pkw Audi A6 als Tatmittel sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 129.229,06 Euro angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte spätestens am mit den gesondert verfolgten L.  , La.   und B.     zusammengeschlossen, um ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend in Deutschland fortgesetzt arbeitsteilig hochwertige Werkzeuge aus Kleintransportern von Handwerksfirmen zu entwenden und in Polen gewinnbringend zu veräußern; dadurch wollten sie sich eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. Zu diesem Zweck fuhr der Angeklagte jeweils mit mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in regelmäßigen Abständen mit einem Pkw von Polen nach Deutschland, wo sie geeignete Fahrzeuge auskundschafteten. Nachts begaben sie sich zu dem jeweiligen Firmengelände und verschafften sich Zutritt zum Fahrzeug, zumeist indem sie die Schiebetür aufbrachen oder ein Fenster einschlugen. Dann entwendeten sie das darin befindliche Werkzeug, in den Fällen 1, 10 und 15 der Urteilsgründe zudem das Fahrzeug selbst; im Fall 1 der Urteilsgründe handelte es sich um einen Transporter der GLS Group, in dem sich zwei Pakete befanden.

32. Der Schuldspruch wegen schweren Bandendiebstahls in den Fällen 1 bis 13, 15 und 16 der Urteilsgründe sowie wegen versuchten schweren Bandendiebstahls im Fall 14 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4a) Das Landgericht hat sich zwar in allen Fällen rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Angeklagten und gewerbsmäßigem Handeln im Sinne des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB überzeugt. Die Annahme des Landgerichts, dass es sich jeweils um Bandentaten handelte, entbehrt jedoch einer tragfähigen Beweiswürdigung. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Beweiserwägungen zur Beteiligung der namentlich genannten La.  und B.    an der Bande lassen die Urteilsgründe in Gänze vermissen. Der gesondert Verfolgte L.   soll – so das Urteil – im zeitlichen Zusammenhang mit den Taten Nr. 9 bis 11 der Urteilsgründe (Tatzeitpunkte vom , 16 Uhr, bis , 6.55 Uhr) mit dem Angeklagten am in der Zeit von 0.20 Uhr bis 0.44 Uhr zwei Telefonate geführt haben, in denen der Angeklagte seine Schwierigkeiten schilderte, den anderen mit seinem Fahrzeug folgen zu können (UA S. 24). Nach den Ausführungen der Strafkammer sei die Stimme des Angeklagten erkennbar (der Angeklagte hatte Ausführungen zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht). Angaben dazu, aufgrund welcher Erkenntnisse der Gesprächspartner der gesondert Verfolgte L.   war, fehlen dagegen. (…)

Die Bandenabrede kann zwar auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden. Für eine Bandenabrede sprechen indiziell die Anzahl der Täter, die Vielzahl der verübten Taten, ein beträchtlicher Tatzeitraum oder dass ein Mittäter gewerbsmäßig gehandelt hat (…). Die von der Strafkammer aufgezeigten Indizien können aber das Bestehen einer Bande aus dem Angeklagten und (zumindest) zwei weiteren Personen nicht tragfähig belegen. Im Einzelnen: (…)

Das Landgericht ging nach den Feststellungen zwar davon aus, dass der Angeklagte jeweils mit zwei weiteren Personen (Bandenmitgliedern) vor Ort war, obgleich es sich im Fall Nr. 8 der Urteilsgründe (auf Lichtbildaufnahmen vom Tatort sind zwei Personen zu erkennen, UA S. 22) nur von der Anwesenheit eines weiteren Bandenmitglieds zu überzeugen vermochte (UA S. 23: ‚… lässt die Kammer zu der Überzeugung kommen, dass der Angeklagte in diesem Fall mit mindestens einem weiteren gesondert Verfolgten die Tat beging‘). Das Landgericht führte folgende Umstände an: Bei den Taten Nr. 9 bis 11 der Urteilsgründe spricht der Inhalt der abgehörten Telefonate für ein arbeitsteiliges Vorgehen und dafür, dass zumindest drei Täter an den Taten beteiligt waren, da der Angeklagte mehrere Personen anspricht (UA S. 28). Bei der Tat Nr. 12 der Urteilsgründe weisen die Telefonate des Angeklagten auf ein geplantes, berufsmäßiges Vorgehen hin. Der Angeklagte spricht von ‚wir‘ und gibt an, ‚nicht allein‘ zu sein. Auch das Telefonat vor der Tat Nr. 13 der Urteilsgründe, in welchem der gesondert Verfolgte B.    – nach Auffassung der Strafkammer ein offensichtlich ehemaliger Mittäter des Angeklagten – angab, in einer anderen ‚Firma‘ zu sein, spricht für bandenmäßige Strukturen, die als ‚Firma‘ bezeichnet werden (UA S. 29). Hintergründe zum gesondert Verfolgten B.    teilt das Urteil allerdings nicht mit, so dass schon die Auslegung und Einordnung des Gesprächs durch die Strafkammer nicht überprüfbar ist. (…)

Nach den mitgeteilten Beweisanzeichen bleibt ferner offen, ob es sich bei den weiteren Personen (neben dem Angeklagten) immer um dieselben Personen, also eine Tätergruppe handelt. Allein mit einem ‚geplanten, berufsmäßigen Vorgehen‘ (UA S. 28) und einer mit wenigen Ausnahmen immer gleich gewählten Art der Tatbegehung (UA S. 27) unbekannt gebliebener Personen kann eine Bandenmitgliedschaft nicht begründet werden (vgl. ).

Auf diese vorgenannten Umstände allein kann die Verurteilung wegen Bandendiebstahls auch deshalb nicht gestützt werden, da zur Überzeugung des Tatgerichts ausgeschlossen werden muss, dass sich der Angeklagte mit einzelnen Beteiligten nur zu einer Tat verbunden hat und in der Folgezeit (aufgrund eines neuen Entschlusses) mit anderen Personen (oder aber allein) weitere Taten begangen hat (vgl. Brodowski in LK, 13. Aufl., § 244 Rn. 66 mwN; vgl. auch Senat, Beschluss vom – 6 StR 68/22 Rn. 6).“

5Dem schließt sich der Senat an.

6In den Fällen 10 und 15 der Urteilsgründe wird darüber hinaus die Annahme des Landgerichts, dass die Diebstähle durch Einbrechen in einen umschlossenen Raum (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) begangen wurden, von den Feststellungen nicht getragen. Ihnen lässt sich lediglich entnehmen, dass der Angeklagte und seine Mittäter „sich“ in diesen Fällen „Zutritt“ zu dem betreffenden Fahrzeug „verschafften“, nicht jedoch, ob sie zu diesem Zweck – wie in anderen Fällen – die Seitentür aufbrachen, eine Scheibe einschlugen oder das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB in sonstiger Weise verwirklichten.

7b) Der Schuldspruch ist danach aufzuheben. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) mit Ausnahme derjenigen, die der Annahme einer Bandenabrede, von Bandentaten und in den Fällen 10 und 15 der Urteilsgründe einer Tatbegehung durch Einbrechen in einen umschlossenen Raum zugrundeliegen.

83. Die Aufhebung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch entfallen und entzieht auch den Einziehungsentscheidungen die Grundlage. Bestand haben lediglich die der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen zugrundeliegenden Feststellungen zum Wert der in den Fällen 1, 10 und 15 der Urteilsgründe entwendeten Fahrzeuge sowie der Pakete im Fall 1 der Urteilsgründe. Zu den Einziehungsentscheidungen hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„a) Maßgebend für die Bestimmung des der Einziehung unterliegenden Geldbetrages ist der gewöhnliche Verkaufspreis für Waren gleicher Art und Güte, dessen Höhe sich nach dem Verkehrswert der Sache bestimmt (Senat, Beschluss vom – 6 StR 386/20 mwN).

Die Strafkammer hat zwar ohne Rechtsbedenken die Art und den Umfang des Stehlguts jeweils auf die von den Betroffenen übermittelten Aufstellungen gestützt. Sie hat aber lediglich für entwendete Kraftfahrzeuge (IVECO Daily, Tat Nr. 1; Transporter Renault, Tat Nr. 10; VW-Amorak, Tat Nr. 15) nachvollziehbar (vgl. UA S. 20, 24) den jeweiligen Zeitwert geschätzt. Auch kann bei der Tat Nr. 1 der Urteilsgründe der Wert der ‚Haftungsanerkenntnisse der GLS-Group‘ (UA S. 20) zugrunde gelegt werden. Für die weiteren Gegenstände ist die Strafkammer (ohne nähere Erläuterung) aber ersichtlich (teilweise Angabe von Dezimalstellen) rechtsfehlerhaft vom Kaufpreis des Stehlguts ausgegangen.

Im Übrigen hätte die Strafkammer – ausgehend von ihrer Annahme der unmittelbaren Beteiligung weiterer Personen an den Diebstahlstaten – eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten anordnen müssen.

b) Die Anordnung der Einziehung des bei der Tat Nr. 6 genutzten Pkw Audi A6 (UA S. 22, 31 f.) begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken.

aa) Sind – wie vorliegend nach der Begründung der Strafkammer (UA S. 31 f.) – die Einziehungsvoraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB gegeben, falls der Täter Eigentümer des Gegenstandes zur Zeit der Entscheidung ist, die des § 74a StGB aber, falls er zu diesem Zeitpunkt einem Dritten gehört oder zusteht, und lässt sich nicht eindeutig feststellen, wem von den in Betracht kommenden Personen der tatverstrickte Gegenstand zur Zeit der Entscheidung gehört oder zusteht, so ist eine der Wahlfeststellung entsprechende wahlweise Begründung der Einziehung mit § 74 Abs. 1 StGB und § 74a StGB möglich. Es müssen dann aber der Tatbeteiligte wie der Dritte so behandelt werden, als wäre jeder von ihnen von der Einziehung betroffen; es muss also bei beiden auch gleichmäßig die Vorschrift des § 74f StGB beachtet werden (vgl. Lohse in: LK, 13. Aufl., § 74a StGB, Rn. 27).

bb) Hieran mangelt es. Die Urteilsgründe zeigen, auch in ihrem Gesamtzusammenhang, nicht die bei der Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 StGB notwendige Ermessensausübung auf, noch ist mit Blick auf die konkreten Umstände eine nähere Begründung entbehrlich gewesen (vgl. Beschluss vom – 3 StR 415/21 Rn. 5 ff.). Hierdurch ist der Angeklagte auch beschwert.

cc) Soweit die Strafkammer die Einziehung (zum Nachteil des nicht am Verfahren Beteiligten      M.       ) auf die Vorschrift des § 74a StGB stützt, ist ergänzend anzumerken, dass die Voraussetzung des § 74a S. 1 StGB (Verweisung in besonderen Einziehungsvorschriften) nicht vorliegt.“

9Auch dem schließt sich der Senat an. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist er vorsorglich darauf hin, dass die Einziehung von Tatmitteln nach § 74 StGB – anders als die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73, 73c StGB (vgl. BVerfGE 156, 354) – den Charakter einer Nebenstrafe hat und deshalb bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist, falls es sich um einen Gegenstand von beträchtlichem Wert handelt (vgl. , Rn. 4 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:171023B6STR220.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-51930