BGH Beschluss v. - 1 StR 240/23

Zulässigkeit von Adhäsionsanträgen auf Hinterbliebenengeld; Erlass eines Grundurteils

Gesetze: § 404 Abs 1 S 2 StPO, § 406 Abs 1 S 2 StPO, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 256 Abs 1 ZPO, § 304 ZPO

Instanzenzug: LG Baden-Baden Az: 3 KLs 300 Js 18265/21 jug

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, Störung der Totenruhe und versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt sowie ein Messer und eine Gasflasche als Tatmittel eingezogen. Im Adhäsionsverfahren hat das Landgericht einen Anspruch der Nebenkläger          K.     und       P.    auf Zahlung eines Hinterbliebenengel-des jeweils dem Grunde nach angenommen. Ferner hat es eine Ersatzpflicht des Angeklagten gegenüber dem Nebenkläger     M.     für alle entstandenen sowie künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der gegen den Nebenkläger gerichteten Tat festgestellt, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und Dritte übergegangen sind, und, dass die Ansprüche auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen. Zudem hat das Landgericht eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Adhäsionsausspruchs getroffen.

2Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt lediglich zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilaufhebung der Adhäsionsentscheidung (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

31. Der Antrag der Adhäsionskläger          K.    und      P.   auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes nach § 844 Abs. 3 BGB genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Der diesbezügliche Adhäsionsausspruch ist daher aufzuheben.

4a) Der Erlass eines Grundurteils nach § 406 Abs. 1 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 304 ZPO setzt voraus, dass die klagende Partei einen bezifferten Anspruch geltend macht (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 66/23 Rn. 4; vom – 6 StR 333/21 Rn. 2 und vom – 3 StR 280/20 Rn. 9; jeweils mwN). Wenn der Umfang einer beantragten Geldleistung – wie beim Hinterbliebenengeld – im richterlichen Ermessen steht, verlangt § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 249/19 Rn. 3 und vom – 2 StR 595/18 Rn. 6 mwN). Auch bei der Bestimmung der Hinterbliebenenentschädigung darf das Gericht nicht lediglich „schematisch bemessen“, sondern muss die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen bewerten und die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigten ( Rn. 12 mwN).

5b) Im Übrigen sind die Adhäsionsanträge, die ihrer Formulierung nach ohnehin auf den Erlass eines Feststellungsurteils gerichtet sind, auch schon deshalb unzulässig, weil es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt. Die Adhäsionskläger haben nicht erläutert, warum sie nicht in der Lage sind, die Höhe des Hinterbliebenengeldes zu beziffern und den Anspruch bereits im Wege der Leistungsklage geltend zu machen (vgl. Rn. 16 mwN).

62. Im Umfang der Aufhebung ist gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abzusehen. Eine Zurückverweisung der Sache zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens scheidet aus ( Rn. 4 mwN).

73. Auch die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit in Ziffer 8 der Urteilsformel ist aufzuheben. Einer Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit gemäß § 406 Abs. 3 Satz 2 StPO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO bedarf es nicht, da es sich im verbleibenden Teil der Adhäsionsentscheidung des Landgerichts nur um ein Feststellungsurteil handelt, aus dem nicht vollstreckt werden kann.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080823B1STR240.23.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-50213