Rechtmäßigkeit von Nebenentscheidungen nach § 126 WDO
Gesetze: § 42 Nr 7 WDO 2002, § 99 Abs 2 WDO 2002, § 101 Abs 1 WDO 2002, § 126 Abs 1 WDO 2002, § 126 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 126 Abs 5 WDO 2002, § 127 WDO 2002, § 6 S 2 SG, § 7 SG, § 8 SG, § 10 Abs 1 SG, § 10 Abs 3 SG, § 10 Abs 6 SG, § 12 S 2 SG, § 13 Abs 1 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 17a Abs 2 S 2 SG, § 20 Abs 1 WStrG
Instanzenzug: Truppendienstgericht Nord Az: N 2 GL 4/22 Beschluss
Tatbestand
1Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Truppendienstgerichts, mit dem es eine vorläufige Dienstenthebung, ein Uniformtrageverbot und die Einbehaltung von Dienstbezügen bestätigt hat.
21. Der ... geborene Soldat ist seit 1993 Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptmanns. Er ist verheiratet, Vater von drei erwachsenen Kindern und bezieht Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 11. Der Soldat ist disziplinarisch nicht vorbelastet.
3Ausweislich der Mitteilung des Polizeipräsidiums des Landes ... vom liegen über den Soldaten keine Erkenntnisse zu rechtsextremen, verfassungsfeindlichen oder der Reichsbürgerbewegung zuzuordnenden Aktivitäten oder zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vor; dem entsprechen Mitteilungen des Ministeriums ... des Landes ... aus Januar 2021 und Mai 2022. Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst hat im August 2021 und Dezember 2022 mitgeteilt, dass gegen den Soldaten keine Erkenntnisse vorlägen und die Verdachtsfallbearbeitung andauere.
4In der dienstlichen Stellungnahme des ... der Bundeswehr vom heißt es, der Soldat habe gezeigt, dass er ein solider Fachmann sei. Er solle bis zu seinem Dienstzeitende auf dem Dienstposten als Hauptprüfer verbleiben. Nach Aufnahme der disziplinaren Ermittlungen sei kein Leistungseinbruch erfolgt. Die letzte planmäßige Beurteilung vom weist als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "5,71" aus. Der Soldat sei eine gute Besetzung für den Dienstposten als Hauptprüfer. Er identifiziere sich mit dieser Verwendung und liefere konstant positive Leistungen.
5Unter dem wurde dem Soldaten mit Geltung bis zum die Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit mit dem Aufgabenschwerpunkt Fahrerlaubnisprüfer, Fahrlehrertätigkeit, Kraftfahrer bei dem TÜV ... (...), bei "..." Fahrschule (...) sowie bei Busreisen ... (...) erteilt. Unter dem wurde ihm bis zum die Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit bei der ... Fahrschule (...) und unter dem die Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit bei der ... GmbH (...), der ... GmbH (...), der ... Fahrschule (...) sowie der ... Fahrschule (...) bis zum mit der Auflage erteilt, dass die Genehmigung mit Aufstellung des ... der Bundeswehr zum April 2018 erlischt. Nach der Gewerbeauskunft der Gemeinde ... vom übt der Soldat ab dem als Einzelunternehmen das Gewerbe "Einzelunternehmen, Fahrschulfahrzeugvermietung, Ausbildung in kraftstoffsparender Fahrweise, Kraftfahrerweiterbildung, Busfahrservice, Bordküchengeschäft" aus.
62. Der ... des ... leitete mit Verfügung vom gegen den Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren mit dem Vorwurf ein:
"Sie sind seit dem als Inhaber des Unternehmens '...' in den Bereichen Fahrschulfahrzeugvermietung, Ausbildung in kraftstoffsparender Fahrweise, Kraftfahrerweiterbildung, Busfahrservice und Bordküchenservice, in der ... in ..., gewerblich tätig und im Gewerberegister eingetragen, ohne über die erforderliche Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit zu verfügen, obwohl Sie wussten, zumindest hätten wissen können und müssen, dass Sie für die Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung Ihres Disziplinarvorgesetzten bedürfen."
73. Mit Verfügung vom enthob der ... des ... den Soldaten vorläufig des Dienstes, verbot ihm, Uniform zu tragen und ordnete die Einbehaltung von 50 Prozent seiner Dienstbezüge an. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, es bestehe nicht nur der Verdacht der in der Einleitungsverfügung beschriebenen Pflichtverletzung, sondern auch von Verstößen gegen §§ 7, 8, 10 Abs. 6, § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Alt. 2, § 17a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 SG sowie § 10 Abs. 1 SG durch folgendes Verhalten:
"2. Am ... zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt zwischen 09:00 Uhr und 09:30 Uhr äußerten Sie in der ..., ... ..., gegenüber den anwesenden Stabsfeldwebel A., B. und Hauptmann C. wörtlich zumindest sinngemäß 'Die Bundesrepublik Deutschland ist wegen des fehlenden Friedensvertrages kein souveräner Staat.'
3. Am ... zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitraum zwischen 07:30 Uhr und 08:00 Uhr äußerten Sie in der ..., ..., ..., gegenüber den anwesenden Stabsfeldwebel D., B. und Hauptmann E. wörtlich zumindest sinngemäß 'Die Corona-Pandemie ist frei erfunden.', 'Von wem wird die WHO gesteuert? Der Pharmaindustrie und dem amerikanischen Militär.' sowie 'Die WHO wird von den Rothschilds dieser Welt gesteuert.'
4. Am ... zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitraum zwischen 08:30 Uhr und 13:00 Uhr äußerten Sie während der Prüfungsfahrt des Hauptgefreiten F., gegenüber den anwesenden Oberfeldwebel G., Hauptgefreiter F. und H. wörtlich, zumindest sinngemäß: 'Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sind nur ein Vorwand, um einen Krieg vorbereiten zu können' und 'Man muss sich fragen, warum die Reichsbürger sich so verhalten, wie sie es tun. Was muss der Kaiser damals alles Gutes für die gemacht haben.'
5. Am ... am Standort ..., ..., ..., ...,
a. weigerten Sie sich während Ihrer Anreise zwischen 07:00 Uhr und 08:00 Uhr einen durch den Kasernenkommandanten ... befohlenen Selbsttest auf COVID-19 durchzuführen, obwohl Sie aufgrund der Einladung das befohlene Hygienekonzept kannten. Auch auf wiederholten Befehl durch Oberstleutnant I. um 09:00 Uhr und 10:00 Uhr führten Sie einen solchen Test nicht durch. Sie wussten dabei, dass Sie von der Testpflicht nicht befreit waren.
b. Sie betraten die Räumlichkeit ... der dort ansässigen ..., um an einer Dienstbesprechung für amtlich anerkannte Sachverständige und Prüfer teilzunehmen, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, obwohl das Tragen, was Sie wussten, in den Räumlichkeiten durch den Kasernenkommandanten ... befohlen war. Auch auf erneute Aufforderung durch Oberstleutnant I. setzten Sie eine solche nicht auf. Eine Befreiung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung wurde Ihnen, was Sie wussten, nicht erteilt.
6. Sie haben sich am ... entgegen dem Befehl Ihres Vorgesetzten Oberstleutnant J. vom , sich die zweite Schutzimpfung gegen das Corona Virus COVID-19 gemäß der Allgemeinen Regelung A-840/8 'Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen' Nr. 210, 406 i. V. m. Abschnitt 2 der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 'Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil' Nr. 2001 Tabelle 3 verabreichen zu lassen, nicht impfen lassen, obwohl Sie wussten, dass seit dem eine Duldungspflicht gegenüber der COVID-19 Impfung besteht und obwohl keine medizinischen Kontraindikationen bei Ihnen vorlagen.
7. Ihr Vorgesetzter Oberstleutnant J. wiederholte am den Befehl, dass Sie sich nunmehr am gegen COVID-19 impfen lassen. Dem Befehl vom kamen Sie wiederholt nicht nach, obwohl Sie wussten, dass seit dem eine Duldungspflicht gegenüber der COVID-19 Impfung besteht und obwohl keine medizinischen Kontraindikationen bei Ihnen vorlagen."
8Der Soldat habe dadurch ein schweres Dienstvergehen begangen, das die Annahme rechtfertige, er sei aus dem Dienstverhältnis zu entfernen. Das Schwergewicht der Verfehlungen liege in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen und zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Er habe vorsätzlich die Pflicht zum treuen Dienen verletzt, indem er durch die Handlungen unter 5. bis 7. wissentlich und willentlich gegen § 20 Abs. 1 WStG verstoßen habe. Wer in vorsätzlicher Weise einen Befehl wiederholt nicht ausführe, begehe zudem nicht nur eine Wehrstraftat, sondern trage dazu bei, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu beeinträchtigen.
9Das unter 2. bis 4. vorgeworfene Verhalten stelle schwerwiegende Pflichtverstöße gegen § 8 SG dar. Wer in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat stehe, zerstöre die für das Dienstverhältnis unabdingbare Vertrauensgrundlage, wenn er vorsätzlich Bestrebungen unterstütze, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren seien. Mit dieser Pflicht sei ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt sei, die Ziele der sog. "Reichsbürgerbewegung" zu verharmlosen oder gesellschaftsfähig zu machen. Mit den Äußerungen habe der Soldat der Bundesrepublik Deutschland die Souveränität als Staat aberkannt und sich zu dem Gedankengut der Reichsbürgerbewegung positiv positioniert. Erschwerend zu berücksichtigen sei die Verletzung der Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG). Der Soldat sei den Befehlen zur Impfung, zum Selbsttest und zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht nachgekommen. Einher gehe damit ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht (§ 12 SG). Da keine mildernden Umstände erkennbar seien, sei die Höchstmaßnahme zu erwarten. Die vorläufige Dienstenthebung sei unumgänglich, um eine ernste Gefährdung der militärischen Disziplin und Ordnung abzuwenden. Die Entscheidung über die Höhe der Einbehaltung der Dienstbezüge ergehe aufgrund des Einkommens des Soldaten, wobei von geordneten finanziellen Verhältnissen und keinen außergewöhnlichen Belastungen ausgegangen werde.
104. Nachdem der Soldat bei der Einleitungsbehörde die Aufhebung der Nebenentscheidungen beantragt und sie ihn mit Bescheid vom abgelehnt hatte, hat der Soldat beim Truppendienstgericht unter dem die Aufhebung der Nebenentscheidungen beantragt.
115. Mit Beschluss vom hat das Truppendienstgericht den Antrag abgelehnt. Der Soldat habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Dienstvergehen begangen. Er habe sich zwar nicht zu den Vorwürfen eingelassen; der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens ergebe sich aber aus den Zeugenvernehmungen bzw. dienstlichen Erklärungen und der Verfahrensakte. Danach seien zwar die Tatvorwürfe gemäß Anschuldigungspunkt 6 und 7 nicht erwiesen, jedoch alle sonstigen Tatvorwürfe. Sie ließen die Verhängung der Höchstmaßnahme wahrscheinlicher erscheinen als eine geringere Disziplinarmaßnahme, auch wenn eine dezidierte Reichsbürgergesinnung des Soldaten nicht hinreichend belegt sei. Denn auf der zweiten Bemessungsstufe lägen Umstände vor, die den Übergang zur Höchstmaßnahme geböten. Es liege ein mehraktiges Dienstvergehen in Form des Ungehorsams sowie der ungenehmigten Ausübung einer Nebentätigkeit über einen längeren Zeitraum vor. Der Soldat stelle nicht nur den Staat, dem er diene, infrage, sondern scheine seiner Einstellung durch die Nichtbefolgung von Befehlen Ausdruck zu verleihen und dabei in Kauf zu nehmen, die Gesundheit von Kameraden zu gefährden. Die bislang beanstandungslosen Dienstleistungen des Soldaten und die ansprechende Stellungnahme des Disziplinarvorgesetzten wirkten nach alledem nicht entscheidend mildernd.
126. Mit seiner am erhobenen Beschwerde, beantragt der Soldat, den Beschluss des Truppendienstgerichts und die Bescheide der "Beschwerdegegnerin" aufzuheben sowie im Hinblick auf ein vor dem Amtsgericht ... anhängiges strafgerichtliches Verfahren festzustellen, dass die Tatvorwürfe 6 und 7 bezüglich der behaupteten Befehlsverweigerung unberechtigt seien. Dabei trägt er zum Vorwurf, es habe an einer Nebentätigkeitsgenehmigung gefehlt, vor, diese fehlerhafte Feststellung sei auch Ausdruck dessen, dass das Truppendienstgericht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen habe. Es habe sich aufgedrängt, die Personalakte des Soldaten anzufordern. Die Gewerbeanmeldung am sei zudem lediglich aus formalen Gründen erfolgt, obwohl zum damaligen Zeitpunkt noch keinerlei Nebentätigkeit ausgeübt worden sei. Nach Aktenlage seien ihm nachweislich bis einschließlich mehrere Nebentätigkeitsgenehmigungen erteilt worden, so dass die gegenläufigen Aussagen des Disziplinarvorgesetzten K. eine unwahre dienstliche Meldung darstelle. Dieser hätte vom Truppendienstgericht auch als Zeuge vernommen werden müssen. Ungeachtet dessen hätte schon im Hinblick auf § 17 WDO kein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten mehr geführt werden dürfen. Ferner beantragte er, über die Anrechnung der Vollstreckung und über den Ausgleich einer zu Unrecht vollstreckten Disziplinarmaßnahme (hälftige Einbehaltung der Dienstbezüge seit ) zu entscheiden. Es sei konstruiert und weltfremd, einem loyalen Soldaten, der 30 Jahre lang redlich und zuverlässig gedient habe, aufgrund persönlicher Meinungsäußerungen, die zudem von § 15 Abs. 2 Satz 2 SG und der Meinungsfreiheit gedeckt seien, ein schweres Dienstvergehen vorzuwerfen. Bei alledem entspreche der Tatvorwurf 5 nicht den Tatsachen. Ungeachtet dessen komme allenfalls eine einfache Disziplinarmaßnahme in Betracht, da er zu keinem Zeitpunkt eine gesundheitliche Gefährdung anderer verursacht habe und seinerzeit 95 % aller Soldaten gegen COVID-19 geimpft gewesen seien.
137. Vor dem Amtsgericht ... ist wegen der dort angeklagten Verfehlungen entsprechend den Anschuldigungspunkten 6 und 7 ein Hauptverhandlungstermin für den anberaumt.
148. Eine Anschuldigungsschrift wegen der in der Verfügung über die Nebenentscheidungen behaupteten Pflichtverletzungen lag Anfang August 2023 noch nicht vor.
159. Die Verteidigerin des Soldaten hat Einsicht auch in die Personalakte des Soldaten genommen und ausgeführt, sie habe zu den Vorwürfen bereits ausführlich vorgetragen, insbesondere dazu, dass zwei Nebentätigkeitsgenehmigungen vorlägen und Anzeigen gegen die verantwortlichen Disziplinarvorgesetzten wegen der Verfolgung von Unschuldigen nach § 344 Abs. 2 StGB sowie wegen des Missbrauchs der Disziplinarbefugnis nach § 39 WStG gestellt würden.
Gründe
16Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
171. Über die Beschwerde kann im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Nach § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden in der Besetzung mit drei hauptamtlichen Richtern (§ 80 Abs. 3 WDO) durch Beschluss. Dabei steht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Antragssachen nach § 113 WDO im Ermessen des Gerichts. Die Sachprüfung in den vorläufigen Verfahren nach § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO muss sich hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen jedoch ihrem Wesen nach auf eine summarische Bewertung der vorhandenen Beweise und entsprechende Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränken (vgl. 2 WDB 1.02 - Buchholz 235.01 § 126 WDO 2002 Nr. 1), so dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung regelmäßig nicht zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist. Aus diesem Grund ist die vom Antragsteller angeregte mündliche Verhandlung auch im vorliegenden Fall nicht vonnöten und kann aus Beschleunigungsgründen unterbleiben.
18Auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erforderlich, in dem es - wie hier - nicht um die endgültigen Ansprüche und Verpflichtungen, sondern nur um vorläufige Maßnahmen geht (vgl. Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, VwGO, 7. Aufl. 2017, § 80 Abs. 5 Rn. 908). Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Rechtsprechung aufgegeben, wonach in Verfahren über einstweilige Maßnahmen niemals über die eigentlichen Ansprüche und Verpflichtungen entschieden wird. Vielmehr hängt dies von Art, Gegenstand und Ziel sowie den Wirkungen der einstweiligen Maßnahme ab (EGMR, Urteil vom - 33060/10 - NJW 2017, 2455 Rn. 61). Allerdings führen die hier im Streit stehenden Nebenentscheidungen nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache oder zu irreversiblen oder existentiellen Vermögenseinbußen, so dass nicht schon wegen der gravierenden Auswirkungen eine mündliche Verhandlung im Eilverfahren durchzuführen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom - 14 MB 3.17 - NVwZ-RR 2018, 779 Rn. 26). Zudem sieht das Disziplinarrecht eine mündliche Hauptverhandlung über die eigentlichen disziplinarrechtlichen Vorwürfe vor, in der eine abschließende Beweisaufnahme vor dem vollständig besetzten Wehrdienstgericht unter Mitwirkung ehrenamtlicher Richter erfolgt.
192. Die Feststellungsanträge hinsichtlich der Tatvorwürfe 6 und 7 sowie der auf eine Entscheidung nach § 42 Nr. 7 WDO abzielende Antrag sind im vorliegenden Verfahren unstatthaft.
20Feststellungsanträge sind in dem Verfahren nach § 126 Abs. 5 WDO nicht vorgesehen. Dem summarischen Charakter dieses vorläufigen Rechtsbehelfsverfahrens, in dem keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung, sondern nur eine solche mit begrenzter Bindungswirkung getroffen wird (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 4.09 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 11 und vom - 2 WDB 6.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 10 Rn. 13), widerspricht es, in ihm isolierte und endgültige Feststellungen zur Rechtmäßigkeit von Anordnungen zu treffen. Die Richtigkeit der disziplinarischen Vorwürfe wird im disziplinargerichtlichen (Hauptsache-)Verfahren abschließend geklärt werden.
21Im Anschluss daran kann gegebenenfalls ein finanzieller Ausgleich für zu Unrecht einbehaltene Dienstbezüge erlangt werden. Vor diesem Hintergrund erklären sich die hauptsacheakzessorischen Regelungen des § 127 WDO zur Behandlung einbehaltener Dienstbezüge nach Abschluss des disziplinargerichtlichen Verfahrens (zum Fortsetzungsfeststellungsantrag: 2 WDB 3.21 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 17 Rn. 7 m. w. N.). Die dort getroffenen Regelungen schließen den - vom Soldaten beantragten - Rückgriff auf § 42 Nr. 7 WDO aus.
223. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Das Truppendienstgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der Nebenentscheidungen zu Recht abgelehnt, da diese sich bei der im vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO nur möglichen summarischen Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweisen.
234. Die auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 126 Abs. 1 und 2 Satz 1 WDO beruhenden Nebenentscheidungen begegnen keinen formellen Bedenken.
24a) Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 WDO das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Schließlich ermächtigt § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO dazu, die Dienstbezüge teilweise einzubehalten. Die Anordnungen müssen auf einer wirksamen Einleitungsverfügung beruhen, von einem besonderen, sie rechtfertigenden Grund getragen und nach pflichtgemäßem Ermessen ergangen sein.
25b) An der Rechtswirksamkeit der Einleitungsverfügung bestehen keine Zweifel. Auch sind die Nebenentscheidungen ausreichend begründet (zu den Heilungsmöglichkeiten: 2 WDB 13.22 - juris Rn. 20 ff.).
26Dass die angegebenen disziplinarischen Gründe für die Nebenentscheidungen erheblich über den Grund hinausreichen, der zur Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfahrens veranlasst hat, ist unschädlich, da das einmal eingeleitete gerichtliche Disziplinarverfahren ohne Ergänzung oder eine weitere Einleitungsverfügung auf Vorwürfe ausgedehnt werden kann, die nicht bereits Gegenstand der Einleitungsverfügung waren. Dies folgt namentlich aus § 99 Abs. 2 WDO, der die Einbeziehung neuer Pflichtverletzungen im bereits anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahren unter gänzlichem Verzicht auf eine insoweit neue Einleitungsverfügung zulässt ( 2 WDB 3.19 - Buchholz 450 § 126 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 14 m. w. N.). Erforderlich ist lediglich, dass das Dienstvergehen, welches die vorläufige Dienstenthebung rechtfertigen soll, zumindest teilweise sachgleich mit dem Verhalten ist, das den Gegenstand der Einleitungsverfügung bildet ( 2 WDB 2.20 - NZWehrr 2021, 121 <123> Rn. 13 m. w. N.).
275. Die Nebenentscheidungen sind zudem materiell-rechtlich rechtmäßig. Der für sie nach § 126 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO erforderliche besondere Grund liegt vor.
28a) Ein besonderer Grund kommt bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO regelmäßig bereits dann in Betracht, wenn mindestens eine Dienstgradherabsetzung im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde ( 2 WDB 4.22 - juris Rn. 12 ff. m. w. N.).
29b) Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse und unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel sowie von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind ( 2 WDB 4.22 - juris Rn. 16), besteht der hinreichend begründete Verdacht, dass der Soldat sich in disziplinarisch relevanter Weise so verhalten hat, dass die Höchstmaßnahme zu erwarten ist.
30aa) Soweit es den bereits in der Einleitungsverfügung erhobenen Vorwurf betrifft, beziehen sich die in den Akten enthaltenen Genehmigungen nicht auf den Soldaten als Inhaber des gewerblichen Unternehmens "..." mit Sitz in ..., sondern auf andere Unternehmen, bei denen er (angestellt) tätig werden durfte. Zwar verwies die Website des Soldaten darauf, dass die Fahrschulausbildung zusammen mit der Fahrschule "..." erfolge und nach Versenden des Anmeldeformulars "wir ihnen auf Wunsch ein Ausbildungsvertrag für die ausgewählten Führerscheinklassen" zusenden. Die Kooperation des Soldaten mit dieser Firma, für die eine (vom , und datierende) Nebentätigkeitsgenehmigung vorliegt, führt aber nicht dazu, dass die Tätigkeit des Soldaten dadurch unselbständig wird. Denn die "..." hat mitgeteilt, dass der Soldat bei ihr nicht als Fahrlehrer eingestellt gewesen ist, sondern er ein "freier Fahrlehrer" sei. Nur die Anmeldung und Prüfungstermine würden über die "..." laufen. Vor diesem Hintergrund erlangt keine Bedeutung, dass die unter dem erteilte Genehmigung ohnehin nur bis zum galt. Diese aktenkundige Mitteilung lässt auch die Einlassung des Soldaten, eine selbständige Tätigkeit sei trotz Gewerbeanmeldung vom nie ausgeübt worden, als voraussichtlich nicht glaubwürdige Schutzbehauptung erscheinen.
31bb) Soweit es die unter den Nummern 2 bis 4 der Verfügung vom erhobenen Vorwürfe betrifft, steht ausweislich der Aussage des Zeugen B. über ein Gespräch am ... zwischen ihm und dem Soldaten fest, dass dieser gesagt hat, Deutschland sei eigentlich kein souveräner Staat, weil es keinen Friedensvertrag gebe. In einem Gespräch vom ... habe der Soldat auch gesagt, dass die Weltgesundheitsorganisation nur auf Anweisung des amerikanischen Militärs agiere und dass dort nur fünf oder sechs der reichsten Menschen die Entscheidungen träfen. Auch der Zeuge A. hat ausgeführt, der Soldat habe ihm die Sichtweise eines Reichsbürgers geschildert, wobei für ihn aber nicht erkennbar gewesen sei, ob der Soldat deren Standpunkt nur habe erklären wollen oder er sich ihn zu eigen gemacht habe. Nach Ansicht der Reichsbürger habe es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Friedensvertrag gegeben, so dass das Deutsche Reich fortbestehe. Wortgetreu könne er das Gespräch nicht wiedergeben. Er wäre jedoch enttäuscht, wenn dies tatsächlich die Ansichten des Soldaten seien. Der Zeuge C., der sich wegen der Vielzahl der von ihm wahrgenommenen Beeinflussungsversuche des Soldaten gegenüber Angehörigen des ... zu einer Meldung veranlasst sah, hat ausgeführt, in einem Gespräch am ... habe der Soldat erklärt, die Bundesrepublik Deutschland sei wegen eines fehlenden Friedensvertrags kein souveräner Staat. Dabei habe er keine Zweifel daran, dass die Aussage gefallen sei, sondern nur, ob man den Soldaten falsch verstanden habe. Anwesend gewesen seien dabei auch B. und Stabsfeldwebel A. In einem anderen Gespräch am ... habe der Soldat in Anwesenheit von Stabsfeldwebel D., L. und B. zudem die Frage aufgeworfen, wer die Weltgesundheitsorganisation sei und von wem sie gesteuert werde. Der Soldat habe sie damit beantwortet, dass dies die Pharmaindustrie und das amerikanische Militär seien. Ebenfalls am ... habe der Soldat mit geradezu missionarischem Eifer und monologartig sich zu gelenkten öffentlichen Staatsmedien, einem gesteuerten Verfassungsschutz, manipulierten Landtagswahlen in Thüringen, zu den AfD-Vertretern Höcke und Kablitz und zur Entziehung von Grundrechten im Rahmen der Pandemie geäußert.
32Nicht zuletzt die behutsame Aussage des Zeugen C., der den Soldaten augenscheinlich nicht falsch verdächtigen will, sprechen für die Richtigkeit der Aussagen. An der Glaubwürdigkeit auch der anderen Zeugen zu zweifeln besteht ebenfalls kein Anlass, insbesondere liegen keine Hinweise auf ein Belastungsmotiv oder ein kollusives Zusammenwirken der Zeugen vor. Dass der Soldat sich in späteren Äußerungen, die erst zur Erhärtung des Tatverdachts führten, in einem die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland negierenden Sinne geäußert hat, spricht ebenfalls für den Wahrheitsgehalt früherer Zeugenaussagen.
33So hat der Zeuge M. auf ein Gespräch am ... hingewiesen. Der Soldat habe gesagt, im Internet finde man sehr schnell Seiten, auf denen stehe, dass Deutschland sich im Waffenstillstand mit den Alliierten befinde und keine Verfassung habe. Das Grundgesetz sei nichtig und Deutschland habe keine Verfassung. Allerdings habe der Soldat nach dem Eindruck des Zeugen nicht zum Ausdruck gebracht, dass dies seine Ansicht sei, sich davon aber auch nicht distanziert ("Da war immer noch so das Hintertürchen offen."). Er habe ferner erklärt, es gebe keine Viren, "dieses ganze Corona" sei künstlich erzeugt worden, um die Weltbevölkerung zu reduzieren; davon scheine der Soldat auch überzeugt gewesen zu sein. Er habe zudem erklärt, es gebe mächtige internationale Verbindungen, die die Fäden in der Hand hielten und die Sachen steuerten. Soweit es um Impfungen gehe, habe der Soldat geäußert, dies sei alles Blödsinn, das könne keiner verlangen. Für eine Impfpflicht gebe es keine rechtliche Grundlage. Er - der Zeuge - habe den Soldaten nicht so kennen gelernt und deshalb auch nicht mit solchen Themen oder Ansichten gerechnet. Dabei wird die ablehnende Haltung des Soldaten Impfungen gegenüber auch durch die Aussage des Zeugen N. über ein Gespräch am ... bestätigt.
34Aus den erwähnten Aussagen der Zeugen B. und C. folgt auch, dass die in Nummer 3 behaupteten Äußerungen vom Soldaten jedenfalls sinngemäß getätigt worden sind. Dies bestärkt zudem die Aussage des Stabsfeldwebel D., demzufolge der Soldat erklärt habe, dass wir doch alle für dumm gehalten würden. Er habe die richtigen Quellen und "die Pandemie (sei) erfunden". Der Zeuge hat erklärt, die Formulierung "die halten uns dumm", zunächst für eine Floskel gehalten, dann aber den Eindruck gewonnen zu haben, dass dies die Geisteshaltung des Soldaten beschreibe. Zwar ist die Aussage des Zeugen E., der bei diesem Gespräch zugegen gewesen sein soll, unergiebig, jedoch hat der Zeuge O. von einem Gespräch am ... berichtet, bei dem der Soldat erklärt habe, die Pandemie sei gar keine Pandemie, sondern politisch inszeniert. Die Bundeswehr sei nur eine GmbH und die Welt werde von drei Familien beherrscht, wobei der Name "Rothschild" gefallen sei. Der Soldat habe erklärt, er hege starke Zweifel daran, was sich gerade in der Welt abspiele und in Deutschland an pandemiebedingten Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Der Soldat habe bei ihm - dem Zeugen - zwar tatsächlich Zweifel an politischen Entscheidungen des politischen Systems erzeugt, aber mit etwas Abstand nicht mehr.
35Dafür, dass auch die in Nummer 4 vorgeworfenen Äußerungen durch den Soldaten gefallen sind, spricht die Aussage der Zeugin G. Bei einem Gespräch am ... habe der Soldat ihr gesagt, dass die Coronamaßnahmen ein Vorwand für einen Krieg sein könnten und dass (der US-amerikanische Präsident) Trump Exporte mit Atemmasken gestoppt habe, weil sich nach seinen Informationen in diesen Lieferungen keine Masken, sondern Menschenfleisch befunden hätte. Der Soldat habe auch darüber gesprochen, welche Macht die Pharmalobby über die Regierung habe und auf die Arte-Dokumentation "Profiteure der Angst" hingewiesen. Er habe ferner über die Medien gesprochen, dass diese doch viel aufbauschten, Panik verbreiten und Vieles nicht zeigen würden, so etwa, dass Krankenhausmitarbeiter nach Hause geschickt würden, weil sie zu wenig zu tun hätten. Er habe ihr mehrere Bücher und Autoren nahegelegt, unter anderem von Thorsten Schulte "Fremdbestimmt" und Max Otte. Der Soldat habe sinngemäß gesagt, man müsse sich fragen, warum die Reichsbürger sich so verhielten, wie sie es täten und was der Kaiser damals Gutes für sie gemacht haben müsse.
36cc) Soweit es den unter Nummer 5 erhobenen Vorwurf betrifft, spricht ebenfalls Überwiegendes dafür, dass sich der Soldat wie behauptet verhalten hat.
37aaa) Zur Nummer 5a, Satz 1, steht nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand fest, dass sich der Soldat am ... in der ... bei seiner Anreise zunächst geweigert hat, sich einem Selbsttest auf COVID-19 zu unterziehen, obwohl ihm die Verpflichtung dazu im Rahmen der Einladung bekannt gemacht worden war. Darin wurden unter dem alle über das Hygienekonzept informiert. Es enthält unter anderem die Vorgabe: "Dieser Selbsttest ist von jedem Teilnehmer vor Ort durchzuführen". Ferner enthält es, auch nach Angaben des Soldaten, die Vorgabe, während der Besprechung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
38Fest steht ebenfalls, dass der Soldat sich auch nicht - wie zu Nummer 5a, Satz 2 vorgehalten - nach ausdrücklichem Befehl des Oberstleutnants I. einem solchen (zweiten) Test unterzogen hat. Dies folgt zum einen aus den Aussagen des Soldaten, der insbesondere die unterlassene Testung in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten, sondern deren Verweigerung lediglich für rechtlich zulässig erachtet hat. Zum anderen folgt dies aus den Aussagen mehrerer Zeugen.
39So hat nach Angabe des Zeugen P. (vom ) der Soldat vor Beginn der Dienstbesprechung nur abgewunken und keinen COVID-19-Test entgegengenommen. Erst später sei der Soldat zu ihm gekommen und habe einen COVID-19-Test haben wollen. Der Zeuge Q. hat ausgeführt, auf den Hinweis, dass der Soldat sich testen müsse, habe dieser kurzsilbig geantwortet, er würde sich nicht testen lassen. Nachdem der Vorfall gemeldet und von Oberstabsfeldwebel R. (als Leiter der ...) entschieden worden sei, dass sich der Soldat trotz fehlender Mund-Nasen-Bedeckung im ... aufhalten dürfe, wenn er negativ getestet sei, habe Oberstleutnant I. (in Gegenwart auch des Zeugen) dem Soldaten unmissverständlich befohlen, sich zu testen. Nach den ersten Vorträgen habe er gesehen, dass Stabsfeldwebel S. den Soldaten mit einem ungeöffneten COVID-19-Test aufgesucht habe. Er habe sich hinzubegeben, weil er eine Auseinandersetzung befürchtet habe. Er habe dann mitbekommen, dass sich der Soldat und der Zeuge S. über ein Datum ("") unterhalten hätten, welches sich auf der Vorderseite der Testverpackung befunden habe. Die Behauptung des Soldaten, es würde sich dabei um ein Ablaufdatum handeln, habe bei ihm den Eindruck erweckt, dieser suche einen Grund, den Test zu boykottieren, denn das tatsächliche Test-Ablaufdatum befinde sich auf der Rückseite der Packung und sei mittels Piktogramm deutlich als Ablaufdatum zu identifizieren. Schließlich hat Stabsfeldwebel S. (unter dem ) ausgeführt, nachdem er dem Soldaten die Entscheidung des Leiters der ... mitgeteilt hatte, habe der Soldat eine verschlossene Packung mit einem COVID-19-Test entgegengenommen, wobei er - nach einem Vortrag - festgestellt habe, dass das Testergebnis des Soldaten ungültig gewesen sei. Er habe ihm deshalb einen weiteren Schnelltest ausgehändigt, den durchzuführen der Soldat jedoch mit der Begründung verweigert habe, das Ablaufdatum des Tests sei überschritten.
40Oberstleutnant I. hat in seiner dienstlichen Erklärung vom zu den zuvor dargestellten Zeugenaussagen vom zeitlichen Ablauf und in der Sache stimmig ausgeführt, er habe im Besprechungsraum den Soldaten aufgefordert, einen Selbsttest durchzuführen oder die Veranstaltung umgehend zu verlassen, nachdem dieser dem Stabsfeldwebel S. gesagt habe, er trage keine Mund-Nasen-Bedeckung, mache den Test nicht und sich (trotzdem) in den Besprechungsraum begeben habe. Der Soldat habe dann einen COVID-19-Test gemacht, der zum ungültigen Ergebnis geführt habe. Daraufhin habe er den Soldaten noch einmal aufgefordert, den Test zu wiederholen, worauf sich der Soldat zum Empfang des Selbsttests begeben habe. Im Laufe der Besprechung sei der Soldat wieder in den Besprechungsraum zurückgekehrt und er - der Zeuge - habe erst in der Pause erfahren, dass der Soldat die Durchführung des zweiten COVID-19-Tests verweigert habe. Zur Begründung solle er angegeben haben, dass der Test eine Zulassung nur bis zum habe und deshalb nicht genutzt werden dürfe. Der Zeuge selbst habe sich dann von der Aufschrift der Verpackung überzeugt. Das Haltbarkeitsdatum des Testes sei jedoch mit "" ausgewiesen gewesen. Gegen 11:00 Uhr sei er dann zum Soldaten gegangen und habe ihn aufgefordert, umgehend die Veranstaltung zu verlassen und zurück zu seinem Dienstort zu gehen, was dieser auch gemacht habe.
41Die Einlassung des Soldaten, die Haltbarkeitsdauer für den COVID-19-Test sei am abgelaufen, wird nach Aktenlage voraussichtlich durch die Zeugenaussagen widerlegt werden. Angesichts des Vorverhaltens des Soldaten stellt sie sich nach derzeitigen Erkenntnisstand als reine Schutzbehauptung dar. Dies folgt aus den bereits zu den Punkten 2 bis 4 gewürdigten Äußerungen, die den Soldaten nach den Aussagen der dazu vernommenen, glaubwürdigen Zeugen als Gegner einer COVID-19-Impfung ausweisen. Dafür sprechen aber auch seine sonstigen Erklärungen. So behauptet er in einer E-Mail vom , die entscheidende Gefahr gehe "... unstrittig von der Impfung und den Tests aus". In einer E-Mail vom führt er aus: "Ich lasse mich aber auf keinen Fall zum Testen und Masketragen nötigen und diskriminieren" und er werde "... noch ... Nachrichten weiterleiten, aus denen hervorgeht, dass ich zu der Dienstbesprechung unter der Kenntnis des Veranstalters, ... keinen Test machen werde und auch keine Maske trage". Die Tests seien "nicht in der Lage, eine Infektion nachzuweisen" und sich "kontaminierte Stäbchen in die Nase einzuführen", verbiete "der gesunde Menschenverstand." Er sei "gegen das Tragen von Masken und habe dafür persönliche triftige Gründe."
42bbb) Zur Nummer 5b, Satz 1, steht nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand fest, dass der Soldat am ... in der ... den ... betrat, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, obwohl ihm bekannt war, dass dies durch den Kasernenkommandanten befohlen worden war; ob er sie - wie zu Nummer 5b, Satz 2 behauptet - trotz erneuter Aufforderung durch Oberstleutnant I. nicht aufsetzte, steht indes nicht mit vergleichbarer Sicherheit fest.
43Dass der Soldat anlässlich der Dienstbesprechung am ... keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen hat, ist zwar voraussichtlich nach den Aussagen des Hauptmanns P. und des Oberstleutnants I. gesichert. Auch Hauptmann Q. hat (in seiner dienstlichen Erklärung vom ) ausgeführt, der Soldat sei "mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit" als einziger ohne Mund-Nasen-Bedeckung erschienen und habe erklärt, er sei davon befreit. Einen Nachweis habe er angeblich, würde ihn aber nicht vorzeigen. Danach habe er sich nach oben, "in die Örtlichkeit der Dienstbesprechung" begeben. Danach sei von Oberstabsfeldwebel R., dem Leiter der ..., entschieden worden, dass der Soldat (nur) bleiben dürfe, wenn der Coronatest negativ ausfalle und der Soldat sich ausnahmslos im ... aufhalte und den Bereich nach Abschluss der Veranstaltung wieder auf direktem Weg verlasse. Währenddessen habe Oberstleutnant I. dem Soldaten befohlen, sich entsprechend den Hygieneregeln zu testen.
44Nach den glaubhaften Aussagen dieser Zeugen steht jedoch nicht fest, dass es zu einer Aufforderung des Oberstleutnants I. an den Soldaten gekommen ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Selbst Oberstleutnant I. erklärt lediglich, er habe den Soldaten (zweifach) aufgefordert, sich einer Testung zu unterziehen. Das Befehlen einer Testung und nicht des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung erscheint auch deshalb stimmig, weil die Entscheidung des Leiters der ... vorlag, der Soldat müsse keine Maske tragen, wenn er (negativ) getestet sei.
45dd) Soweit es den unter Nummern 6 und 7 erhobenen Vorwurf betrifft, steht zwar fest, dass der Soldat sich nicht bis zum 8. oder eine COVID-19-Impfung hat verabreichen lassen, obwohl er wusste, dass seit dem eine Duldungspflicht für COVID-19-Impfungen bestand. Schon der Soldat hat beides nicht in Abrede gestellt, was sich insbesondere aus seiner E-Mail vom ergibt. Auch ist die Anordnung des Oberstleutnants J. vom 30. November und bei ganzheitlicher Würdigung als - zur Umsetzung des rechtmäßigen Erlasses vom (dazu 1 WB 2.22 - MedR 2023, 413 <414, 415>) ergangener - Befehl zu verstehen, eine Impfung zu dulden. Der wiederholte Befehl verlangte vom Soldaten indes nicht - wie in der Verfügung vom angenommen - sich bis zum 8., sondern bis zum impfen zu lassen. Damit war ein Zeitfenster erfasst, in dem sich der Soldat wegen einer (seit dem 10. Dezember feststehenden) COVID-19-Infektion keiner Impfung mehr zu unterziehen brauchte. Insoweit bestand eine medizinische Kontraindikation, die in Nummer 6 ausdrücklich als Umstand erwähnt wird, der die Verpflichtung zur Duldung einer Impfung entfallen lässt. Im Übrigen ist der Soldat dem Befehl vom zwar insoweit nicht nachgekommen, als er bestimmte Nachweise erbringen sollte; dieser Umstand bildete - wie vom Truppendienstgericht zutreffend festgestellt (BA S. 17) - jedoch keinen Grund für die Nebenentscheidungen.
46c) Der Soldat hätte damit jedenfalls gegen §§ 7, 8, 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG in einer Weise verstoßen, die eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis nahelegt; im Einzelnen:
47aa) Die unabhängig vom Dienstgrad nach § 8 SG bestehende politische Treuepflicht eines Soldaten verlangt von diesem, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen (Alt. 1) und zum anderen, für ihre Erhaltung einzutreten (Alt. 2; vgl. 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 41 f. m. w. N.).
48aaa) Die Verpflichtung zum Eintreten wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 39 und vom - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 44). Mit der politischen Treuepflicht ist demnach ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die so genannte Reichsbürgerbewegung zu unterstützen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - u. a. durch die Berufung auf das historische Deutsche Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie der bestehenden Rechtsordnung ( 2 WD 10.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 116 Rn. 26; vgl. auch Herrmann, Kriminalistik 2022, 195 ff.; Wagner, NZWehrr 2022, 223 ff.). Ist ein solches "staatsnegierendes Verständnis" ( 2 WDB 3.22 - juris Rn. 38) zudem Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen Gesinnung eines Soldaten, womit er nicht nur für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht eintritt, sondern sie auch nicht im Sinne des § 8 Alt. 1 SG anerkennt ( 2 WD 7.20 - BWV 2021, 187 <187>), bildet die Höchstmaßnahme - bei einem aktiven Soldaten folglich die Entfernung aus dem Dienstverhältnis - den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ( 2 WD 10.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 116 Rn. 44).
49bbb) Nach Maßgabe dessen hat der Soldat durch seine Äußerungen zu den Nummern 2 und 4 den Eindruck erweckt, reichsbürgerlichem Gedankengut nahezustehen. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Aussage, die Bundesrepublik Deutschland sei kein souveräner Staat und man müsse sich (zumindest) fragen, warum die Reichsbürger sich so verhielten wie sie es täten. Die Aussage des Zeugen O., der Soldat habe die Bundeswehr als eine GmbH bezeichnet, rundet das Bild ab. Ob alle sonstigen unter Nummer 2 erwähnten Äußerungen sowie die Äußerungen zu Nummer 3 sich im Rahmen der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bewegen oder jedenfalls einen Verstoß gegen das Mäßigungsgebot nach § 10 Abs. 6 SG ( 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 23 ff.) begründen, kann dahingestellt und der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
50ccc) Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand steht indes nicht hinreichend sicher fest, dass der Soldat auch tatsächlich eine solche Gesinnung aufweist. Zwar deuten sonstige, nicht von den bisherigen Vorwürfen erfasste, in die Gesamtbetrachtung jedoch einzubeziehende Äußerungen zusätzlich auf eine - wie sich dies etwa dem Zeugen N. aufgedrängt hat - verschwörungstheoretische Gedankenwelt hin, die oft auch im Reichsbürgermilieu anzutreffen ist (vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat, Verfassungsschutzbericht 2022, S. 104 ff.). Allerdings lassen neben fehlenden Erkenntnissen der Verfassungsschutz- und Ordnungsbehörden einige Zeugenaussagen an einer entsprechenden Gesinnung zweifeln. So hat der Zeuge A. ausgeführt, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, ob der Soldat den Standpunkt von Reichsbürgern nur habe erklären wollen oder dies dessen Standpunkt sei. Ebenso hat der Zeuge C. ausgesagt, er habe keine Zweifel daran, dass die Aussage gefallen sei, allerdings sei er sich nicht sicher, ob man den Soldaten nicht falsch verstanden habe. Auch der Zeuge M. hat ausgeführt, der Soldat habe seines Erachtens nicht zum Ausdruck gebracht, dass die fehlende Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland - auch wenn dieser sich davon nicht distanziert habe ("Da war immer noch so das Hintertürchen offen.") - seiner Ansicht entspreche. Die Klärung der tatsächlichen Gesinnung des Soldaten muss nach alledem dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
51ddd) Zwar haben seine Äußerungen isoliert betrachtet noch nicht den Eindruck einer hohen Identifikation mit der Reichsbürgerszene erweckt, womit Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen insoweit nicht eine Dienstgradherabsetzung (vgl. 2 WD 10.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 116 LS), sondern nur ein Beförderungsverbot wäre; der Übergang zur Dienstgradherabsetzung als schwerere Maßnahmeart ist jedoch deshalb geboten, weil der Soldat zahlreiche Äußerungen dieser Art tätigte, die im Zusammenhang mit weiteren (noch) nicht angeschuldigten Äußerungen zusätzliches Gewicht erlangen, zumal der Soldat nach § 10 Abs. 1 SG Vorgesetzter ist.
52bb) Die Schwere des Dienstvergehens erhöht sich ganz erheblich dadurch, dass sich der Soldat geweigert hat, am Morgen des ... einen COVID-19-Test durchzuführen und er ihn auch auf Befehl des Oberstleutnants I. am frühen Vormittag nicht durchgeführt, sondern gleichwohl (zeitweise) an der Dienstbesprechung ohne Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung teilgenommen hat. An der Eignung von (medizinischen) Masken zur Reduzierung des Infektionsrisikos bestehen keine vernünftigen Bedenken, ebenso sind schwere gesundheitliche Schäden durch das Tragen von medizinischen Masken durch gesunde Personen nicht belegt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom - 13 MN 398/21 - juris Rn. 10 und .NE - juris Rn. 89).
53aaa) Es kann im vorläufigen summarischen Verfahren in Ermangelung aktenkundiger, zeitlich vor dem Zentrumsbefehl 10/2021 vom liegender Befehle des Kasernenkommandanten dahingestellt bleiben, ob das dem Soldaten übermittelte Hygienekonzept bereits einen Befehl oder lediglich eine Weisung bildete. Denn bei Letzterem läge zwar kein Verstoß gegen § 11 Satz 1 SG, jedoch gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG vor. Sie verlangt von Soldaten, auch Weisungen - etwa in Form von Verwaltungsvorschriften - zu beachten ( 2 WD 9.19 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 80 Rn. 26 und Beschluss vom - 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 47 m. w. N.).
54bbb) Einen Verstoß gegen § 11 Satz 1 SG beging der Soldat jedenfalls dadurch, dass er der als Befehl im Sinne des § 2 Nr. 2 WStG (vgl. 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 46) zu qualifizierenden Anordnung des Oberstleutnants I. nicht Folge leistete, sich einem COVID-19-Test zu unterziehen, mit dem ganz augenscheinlich keine Gesundheitsgefahr verbunden ist. Insoweit erschließt sich nicht die Verweigerung des Soldaten mit dem Hinweis auf "kontaminierte Stäbchen".
55Befehl und Gehorsam bilden auch und gerade für die Streitkräfte des freiheitlichen Verfassungsstaates ein elementares Prinzip und die Pflicht zum Gehorsam eine zentrale Dienstpflicht eines jedes Soldaten. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar ( 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 78, 101). Ungeachtet dessen, dass selbst ein Test mit abgelaufenem Verfallsdatum den Soldaten nicht berechtigt hätte, sich dem Test zu verweigern, weil die mit einem unwirksamen Test verbundenen Risiken ausschließlich auf Seiten des Dienstherrn anfallen, hat der Senat bereits festgestellt, dass es sich allem Anschein nach um eine Schutzbehauptung des Soldaten gehandelt hat.
56Es liegt auch weder ein Grund für die Unverbindlichkeit eines Befehls nach § 11 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 SG noch ein darüber hinaus in der Rechtsprechung anerkannter Unverbindlichkeitsgrund vor ( 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 41 sowie vom - 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 <310 ff.>). Ob ein Befehl im Übrigen rechtmäßig ist, insbesondere ob er eine innerdienstliche Anweisung korrekt umsetzt, ist für seine Verbindlichkeit ohne Bedeutung. Denn § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG gilt, sofern ein Befehl nicht ausnahmsweise unverbindlich ist, auch für rechtswidrige Befehle, selbst wenn damit Ordnungswidrigkeiten begangen oder Dienstpflichten verletzt werden ( 2 WD 7.21 - BVerwGE 175, 118 Rn. 32 m. w. N.). Selbst die Einlegung einer Beschwerde befreit nicht von der Pflicht, möglicherweise rechtswidrige Befehle zu befolgen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 WBO). Sie entfällt erst beim erfolgreichen Antrag auf Aussetzung des Vollzuges nach § 3 Abs. 2 WBO. Unabhängig davon wäre der Soldat von der Verantwortung für die Nichtbefolgung auch nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 SG nicht befreit. Weder wäre ein solcher Irrtum unvermeidbar noch die Einlegung eines Rechtsbehelfes unzumutbar gewesen.
57ccc) Ob eine beharrliche und deshalb strafbare Befehlsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 WStG deshalb gegeben ist, weil der Soldat bereits einer als Befehl zu qualifizierenden (ersten) Anordnung des Kasernenkommandanten, sich vor der Dienstbesprechung zu testen, zuwider gehandelt hat, so dass durch den Befehl des Oberstleutnants I. eine wiederholte Verweigerung vorlag, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls sprechen die Tatumstände am für eine gravierende Auflehnung gegen die Befehlsumsetzung, weil der Soldat voraussichtlich mit Kalkül wahrheitswidrig behauptete, das Haltbarkeitsdatum sei abgelaufen, um seinen Plan, den COVID-19-Test nicht durchzuführen, umzusetzen. Damit hätte er entweder den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 WStG verwirklicht ( 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 72 f.) oder in vergleichbarer Weise gegen § 7 SG verstoßen. Er verlangt vom Soldaten, die Rechtsordnung zu wahren und insbesondere die Strafgesetze zu beachten ( 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 68 m. w. N. und vom - 2 WD 9.20 - BVerwGE 171, 280 Rn. 33 sowie Beschluss vom - 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 55). Dieses Verhalten enthielt voraussichtlich auch einen schweren Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG und gegen die Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG).
58ddd) Vor allem ging ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 1 SG einher. Die Rechte der Kameraden zu achten (Satz 2), verlangt insbesondere, ihre körperliche Integrität zu achten und sie nicht unnötigen Gesundheitsgefährdungen auszusetzen. Dagegen hat der Soldat am ... wissentlich und willentlich dadurch verstoßen, dass er das Risiko für andere Kameraden, in ihrer Gesundheit durch eine COVID-19-Infektion geschädigt zu werden, weder durch eine COVID-19-Testung noch durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung reduzierte ( 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 49).
59eee) Verbunden war damit voraussichtlich auch ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nach § 10 Abs. 3 SG, da einige Teilnehmer der Dienstbesprechung dienstgradniedriger waren. Sie gehört zu den vornehmlichsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen und verpflichtet ihn, sich bei allen Handlungen vom Wohlwollen einem Untergebenen gegenüber leiten zu lassen, diesen bei seiner dienstlichen Tätigkeit und in seiner dienstlichen Stellung zu schützen, ihn vor Nachteilen und - wie hier gesundheitlichen - Risiken oder Schäden zu bewahren und alles zu unterlassen, womit er seine Stellung als Vorgesetzter zum Nachteil des Untergebenen ausnutzen würde ( 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 50 m. w. N.).
60fff) Schließlich hat der Soldat nach derzeitigem Erkenntnisstand in besonderer Weise in seiner Rolle als Vorgesetzter versagt. Er ist Offizier im Dienstgrad eines Hauptmanns und hat nach § 10 Abs. 1 SG die Pflicht, in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben. Damit ist die provokative und öffentliche Missachtung von dienstlichen Weisungen, die für alle Soldaten gleichermaßen gelten, unvereinbar. Nach seinen vorangegangenen Äußerungen stellt sich sein Verhalten als demonstrativer Akt dar, indem er seine Einstellung zu gesundheitlichen Fragen im Rahmen der Pandemie über seine Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber den Anweisungen des Dienstherrn gestellt hat. Wer als Vorgesetzter nach § 10 Abs. 2 SG die Pflicht zur Dienstaufsicht hat und für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich ist, gibt ein denkbar schlechtes Beispiel, wenn er sich selbst demonstrativ und provokativ über klare Dienstanweisungen bei innerdienstlichen Veranstaltungen hinwegsetzt. Dies ist der Fall, da das renitente Verhalten des Soldaten im Rahmen der Dienstbesprechung offenkundig geworden ist und andere Soldaten wütend und fassungslos werden ließ (vgl. Dienstliche Erklärung des Zeugen S. vom ).
61ggg) Verletzungen der Gehorsamspflicht sind im Regelfall - je nach Schwere des Verstoßes - mit einer Gehaltskürzung, einem Beförderungsverbot oder auch einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden, wobei das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher einzustufen ist, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind ( 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 97 m. w. N.). Bei Verstößen gegen die Duldungspflicht bei COVID-19-Impfungen kommt deshalb bei wiederholten Befehlsverweigerungen in Extremfällen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis in Betracht ( 1 WB 2.22 - BVerwGE 176, 138 Rn. 47, 55, 116). Ob dies auch dann gilt, wenn sich ein Soldat beharrlich gegen befohlene COVID-19-Präventivmaßnahmen wie das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und einer COVID-19-Selbsttestung widersetzt, obwohl diese weitaus weniger als eine COVID-19-Impfung in seine Grundrechte eingreifen, kann im vorliegend summarischen Verfahren dahingestellt bleiben. Jedenfalls liegen im vorliegenden Fall erschwerende Umstände vor, die isoliert betrachtet für die Test-Verweigerung mindestens eine Dienstgradherabsetzung angemessen erscheinen lassen.
62cc) Hinzu tritt, dass der Soldat nach derzeitigem Erkenntnisstand über einen sehr langen Zeitraum ohne Genehmigung eine Nebentätigkeit ausgeübt und damit gegen die §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 3, § 20 SG verstoßen hat. Auch wenn die näheren Umstände dieser ungenehmigten Nebentätigkeit (Intensität, Genehmigungsfähigkeit, finanzieller Verdienst etc.) derzeit nicht aufgeklärt sind, verlangt auch diese langanhaltende Dienstpflichtverletzung durch einen Offizier für sich genommen nach Art und Schwere voraussichtlich eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme im Spektrum von einer Bezügekürzung bis zur Dienstgradherabsetzung (vgl. 2 WD 50.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO Nr. 6 S. 19 f. und vom - 2 WD 20.03 - ZBR 2005, 132 <132>). Die mehrjährige Missachtung von gesetzlichen Dienstpflichten (§ 20 SG) spricht für eine verfestigte Tendenz des Soldaten, dienstliche Pflichten im Eigeninteresse unbeachtet zu lassen. Die Befehlsverweigerung des Soldaten, sich nicht einmal präventiven Schutzmaßnahmen zu unterwerfen, verliert vor diesem Hintergrund ihren singulären Charakter und befördert den Eindruck von einer grundsätzlich problematischen Diensteinstellung.
63dd) Bei einer Gesamtschau der Dienstpflichtverletzungen erweist sich das mehraktige Dienstvergehen als so schwerwiegend, dass voraussichtlich die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen ist. Da zwei Dienstpflichtverletzungen bereits für sich betrachtet nach ihrer Schwere jedenfalls eine Dienstgradherabsetzung rechtfertigen und eine dritte Dienstpflichtverletzung eine weitere gerichtliche Disziplinarmaßnahme erfordert, erscheint auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen in Anbetracht der Kumulation der Pflichtverletzungen der Übergang zur disziplinaren Höchstmaßnahme gerechtfertigt. Wie das Truppendienstgericht zutreffend ausgeführt hat, führen die erheblichen erschwerenden Umstände zu einem objektiven Verlust des Vertrauens, dass der Soldat künftig seine Dienstpflichten aus §§ 7, 8 Alt. 2 SG loyal erfüllen wird. Insbesondere die demonstrative Infragestellung der Gehorsamspflicht stellt die Eignung des Soldaten für den militärischen Dienst in Frage und legt damit einen objektiven Vertrauensverlust nahe. Dies gilt selbst dann, wenn Pflichtverletzungen jeweils isoliert gesehen von geringerer Schwere sind. Da beim Disziplinarrecht nicht die Tat als solche im Vordergrund steht, sondern die durch sie zum Ausdruck gekommenen Charakter- und Persönlichkeitsmängel, können Gesichtspunkte der Persönlichkeit oder besondere Vertrauensbeeinträchtigungen eine hohe Disziplinarmaßnahme selbst dann rechtfertigen, wenn dies nach der Schwere des Dienstvergehens für sich genommen nicht indiziert ist ( 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 101 f.).
64Gründe in den Umständen der Tat oder der Person des Soldaten, die eine Abweichung davon geböten, sind nicht ersichtlich, insbesondere ist keine Einsicht und Reue erkennbar. Dienstliche Leistungen des Soldaten, die ebenso wie eine überlange Verfahrensdauer bei einer Höchstmaßnahme ohnehin keine Bedeutung mehr erlangen ( 2 WD 3.22 - juris Rn. 40), stechen nicht hervor.
65d) Der Dienstherr hat die Nebenentscheidungen auch ermessensfehlerfrei getroffen und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.
66aa) Die Anforderungen an Nebenentscheidungen nach § 126 Abs. 1 WDO sind nur dann erfüllt, wenn der Dienstbetrieb bei einem Verbleiben des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde. Dabei dürfen dem Soldaten keine Nachteile zufügt werden, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen ( 2 WDB 6.05 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 27 m. w. N.). Das Wehrdienstgericht ist insoweit allerdings auf eine Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung beschränkt und trifft keine originäre gerichtliche Entscheidung wie dies später bei der Entscheidung über die (gerichtliche) Disziplinarmaßnahme der Fall ist (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 3.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 26 und vom - 2 WDB 13.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 16 Rn. 24).
67bb) Die Einleitungsbehörde hat ihr Ermessen ausgeübt. Dies folgt ausweislich (Seite 8, 4./5. Absatz) des Bescheides vom daraus, dass sie erwogen hat, trotz des schweren Dienstvergehens den Soldaten im Dienst zu belassen und gegebenenfalls anderweitig einzusetzen. Dass sie eine solche Entscheidung als nicht vertretbar angesehen hat, ist nicht zu beanstanden.
68Dabei impliziert bereits die Prognose der Höchstmaßnahme, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Soldaten und dem Dienstherrn aller Voraussicht nach objektiv zerstört ist. Dies spricht regelmäßig mit hohem Gewicht für die Annahme, dass der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst erheblich gestört ist und der Soldat deshalb nicht im Dienst bleiben kann ( 2 WDB 14.22 - juris Rn. 18). Ein Grund, davon abzuweichen, besteht nicht. Es steht im Ermessen des Dienstherrn darüber zu befinden, wie er seine Soldaten und Soldatinnen verwendet; dies schließt dessen Befugnis ein, von einer Verwendung dann vollständig abzusehen, wenn jedenfalls der Anschein besteht, ein Soldat sei nicht verfassungstreu und bekenne sich nicht zu einer für das Soldatenverhältnis fundamentalen Verpflichtung wie dies bei § 8 SG, aber auch bei § 11 SG der Fall ist. Denn dies schadet nicht nur dem Ansehen der Bundeswehr, sondern bewirkt zudem nach innen eine Gefährdung bzw. Störung des Dienstbetriebs, weil dadurch der Eindruck einer Bagatellisierung entstehen könnte (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 2.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 11 Rn. 38 und vom - 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 45).
69cc) Die vorliegende Entscheidung entbindet die Einleitungsbehörde nicht davon, ihre Nebenentscheidungen kontinuierlich auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen, denn sie bilden nur unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes (§ 17 Abs. 1 WDO) eine im Allgemeinen verfassungsrechtlich unbedenkliche Maßnahme. Mit zunehmender Verzögerung des Abschlusses des vor mehr als drei Jahren eingeleiteten Disziplinarverfahrens gerät insbesondere die Aufrechterhaltung der (teilweisen) Einbehaltung von Dienstbezügen notwendigerweise immer stärker in einen Widerstreit mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit ( 2 WDB 10.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 15 Rn. 21). Dies gilt umso mehr, als bis Anfang August 2023 noch immer keine förmliche Anschuldigung des Soldaten erfolgt war.
706. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens miterfasst (vgl. 2 WDB 9.20 - juris Rn. 52 m. w. N.).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:180823B2WDB5.23.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-51663