Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamm Az: 1 AGH 13 /22 Urteilnachgehend Az: AnwZ (Brfg) 23/23 Beschluss
Gründe
I.
1Der Kläger ist seit 2012 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er befand sich vom bis zum zur Vollstreckung eines Strafurteils des Amtsgerichts B. in Haft. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
31. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4a) Der Widerrufsbescheid vom ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht formell rechtswidrig.
5aa) Der Kläger ist gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört worden. Ausweislich der Personalakte der Beklagten ist dem Kläger das Anhörungsschreiben der Beklagten vom über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) am selben Tag zugegangen. Soweit der Kläger im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof vorgetragen hat, sein zwischenzeitlicher Status als Freigänger besage nicht, dass er das beA uneingeschränkt habe nutzen können, wird hierdurch nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger das ihm über das beA zugegangene Anhörungsschreiben der Beklagten vom nicht hat zur Kenntnis nehmen können. Hierfür wäre vielmehr Vortrag dazu erforderlich gewesen, in welchen Zeiten er das beA hat nutzen können und in welchen haftbedingt nicht. Dies gilt umso mehr, als der Kläger während seiner Inhaftierung jedenfalls seine Klageschrift am über das beA hat einreichen können.
6bb) Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom ist dem Kläger gemäß § 34 BRAO zugestellt und damit gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 41 Abs. 1, 5 VwVfG NRW bekanntgegeben worden. Dabei kann offen bleiben, ob die Zustellung des Widerrufsbescheides an den Kläger während der Zeit seiner Haft wirksam mittels Postzustellungsurkunde an die Anschrift seiner Kanzlei erfolgen konnte. Sollte dies zu verneinen sein, gilt der Widerrufsbescheid gemäß § 34 BRAO i.V.m. § 8 des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem er dem Kläger nachweislich zugegangen ist. Dies war nach den Angaben des Klägers der Fall, als er über Ostern 2022 Ausgang hatte (Schriftsatz vom , S. 8).
7b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht insofern, als der Anwaltsgerichtshof von der materiellen Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ausgegangen ist.
8Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 mwN und vom - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 4).
9Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO). Ein Rechtsanwalt, der in diesem Verzeichnis eingetragen ist, muss nach ständiger Senatsrechtsprechung zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen sowie belegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (z.B. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 6/22, juris Rn. 6 m.zahlr.w.N.).
10aa) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom in Vermögensverfall befunden. Der Anwaltsgerichtshof hat den Vermögensverfall des Klägers zu Recht aus der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO hergeleitet, da der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis eingetragen war. Die hiergegen gerichteten Rügen des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
11(1) Dies gilt zunächst, soweit der Kläger geltend macht, die Vermutung des Vermögensverfalls könne nicht greifen, wenn es im "Vermögensverzeichnis" - gemeint ist offenbar das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) - offensichtliche Fehler gebe, was mit den "zum Teil" falsch zugeordneten Eintragungen des Betreibers des Pferdehofes mit gleichem Namen der Fall sei (S. 16 i.V.m. S. 6 des Schriftsatzes vom ). Der Kläger führt insoweit schon nicht - wie indes erforderlich - aus, um welche nicht gegen ihn, sondern gegen eine namensgleiche Person gerichtete, im Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragene Forderungen es sich handeln soll. Ausweislich des dem Widerrufsbescheid beigefügten Ausdrucks einer mit dem Namen und dem Geburtsdatum des Klägers durchgeführten Schuldnerverzeichnisabfrage wird in dem Ausdruck ein Eintrag zu einer mit dem Kläger namens- und altersgleichen Person aufgeführt (Verfahrensnummer , Az. DR ), die nicht die Melde- beziehungsweise Kanzleianschrift des Klägers hat, sondern die Anschrift S. in E. . Aus diesem - durch die Abfrage bestimmten - Inhalt des Ausdrucks kann nicht auf eine Fehlerhaftigkeit des Schuldnerverzeichnisses geschlossen werden. Zwar wird durch die vorgenannte Eintragung, sollte sie nicht den Kläger betreffen, nicht die Vermutung von dessen Vermögensverfall begründet. Indes genügen hierfür die weiteren im angefochtenen Urteil (S. 3) aufgeführten, den Kläger - auch ausweislich der Schuldneranschrift - betreffenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis.
12(2) Der Kläger hat entgegen seiner Auffassung auch nicht "nachgewiesen", dass er nicht in Vermögensverfall geraten ist. Soweit er sich insofern auf ein nach seiner Behauptung an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom beruft (S. 16 i.V.m. S. 4 ff. des Schriftsatzes vom ), trägt er zu dessen Inhalt nicht hinreichend vor. Insbesondere führt er nicht aus, inwiefern aus den diesem Schreiben beigefügten Anlagen erkennbar gewesen sein soll, dass kein Vermögensverfall vorgelegen hat. Soweit er vorträgt, aus den Anlagen habe sich ergeben, "um welche Forderungen es sich handelt und dass diese vollumfänglich gedeckt und abgesichert sind", genügt dies nicht zur Widerlegung der auf der Eintragung im Schuldnerverzeichnis beruhenden Vermutung des Vermögensverfalls. Insbesondere legt der Kläger nicht dar, dass er mit dem Schreiben vom und den zugehörigen - nach seinen Angaben infolge einer strafprozessualen Sicherstellung bei ihm nicht mehr vorhandenen - Anlagen ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorgelegt und konkret dargelegt sowie belegt hat, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind.
13Letztlich kommt es hierauf nicht an. Denn das Schreiben vom kann nicht die zeitlich erst danach erfolgte Eintragung im Schuldnerverzeichnis vom (Verfahrensnummer , Az. DR ) betroffen haben. Diese begründet bereits für sich genommen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO die Vermutung des Vermögensverfalls.
14bb) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit dort ausgeführt wird, bei Erlass des Widerrufsbescheides seien Anhaltspunkte, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet gewesen seien, nicht gegeben gewesen.
15(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschluss - AnwZ (Brfg) 33/22, juris Rn. 11 m.zahlr.w.N.). Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden (Senat, Beschlüsse vom , aaO, und vom - AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 mwN). Diese Prognose ist zwar im Zeitpunkt des Widerrufs zu treffen. Sie ist aber ihrem Wesen nach in die Zukunft gerichtet und schließt damit die Bewertung ein, ob in der Zukunft - und nicht nur im Zeitpunkt des Widerrufs - die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts gefährdet werden.
16(2) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt, dass auch in Anbetracht der zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom bestehenden Inhaftierung des Klägers die sichere Prognose, dass sich die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden, nicht gegeben war.
17So war nicht ausgeschlossen, dass der Kläger innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach dem Widerrufsbescheid vom aus der Haft nach deren hälftiger Verbüßung entlassen werden könnte. Der Kläger war durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts B. vom zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Er trat am diese Strafe an, wobei er sich nach seinen Angaben zuvor bereits fast sechs Monate in Untersuchungshaft befunden hatte (S. 4 des Schriftsatzes vom ). Eine Entlassung des Klägers nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe (vgl. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB) bereits im Juli 2022 und damit - vom Zeitpunkt des Widerrufsbescheides aus gesehen - innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, der von der hinsichtlich der künftigen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden anzustellenden Prognose umfasst wird, erschien nicht ausgeschlossen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger zum Zeitpunkt seiner Verurteilung nicht vorbestraft und zudem Vater von fünf Kindern war.
18Zudem befand sich der Kläger - nach seinen Angaben bis zum und damit zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom - im offenen Vollzug. Nach § 31 Abs. 2 StVollzG NRW konnte ihm unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 StVollzG NRW gestattet werden, sich selbst zu beschäftigen und damit einer freiberuflichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. Arloth/Hilzinger in BeckOK Strafvollzugsrecht Nordrhein-Westfalen, 18. Edition, § 31 StVollzG NRW Rn. 7 (Stand: )). Soweit der Kläger diesbezüglich ausführt, er habe einen entsprechenden Antrag nicht stellen können, da er zur Beschaffung der "dazu notwendigen Unterlagen" keinen Ausgang bekommen habe, kann hiervon nicht ausgegangen werden. Der Kläger legt weder dar, welche Unterlagen er über den Nachweis seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hinaus einem Antrag auf Gestattung der Selbstbeschäftigung als Rechtsanwalt gemäß § 31 Abs. 2 StVollzG NRW hätte beifügen müssen, noch, dass ihm diese Unterlagen nicht durch einen Mitarbeiter seiner Kanzlei oder seinen Vertreter hätten übermittelt werden können.
192. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 24/20, juris Rn. 18 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Eine fehlerhafte Eintragung im Schuldnerverzeichnis hat der Kläger - wie ausgeführt - bereits nicht dargelegt. Sie würde im Übrigen auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im vorgenannten Sinne begründen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Berücksichtigung des Strafvollzugsrechts und insbesondere der Möglichkeit der Gestattung einer Selbstbeschäftigung gemäß § 31 Abs. 2 StVollzG NRW.
203. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klä-rungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig. Sie ist zudem nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls zu beurteilen. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, wie es rechtlich zu werten sei, wenn sich ein zugelassener Rechtsanwalt im offenen Strafvollzug befinde und ihm dort nicht erlaubt werde, seine Tätigkeit als Rechtanwalt auszuüben, stellt sich nicht. Denn der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben bereits keinen Antrag auf Gestattung einer solchen Tätigkeit gestellt. In Anbetracht der Möglichkeit einer Gestattung gemäß § 31 Abs. 2 StVollzG NRW oder einer vorzeitigen Haftentlassung innerhalb eines - vom Zeitpunkt des Widerrufsbescheides aus gesehen - überschaubaren Zeitraums konnte vielmehr im Zeitpunkt des Widerrufs keine sichere Prognose dahingehend getroffen werden, dass sich durch eine Wiederaufnahme der Tätigkeit des Klägers als selbständiger Rechtsanwalt die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren würden.
214. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor. Voraussetzung für eine Zulassung wegen Divergenz ist, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senat, Beschluss vom , aaO Rn. 20 mwN).
22Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu entnehmen, dass im Hinblick auf die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) ausschließlich auf den Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft abzustellen ist. Vielmehr ist insofern - wie ausgeführt - eine Prognose dahingehend erforderlich, dass sich die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden. Diese Prognose ist zwar im Zeitpunkt des Widerrufs zu treffen. Sie ist aber ihrem Wesen nach in die Zukunft gerichtet und schließt damit die Bewertung ein, ob in der Zukunft - und nicht nur im Zeitpunkt des Widerrufs - die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts gefährdet werden.
23Der Anwaltsgerichtshof weicht auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage ab, wann im Ausnahmefall trotz eines Vermögensverfalls des Rechtsanwalts nicht von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgegangen werden kann. Es hat diese Rechtsprechung vielmehr gesehen (Seite 10 des angefochtenen Urteils) und zutreffend angewandt.
245. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ein Verfahrensfehler liegt insbesondere nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof das gegen mehrere seiner Mitglieder gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers vom mit Beschluss vom selben Tage unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig verworfen hat.
25a) Die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ist nur zulässig, wenn das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, etwa wenn alle Richter eines Gerichts abgelehnt werden oder das Gesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können. Dazu zählen auch nur der Verschleppung oder als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke dienende Ablehnungsgesuche (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2008, 289, 291; NJW 2007, 3771, 3772; Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 3/21, juris Rn. 28, 37 und vom - AnwZ (Brfg) 10/18, juris Rn. 7 mwN).
26b) Danach hat der Anwaltsgerichtshof das Ablehnungsgesuch des Klägers zu Recht als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen.
27aa) Der Kläger hat sein am Morgen der mündlichen Verhandlung vom gestelltes Ablehnungsgesuch damit begründet, dass die von ihm abgelehnten Mitglieder des Anwaltsgerichtshofs in der gerichtlichen Verfügung vom entgegen des eindeutigen Akteninhalts und in Übernahme der entsprechenden Beanstandung der Beklagten (Schriftsatz vom , S. 2) unzutreffend darauf hingewiesen hätten, dass die vorliegende Klage - entgegen § 55d VwGO - nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax eingereicht worden sei. Zudem seien drei Anträge des Klägers auf Terminverlegung beharrlich ignoriert worden.
28bb) Danach wurde das Ablehnungsgesuch des Klägers nur mit solchen Umständen begründet, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen konnten.
29(1) Soweit "der Senat" des Anwaltsgerichtshofs in der Hinweisverfügung vom irrig davon ausgegangen ist, dass die Klage per Telefax und nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden ist, vermag dies bereits für sich genommen nicht die Besorgnis der Befangenheit der an dem Hinweis beteiligten Richter im Sinne von § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 1 und 2 ZPO zu begründen. Denn auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung kommt es insofern regelmäßig nicht an (, NJW-RR 2012, 61 Rn. 7; Zöller/G.Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 28). Jedenfalls aber hat der Anwaltsgerichtshof mit dem den Parteien zur Kenntnis gebrachtem Vermerk vom die fehlerhafte Annahme einer Einreichung der Klageschrift per Telefax korrigiert und festgestellt, dass die Klageschrift per beA eingegangen war. In Anbetracht dessen war eine Besorgnis der Befangenheit zum Zeitpunkt des mehr als fünf Monate nach der Hinweisverfügung vom eingereichten Ablehnungsgesuchs des Klägers vom offensichtlich und auch für den Kläger erkennbar nicht gegeben.
30(2) Die abgelehnten Richter haben auch nicht Terminverlegungsanträge des Klägers beharrlich ignoriert. Entgegen seiner Darstellung in dem Ablehnungsgesuch vom hat der Kläger in seiner vor der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts R. am abgegebenen Erklärung keinen Antrag auf Terminverlegung gestellt. Er hat dort lediglich ausgeführt, er könne zurzeit aus der Strafhaft keine Termine wahrnehmen oder vorbereiten, wobei er davon ausging, dass der Anwaltsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt hatte. Von der Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung am durch die am an die Parteien abgesandte Verfügung des Anwaltsgerichtshofs vom (nach Aufhebung des ursprünglichen Termins zur mündlichen Verhandlung vom durch Verfügung vom ) konnte der Kläger am noch keine Kenntnis haben. Dementsprechend konnte er diesbezüglich auch noch keinen Verlegungsantrag stellen. Der Terminverlegungsantrag des Klägers vom bedurfte keiner Bescheidung, nachdem der Termin zur mündlichen Verhandlung vom bereits auf den vorherigen Antrag der Beklagten vom mit Verfügung des Anwaltsgerichtshofs vom auf den verlegt worden war. Dem Terminverlegungsantrag des Klägers vom , wiederholt mit Schreiben vom , hat der Anwaltsgerichtshof mit Verfügung vom stattgegeben.
31Damit war offensichtlich und für den Kläger ohne weiteres erkennbar auch in der Behandlung seiner Terminverlegungsanträge durch den Anwaltsgerichtshof die Besorgnis der Befangenheit nicht begründet.
32(3) Vor diesem Hintergrund erscheint das am Tag der mündlichen Verhandlung gestellte Ablehnungsgesuch des Klägers vom als rechtsmissbräuchlich. Es ist nur mit solchen Umständen begründet, die offensichtlich eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können, und diente ersichtlich der Verfahrensverzögerung.
III.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:040923BANWZ.BRFG.23.23.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-50170