Instanzenzug: LG Aachen Az: 64 KLs 5/17
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Rechtsgang wegen schwerer räuberischer Erpressung und schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom – 2 StR 509/16 (NStZ 2017, 300 f.) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Nach Beschränkung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt; außerdem hat es eine Kompensationsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
31. Am begaben sich der Angeklagte, der gesondert verurteilte B. und der Zeuge O. in der Zeit zwischen 4.35 Uhr und 5.35 Uhr zur -Tankstelle in E. , um diese zu überfallen. B. fungierte als Fahrer. Gemeinsam mit O. , der ein Messer mitführte, betrat der Angeklagte, der eine Pistole bei sich hatte, den Verkaufsraum. Dem Kassierer K. hielt O. das Messer vor das Gesicht und forderte ihn auf, Geld herauszugeben. O. begab sich mit K. hinter die Theke, während der Angeklagte, der mit der Pistole drohte, im Laden stehen blieb. K. öffnete die Kassenschublade. O. entnahm daraus 400 Euro Bargeld, ergriff drei Pakete Zigaretten und verließ mit dem Angeklagten das Tankstellengebäude.
42. Der Angeklagte hat behauptet, O. wolle ihn zu Unrecht belasten, weil damals zwischen ihm und O. „Krieg“ geherrscht habe. Das Landgericht hat die bestreitende Einlassung für nicht überzeugend erachtet. Es ist der Aussage des gesondert verfolgten Zeugen O. gefolgt, die in die Feststellungen eingeflossen ist. Dieser hat unter anderem bekundet, er habe bei dem Überfall auf die Tankstelle einem Mann eine Handgranatenattrappe an den Kopf gehalten; deshalb sei der zu einer von ihm begangenen Serie von Taten gehörenden Überfall für ihn einprägsam gewesen. Der Angeklagte sei bei dieser Tat dabei gewesen.
II.
5Die Revision ist begründet, weil die Beweiswürdigung rechtlich zu beanstanden ist.
61. Die Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatgerichts. Diesem allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur , BGHSt 54, 15, 18; Beschluss vom – 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226, 236; Urteil vom – 3 StR 154/22 Rn. 16; Beschluss vom – 4 StR 434/19 Rn. 7, jew. mwN).
72. Auch nach diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab begegnet das angefochtene Urteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8a) Nach den getroffenen Feststellungen hat der Zeuge O. den Geschädigten mit einem Messer bedroht. In den Beweisgründen des Urteils hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge O. habe bekundet, er habe mit einer Handgranatenattrappe gedroht. Von einer Handgranatenattrappe als Drohmittel war aber auch in der Aussage des bedrohten Zeugen K. nicht die Rede; dieser hat vielmehr von einer Drohung mit einem Messer berichtet, die das Landgericht auch festgestellt hat.
9b) Anhand der Urteilsgründe ist nicht nachzuvollziehen, ob sich die Strafkammer des Widerspruchs zwischen den Aussagen der Zeugen O. und K. bewusst war und gegebenenfalls, wie es den Widerspruch aufgelöst hat. Weil die Abweichung im Hinblick auf das von dem Täter eingesetzte Drohmittel, das von diesem bei seiner Zeugenaussage als markante Einzelheit der Tatausführung bezeichnet wurde, einen wesentlichen Aspekt des Kerngeschehens betrifft, hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte – möglicherweise aufgrund einer Verwechslung – zu Unrecht belastet wurde.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:120923B2STR87.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-51924