BGH Beschluss v. - XII ZB 177/22

Unterhaltsverfahren: Widerruf eines Anerkenntnisses; Bemessung von Kindesunterhalt bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen; Berechnung des konkreten Wohnbedarfs beim Kindesunterhalt

Leitsatz

1. Ein in einem Unterhaltsverfahren abgegebenes Anerkenntnis kann widerrufen werden, wenn ein nachträglich entstandener Abänderungsgrund i.S.d. § 323 Abs. 1 ZPO, § 238 FamFG gegeben ist. Ein Widerruf des Anerkenntnisses kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Abänderungsgrund nach Abgabe des Anerkenntnisses eingetreten ist (im Anschluss an Senatsurteil vom - XII ZR 292/99, FamRZ 2002, 88).

2. Zur Bemessung von Kindesunterhalt bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen.

3. Zur Berechnung des konkreten Wohnbedarfs beim Kindesunterhalt in einem Zweipersonenhaushalt.

Gesetze: § 1610 BGB, § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 238 FamFG, § 307 ZPO, § 323 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 26 UF 1145/21vorgehend Az: 533 F 11011/18

Gründe

A.

1Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.

2Die am geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners und dessen geschiedener Ehefrau. Die im Jahr 2010 geschlossene Ehe des Antragsgegners mit der Kindesmutter wurde im Februar 2014 rechtskräftig geschieden. Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Die Antragstellerin ist Schülerin und lebt in der Obhut der Kindesmutter, die für die gemeinsame Wohnung monatliche Ausgaben in Höhe von ca. 2.100 € hat. Der Antragsgegner hat sich hinsichtlich des Kindesunterhalts für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt.

3Eine im Juni 2013 geschlossene Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung enthielt unter anderem eine bis zum befristete Regelung zum - mit dem Ehegattenunterhalt zusammengefassten - Kindesunterhalt. Für die Zeit ab Juli 2019 verpflichtete sich der Antragsgegner durch notarielle Urkunde vom zur Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle entsprechend der jeweiligen Altersstufe und abzüglich des hälftigen Kindergelds.

4Die Antragstellerin hat - nach Abschluss der Auskunftsstufe eines Stufenverfahrens - erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner unter Abänderung der notariellen Unterhaltsverpflichtung zu verpflichten, zu Händen ihres gesetzlichen Vertreters ab dem einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 4.500 € zu zahlen.

5Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom zunächst beantragt, den Leistungsantrag der Antragstellerin insoweit abzuweisen, als er verpflichtet werden sollte, an die Antragstellerin einen monatlichen Kindesunterhalt zu zahlen, der über 272 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht, und ausgeführt, dass der Bedarf der Antragstellerin grundsätzlich mit dem Tabellenunterhalt von 272 % der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt und ein etwaiger berechtigter Mehrbedarf für das Hobby Reiten nicht schlüssig dargelegt worden sei. Weiter hat der Antragsgegner, der für die Zeit von Juli 2019 bis März 2022 einen Kindesunterhaltsbetrag in Höhe von 87.253,99 € bezahlt hatte, mit einem Widerantrag beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, den seit von ihm bezahlten, über 272 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehenden Betrag, hilfsweise den über den in diesem Verfahren rechtskräftig festgestellten Unterhalt hinausgehenden Betrag, an ihn zurückzuzahlen. Mit Schriftsatz vom hat er diese Anträge dahin abgeändert, dass Kindesunterhalt nur in Höhe eines Betrages von 200 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle geschuldet werde und dieser Prozentsatz auch auf das Rückzahlungsbegehren zu beziehen sei.

6Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab dem einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 2.259,49 € zu zahlen. Auf den Widerantrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht die Antragstellerin verpflichtet, an ihn 6.095,94 € zu zahlen.

7Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner für die Zeit von Juli 2019 bis August 2021 zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 2.900,27 € und für die Zeit ab dem zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 3.134,42 € zu verpflichten, abzüglich der vom Antragsgegner für die Monate Juli 2019 bis Dezember 2021 geleisteten Zahlungen. Außerdem hat sie die Abweisung des Widerantrags beantragt. Der Antragsgegner hat die in der ersten Instanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.

8Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragstellerin in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat es den Beschluss des Amtsgerichts teilweise abgeändert und den Antragsgegner dazu verpflichtet, an die Antragstellerin ab dem einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.808,37 € zu bezahlen. Auf den Widerantrag des Antragsgegners hat es die Antragstellerin verpflichtet, an den Antragsgegner einen im Zeitraum vom bis einschließlich März 2022 überzahlten Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 18.076,54 € zurückzuzahlen. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

9Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts haben die Antragstellerin die zugelassene Rechtsbeschwerde und der Antragsgegner Anschlussrechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie jeweils ihre Schlussanträge aus der Beschwerdeinstanz weiterverfolgen.

B.

10Die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin und die zulässige Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners sind begründet.

I.

11Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

12Der Antragsgegner habe mit Schriftsatz vom eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin in Höhe von 272 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle anerkannt. Da er in diesem Schriftsatz eine Abweisung des Unterhaltsantrags der Antragstellerin lediglich insoweit beantragt habe, als ein über den Betrag von 272 % der Düsseldorfer Tabelle hinausgehender Kindesunterhalt gefordert werde, habe er ein (Teil-)Anerkenntnis abgegeben. Dieses Anerkenntnis sei unabhängig davon, ob ein (Teil-)Anerkenntnisbeschluss ergangen sei, wirksam erklärt worden.

13Der Antragsgegner sei an dieses Anerkenntnis gebunden. Zwar könne bei Dauerschuldverhältnissen ein Anerkenntnis widerrufen werden, wenn ein nachträglich entstandener Abänderungsgrund im Sinne des § 323 ZPO bzw. § 238 FamFG eingetreten sei. Diese Voraussetzung sei hier aber nicht erfüllt, weil eine tatsächlich oder rechtlich wesentliche Veränderung der maßgebend gewesenen Verhältnisse der notariellen Unterhaltsverpflichtung vom nicht vorliege. Zwar habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom ausgeführt, dass keine Bedenken dagegen bestünden, die Düsseldorfer Tabelle bis zum doppelten des in der bis dahin geltenden Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Höchstbetrages fortzuschreiben. Der Bundesgerichtshof habe aber keine Ausführungen dazu gemacht, bis zu welchem Prozentsatz der Düsseldorfer Tabelle die Fortschreibung vorgenommen werden solle. Das Anerkenntnis des Antragsgegners habe allein auf der Erwartung beruht, dass die Fortschreibung bis zur Höhe von 272 % des Mindestunterhalts erfolgen werde. Fehlgeschlagene einseitige Erwartungen genügten als Abänderungsgrund nicht.

14Der Wohnbedarf der Antragstellerin könne nicht mit einem Drittel der Wohnkosten angesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Wohnbedarf eines Kindes mit 20 % des aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile ermittelten Unterhaltsbedarfs anzusetzen. Dieser Ansatz sei allerdings kein taugliches Kriterium für die Bemessung des Wohnbedarfs der Antragstellerin, weil das zusammengerechnete Einkommen beider Eltern hier deutlich über den nunmehr fortgeschriebenen Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle hinausgehe. Der Wohnbedarf der Antragstellerin sei vielmehr wie folgt zu berechnen: Nach dem 12. und 13. Existenzminimumbericht der Bundesregierung für die Jahre 2019 bis 2022, dort jeweils unter 5.1.3, werde der Wohnflächenbedarf eines Kindes auf 12 m² festgesetzt. Da dieser Bedarf als Mindestbedarf gelte, beziehe er sich auf den Mindestunterhalt von 100 %. Nachdem der Antragsgegner vorliegend jedoch 272 % des Mindestunterhalts anerkannt habe, erhöhe sich der Wohnflächenbedarf der Antragstellerin auf 32,64 m². Bei einer Monatsmiete von 23 € pro Quadratmeter errechne sich somit ein konkreter Wohnbedarf der Antragstellerin von 750,72 €.

15Da in dem anerkannten Tabellenbetrag von 272 % des Mindestunterhalts bereits ein Wohnkostenanteil von 20 % enthalten sei, habe der Antragsgegner für den ungedeckten Wohnbedarf der Antragstellerin 529,72 € für das Jahr 2019, 519,92 € für das Jahr 2020, 505,32 € für das Jahr 2021 und 503,12 € für das Jahr 2022 an monatlichen Zahlungen zu leisten.

16Die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten für Urlaube seien teilweise bereits von Positionen abgedeckt, die in die Düsseldorfer Tabelle eingeflossen seien. Da diese Positionen jedoch nicht ausschließlich für Urlaube gedacht seien, könne nur ein Teil der hierauf entfallenden Beträge für die Bildung von Urlaubsrücklagen angesetzt werden. Bei einer Unterhaltszahlung von 272 % des Mindestunterhalts könnten jährlich etwa 550 € für Urlaub angespart werden. Bringe man diesen Betrag von dem vom Amtsgericht zu Recht festgesetzten jährlichen Urlaubsbedarf der Antragstellerin von insgesamt 1.153,56 € in Abzug, verbleibe ein Betrag von rund 600 € oder monatsdurchschnittlich 50 €, der insoweit zusätzlich als konkreter Bedarf geschuldet sei. Ein erhöhter Bedarf für Bekleidung sei nicht anzuerkennen.

17Die Antragstellerin könne auch nicht den geltend gemachten Mehrbedarf für Reitkosten verlangen. Beide Elternteile hätten das gemeinsame Sorgerecht. Der Antragsgegner habe sich mit der Ausübung des Reitsports durch die Antragstellerin nicht einverstanden erklärt. Eine Vereinbarung der Kindeseltern darüber, dass der Antragsgegner über zustimmungspflichtige Angelegenheiten des Kindes nicht informiert werden wolle und die Kindesmutter insoweit freie Hand habe, ließe sich der notariellen Trennungs- und Scheidungsvereinbarung vom nicht entnehmen. Darüber hinausgehende Vereinbarungen seien nicht substantiiert vorgetragen und belegt. Würden bei gemeinsamer elterlicher Sorge Mehrkosten dadurch verursacht, dass der betreuende Elternteil in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind ohne Absprache mit dem anderen Elternteil handele, könne dem barunterhaltspflichtigen Elternteil die Kostenlast auch nicht teilweise auferlegt werden, es sei denn, die Zustimmungsverweigerung des mitsorgeberechtigten Elternteils erweise sich als rechtsmissbräuchlich. Die Ausübung des Reitsports durch die Antragstellerin sei vorliegend eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind und unterliege nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB der gemeinsamen elterlichen Sorge und nicht der Alltagssorge nach § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB. Beim Reiten handele es sich um eine vergleichsweise gefährliche Sportart. Zudem spreche auch der erhebliche zeitliche Umfang des von der Antragstellerin ausgeübten Reitsports dafür, eine gemeinsame Entscheidung der Eltern für erforderlich zu halten. Bei diesem Umfang der Reittätigkeit werde die Entwicklung des Kindes erheblich beeinflusst, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass ausreichend Zeit für schulische Belange des Kindes verbleiben müsse. Die Verweigerung der Zustimmung des Antragsgegners zum Betreiben des Reitsports sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

II.

18Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

191. Nach § 1610 Abs. 1 BGB bemisst sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ableitet. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltspflicht ist aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 233, 309 = FamRZ 2022, 1366 Rn. 50; BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 14 und BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn. 24 f.). Es entspricht vom Senat gebilligter Praxis, sich bei der Bemessung des in diesem Sinne angemessenen Unterhalts an den von den Oberlandesgerichten entwickelten Tabellenwerken zu orientieren (Senatsurteil vom - XII ZR 152/99 - FamRZ 2001, 1603, 1604 mwN).

20Bei höherem Elterneinkommen muss sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, so dass der Kindesunterhalt auch bei einem den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Elterneinkommen im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für seinen Unterhaltsbedarf nicht faktisch auf den für die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden darf (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 19 mwN). Dies gilt auch für die im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom (BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28) fortgeschriebene Düsseldorfer Tabelle, die seit 15 Einkommensgruppen und ein Einkommen bis 11.000 € umfasst (vgl. PWW/Soyka BGB 18. Aufl. § 1610 Rn. 29). Eine allgemeingültige feste Obergrenze besteht für den Kindesunterhalt weiterhin nicht; vielmehr bleibt dem unterhaltsberechtigten Kind die Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 22). Allerdings ist insbesondere beim Unterhalt minderjähriger Kinder zu beachten, dass dieser keine bloße Teilhabe am Luxus der Eltern beinhaltet und naturgemäß erst recht nicht zur Vermögensbildung des unterhaltsberechtigten Kindes dient. Schließlich ist das Maß des den Kindern zu gewährenden Unterhalts auch maßgeblich durch das „Kindsein“ geprägt, berechtigt also insbesondere nicht zu einer gleichen Teilhabe am Elterneinkommen (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 21 mwN).

21Neben die Tabellenbeträge, die den Regelbedarf abdecken, kann nach der Rechtsprechung des Senats ein Mehrbedarf für solche Bedarfspositionen treten, welche ihrer Art nach nicht in den Tabellenbedarf und mithin auch nicht in die Steigerungsbeträge einkalkuliert sind. An diesem hat sich der betreuende Elternteil grundsätzlich zu beteiligen, weil insoweit eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht eingreift. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften die Eltern hierbei nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 233, 309 = FamRZ 2022, 1366 Rn. 43 mwN). Davon abzugrenzen ist ein erhöhter Bedarf für solche Positionen, die ihrer Art nach bereits in der Struktur der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind, wie etwa ein erhöhter Wohnbedarf. Dieser ist kein Mehrbedarf im eigentlichen Sinne, sondern stellt einen erhöhten Regelbedarf dar, der - jedenfalls grundsätzlich - nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB allein vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu tragen ist (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 24 mwN).

22Welche Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten danach unterhaltsrechtlich relevant sind und welche Wünsche des Unterhaltsberechtigten als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssen, kann nur unter Würdigung der besonderen Verhältnisse der jeweiligen Beteiligten - namentlich auch einer Gewöhnung des Unterhaltsberechtigten an einen von seinen Eltern während des Zusammenlebens gepflegten aufwändigen Lebensstil - festgestellt werden. Diese Gesamtumstände und Bedürfnisse müssen deshalb vom Unterhaltsberechtigten konkret dargelegt werden, wobei an die Darlegungslast keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (Senatsurteil vom - XII ZR 16/98 - FamRZ 2000, 358, 359).

23Ob und in welcher Höhe ein vom Unterhaltsberechtigten geltend gemachter erhöhter Regelbedarf oder ein Mehrbedarf angemessen ist, obliegt der tatrichterlichen Würdigung. Bei der Bemessung des erhöhten Regelbedarfs ist das Gericht nicht gehindert, den zur Bedarfsdeckung erforderlichen Betrag unter Heranziehung des Mehrbetrags zu berechnen, der sich aus der Gegenüberstellung solcher besonderer Bedürfnisse mit bereits von den Richtwerten der Düsseldorfer Tabelle erfassten Grundbedürfnissen ergibt, und unter Zuhilfenahme allgemeinen Erfahrungswissens nach Maßgabe der § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 287 ZPO zu bestimmen (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 16/98 - FamRZ 2000, 358, 359). Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist diese tatrichterliche Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüfbar. Solche liegen vor, wenn die Entscheidung des Tatrichters auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder wesentliches tatsächliches Vorbringen außer Betracht gelassen hat (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 152/99 - FamRZ 2001, 1603, 1604 f. mwN).

242. Gemessen hieran hält die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Angriffen der Rechtsbeschwerde und der Anschlussrechtsbeschwerde nicht in jeder Hinsicht stand.

25a) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass der Antragsgegner mit Schriftsatz vom eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin in Höhe von 272 % des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle anerkannt hat und er dieses Anerkenntnis auch nicht wirksam widerrufen konnte.

26aa) Von einem Anerkenntnis iSd § 113 Abs. 1 FamFG, § 307 ZPO, das auch konkludent erklärt werden kann (vgl. Musielak/Voit/Musielak ZPO 20. Aufl. § 307 Rn. 3), ist auszugehen, wenn der Antragsgegner sich dem geltend gemachten Anspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch unterwerfen und auf die Fortsetzung des Verfahrens in der Sache verzichten will (vgl. - NJW-RR 2018, 826 Rn. 12 mwN). Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom eine Abweisung des Leistungsantrags der Antragstellerin nur insoweit beantragt, als ein „über den Betrag von 272 % der Düsseldorfer Tabelle hinausgehender Kindesunterhalt“ gefordert wurde. Dass das Beschwerdegericht diese Beschränkung des Abweisungsantrags dahingehend ausgelegt hat, dass der Antragsgegner eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin in Höhe von 272 % des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle anerkannt hat, begegnet rechtsbeschwerderechtlich keinen Bedenken. Auch die Anschlussrechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.

27bb) Das Anerkenntnis ist auch wirksam erklärt worden. Da es nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 307 Satz 2 ZPO einer mündlichen Verhandlung insoweit nicht bedarf, kann es auch im schriftlichen Vorverfahren gegenüber dem Gericht abgegeben werden (vgl. Musielak/Voit/Musielak ZPO 20. Aufl. § 307 Rn. 18; BeckOK ZPO/Elzer [Stand: ] § 307 Rn. 20). Das Amtsgericht hatte hier mit Verfügung vom das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Antragsgegner den Schriftsatz vom eingereicht.

28Die Wirksamkeit des Anerkenntnisses wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Beschwerdegericht keinen (Teil-)Anerkenntnisbeschluss erlassen hat. Grundsätzlich behält ein Anerkenntnis seine Wirkung für das ganze Verfahren, unabhängig davon, ob streitig verhandelt worden ist. Sie bleibt daher auch dann bestehen, wenn kein Anerkenntnisbeschluss ergeht (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 90).

29b) Entgegen der Auffassung der Anschlussrechtsbeschwerde konnte der Antragsgegner das Anerkenntnis nicht wirksam widerrufen.

30aa) Ein Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO ist eine Verfahrenshandlung und kann deshalb grundsätzlich weder angefochten noch widerrufen werden ( - NJW-RR 2021, 1505 Rn. 22 mwN).Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Widerruf ausnahmsweise nur dann möglich, wenn ein Restitutionsgrund vorliegt, auf Grund dessen das Anerkenntnisurteil mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte. Um zu verhindern, dass bei Dauerschuldverhältnissen eine der zwischenzeitlich veränderten materiellen Rechtslage widersprechende Entscheidung ergeht, ist nach der Rechtsprechung des Senats auch bei Dauerschuldverhältnissen ein Widerruf möglich, wenn ein nachträglich entstandener Abänderungsgrund iSd § 323 Abs. 1 ZPO, § 238 FamFG gegeben ist (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 90). Ein Abänderungsgrund liegt vor, wenn sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben hat. Dabei kann sich eine Änderung der dem abzuändernden Beschluss zugrundeliegenden rechtlichen Verhältnisse aus einer Änderung der Gesetzeslage, aus einer dieser gleichkommenden verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht oder aus einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben (Sternal/Weber FamFG 21. Aufl. § 238 Rn. 88 mwN). Ein Widerruf des Anerkenntnisses kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Abänderungsgrund nach Abgabe des Anerkenntnisses eingetreten ist (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 90).

31bb) Danach liegen hier die Voraussetzungen für den Widerruf eines Anerkenntnisses nicht vor. Denn nach dem Zeitpunkt der Abgabe der Anerkenntniserklärung haben sich weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Verhältnisse, die Grundlage des Anerkenntnisses waren, wesentlich verändert.

32(1) Entgegen der Auffassung der Anschlussrechtsbeschwerde ist insbesondere durch den im vorliegenden Verfahren im Rahmen der Auskunftsstufe ergangenen Senatsbeschluss vom (BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28) keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingetreten, die den Widerruf des Anerkenntnisses rechtfertigen könnte. Zwar hat der Senat in dieser Entscheidung unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. - FamRZ 2000, 358, 359 und vom - XII ZR 152/99 - FamRZ 2001, 1603, 1604) eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin (seinerzeit) ausgewiesenen Einkommensbetrags als sachgerecht angesehen (vgl. BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 19 ff.). Ausführungen dazu, wie eine Fortschreibung der Tabellensätze in diesem Einkommensbereich konkret vorgenommen werden soll, enthält die Entscheidung jedoch nicht. Deshalb wurden in der Folgezeit im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten, wie eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bei höheren Einkommen erfolgen könne (vgl. Borth FamRZ 2021, 339, 340; Rubenbauer/Dose NZFam 2021, 661, 666 f.; Viefhues FF 2021, 5, 7; Menne NJW 2021, 497, 500). Eine Erweiterung der Einkommensstufen wurde erstmals in der ab dem maßgeblichen Fassung der Düsseldorfer Tabelle (FamRZ 2022, 160) vorgenommen und für die höchste Einkommensstufe (von 9.501 € bis 11.000 €) ein Unterhaltsbedarf von 200 % des Mindestunterhalts festgesetzt.

33(2) Diese Entwicklung erhellt, dass mit der geänderten Senatsrechtsprechung zur Möglichkeit der begrenzten Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle für hohe Einkommen und der damit verbundenen Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle zum keine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eingetreten ist, die der Antragsgegner seiner Entscheidung, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin teilweise anzuerkennen, zugrundegelegt hat. Eine Änderung der Düsseldorfer Tabelle stellt für sich genommen nie eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse dar, die zur Abänderung eines Unterhaltstitels nach § 238 FamFG berechtigt. Die Düsseldorfer Tabelle ist keine Rechtsquelle und trotz ihrer erheblichen praktischen Bedeutung insbesondere kein Gewohnheitsrecht. Sie ist lediglich ein Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts iSd § 1610 BGB. Die in der Tabelle ausgewiesenen Richtsätze sind Erfahrungswerte, die den Lebensbedarf des Kindes - ausgerichtet an den Lebensverhältnissen der Eltern und an seinem Alter - auf der Grundlage durchschnittlicher Lebenshaltungskosten typisieren, um so eine gleichmäßige Behandlung gleicher Lebenssachverhalte zu erreichen (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2 Rn. 317). Eine Neufestsetzung der in der Düsseldorfer Tabelle festgelegten Bedarfssätze stellt für sich genommen auch keine Änderung der tatsächlichen Umstände dar, die die Abänderung eines Unterhaltstitels nach § 238 FamFG iVm § 323 ZPO rechtfertigen kann. Die Änderung der Werte der Düsseldorfer Tabelle trägt regelmäßig dem Umstand Rechnung, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl auf Seiten des Bedürftigen als auch auf Seiten des Verpflichteten infolge Änderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse seit der letzten Festsetzung dieser Sätze gewandelt haben, und ist damit zugleich Ausdruck der Veränderung dieser tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Senatsurteil BGHZ 162, 234 = FamRZ 2005, 608, 609). Fortschreibungen der Düsseldorfer Tabelle bilden daher nur Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ab, stellen aber selbst keine solche Änderungen dar.

34Entgegen der Auffassung der Anschlussrechtsbeschwerde ergibt sich auch kein Abänderungsgrund daraus, dass das Amtsgericht von einer Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle ausgegangen ist, die bei einem Einkommen von über 11.000 € zu einem Bedarfssatz von 272 % des Mindestbedarfs führt. Etwaige Änderungen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sind nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 238 FamFG zu erfüllen. Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner sich bei seiner Entscheidung, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin (teilweise) anzuerkennen, lediglich von der Erwartung hat leiten lassen, dass eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bis zu einer Höhe von 272 % des Mindestunterhalts erfolgen wird. Diese Erwartung hat sich jedoch nicht erfüllt. Eine fehlerhafte Beurteilung der Rechtslage rechtfertigt jedoch nicht den Widerruf eines Anerkenntnisses (vgl. Musielak/Voit/Borth ZPO 20. Aufl. § 323 Rn. 21).

35c) Schließlich kann - unabhängig von der rechtlichen Relevanz - auch nicht der Auffassung der Anschlussrechtsbeschwerde gefolgt werden, das Anerkenntnis sei jedenfalls in dem Sinne auszulegen, dass mit 272 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle der gesamte Bedarf der Antragstellerin abgedeckt sein sollte und nicht lediglich ein Teilbedarf, dem noch weitere Bedarfspositionen hinzugerechnet werden könnten. Denn in dem Schriftsatz vom führt der Antragsgegner aus, dass der Antragstellerin für ihr Hobby Reiten ein Mehrbedarf in Höhe von 235 € zustehe, der von ihm zu zahlen sei. Dies zeigt, dass der Antragsgegner selbst nicht davon ausging, dass sein Anerkenntnis den gesamten von der Antragstellerin geltend gemachten Unterhaltsanspruch erfasst.

363. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene vereinfachende Schätzung der auf die Antragstellerin entfallenden Wohnmehrkosten ist hingegen nicht frei von Rechtsbedenken.

37a) Ob und in welchem Umfang aufgrund eines erhöhten Wohnbedarfs höhere Kosten auftreten, beurteilt sich in der Regel aus einem Vergleich der auf das Kind entfallenden tatsächlichen mit den in den Tabellenbedarf einkalkulierten Wohnkosten, die nach der Rechtsprechung des Senats üblicherweise mit jeweils 20 % des Tabellenbetrags pauschaliert werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn. 35).

38Da ein minderjähriges Kind neben seinem Kinderzimmer auch die weiteren Räume der Wohnung mitbenutzt, kann sein Anteil an den tatsächlichen Wohnkosten in der Regel regelmäßig nicht konkret beziffert, sondern nur im Wege der tatrichterlichen Schätzung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 287 ZPO) bewertet werden. Diese ist rechtsbeschwerderechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Beteiligten unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (Senatsbeschluss vom - XII ZB 201/19 - FamRZ 2021, 186 Rn. 32 mwN). Dabei wird eine tatrichterliche Schätzung, die sich bei einem Zweipersonenhaushalt zwischen der nach dem 13. Existenzminimumbericht der Bundesregierung für das Jahr 2022, dort unter 5.1.3, als angemessen angesehenen Wohnfläche von 12 m² für ein Kind (BT-Drucks. 19/22800 S. 8) und einer Obergrenze von 50 % der tatsächlichen Wohnfläche bewegt, regelmäßig keinen rechtsbeschwerderechtlichen Bedenken begegnen. Dabei wird regelmäßig die Zuweisung eines Drittels der Wohnfläche an das in einem Zweipersonenhaushalt lebende Kind durch die Tatrichter aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden sein. Maßgeblich sind jedoch stets die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, die gegebenenfalls eine Abweichung hiervon erforderlichen machen können. Soweit der Senatsentscheidung vom (XII ZB 474/20 - FamRZ 2021, 1965 Rn. 30, 33) etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht fest.

39b) Auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Bemessung des Wohnbedarfs der Antragstellerin nicht haltbar.

40Zwar bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass das Beschwerdegericht die Größe der Wohnung, die die Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnt, und den Mietpreis von 21 € pro Quadratmeter unter den hier maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners für angemessen erachtet hat. Auch die Anschlussrechtsbeschwerde wendet sich hiergegen nicht. Das Beschwerdegericht durfte seiner Schätzung der auf die Antragstellerin entfallenden Wohnfläche jedoch nicht den vom Antragsgegner anerkannten Bedarfssatz von 272 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle zugrunde legen. Denn zum einen bezieht sich dieses Anerkenntnis nur auf den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin als solchen. Aus dem abgegebenen Anerkenntnis lässt sich aber nicht schließen, dass der Antragsgegner auch bereit ist, eine Wohnfläche für die Antragstellerin als angemessen zu akzeptieren, die in ihrer Größe der vom Beschwerdegericht errechneten Fläche entspricht. Zum anderen berücksichtigt der vom Beschwerdegericht gewählte Ansatz nicht ausreichend, dass das Kind neben seinem Kinderzimmer auch anteilig weitere Räume in dem gemeinsamen Haushalt nutzt, was bei der Wohnbedarfsermittlung ebenfalls zu berücksichtigen ist.

414. Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht auch den von der Antragstellerin geltend gemachten Mehrbedarf wegen der für die Ausübung des Reitsports anfallenden Kosten nicht anerkannt.

42a) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass die für die Ausübung des Reitsports anfallenden monatlichen Kosten unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf darstellen können. Als Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs (§ 1610 BGB) anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 298/12 - FamRZ 2013, 1563 Rn. 7 mwN).

43b) Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde jedoch gegen die Erwägungen, mit denen das Beschwerdegericht eine Erstreckung der Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners auf diesen Mehrbedarf abgelehnt hat.

44aa) Für die Frage, ob ein unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf vom Barunterhaltspflichtigen zu übernehmen ist, ist zunächst entscheidend, wer die elterliche Sorge für das minderjährige Kind innehat. Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt (oder ist ihm die Entscheidung einer Angelegenheit nach § 1628 BGB vom Familiengericht übertragen worden), so bestimmt er - vorbehaltlich einer Angemessenheitskontrolle im Einzelfall - grundsätzlich über die Art und Kosten der einzelnen Maßnahme allein (vgl. Staudinger/Klinkhammer BGB [2022] § 1610 Rn. 284). Sind die Eltern - wie im vorliegenden Fall - gemeinsam sorgeberechtigt, kommt es nach § 1687 Abs. 1 BGB darauf an, ob es sich bei der betreffenden (kostenauslösenden) Maßnahme um eine solche mit erheblicher Bedeutung für das Kind handelt oder um eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Im ersten Fall bedarf es des gegenseitigen Einvernehmens der Eltern (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fehlt es hieran, sind die entstehenden Kosten grundsätzlich kein angemessener Unterhaltsbedarf des Kindes. Etwas anderes kann gelten, wenn sich die Zustimmungsverweigerung des mitsorgeberechtigten Elternteils als rechtsmissbräuchlich erweist (vgl. Staudinger/Klinkhammer BGB [2022] § 1610 Rn. 283).

45bb) Soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, bei der Erlaubnis, den Reitsport auszuüben, handele es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung iSv § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB, die des gegenseitigen Einvernehmens der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bedarf, ist hiergegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.Der Begriff der „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der eine allgemeingültige Definition nicht zulässt. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter unbestimmte Rechtsbegriffe hat das Rechtsbeschwerdegericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren. Es darf regelmäßig nur überprüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff richtig erfasst hat, ob er den Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, ob er wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat und ob seine Wertung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 234, 212 = FamRZ 2022, 1308 Rn. 21 mwN).

46Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Erwägungen, mit denen das Beschwerdegericht das Vorliegen einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung iSv § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht hat, der rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat sich ausführlich mit den gesundheitlichen Gefahren befasst, die mit der Ausübung des Reitsports gerade auch bei Kindern und Jugendlichen verbunden sind. Dass es daraus den Schluss gezogen hat, die Aufnahme des Reitsports sei eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind, hält sich im Rahmen der tatrichterlichen Verantwortung.

47cc) Die Ausführungen des Beschwerdegerichts, mit denen es das Vorliegen des Einvernehmens mit der Ausübung des Reitsports vollständig ausgeschlossen hat, beruhen hingegen auf einer nicht tragfähigen Begründung, weil das Beschwerdegericht den entsprechenden Vortrag der Beteiligten nicht ausreichend in den Blick genommen hat.

48Das im Rahmen des § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche gegenseitige Einvernehmen der sorgeberechtigten Eltern muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent erklärt werden (PWW/Ziegler BGB 18. Aufl. § 1687 Rn. 4). Deshalb kann ein Elternteil durch faktisches Handeln oder bloßes Gewährenlassen sein Einvernehmen in einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zum Ausdruck bringen (BeckOK BGB/Hau/Poseck [Stand: ] § 1687 Rn. 18). Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Einvernehmen sämtliche Einzelheiten betrifft. Ausreichend ist, dass sich die Eltern über eine Grundrichtung verständigen (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1042, 1043; Grüneberg/Götz BGB 82. Aufl. § 1687 Rn. 5).

49Die Rechtsbeschwerde weist insoweit zu Recht darauf hin, dass der Antragsgegner in diesem Verfahren selbst mehrfach Vortrag gehalten hat, der auf sein Einverständnis mit der Ausübung des Reitsports als Hobby der Antragstellerin schließen lässt. So ließ er insbesondere noch im Schriftsatz vom vortragen, dass der Antragstellerin nicht abgesprochen werde, das Hobbyreiten als Ausgleich und auch zu ihrem seelischen und psychischen Wohlbefinden auszuüben. An anderer Stelle hat der Antragsgegner geltend gemacht, es bestehe kein Einverständnis damit, dass die Antragstellerin im derzeit betriebenen Umfang reite; die Antragstellerin solle das Reiten als Hobby ausüben und nicht als Karriere. Schließlich hat der Antragsgegner auch in dem Schriftsatz vom erklärt, dass der Antragstellerin für das Hobby Reiten ein Mehrbedarf in Höhe von 235 € zustehe, den er zu tragen habe. Mit diesem Vorbringen hätte sich das Beschwerdegericht auseinandersetzen müssen, um zu prüfen, ob zwischen den Eltern der Antragstellerin nicht zumindest insoweit ein Einvernehmen iSv § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, als es die Ausübung des Reitsports als Hobby betrifft.

505. Soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht den von ihr geltend gemachten Bedarf für Kleidung nicht in vollem Umfang zugesprochen hat, bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

51Die Entscheidung, ob ein geltend gemachter Bedarf als angemessen oder bereits als Teilhabe am Luxus zu definieren ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Solche liegen jedoch nicht vor und werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht aufgezeigt.

52Das Beschwerdegericht hat sich insoweit der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen, dass der Bedarf der Antragstellerin an Kleidung bereits durch den vom Antragsgegner anerkannten Kindesunterhalt in Höhe von 272 % des Mindestbedarfs nach der Düsseldorfer Tabelle finanziert werden kann. Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragstellerin aufgrund der vom Antragsgegner anerkannten Unterhaltsverpflichtung ein Betrag von monatlich 109,18 € bzw. von jährlich 1.310,16 € für den Kauf von Kleidung und Schuhen zur Verfügung steht. Dass die Instanzgerichte - auch im Hinblick auf den von der Antragstellerin vorgetragenen jährlichen Bedarf an Kleidung und Schuhen - angenommen haben, dieser Betrag reiche aus, um auch bei einem gehobenen Lebensstil den entsprechenden Bedarf der Antragstellerin zu decken, hält sich im Rahmen der tatrichterlichen Verantwortung und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

536. Gleiches gilt für den von der Antragstellerin geltend gemachten erhöhten Regelbedarf für Urlaubsreisen. Auch insoweit sind die Ausführungen des Beschwerdegerichts frei von Rechtsfehlern. Soweit die Rechtsbeschwerde hiergegen einwendet, das Beschwerdegericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Kosten für Urlaube aus Positionen abgedeckt werden könnten, die bereits in die Düsseldorfer Tabelle eingeflossen seien, kann sie damit nicht durchdringen. Das Beschwerdegericht hat einerseits berücksichtigt, dass die Kosten für Urlaube bereits teilweise in den in die Düsseldorfer Tabelle eingeflossenen Positionen Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Abteilung 11 RBEG), Verkehr (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Abteilung 7 RBEG) sowie Freizeit, Unterhaltung und Kultur (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Abteilung 9 RBEG) enthalten sind. Andererseits hat es den Gesichtspunkt, dass die Kosten für Urlaube von den Positionen, die in die Düsseldorfer Tabelle eingeflossen sind, nur teilweise abgedeckt sind, ausdrücklich in Rechnung gestellt und ausgeführt, dass die Positionen für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen, Verkehr, Freizeit, Unterhaltung und Kultur nicht ausschließlich für Urlaube gedacht seien. Wenn das Beschwerdegericht dann im Rahmen des ihm zukommenden tatrichterlichen Schätzungsermessens (§ 287 ZPO) zu der Annahme kommt, die Antragstellerin könne aus dem Tabellenunterhalt jährlich etwa 550 € für Urlaub verwenden, kann die Rechtsbeschwerde dem nicht erfolgreich eigene Berechnungen gegenüberstellen.

547. Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Beschwerdegericht die Mutter der Antragstellerin aufgrund des erheblichen Unterschieds zwischen ihrem Einkommen und dem des Antragsgegners für die Kosten des geltend gemachten Mehrbedarfs nicht in die Pflicht genommen hat.

55Zwar hat sich der betreuende Elternteil grundsätzlich anteilig nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Eltern an den Kosten eines berechtigten Mehrbedarfs zu beteiligen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 233, 309 = FamRZ 2022, 1366 Rn. 43 mwN). Aber auch in diesem Zusammenhang ist die unterhaltsrechtliche Belastung der Elternteile im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsprüfung angemessen zu würdigen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 297/12 - FamRZ 2013, 1558 Rn. 28).

56Für den Fall, dass der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, hat der Senat entschieden, dass sich dann die Einkommensdifferenz einer Grenze nähert, bei der es unter gewöhnlichen Umständen der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 297/12 - FamRZ 2013, 1558 Rn. 29 mwN). Wenn aber eine erhebliche Einkommensdifferenz zwischen den Elternteilen es bereits rechtfertigt, dem betreuenden Elternteil auch die Barunterhaltspflicht aufzuerlegen, bestehen in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem der barunterhaltspflichtige Elternteil mindestens über das Zehnfache des Einkommens des anderen Elternteils verfügt, keine rechtlichen Bedenken dagegen, dem Antragsgegner als dem barunterhaltspflichtigen Elternteil die Kosten für einen berechtigten Mehrbedarf der Antragstellerin in vollem Umfang aufzuerlegen.

III.

57Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Der Senat kann die Sache auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden. Für das weitere Verfahren sind die folgenden Hinweise veranlasst:

58Bei der erneuten Entscheidung wird sich das Beschwerdegericht insbesondere die Frage vorzulegen haben, ob im Hinblick auf den Inhalt des Anerkenntnisses des Antragsgegners dessen Unterhaltsverpflichtung nicht (zumindest teilweise) dynamisch zu titulieren und in der Beschlussformel der für die Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels nach § 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG maßgebliche Zeitpunkt der Abänderung aufzunehmen ist.

59Weiter wird sich das Beschwerdegericht damit befassen müssen, ob das Einverständnis des Antragsgegners mit der Ausübung des Reitsports als Hobby sich nicht auch auf die weitere Entwicklung der sportlichen Betätigung der Antragstellerin erstreckt oder ob der derzeitige Umfang tatsächlich signifikant über den eines als Hobby betriebenen Reitsports oder anderer Sportarten hinausgeht. Gegebenenfalls wird sich das Beschwerdegericht erneut mit der Frage befassen müssen, ob die Verweigerung der Zustimmung durch den Antragsgegner rechtsmissbräuchlich ist. Dabei wird es im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch zu berücksichtigen haben, ob sich die Ausweitung der reitsportlichen Aktivitäten möglicherweise positiv auf die persönliche Entwicklung der Antragstellerin auswirkt.

60Schließlich weist der Senat darauf hin, dass urteilsersetzende Beschlüsse in Ehesachen und Familienstreitsachen gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 311 Abs. 2 ZPO durch das Verlesen der Beschlussformel oder durch die Bezugnahme auf die Beschlussformel zu verkünden sind (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 592/11 - FamRZ 2012, 1287 Rn. 15 mwN).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:200923BXIIZB177.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 8 Nr. 47
NJW 2024 S. 593 Nr. 9
NJW 2024 S. 599 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2024 S. 859
OAAAJ-51828