Erfordernis einer zeitlichen Sicherheitsreserve bei Übermittlung von Schriftstücken im elektronischen Rechtsverkehr kurz vor Fristablauf
Leitsatz
1. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen denen bei der Übersendung von Schriftsätzen bei Telefax.
2. Auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden, der durch eine zeitliche Sicherheitsreserve bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze Rechnung zu tragen ist.
Gesetze: § 78 Abs 8 AsylVfG 1992, § 143 VwGO, § 144 Abs 1 VwGO, § 139 Abs 3 S 1 VwGO, § 139 Abs 3 S 3 VwGO, § 60 Abs 1 VwGO
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 13 A 10948/22.OVG Urteilvorgehend VG Trier Az: 6 K 1484/19.TR
Gründe
I
1Die Klägerin, eine in Italien als subsidiär schutzberechtigt anerkannte somalische Staatsangehörige, wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem im Wesentlichen ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihr die Abschiebung nach Italien angedroht wurde.
2Die hiergegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom zurückgewiesen und die Revision nach § 78 Abs. 8 AsylG zugelassen, da es in der Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Italien von der Beurteilung durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen abgewichen ist.
3Gegen das dem Prozessbevollmächtigten am zugestellte Berufungsurteil hat die Klägerin fristgerecht Revision eingelegt. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht die Frist zur Begründung der Revision bis einschließlich verlängert. Die Revisionsbegründungsschrift der Klägerin ist am um 00:28:57 Uhr über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.
4Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf den verspäteten Eingang der Revisionsbegründung hingewiesen worden ist, hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
5Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, der Revisionsbegründungsschriftsatz sei rechtzeitig vor Fristablauf durch ihn persönlich fertiggestellt und an den Postausgang des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt worden und bereits persönlich signiert gewesen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren technischen Gründen sei der Versand vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim Versuch des Prozessbevollmächtigten, den Schriftsatz elektronisch zu versenden, gescheitert. Stattdessen habe das EDV-System Fehlermeldungen erzeugt. Ein erster Übermittlungsversuch sei am um 23:53 Uhr erfolgt. Wegen der Störungsmeldung sei das Dokument durch den Prozessbevollmächtigten um 23:54 Uhr aus dem Postausgang gelöscht und erneut in den Postausgang eingegeben und signiert worden. Der Sendeversuch sei um 23:56 Uhr erfolgt, jedoch erfolglos gewesen und habe erneut eine Fehlermeldung produziert, derentwegen, um einen erneuten Versuch zu starten, das Dokument um 23:58 Uhr wiederum aus dem Postausgang gelöscht worden sei. Weitere Versuche seien gleichermaßen gescheitert, sodass erst die Übermittlung um 00:29 Uhr erfolgreich gewesen sei, wobei das EDV-System der Kanzlei und der Rechner des Prozessbevollmächtigten ansonsten problemlos funktioniert hätten.
6Der Prozessbevollmächtigte sei mit der Handhabung der Anwaltssoftware und der Schnittstelle des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bestens vertraut. Ein Bedienungsfehler könne ebenso ausgeschlossen werden wie ein Wartungsdefizit der Software oder Hardware des EDV-Systems der Kanzlei einschließlich des Rechners. In den vorangegangenen Arbeitsstunden sei der Postausgang des elektronischen Anwaltspostfachs mehrfach erfolgreich und ohne Probleme genutzt worden. Es sei weder eine allgemeine noch eine spezielle Störung des elektronischen Anwaltspostfachs ersichtlich gewesen; auch sei die Version der Anwaltssoftware und der Schnittstelle auf dem neuesten Stand. Es habe keine Anzeichen im System gegeben, dass die fristwahrende Übersendung des Revisionsbegründungsschriftsatzes vor Ablauf des hätte scheitern können.
7Der IT-Beauftragte des Prozessbevollmächtigten, der am umgehend aufgefordert worden sei, das System zu überprüfen und ggf. Log-Dateien auszuschließen, die einen Fehler dokumentierten oder Hinweise auf die Ursache der unmöglichen Übermittlung gäben, habe solche Hinweise nicht feststellen können, ebenso wenig wie eine allgemeine Störung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs anhand der Störungsdokumentation der Bundesrechtsanwaltskammer für den 26. oder .
8Die unterbliebene Übermittlung des Revisionsbegründungsschriftsatzes sei daher durch einen unvorhersehbaren und unvermeidbaren akuten Fehler der vom Prozessbevollmächtigten verwendeten Hard- oder Software oder von einem Fehler des EDV-Systems des Empfängers, der erst recht nicht habe ermittelt werden können, verursacht worden. Ein solcher Fehler habe sich auch im Nachgang nicht aufklären lassen. Fest stehe aber, dass die Übermittlung des Schriftsatzes um 00:29 Uhr wieder fehlerfrei funktioniert habe. Im vorliegenden Fall sei mit einer unverzüglichen, verzugslosen und schnellen Übermittlung der Schriftsatz-Datei noch rechtzeitig vor Mitternacht zu rechnen gewesen, die lediglich zehn Seiten umfasst und keine Anlagen beinhaltet habe.
II
9Die Revision der Klägerin ist unzulässig und nach §§ 143, 144 Abs. 1 VwGO zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 VwGO, der mangels einer abweichenden Regelung in § 78 Abs. 8 AsylG nach allgemeinen Regeln Anwendung findet, begründet worden ist (1.) und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO nicht gewährt werden kann (2.).
101. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden. Die Frist für die Begründung der Revision endete nach antragsgemäß gewährter Fristverlängerung nach § 139 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 VwGO am . Die Revisionsbegründung ist erst am und damit verspätet beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.
112. Dem Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO konnte nicht stattgegeben werden, weil ihr Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 VwGO einzuhalten.
12Verschuldet im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ist eine Fristversäumnis dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl. 2 C 11.19 - juris Rn. 6 m. w. N.). Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die "Beweislast" für die Umstände, die dafür sprechen, dass die Fristversäumnis unverschuldet war, liegt bei dem Betroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt (vgl. 7 B 18.10 - juris Rn. 4 m. w. N.). Gelingt die Glaubhaftmachung nicht oder bleibt nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, so kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden ( - juris Rn. 13; vgl. zum Ganzen Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 43. EL August 2022, § 60 VwGO Rn. 21).
13Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per besonderem elektronischen Anwaltspostfach entsprechen dabei denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 9/20 - juris Rn. 21 und vom - VI ZB 36/22 - juris Rn. 19; Hoppe, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 60 VwGO Rn. 29).
14Gemessen daran kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden verhindert gewesen ist, die versäumte Frist einzuhalten. Denn nach seinem eigenen Vorbringen hat er erst um 23:53 Uhr einen ersten Übermittlungsversuch über das besondere elektronische Anwaltspostfach gestartet und damit mit der Übermittlung der Revisionsbegründungsschrift nicht so rechtzeitig begonnen, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24:00 Uhr hätte gerechnet werden dürfen.
15Zwar dürfen prozessuale Fristen bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden (stRspr, vgl. - juris Rn. 22 m. w. N. und Beschluss vom - 1 BvR 1656/09 - juris Rn. 37; 7 B 18.10 - juris Rn. 6 m. w. N.; BGH, Beschlüsse vom - X ZR 60/19 - juris Rn. 7 und vom - VI ZB 60/19 - juris Rn. 9 m. w. N.). Dass ein Verfahrensbeteiligter bis zum letzten Tag der Frist abwartet, ehe er eine fristgebundene prozessrechtliche Erklärung abgibt, kann ihm daher nicht vorgeworfen werden. Wird eine Rechtsmittelfrist oder die Begründungsfrist bis zum letzten Tag ausgeschöpft, so treffen den Verfahrensbeteiligten allerdings erhöhte Sorgfaltspflichten; er muss alle gebotenen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um die Gefahr einer Fristversäumnis zu vermeiden ( - juris Rn. 4 m. w. N.; 7 B 18.10 - juris Rn. 6 m. w. N.; - juris Rn. 8 ff.).
16Für die Übersendung mittels Telefax ist in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Nutzer mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan hat, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr zu rechnen gewesen ist ( - juris Rn. 3 und Beschluss vom - 1 BvR 1656/09 - juris Rn. 35; BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 60/19 - juris Rn. 9 und vom - X ZR 60/19 - juris Rn. 8 m. w. N.; 7 B 18.10 - juris Rn. 5). Dabei hat der Verfahrensbeteiligte beispielsweise den Aufwand zu kalkulieren, der zeitlich und organisatorisch erforderlich ist, um den rechtzeitigen Eingang seiner Prozesserklärung in der vorgeschriebenen Form zu ermöglichen ( - juris Rn. 22; - juris Rn. 6). Zudem muss der Versender Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten oder - bei der Übermittlung mittels Telefax - die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehören. Gerade in den Abend- und Nachtstunden muss damit gerechnet werden, dass wegen drohenden Fristablaufs weitere Beschwerde- oder Revisionsführer versuchen, Schriftstücke fristwahrend zu übermitteln. Die Belegung eines gerichtsähnlichen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen ist nämlich eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, der ein Verfahrensbeteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen - zur geschätzten Übermittlungszeit hinzuzurechnenden - Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen hat ( - juris Rn. 36; 7 B 18.10 - juris Rn. 6).
17In Bezug auf die Übermittlung per Telefax ist entschieden, dass Rechtsschutzsuchende die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllen, wenn sie einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkulieren (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 565/98 - juris Rn. 3, vom - 1 BvR 2683/05 - juris Rn. 6, Beschluss vom - 1 BvR 1656/09 - juris Rn. 38, 40, Kammerbeschlüsse vom - 1 BvR 1806/14 - juris Rn. 3 f. sowie vom - 1 BvR 3511/13 - juris Rn. 3; vgl. zum Erfordernis der zeitlichen Sicherheitsreserve auch bei Störungen auf Empfängerseite zudem - juris Rn. 8 f.) sowie innerhalb der einzukalkulierenden Zeitspanne wiederholt die Übermittlung versuchen ( - juris Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom - X ZR 60/19 - juris Rn. 8 <"weitere Übermittlungsversuche"> und vom - VI ZB 60/19 - juris Rn. 10 <"zahlreicher Anwählversuche">).
18Vergleichbare Sorgfaltspflichten gelten - wie bereits zuvor ausgeführt - auch bei der elektronischen Übersendung mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs. Denn auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden (.Z - juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom - 6 U 131/21 - juris Rn. 14) und können z. B. Schwankungen bei der Internetverbindung oder eine hohe Belastung des Servers kurz vor Mitternacht etwa wegen einer großen Anzahl eingehender Nachrichten oder wegen der Durchführung von Software-Updates zu Verzögerungen führen, die einzukalkulieren sind.
19Ob für den elektronischen Rechtsverkehr dabei stets eine vergleichbare zeitliche Reserve in der Größenordnung von 20 Minuten zu fordern sind, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls ist die hier gewählte Zeitspanne von unter sieben Minuten für die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu knapp bemessen, um mögliche Verzögerungen der Übermittlung auch einer nur ca. 280 KB umfassenden Datei ohne Anlagen einzukalkulieren.
20Darüber hinaus hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund der zu knapp kalkulierten Zeitspanne von vornherein jeglicher Möglichkeit begeben, selbst einfache Maßnahmen für den Versuch einer Fehlerbehebung wie z. B. ein Herunterfahren oder einen Neustart seines - in den Stunden zuvor einwandfrei funktionierenden - Rechners zu ergreifen und zudem die Übermittlung des Revisionsbegründungsschriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach wiederholt zu versuchen. Der Versendende ist aber gehalten, ihm erkennbar gewordene Übermittlungsfehler zu beheben und zumindest weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, um auszuschließen, dass die Übermittlungsschwierigkeiten in seinem Bereich liegen ( - juris Rn. 9).
21Ohne dass es hierauf mit Blick auf die zu knapp bemessene zeitliche Sicherheitsreserve noch entscheidend ankäme, blieb dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine Zeit mehr, die Übermittlung der Revisionsbegründungsschrift wiederholt zu versuchen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er für einen weiteren Übermittlungsversuch nach dem ersten Versuch um 23:53 Uhr das Dokument aus dem Postausgang gelöscht, erneut in den Postausgang eingegeben, wiederum signiert und um 23:56 Uhr erneut versucht zu senden, wobei das hierzu als Sendebericht bezeichnete vorgelegte Dokument die Zeitangabe 23:58 Uhr enthält. Nach seinem weiteren Vortrag hat der Prozessbevollmächtigte um 23:58 Uhr das Dokument erneut aus dem Postfach gelöscht, um anschließend noch eine weitere (dritte) Übermittlung zu versuchen. Hierzu erscheint auch die Angabe im EGVP-Prüfvermerk kohärent, nachdem um 23:59:06 Uhr der Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert worden ist. Von einem weiteren Übersendungsversuch noch vor 24:00 Uhr ist nicht die Rede. Soweit der Prozessbevollmächtigte später vorträgt, zusätzlich zu dem ersten Versuch um 23:53 Uhr noch zwei weitere Übermittlungsversuche vor 24:00 Uhr unternommen zu haben, nämlich um 23:56 Uhr und um 23:58 Uhr, steht dies nicht nur im Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen, sondern es fehlt insoweit auch an der erforderlichen Glaubhaftmachung. Denn ausweislich der vorgelegten Fehlermeldung sind lediglich zwei, nicht drei Nachrichten im Postausgang verblieben; zudem wurden lediglich zwei als Sendeberichte bezeichnete Dokumente von 23:53 Uhr und 23:58 Uhr vorgelegt.
22Kann dem Prozessbevollmächtigten bereits mangels Einkalkulierens einer ausreichenden zeitlichen Sicherheitsreserve der Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung nicht erspart werden, so kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, ob die von ihm ebenfalls behauptete unvorhersehbare und unvermeidbare Störung seiner Hard- oder Software überhaupt dargelegt und glaubhaft gemacht worden ist (vgl. zu den Anforderungen an eine solche Glaubhaftmachung - juris Rn. 15 ff. m. w. N. und 7 B 18.10 - juris Rn. 12 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Störung auf der Empfängerseite liegen nach der Auskunft der technischen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Störung bei den EGVP-Betreibern nicht angezeigt worden ist, nicht vor. Darüber hinaus kann offenbleiben, ob nicht auch der Versuch einer Ersatzeinreichung nach § 55d Satz 3 und 4 VwGO z. B. mittels Telefax zur Fristwahrung hätte verlangt werden müssen (vgl. hierzu - juris Rn. 19).
233. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:250923B1C10.23.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 8 Nr. 44
OAAAJ-50493