Schließung u. a. von Fitnessstudios und Sporteinrichtungen anlässlich der Corona-Pandemie
Leitsatz
1. § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. vom war eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Fitnessstudios, Sporteinrichtungen und Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom .
2. Die Schließung von Fitnessstudios durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO ohne die für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport war mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar.
Gesetze: Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 14 Abs 3 GG, Art 19 Abs 3 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 80 Abs 1 S 2 GG, § 28 Abs 1 IfSG vom , § 32 S 1 IfSG vom , § 28b Abs 1 S 1 Nr 7 IfSG vom , § 47 Abs 1 Nr 2 VwGO, § 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 4 Abs 1 Nr 4 CoronaV11V SN, § 4 Abs 1 Nr 6 CoronaV11V SN, § 4 Abs 1 Nr 16 CoronaV11V SN, § 4 Abs 1 Nr 18 CoronaV11V SN, § 12 Abs 1 CoronaV11V SN, § 11 Abs 1 S 2 CoronaV11V SN
Instanzenzug: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Az: 3 C 54/20 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Verbots der Öffnung von Fitnessstudios, Anlagen des Freizeit- und Amateursportbetriebs, Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke sowie Gastronomiebetrieben und Bars durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom (SächsGVBl. S. 557).
2Die Verordnung war gestützt auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes vom , § 28 i. d. F. des Gesetzes vom . Sie galt vom 2. bis einschließlich (§ 11 Abs. 1 SächsCoronaSchVO vom i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 2 SächsCoronaSchVO vom , SächsGVBl. S. 574). Die angegriffenen Vorschriften lauteten wie folgt:
§ 4
Schließung von Einrichtungen und Angeboten
(1) Verboten sind die Öffnung und das Betreiben mit Ausnahme zulässiger Onlineangebote von:
1. - 3. [...]
4. Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen, soweit sie nicht medizinisch notwendiger Behandlungen dienen,
5. [...]
6. Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand und des Schulsports. Dies gilt nicht für das für Individualsportarten organisierte Training sowie deren Sportwettkämpfe ohne Publikum sowie für Sportlerinnen und Sportler,
a) für die ein Arbeitsvertrag besteht, der sie zu einer sportlichen Leistung gegen ein Entgelt verpflichtet und dieses überwiegend zur Sicherung des Lebensunterhalts dient, oder
b) die dem Bundeskader (Olympiakader, Perspektivkader, Nachwuchskader 1) und Nachwuchskader 2 des Deutschen Olympischen Sportbundes oder dem Spitzenkader des Deutschen Behindertensportverbandes angehören oder die Kader in einem Nachwuchsleistungszentrum im Freistaat Sachsen,
7. - 15. [...]
16. Busreisen und Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke sowie Schulfahrten,
17. [...]
18. Gastronomiebetrieben sowie Bars, Kneipen und ähnlichen Einrichtungen. Ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken sowie der Betrieb von Kantinen und Mensen,
[...]
3Die Antragstellerin betreibt in Chemnitz ein "Gesundheits-, Sport- und Freizeitcenter". Sie hat am einen Normenkontrollantrag anhängig gemacht, zu dessen Begründung sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit sowie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz geltend gemacht hat.
4Mit Urteil vom hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag sei zulässig. Dem stehe nicht entgegen, dass die angegriffene Verordnung außer Kraft getreten sei, denn die Antragstellerin könne sich auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen der kurzen Geltungsdauer der Regelungen sowie wegen eines gewichtigen Eingriffs in ihr Grundrecht auf Berufsausübung und einer möglichen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots berufen. Der Normenkontrollantrag sei aber unbegründet. Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Normen sei § 32 i. V. m. § 28 IfSG in der Fassung vom . Diese Vorschriften hätten bei Erlass der Verordnung dem Vorbehalt des Gesetzes sowie den Bestimmtheitserfordernissen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprochen. In Anbetracht der teilweise unvorhersehbaren Entwicklungen bzw. dynamischen Änderung der Sachlage sei der Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG auch in dem streitgegenständlichen Zeitraum bis Mitte November 2020 gerechtfertigt gewesen. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich für die in Betracht kommenden Maßnahmen bereits typisierende Standards entwickelt hätten. Die Voraussetzungen von § 28 IfSG seien bei Erlass und während der Geltung der angegriffenen Verordnungsregelungen erfüllt gewesen. Die Betriebsuntersagungen hätten nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin eingegriffen. Das von ihr betriebene Center habe nicht nur Ansammlungen von Menschen hervorgerufen, sondern zusätzliche Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu und von der Einrichtung geschaffen, denen mit Hygienekonzepten und Antigentests nicht hätte begegnet werden können. Die angeordneten Schließungen seien geeignet, erforderlich und angemessen gewesen in Bezug auf das Ziel, Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, um weitere Infektionen mit dem hochansteckenden Virus einzudämmen und damit die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen sicherzustellen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin dargelegten finanziellen Auswirkungen. Die Begrenzung des Betriebsverbots auf einen Zeitraum von - ursprünglich - vier Wochen lasse den Eingriff bereits in einem milderen Licht erscheinen. Der Eingriff sei ferner durch staatliche Hilfeleistungen abgemildert worden. Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor. Die von § 4 SächsCoronaSchVO erfassten Einrichtungen hätten nicht der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs oder der notwendigen Versorgung gedient, sondern ließen sich insgesamt der Freizeitgestaltung zuordnen. Das Regelungskonzept des Verordnungsgebers sei insgesamt schlüssig gewesen und rechtfertige die Ungleichbehandlung von geschlossenen und weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen. Es liege auch keine Ungleichbehandlung von Fitnessstudios gegenüber Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs vor, soweit in letzteren Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand oder im Rahmen des Schulsports möglich gewesen sei. Dieser Sport habe nicht in einer gewerblichen Einrichtung und nur innerhalb eines von vornherein konkret bestimmten Personenkreises stattgefunden. Auch gegenüber der weiteren Ausnahme, wonach ein organisiertes Training für Individualsportarten sowie die Durchführung von Sportwettkämpfen in Individualsportarten ohne Publikum möglich geblieben sei, liege kein wesensgleicher Sachverhalt vor. Training meine ein planmäßiges Üben zur Leistungssteigerung. Athleten, die ein solches Training in Anspruch nähmen, hätten durch eine Trainingspause von einem Monat in ihrer Leistungsentwicklung erheblich zurückgeworfen werden können. Der Verordnungsgeber habe in Rechnung stellen dürfen, dass breite gesellschaftliche Schichten sportlichen Wettkämpfen sowie einer erfolgreichen Wettkampfbeteiligung auch von Amateurathleten besondere Bedeutung beimäßen.
5Die Antragstellerin trägt zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision vor: § 28 Abs. 1 i. V. m. § 32 IfSG sei keine geeignete Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Verordnungsregelungen gewesen. Das belege die Einfügung des § 28a IfSG im November 2020, mit dem der Gesetzgeber Handlungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 präzisiert habe. Er hätte jedoch früher - bis zur Sommerpause oder jedenfalls unmittelbar danach - handeln müssen, worauf eine Vielzahl von Gerichten hingewiesen habe. Die Gefahrenprognose des Verordnungsgebers sei nicht sachgerecht gewesen. Das Verbot der Ausübung ihres Gewerbebetriebs sei nicht mehr erforderlich gewesen, weil ihr mildere Beschränkungen hätten auferlegt werden können, die gleichermaßen zur Verhinderung von Neuinfektionen geeignet gewesen wären. Die Angemessenheitsprüfung dürfe sich nicht in einer abstrakten Rechtsgüterabwägung erschöpfen, dass die Berufsfreiheit hinter Leben und Gesundheit als höchsten Verfassungsgütern zurücktreten müsse. Das gelte auch hinsichtlich der Ungleichbehandlung gegenüber anderen in diesem Zeitraum geöffneten Gewerbebetrieben. Das Oberverwaltungsgericht habe keine Belege für seine Sachkunde bei der Annahme angeführt, dass der Betrieb ihrer Einrichtungen und Anlagen zusätzliche Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu und von den Einrichtungen geschaffen habe. Der wesentliche Unterschied zwischen der Offenhaltung z. B. eines Möbelhauses im Verhältnis zur Schließung eines Hotels erschließe sich nicht. Freizeitsportler könnten bis heute nicht verstehen, warum sie nicht hätten trainieren dürfen.
6Mit Schriftsatz vom hat die Antragstellerin gerügt, das Oberverwaltungsgericht habe die gebotene Amtsermittlung hinsichtlich der durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachten Gefahrenlage unterlassen, und beantragt, ein Sachverständigengutachten zu ihrer Behauptung einzuholen, Einrichtungen wie die von ihr betriebenen seien nicht "Treiber" der Pandemie gewesen, und es habe Möglichkeiten/Maßnahmen gegeben, das Infektionsrisiko innerhalb dieser Einrichtungen so weit zu reduzieren, dass eine Schließung nicht veranlasst gewesen sei. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht ihr Akteneinsichtsgesuch vom nicht beschieden.
7Der Antragsgegner verteidigt das angegriffene Urteil.
Gründe
8Die zulässige Revision ist überwiegend unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den zulässigen (1.) Normenkontrollantrag, soweit er gegen die Schließung von Anlagen und Einrichtungen des Amateur- und Freizeitsports (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO), von Gastronomiebetrieben und Bars (§ 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO) und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke (§ 4 Abs. 1 Nr. 16 SächsCoronaSchVO) gerichtet war, ohne Bundesrechtsverstoß abgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die angegriffenen Regelungen - auch die Schließung von Fitnessstudios durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO - konnten auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden (2.). Die Generalklausel war in dieser Auslegung verfassungsgemäß (3.). Die Regelungen der Verordnung waren auf der Grundlage der im Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen verhältnismäßig (4.). Die Schließung von Fitnessstudios ohne die für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport war aber unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG; insoweit ist die Revision begründet (5. a und b). Im Übrigen waren die angegriffenen Regelungen mit dem Gleichheitssatz vereinbar (5. c).
91. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig. Dass die angegriffenen Rechtsvorschriften außer Kraft getreten sind, hat ihn nicht unzulässig werden lassen (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 8 ff. m. w. N.).
10a) Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zwar geht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vom Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift aus (vgl. auch § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ist die angegriffene Norm während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, bleibt er aber zulässig, wenn der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die zur Prüfung gestellte Norm oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Darüber hinaus muss er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Rechtsvorschrift unwirksam war (stRspr, vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 9 m. w. N.).
11b) Diese Voraussetzungen liegen vor.
12aa) Die Antragstellerin hat den Normenkontrollantrag während der Geltungsdauer der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung anhängig gemacht. Nach deren Außerkrafttreten mit Ablauf des kann sie weiterhin geltend machen, durch die angegriffenen Vorschriften jedenfalls in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) verletzt worden zu sein. Die Berufsfreiheit ist ihrem Wesen nach auf die Antragstellerin als inländische juristische Person des Privatrechts in der Form der GmbH anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG, vgl. - juris Rn. 2, 17). Nach dem Vortrag der Antragstellerin erscheint es möglich, dass sie durch sämtliche angegriffene Regelungen in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzt worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts umfasste ihr Betrieb u. a. einen Fitness- und einen Ballsportbereich. Dass für den Fitnessbereich § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO und für den Ballsportbereich § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO galt, sie also von beiden Vorschriften betroffen war, hat das Oberverwaltungsgericht nicht in Frage gestellt. Da ihr Betrieb zudem ein Hotel und ein Restaurant umfasste, war sie auch von § 4 Abs. 1 Nr. 16 und 18 SächsCoronaSchVO betroffen. Außerdem erscheint nach ihrem Vortrag eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG) möglich, weil Fitnessstudios ohne die für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand geschlossen waren.
13bb) Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, dass die Verordnungsregelungen unwirksam gewesen sind.
14Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen und bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr, vgl. - BVerfGE 110, 77 <85 f.> m. w. N.; Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 2601/17 - juris Rn. 32 ff. und vom - 2 BvR 676/20 - juris Rn. 30 f.; 2 C 5.19 - BVerwGE 170, 319 Rn. 15 und vom - 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 13 m. w. N.).
15Danach ist ein schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnungsregelungen anzuerkennen. Die zur Prüfung gestellten Normen hatten eine kurze Geltungsdauer. Die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom ist am in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft getreten.
16Die Antragstellerin macht Beeinträchtigungen ihrer Rechte geltend, die ein Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Regelungen rechtfertigt. Auch wenn das Gewicht des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch staatliche Hilfsprogramme gemindert wurde, kann eine finanzielle Kompensation für sich genommen dem Bedeutungsgehalt dieses Grundrechts nicht gerecht werden (vgl. - NJW 2022, 1672 Rn. 28) und die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vorschriften nicht erübrigen. Das Feststellungsinteresse wegen eines gewichtigen Grundrechtseingriffs und das Feststellungsinteresse wegen einer präjudiziellen Wirkung für eine beabsichtigte Schadensersatz- oder Entschädigungsklage stehen unabhängig nebeneinander (so auch 3 CN 4.22 - Rn. 18).
172. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die angegriffenen Regelungen auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom (BGBl. I S. 1045), § 28 i. d. F. des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom (BGBl. I S. 587) - im Folgenden: IfSG - gestützt werden konnten.
18a) § 32 Satz 1 IfSG ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u. a.) nach § 28 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 32 Satz 2 IfSG können die Landesregierungen die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Hiervon hat die Staatsregierung des Freistaates Sachsen in § 7 Abs. 1 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Regelung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz und für die Kostenerstattung für Impfungen und andere Maßnahmen der Prophylaxe (Infektionsschutzgesetz-Zuständigkeitsverordnung - IfSGZuVO) vom (SächsGVBl. S. 83) i. d. F. der Änderungsverordnung vom (SächsGVBl. S. 82) Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für den Verordnungserlass dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt übertragen.
19b) Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) werden insoweit eingeschränkt (§ 28 Abs. 1 Satz 4, § 32 Satz 3 IfSG).
20c) Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen werden können, lagen vor. Bei Erlass der Verordnung waren unstreitig - auch in Sachsen - Kranke festgestellt worden (UA Rn. 30 <S. 13>). Regelungen zur Beschränkung von Kontakten und zur Schließung von Einrichtungen und Betrieben, die - wie hier - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht im betroffenen Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit angeordnet werden, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 21 ff.). Notwendige Schutzmaßnahmen in diesem Sinne müssen an dem Ziel ausgerichtet sein, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, und sie müssen verhältnismäßig sein, das heißt geeignet und erforderlich, den Zweck zu erreichen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 12).
213. § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG war in dieser Auslegung bei Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom und auch während ihrer Geltungsdauer vom 2. bis eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben und Bars durch § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO. Die Generalklausel genügte in der maßgeblichen Zeit (c) sowohl den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) (a) als auch denen des Parlamentsvorbehalts als einer Ausformung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (b). Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen an die von Schließungen betroffenen Inhaber von Gastronomiebetrieben musste das Infektionsschutzgesetz nicht regeln (d).
22a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG können durch Gesetz (u. a.) die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach Satz 2 müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden.
23Das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG soll gewährleisten, dass der parlamentarische Gesetzgeber durch die Ermächtigung selbst entscheidet, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden können oder sollen. Dazu muss er die Grenzen der Ermächtigung festlegen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll. Er muss der ermächtigten Stelle darüber hinaus ein "Programm" an die Hand geben, das mit der Ermächtigung verwirklicht werden soll. Bereits aufgrund der Ermächtigung soll vorhersehbar sein, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt allerdings nicht, dass die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich gefasst ist. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung müssen auch nicht ausdrücklich im Gesetzestext bestimmt sein; sie müssen jedoch durch Auslegung des ermächtigenden Gesetzes zu ermitteln sein. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen verwehrt es dem Gesetzgeber daher nicht, in der Ermächtigungsnorm Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Es genügt, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 201 ff.; - BVerfGK 15, 377 = juris Rn. 14, jeweils m. w. N.).
24Der Grad der im konkreten Fall erforderlichen Bestimmtheit hängt zum einen von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes ab, insbesondere davon, in welchem Umfang er einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Bei vielgestaltigen, komplexen Lebenssachverhalten oder absehbaren Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind geringere Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einfach gelagerten und klar vorhersehbaren Lebenssachverhalten (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 204 m. w. N.). Maßgebend ist zudem, wie intensiv die Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen sind. Insoweit berühren sich das Bestimmtheitsgebot und der Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich wesentlich betreffen, selbst festlegt. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 = juris Rn. 276 und vom - 1 BvR 2649/21 - BVerfGE 161, 299 Rn. 126, jeweils m. w. N.; 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 36 f.).
25Bei einem neuartigen Virus wie dem Coronavirus SARS-CoV-2 ist der Grad der erforderlichen Bestimmtheit einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung auch vom erreichten Stand der Kodifikationsreife abhängig (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 41 f.).
26b) Das Demokratie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, dass der parlamentarische Gesetzgeber in allen grundlegenden Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft und nicht anderen Normgebern oder der Exekutive überlässt. Darunter fällt insbesondere die Regelung der Fragen, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (stRspr, vgl. u. a. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 190 ff. und vom - 2 BvE 3/19 - NJW 2023, 831 Rn. 182 f., jeweils m. w. N.). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet, die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet und auch den Betroffenen und der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten (vgl. u. a. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 192 und vom - 2 BvE 3/19 - NJW 2023, 831 Rn. 182, jeweils m. w. N.).
27Aus der Einstufung eines Regelungsgegenstandes als "wesentlich" ergeben sich auch Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung. Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Des Weiteren sollen die betroffenen Grundrechtsträger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 196 m. w. N.). Für eine Delegation an den Verordnungsgeber sind die damit verbundenen Bestimmtheitsanforderungen in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich normiert. Aus dem Parlamentsvorbehalt ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen (vgl. u. a. - a. a. O. Rn. 190, 198 ff. m. w. N.; 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 46).
28c) Ob und unter welchen Voraussetzungen die landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit wie COVID-19 angeordnet werden kann, ist eine wesentliche Frage im vorgenannten Sinne, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muss (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 41 und 46).
29Das hat er durch die infektionsschutzrechtliche Generalklausel in § 32 Satz 1 i. V. m § 28 Abs. 1 IfSG in einer Weise getan, die auch beim Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom und während der Geltungsdauer von § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO vom 2. bis zum Ablauf des den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Parlamentsvorbehalts entsprach (ebenso zu vergleichbarem Landesverordnungsrecht: VerfGH Thüringen, Vorlagebeschluss vom - 110/20 - juris Rn. 52 ff. für den dort entscheidungserheblichen Zeitraum bis zum ; - juris Rn. 39 ff. für die Zeit bis Mitte November 2020; OVG Bautzen, Urteil vom - 3 C 54/20 - juris Rn. 27 f. für die Zeit bis Mitte November 2020; OVG Lüneburg, Urteil vom - 13 KN 389/20 - juris Rn. 37 für die Zeit bis zum ; a. A. LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom - LVG 25/20 - juris Rn. 65; VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1067/20 - juris Rn. 106, 138: Übergangszeitraum im Herbst 2020 abgelaufen).
30aa) Im Infektionsschutzrecht ist eine Generalklausel wie die des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sachgerecht. Sie trägt den Besonderheiten dieses Regelungsbereichs Rechnung. Der Gesetzgeber kann nicht vorhersehen, welche übertragbaren Krankheiten neu auftreten und welche Schutzmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung erforderlich sein werden. Die Generalklausel gewährleistet, dass die zuständigen Behörden - und damit vermittelt durch § 32 Satz 1 IfSG der Verordnungsgeber - auch auf Infektionsgeschehen schnell und angemessen reagieren können, die durch das Auftreten neuartiger Krankheitserreger ausgelöst werden, für deren Bekämpfung die ausdrücklich normierten Schutzmaßnahmen nicht ausreichen (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 39 m. w. N.).
31Bei der Prüfung, inwieweit es möglich und erforderlich war, dem Verordnungsgeber Voraussetzungen und Grenzen von grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorzugeben, sind die Spielräume zu berücksichtigen, die dem Gesetzgeber in Bezug auf ein legislatorisches Tätigwerden zustehen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass dem Gesetzgeber bei Gesetzen, mit denen er von ihm angenommenen Gefahrenlagen für die Allgemeinheit oder für Rechtsgüter Einzelner begegnen will, sowohl hinsichtlich seiner Einschätzung zum Vorliegen einer solchen Gefahrenlage als auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Grundlagen, aus denen er diese Gefahrenlage abgeleitet hat oder ableiten durfte, ein Spielraum zusteht, der verfassungsgerichtlich lediglich in begrenztem Umfang überprüft werden kann (so im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 170 f. m. w. N. "Bundesnotbremse I"). Einen solchen Spielraum hat der parlamentarische Gesetzgeber auch hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt er von einer hinreichend verlässlichen und damit tragfähigen tatsächlichen Grundlage für weitergehende gesetzliche Vorgaben ausgehen kann. Diese Spielräume sind auch von den Verwaltungsgerichten zu beachten, wenn sie zu prüfen haben, ob der Gesetzgeber mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und den Parlamentsvorbehalt zu über eine bestehende Generalklausel hinausgehenden detaillierteren Vorgaben an den Verordnungsgeber verpflichtet gewesen wäre.
32Das Bestehen einer solchen Pflicht kann in Bezug auf einzelne Teilaspekte, die Gegenstand der gesetzgeberischen Ausgestaltung einer Verordnungsermächtigung sein können, unterschiedlich zu beurteilen sein. Ob und welche (Teil-)Kodifikationen dann geboten sind, hängt aber auch von dem vom Gesetzgeber verfolgten legislatorischen Gesamtkonzept ab.
33Der Verordnungsgeber kann seine Regelungen erst dann nicht mehr auf eine bestehende gesetzliche Generalklausel stützen, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Parlamentsvorbehalts zum Erlass ergänzender gesetzlicher Regelungen verpflichtet war. Allein der Umstand, dass dem Gesetzgeber eine Konkretisierung möglich gewesen wäre, genügt hierfür nicht.
34bb) Ausgehend davon reichte in der hier maßgeblichen Zeit (Ende Oktober bis Mitte November 2020) die infektionsschutzrechtliche Generalklausel als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die in § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO angeordnete Schließung von Gastronomiebetrieben und Bars aus.
35(1) Wann und inwieweit Kodifikationsreife im Sinne einer Pflicht des Gesetzgebers zum Tätigwerden besteht, hängt wesentlich von den tatsächlichen Umständen des Pandemiegeschehens ab. Bei der Bewertung ist im Infektionsschutzrecht als einer speziellen Ausprägung des Gefahrenabwehrrechts - wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom hervorgehoben hat - eine ex-ante-Betrachtung maßgeblich; es ist auf den Erkenntnisstand des Gesetz- und des Verordnungsgebers zum Zeitpunkt des Erlasses und während der Zeit der Geltung der angegriffenen Maßnahmen abzustellen (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 34, 64 und - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 17).
36Ausgehend davon setzt Kodifikationsreife im Sinne der Rechtsprechung des Senats voraus, dass sich in der maßgeblichen Zeit auch die tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung des Gesetzgebers soweit geklärt hatten, dass ihm eine fundierte Entscheidung über die Ergänzung oder Modifizierung der bestehenden infektionsschutzrechtlichen Generalklausel möglich war. Der Senat hat dazu im Urteil vom - 3 CN 1.21 - ausgeführt, dass dann, wenn sich der Erkenntnisstand in Bezug auf einen neuen Krankheitserreger verbessert, sich geeignete Parameter herausgebildet hätten, um die Gefahrenlage zu beschreiben und zu bewerten, und ausreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit möglicher Schutzmaßnahmen vorlägen, der Gesetzgeber gehalten sein könne, für die jeweilige übertragbare Krankheit zu konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden können (NVwZ 2023, 1000 Rn. 41).
37Dass der Gesetzgeber mit einer "zweiten Corona-Welle" im Herbst 2020 rechnen musste, genügte nicht, um eine Kodifizierungspflicht für den parlamentarischen Gesetzgeber auszulösen. Mit Blick auf die in Betracht zu ziehenden und gegebenenfalls zu regelnden Schutzmaßnahmen waren darüber hinaus hinreichend belastbare Erkenntnisse dazu erforderlich, welche Eigenschaften das Virus bei dieser "zweiten Welle" haben werde. Je höher die Ansteckungsgefahr und je gravierender mögliche Infektionsverläufe bei dem für den Herbst zu erwartenden Infektionsgeschehen sein würden, desto eingriffsintensiver durften auch mögliche Grundrechtsbeschränkungen sein, zu denen der Gesetzgeber ermächtigen durfte. Weitere Faktoren für die Regelung eines Katalogs möglicher Maßnahmen waren die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Krankheitsfall sowie - mit Blick auf das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern (vgl. dazu 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 50 f.) - die für eine Behandlung in den Kliniken, bei schweren Verläufen namentlich in Intensivstationen, an Personal und sächlicher Ausstattung zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Darüber hinaus war von Bedeutung, ob und in welchem Umfang die Bevölkerung durch Impfung gegen eine COVID-19-Infektion geschützt werden konnte. Außerdem setzte die Pflicht zur Regelung eines Maßnahmenkatalogs durch den Gesetzgeber nicht nur eine Analyse des zu erwartenden Infektionsgeschehens, sondern auch voraus, dass die Wirksamkeit der in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen für sich genommen und zum anderen im Vergleich mit möglichen Alternativmaßnahmen eingeschätzt werden konnte; das war für seine Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Schutzmaßnahme wegen der mit ihr verbundenen Freiheitsbeschränkungen von Bedeutung.
38(2) Der Gesetzgeber durfte berücksichtigen, dass etliche der mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und den Parlamentsvorbehalt bedeutsamen Fragen in der maßgeblichen Zeit bereits im Rahmen der bestehenden Generalklausel geklärt waren, und er musste die Festlegung konkreter Eingriffsschwellen für die Schließung von Gastronomiebetrieben weder im Sommer 2020 noch bis zum Ablauf des hier maßgebenden Zeitraums am als kodifikationsreif ansehen.
39Zutreffend ist, dass bereits im Frühjahr 2020 während der sogenannten ersten Welle der Corona-Pandemie in nahezu allen Bundesländern auch die Schließung von Gastronomiebetrieben im Verordnungswege angeordnet worden war. Die dabei gewonnenen Erfahrungen hätten dem parlamentarischen Gesetzgeber Anlass geben können, nun auch ausdrücklich zu regeln, dass die landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von COVID-19 unabhängig von einem konkreten Infektionsgeschehen in den von der Schließung betroffenen Gastronomiebetrieben zulässig sein solle. Dass der Gesetzgeber eine solche Konkretisierung der Verordnungsermächtigung mit Blick auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel und ihre bisherige Anwendung in der Corona-Pandemie noch nicht vorgenommen hatte, hielt sich indes für den hier zu betrachtenden Zeitraum innerhalb seines Beurteilungsspielraums.
40(2.1) Dass auf der Grundlage der bestehenden Generalklausel auch die Schließung von Gastronomiebetrieben und Bars angeordnet werden konnte, zeigt bereits deren Entstehungsgeschichte (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 23 ff.). Damit hätte sich aus einer darüber hinausgehenden Regelung dieser Frage durch den parlamentarischen Gesetzgeber kein mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und den Parlamentsvorbehalt bedeutsamer "Zugewinn" für den Verordnungsgeber und für die durch die Schließung in ihren Grundrechten betroffenen Betriebsinhaber ergeben.
41Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist die Nachfolgeregelung der vorherigen Generalklausel in § 34 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG 1979, die durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes vom (BGBl. I S. 2248) in das Bundesseuchengesetz eingefügt worden war. Über diese Generalklausel wollte der Gesetzgeber, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, eine sinnvolle und wirksame Bekämpfung übertragbarer Krankheiten sicherstellen. Die bisherigen enumerativen Regelungen erschienen ihm dafür zu eng, da die Fülle der Maßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen könnten, nicht im Vorhinein absehbar sei. Die generelle Ermächtigung auch für Maßnahmen gegenüber "Nichtstörern" sollte gewährleisten, dass die zuständigen Behörden "für alle Fälle gewappnet" seien (Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468 S. 27 zu Nummer 29 und 30). § 43 BSeuchG sollte entfallen, weil die dort genannten Schutzmaßnahmen künftig auch auf die Generalklausel des § 34 Abs. 1 Satz 1 gestützt werden könnten (BT-Drs. 8/2468 S. 27 f. und S. 29 zu Nummer 35). Nach dem durch die damals aufgenommene Generalklausel abgelösten § 43 BSeuchG konnte die zuständige Behörde beim Auftreten einer meldepflichtigen übertragbaren Krankheit (§ 3 Abs. 1 und 2 BSeuchG) in epidemischer Form Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen, insbesondere Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, sowie die Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und Sportveranstaltungen beschränken oder verbieten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit erforderlich war. Mit der Generalklausel wollte der Gesetzgeber das bisherige Instrumentarium nicht verkürzen, sondern im Gegenteil erweitern.
42Danach konnte es für die Betroffenen auch unter der "neuen" infektionsschutzrechtlichen Generalklausel des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht überraschend sein, dass es im Pandemiefall zu Gastronomieschließungen kommen konnte. Das findet in der Folgezeit seine Bestätigung darin, dass die Schließung von Gastronomiebetrieben jeweils auch zu den Schutzmaßnahmen gehörte, die der Gesetzgeber sowohl im nicht abschließenden Katalog des § 28a IfSG i. d. F. des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2397 <dort Nr. 13>) als auch in der "Bundesnotbremse" (§ 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom <BGBl. I S. 802>) gesetzlich verankert hat.
43(2.2) Ebenso wenig musste der parlamentarische Gesetzgeber im Sommer oder Herbst 2020 eine ergänzende Regelung dazu treffen, dass Gastronomiebetriebe auch unabhängig von einem im betroffenen Betrieb konkret festgestellten Infektionsgeschehen geschlossen werden durften, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern oder jedenfalls zu verlangsamen. Wie der Senat bereits entschieden und mit dem vorliegenden Urteil bestätigt hat, ergibt die Auslegung der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG, dass die Schließung von Einrichtungen und Betrieben auch unabhängig von einem auf den jeweiligen Betrieb bezogenen Krankheits- oder Ansteckungsverdacht eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein kann ( 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 21 ff.).
44(2.3) Dass der Verordnungsgeber zur Verhinderung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der Krankheit COVID-19 eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben nur dann anordnen darf, wenn diese Maßnahme den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt, war ebenfalls bereits der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel zu entnehmen (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG "... trifft ... die notwendigen Schutzmaßnahmen ..., soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; ...").
45Die Beschränkung der Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers durch die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt sich im Übrigen auch unabhängig von dieser Bestimmung bereits unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Von einer Ersetzung dieser durch langjährige Rechtsprechung ausgeformten Anforderungen durch andere abstrakte Rechtsbegriffe wäre kaum ein relevanter Zugewinn an Rechtssicherheit zu erwarten gewesen, sondern eher Unsicherheit darüber, ob und inwieweit der Gesetzgeber von diesen Maßstäben abweichen wolle.
46(2.4) Ein Feld für zusätzliche gesetzgeberische Vorgaben zur Zulässigkeit der Schließung von Gastronomiebetrieben wäre die Festlegung konkreter Eingriffsschwellen gewesen.
47Unter Berücksichtigung des dem parlamentarischen Gesetzgeber auch insoweit zuzuerkennenden Spielraums ist jedoch für den hier maßgeblichen Zeitraum von Ende Oktober bis Mitte November 2020 nicht zu beanstanden, dass er die Erfahrungen mit dem Erreger SARS-CoV-2 und der Entwicklung des Pandemiegeschehens noch nicht für ausreichend hielt, um hinreichend konkret jedenfalls für eine gewisse Dauer zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gastronomiebetriebe zur Bekämpfung von COVID-19 geschlossen werden dürfen.
48Im maßgeblichen Zeitraum wurden, wie insbesondere die auf den Konferenzen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder gefassten Beschlüsse zeigen, Schutzmaßnahmen auf der Grundlage von regional bezogenen Sieben-Tage-Inzidenzen erlassen, die auf die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner abstellten. Diese Zahlen wurden vom Robert Koch-Institut tagesaktuell ermittelt und veröffentlicht. Das Anknüpfen von Maßnahmen an diesen Maßstab, den der Bundesgesetzgeber dann auch seinen gesetzlichen Regelungen in § 28a und § 28b IfSG zugrunde gelegt hat, hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Nach der auf tragfähigen Erkenntnissen beruhenden Einschätzung des Gesetzgebers handele es sich um den frühesten Indikator für ein zunehmendes Infektionsgeschehen. Zudem gestatte die Inzidenz, die mit einem gewissen Zeitversatz eintretende Belastung des Gesundheitssystems und die Anzahl der zu erwartenden Todesfälle unter Berücksichtigung der jeweils vorherrschenden Virusvariante frühzeitig abzuschätzen (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 199). Aussagekräftige Erfahrungen mit der "zweiten Corona-Welle" und ihren Auswirkungen unter anderem auf das Gesundheitssystem konnte der Gesetzgeber aber erst ab Oktober 2020 gewinnen, als die Zahl der Neuinfektionen stark anstieg (vgl. dazu etwa den Täglichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19] vom ). Danach ist es nicht zu beanstanden, dass er im hier maßgeblichen Zeitraum noch davon abgesehen hatte, solche Schwellenwerte festzulegen.
49Am hatten die Regierungsfraktionen den Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944) in den Bundestag eingebracht, der in dem neu einzufügenden § 28a IfSG einen nicht abschließenden Katalog von Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dabei in dessen Absatz 1 Nummer 13 auch die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen vorsah. In Absatz 2 des Entwurfs wurde die Anordnung von Schutzmaßnahmen an bestimmten Schwellenwerten ausgerichtet, ohne dass aber die einzelnen im Katalog aufgeführten Schutzmaßnahmen den in Absatz 2 vorgesehenen Kategorien genau zugeordnet worden wären. Im parlamentarischen Verfahren - die erste Lesung fand am statt (BT-PlProt 19/190 S. 23951 ff.) - war in dem hier maßgeblichen Zeitraum die Diskussion über den genauen Inhalt des Maßnahmenkatalogs und die Höhe möglicher Schwellenwerte noch nicht abgeschlossen. Der Gesetzentwurf wurde auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom (BT-Drs. 19/24334) am in geänderter Fassung angenommen (vgl. BT-PlProt 19/191 S. 24045 <24096>). Das Gesetz ist am in Kraft getreten (BGBl. I S. 2397).
50Unter den gegebenen Umständen und angesichts der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten namentlich hinsichtlich der für das Gesundheitssystem zu erwartenden Belastungen durch die neue "Corona-Welle" war es vom Spielraum des Gesetzgebers gedeckt und daher nicht zu beanstanden, dass er in dem für den Erlass der angegriffenen Regelung maßgeblichen Zeitraum die Lage zunächst noch beobachtet und konkrete Schwellenwerte für die Schließung von Gastronomiebetrieben noch nicht festgelegt hat.
51Dementsprechend geht der Einwand der Antragstellerin fehl, gerade die bestehenden Unsicherheiten hätten den parlamentarischen Gesetzgeber dazu veranlassen müssen, schon im Sommer 2020 bestimmte Maßnahmen, namentlich die Schließung von Gastronomiebetrieben, in einen Katalog der dem Verordnungsgeber eröffneten Schutzmaßnahmen aufzunehmen.
52d) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO habe auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel gestützt werden können, ist auch nicht deshalb unzutreffend, weil der parlamentarische Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses und während der Geltungsdauer der Vorschrift keine gesetzlichen Regelungen zu Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen an die Gastronomiebetreiber im Infektionsschutzgesetz getroffen hatte (vgl. 3 CN 4.22 - Rn. 60 ff.).
53e) Für Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen (Nr. 4), Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs (Nr. 6) sowie Übernachtungsangebote für touristische Zwecke (Nr. 16 des § 4 Abs. 1 SächsCoronaSchVO) ergibt sich wegen der gleichgelagerten Schutzrichtung und der vergleichbaren Eingriffsintensität nichts Abweichendes.
544. Die Schließungen von Einrichtungen und Angeboten durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO waren verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG. Die Regelungen hatten ein legitimes Ziel (a), waren zu dessen Erreichung geeignet (b) und erforderlich (c) sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (d). Die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Die Antragstellerin hat gegen sie keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht. Die Rügen, das Oberverwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt und ihren Antrag auf Akteneinsicht (§ 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht beschieden, hat sie nicht - wie gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderlich - innerhalb der bis zum verlängerten Revisionsbegründungsfrist erhoben. Neue Tatsachen kann das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren nicht feststellen und deshalb auch nicht - wie beantragt - Beweis über die damalige pandemische Lage und die Wirkung von Hygienekonzepten erheben.
55a) Der Verordnungsgeber verfolgte mit der Schließung von Einrichtungen und Angeboten durch § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO ein Ziel, das mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung im Einklang stand.
56aa) Der Sächsischen Corona-Schutzverordnung vom lag das in der Beratung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin vom beschlossene Maßnahmenkonzept zugrunde, wonach es zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage erforderlich sei, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in der Woche zu senken (UA Rn. 36, 40 <S. 19>). Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt (vgl. für tatsächliche Feststellungen: § 137 Abs. 2 VwGO; für die Auslegung irrevisiblen Landesrechts: § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Dieses Ziel entsprach - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (UA Rn. 39) - dem Zweck der Verordnungsermächtigung, übertragbare Krankheiten zu bekämpfen (§ 32 Satz 1 IfSG) und ihre Verbreitung zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG).
57bb) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass dieses Ziel ohne die erlassenen Verbote gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis: u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 177; 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 52).
58(1) Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, nach dem Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zu COVID-19 (Stand: ) seien seinerzeit im Bundesgebiet ca. 246 000 Menschen infiziert gewesen. Mehr als 11 500 Menschen seien im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben. In Sachsen seien seinerzeit rund 13 000 Menschen infiziert gewesen und 408 Menschen infolge der Erkrankung verstorben. In den vorausgegangenen sieben Tagen hätten sich 168 Menschen pro 100 000 Einwohner infiziert. In einigen Landkreisen Sachsens sei der Inzidenzwert deutlich höher gewesen. So habe er sich etwa im Landkreis Bautzen auf 321,3 Menschen pro 100 000 Einwohner belaufen, womit dieser Landkreis bundesweit an dritter Stelle gelegen habe. Am hätten sich in Sachsen 1 278 an COVID-19 erkrankte Menschen in stationärer Behandlung befunden, von denen 266 Personen eine intensivmedizinische Betreuung benötigt hätten. Noch am seien nur 314 Erkrankte in stationärer Behandlung gewesen, von denen 45 intensivmedizinisch betreut worden seien. In seiner Risikobewertung vom sei das RKI davon ausgegangen, dass weltweit und in Deutschland eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation vorliege. Dabei sei bei einem zunehmenden Anteil der Fälle die Infektionsquelle unbekannt. Die Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssten, habe sich in den vorausgegangenen zwei Wochen mehr als verdoppelt. Es gebe zudem nach wie vor keine zugelassenen Impfstoffe. Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe sei komplex und langwierig. Daher habe das RKI die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch (UA Rn. 30 <S. 13>).
59(2) Diese Feststellungen tragen die vom Verordnungsgeber angenommene Gefährdungslage. Der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht konnten sich insbesondere auf die Risikobewertung und weiteren Erkenntnisse des RKI stützen (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 56 f.).
60b) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, der Verordnungsgeber habe die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließungen von Einrichtungen und Angeboten als geeignet ansehen dürfen, um das mit der Verordnung verfolgte Ziel zu erreichen.
61aa) Für die Eignung reicht es aus, wenn die Verordnungsregelung den verfolgten Zweck fördern kann. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185; 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 59, jeweils m. w. N.).
62bb) Ausgehend von seinen Feststellungen zur Übertragbarkeit des Virus (UA Rn. 30 <S. 12>) ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die angeordneten Schließungen geeignet waren, physische Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, um weitere Infektionen mit dem hochansteckenden Virus SARS-CoV-2 einzudämmen und damit den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen sicherzustellen (UA Rn. 41), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
63c) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließungen von Einrichtungen und Angeboten zur Zweckerreichung erforderliche Maßnahmen waren.
64aa) An der Erforderlichkeit einer Maßnahme fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 203 m. w. N.; 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 63).
65Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der auch im hier maßgeblichen Zeitraum noch fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 204). Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 64). Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (vgl. 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 17 ff.).
66bb) Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht mit bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass der Betrieb der Antragstellerin nicht nur Ansammlungen von Menschen hervorgerufen, sondern zusätzliche Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu und von den Einrichtungen geschaffen hätte, denen auch mit dem Hygienekonzept der Antragstellerin und einem "PoC-Antigentest" nicht hätte begegnet werden können (UA Rn. 41). Wenn die Benutzung der Einrichtungen aufgrund des Hygienekonzepts und der Tests für sich betrachtet infektiologisch unbedeutend wäre (zu diesem Kriterium vgl. 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 21), könnte angesichts der sonst zugelassenen Mobilität indes fraglich sein, ob allein der Umstand, dass der Besuch der Einrichtungen als Grund für das Verlassen der Wohnung entfällt, einen relevanten Beitrag zur Kontaktreduzierung leisten kann. Die Antragstellerin selbst ist offenbar davon ausgegangen, dass das Oberverwaltungsgericht auch die gleiche Wirksamkeit des Hygienekonzepts und der Tests in der Einrichtung verneint hat, denn sie hat mit Schriftsatz vom - wie dargelegt revisionsrechtlich unbeachtlich - eine Studie zum Ansteckungsrisiko beim Sport in Fitnessstudios vorgelegt. Die Bezugnahme des Oberverwaltungsgerichts auf die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (UA Rn. 42: OVG Magdeburg, Beschlüsse vom - 3 R 219/20 - juris Rn. 72 ff. und - 3 R 223/20 - juris Rn. 55 ff. <Aufenthalt am Ort>; OVG Saarlouis, Beschluss vom - 2 B 308/20 - juris Rn. 17 <Zusammenkommen einer größeren Anzahl wechselnder Personen in geschlossenen Räumen>; - juris Rn. 83 <mit dem Betrieb einhergehendes Infektionsrisiko>; OVG Münster, Beschlüsse vom - 13 B 1657/20.NE - juris Rn. 36 <Hygienemaßnahmen für den Aufenthalt im Fitnessstudio> und - 13 B 1656/20.NE - juris Rn. 35 <Weiterverbreitung des Coronavirus in gastronomischen Einrichtungen>) lässt erkennen, dass es eine der Schließung von Einrichtungen vergleichbare Wirksamkeit von Hygienekonzepten und Tests auch für Kontakte in den Einrichtungen verneint hat. Damit bestand kein Anlass, die Wirkungsprognose des Verordnungsgebers in Frage zu stellen.
67d) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 6, 16 und 18 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließungen von Einrichtungen und Angeboten angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne waren, steht ebenfalls mit Bundesrecht in Einklang.
68aa) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (stRspr, vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 75 m. w. N.). Von diesem Maßstab ist auch das Oberverwaltungsgericht der Sache nach ausgegangen (vgl. UA Rn. 38 f., 42 f.).
69bb) Die Schließung von Fitnessstudios und Sporteinrichtungen durch § 4 Abs. 1 Nr. 4 und 6 SächsCoronaSchVO war ein gewichtiger Eingriff in die Berufsausübungsübungsfreiheit der Antragstellerin (Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG). Er wurde dadurch verstärkt, dass es sich bereits um die zweite Schließung nach dem ersten "Lockdown" in Sachsen vom 23. März bis zum gehandelt hat und die Betreiber der Einrichtungen in der Zwischenzeit in Hygienemaßnahmen investiert hatten. Gemildert wurde der Eingriff durch die in der Verordnung vorgesehene Begrenzung der Maßnahme auf ursprünglich vier Wochen, dann 11 Tage, durch Ausnahmen für medizinisch notwendige Behandlungen sowie durch das Offenhalten der Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs für den Individualsport. Das Eingriffsgewicht wurde ferner durch die für die von den Schließungen betroffenen Betriebe vorgesehenen staatlichen Hilfsprogramme gemindert. Zwar ist das Grundrecht der Berufsfreiheit in erster Linie persönlichkeitsbezogen, konkretisiert also im Bereich der individuellen beruflichen Leistung und Existenzerhaltung das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Daher kann eine finanzielle Kompensation für sich genommen dem Bedeutungsgehalt der Berufsfreiheit nicht gerecht werden. Gleichwohl verminderten Hilfsprogramme die Wahrscheinlichkeit einer existenzbedrohenden Lage und unterstützten die Betroffenen darin, die ausgeübte Tätigkeit künftig weiterhin wirtschaftlich ausüben zu können (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 1295/21 - NJW 2022, 1672 Rn. 28 m. w. N.; zur <verneinten> Erforderlichkeit gesetzlicher Entschädigungsregelungen vgl. 3 CN 4.22 - Rn. 60 ff. m. w. N.). Auch wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses noch nicht in Kraft gesetzt waren, durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass diese Hilfen, die Teil des am zwischen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder beschlossenen Maßnahmenpakets waren, den betroffenen Betrieben alsbald zur Verfügung gestellt würden. Daher hat das Oberverwaltungsgericht das Kurzarbeitergeld, die nichtrückzahlungspflichtige Überbrückungshilfe II (sog. Novemberhilfe) sowie die anschließende sog. Dezemberhilfe, das KfW-Kreditprogramm und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zutreffend als eingriffsmildernd bewertet (UA Rn. 43).
70Das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke und die Schließung der Gastronomieeinrichtungen stellten ebenfalls gewichtige Eingriffe in die Berufsausübungsübungsfreiheit der Antragstellerin dar. Sie wurden allerdings durch die auch unter Geltung des § 4 Abs. 1 Nr. 16 SächsCoronaSchVO fortbestehende Möglichkeit der Übernachtungen für nichttouristische Zwecke, insbesondere für die Berufsausübung, sowie die Möglichkeit der Lieferung und Abholung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken in § 4 Abs. 1 Nr. 18 SächsCoronaSchVO gemildert.
71cc) Diesen durch die Schließung von Einrichtungen und Angeboten bewirkten, gewichtigen Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber. Ziel der Verordnung war es, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der dadurch verursachten bedrohlichen COVID-19-Erkrankung (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) zu verlangsamen und damit die Bevölkerung vor Lebens- und Gesundheitsgefahren zu schützen. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit haben eine überragende Bedeutung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 231 m. w. N.; 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 80 und - 3 CN 2.21 - NVwZ 2023, 1011 Rn. 32). Der Verordnungsgeber durfte bei Erlass der Regelungen davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand. Das RKI schätzte die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (UA Rn. 30 <S. 13>). Wegen der stark ansteigenden Zahl der Neuinfektionen und der COVID-19-Patienten in Krankenhäusern und Intensivstationen hatte die Verlangsamung der Ausbreitung ein hohes Gewicht. Nach dem - plausiblen - Schutzkonzept des Verordnungsgebers war die Schließung von Einrichtungen und Angeboten des Sports, der Gastronomie und des Tourismus - neben der Schließung von Einrichtungen auch in den Bereichen Kultur und Freizeit, der Kontaktbeschränkung im öffentlichen und im privaten Raum (§ 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO), der Pflicht, in bestimmten Situationen eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, der Anordnung von Hygieneregeln und der Kontaktdatenerhebung in den offen gehaltenen Einrichtungen - ein zentrales Mittel zur Zielerreichung.
72dd) Der Verordnungsgeber hat für den zu beurteilenden Zeitraum mit den angegriffenen Regelungen einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit ihnen verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Kammerbeschluss vom , mit dem es die Verfassungsbeschwerde einer Gastronomin gegen das Verbot der Öffnung von Gaststätten nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom nicht zur Entscheidung angenommen hat, bestätigt, dass die dortige Schließung von gastronomischen Einrichtungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhältnismäßig im engeren Sinn war. Es hat den Eingriff in die Berufsfreiheit als gerechtfertigt angesehen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist es von einem erheblichen Eingriffsgewicht ausgegangen, das allerdings durch die staatlichen Hilfsprogramme für die von den Schließungen betroffenen Betriebe gemindert worden sei. Dem Eingriff in die Berufsfreiheit sei gegenüberzustellen, dass angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens im April 2021 eine besondere Dringlichkeit bestanden habe, zum Schutz der überragend bedeutsamen Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems tätig zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Abwägung des Gesetzgebers nicht beanstandet. Die Vorschrift und die sie begleitenden staatlichen Hilfsprogramme hätten für einen hinreichenden Ausgleich zwischen den verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen gesorgt. Belastungsmindernd hat das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt, dass der Außer-Haus-Verkauf sowie die Lieferung von Speisen und Getränken möglich blieben und die Regelung befristet war (vgl. - NJW 2022, 1672 Rn. 19 ff.). Es ist nicht ersichtlich, warum für den hier maßgeblichen Zeitraum und die hier in Rede stehenden Maßnahmen - auch im Hinblick auf die Schließung von Fitnessstudios, Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs sowie Übernachtungsangebote für touristische Zwecke (§ 4 Abs. 1 Nr. 4, 6 und 16 SächsCoronaSchVO) - die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne anders zu beurteilen sein sollte (vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 84).
73ee) Die Abwägung des Verordnungsgebers ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn man nicht nur die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Betriebsinhaber, sondern zusätzlich die Folgen der Betriebsschließungen für die Nutzer der Einrichtungen in die Abwägung einstellt. Viele Sporttreibende konnten den Verlust der Sportstätten durch Bewegung zu Hause oder im Freien nicht ausgleichen - mit möglichen negativen Folgen für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. Die Schließung von Restaurants (zu einem hiergegen gerichteten Normenkontrollantrag eines Besuchers vgl. 3 CN 1.21 - NVwZ 2023, 1000 Rn. 11, 82 f.) und das Verbot von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken schränkten die Möglichkeiten privater Lebensgestaltung potentieller Besucher ebenfalls erheblich ein. Der Verordnungsgeber hat mit der Einschätzung, das Ziel, die weitere Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen, habe angesichts des Standes der Pandemie im maßgeblichen Zeitraum ein so hohes Gewicht, dass es auch die negativen Folgen der Maßnahmen für die Nutzer der geschlossenen Einrichtungen überwiege, seinen Einschätzungs- und Bewertungsspielraum nicht überschritten.
745. Die Schließung von Fitnessstudios ohne die für die Schließung von Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO vorgesehene Ausnahme für den Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand war unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; a, b). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Gleichheitssatz ohne Bundesrechtsverstoß bejaht (c).
75a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 = juris Rn. 63 f., 68 f. und vom - 1 BvR 469/20 u. a. - BVerfGE 162, 378 Rn. 155 f., jeweils m. w. N.). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA Rn. 45).
76b) Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs durften für den Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand öffnen (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 SächsCoronaSchVO). Für Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO) war eine solche Ausnahme nicht vorgesehen. Das war mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar.
77Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, es handele sich insoweit bereits nicht um wesensgleiche Sachverhalte. Anders als in Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen habe der in Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs ausgeübte Individualsport im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO nicht in einer gewerblichen Einrichtung und nur innerhalb eines von vornherein konkret bestimmten Personenkreises - allein, zu zweit, mit dem eigenen Hausstand, Schulklasse - stattgefunden (UA Rn. 52). Das rechtfertigt die Ungleichbehandlung der Einrichtungen nicht. Das Kriterium der Gewerblichkeit ist hier kein sachgerechtes Abgrenzungs- und Differenzierungskriterium. Auch Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs können gewerblich betrieben werden. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung der Gewerblichkeit für das Schutzkonzept der Verordnung zukommen sollte. Wäre Individualsport auch in Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen lediglich allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand zugelassen worden, hätte er auch dort nur innerhalb dieses konkret bestimmten Personenkreises stattfinden können.
78Der Antragsgegner hat in der Revisionsverhandlung ausgeführt, Individualsport finde nur in Außenanlagen statt. Tatsächliche Feststellungen, die diese Annahme tragen könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Für die Annahme, der Verordnungsgeber habe den Individualsport allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands nur auf Außenanlagen zulassen wollen, findet sich im Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO ebenfalls kein Anhalt.
79Der Antragsgegner hat weiter geltend gemacht, Einrichtungen des Amateur- und Freizeitsportbetriebs seien nach Fläche und Volumen größer als Fitnessstudios; der Aerosolausstoß sei hingegen in Fitnessstudios größer. Ob diese nicht durch Tatsachen unterlegte Annahme von der Typisierungsbefugnis des Verordnungsgebers gedeckt wäre, erscheint fraglich. Jedenfalls ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum es auf die Größe der Einrichtung und den Aerosolausstoß bei ihrer Nutzung ankommen sollte, wenn die Nutzung nur allein, zu zweit und mit dem eigenen Hausstand zugelassen ist.
80Weitere Gründe für die Ungleichbehandlung hat der Antragsgegner nicht angeführt; sie sind auch nicht ersichtlich.
81Der dargelegte Gleichheitsverstoß führt zur Feststellung, dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO unwirksam war. Auf andere Weise kann der Verstoß nicht beseitigt werden. Dass § 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsCoronaSchVO nur mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand gilt, hätte nur der Verordnungsgeber regeln können. Die Feststellung der Unwirksamkeit ist auf Nr. 4 des § 4 Abs. 1 SächsCoronaSchVO zu begrenzen. Eine Regelungslücke, die das Gesamtkonzept des Verordnungsgebers in Frage stellt, entsteht ohne die spezielle Regelung für Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen nicht (zur insoweit notwendigen und zulässigen Auslegung der landesrechtlichen Verordnung durch das Revisionsgericht vgl. 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <300>). Sie wären als Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs von § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO erfasst worden (vgl. z. B. § 1a Abs. 6 Nr. 7 CoronaVO Baden-Württemberg i. d. F. vom und § 16 Abs. 1 Niedersächsische Corona-Verordnung i. d. F. vom ).
82c) Ansonsten hat das Oberverwaltungsgericht die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Gleichheitssatz ohne Bundesrechtsverstoß bejaht.
83aa) Dass die in § 4 SächsCoronaSchVO genannten Einrichtungen und damit Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen, Sporteinrichtungen, Gastronomiebetriebe und Übernachtungsangebote für touristische Zwecke schließen mussten, dort nicht genannte Einrichtungen, also etwa Groß- und Einzelhandelsgeschäfte einschließlich der von der Antragstellerin hervorgehobenen Möbelhäuser mit Hygienekonzept und Kontaktdatenerhebung (§ 5 SächsCoronaSchVO) aber weiter öffnen durften, war mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (UA Rn. 49, 51).
84Der Handel dient der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und sonstigen Waren und Gütern. Sporteinrichtungen, Vor-Ort-Gastronomie und das Angebot von Übernachtungen für touristische Zwecke dienen im Wesentlichen der Freizeitgestaltung, wobei Sporteinrichtungen auch der Erhaltung der körperlichen Gesundheit dienen können. Dass der Verordnungsgeber diese Zwecke mit Blick auf ihre Notwendigkeit unterschiedlich bewertet hat, ist nicht zu beanstanden. Der Verzicht auf eine Differenzierung innerhalb des Handels zwischen verschiedenen Sortimenten im Hinblick auf die Dringlichkeit des Bedarfs war in der damaligen Pandemie-Situation von der Typisierungsbefugnis des Verordnungsgebers gedeckt.
85bb) Dass Anlagen und Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 SächsCoronaSchVO in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts für das für Individualsportarten organisierte Training und deren Sportwettkämpfe ohne Publikum öffnen durften, nicht aber für den organisierten Individualsport zum Zweck der Fitness und Gesunderhaltung, ist mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.
86Das Oberverwaltungsgericht versteht unter "organisiertem Training" nicht ein bloßes organisiertes Betreiben von Individualsport zum Zwecke der Fitness und Gesunderhaltung, sondern ein planmäßiges Üben gerade mit dem Ziel der sportlichen Leistungsentwicklung (UA Rn. 53). An diese Auslegung des Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Organisiertes Training dient in dieser Auslegung der Vorbereitung auf Sportwettkämpfe. Der Verordnungsgeber hat dem Wettkampfbetrieb einschließlich dem organisierten, auf diese Wettkämpfe vorbereitenden Training eine im Vergleich zum Training für Fitness und Gesundheit besondere Bedeutung beigemessen und deshalb, soweit es um Individualsportarten geht, eine Ausnahme von der Schließung zugelassen. Zwar kann die Sportausübung auch für "bloße" Freizeitsportler eine große Bedeutung haben. Die vorübergehende Schließung von Trainingseinrichtungen kann die Gesundheit und das Wohlbefinden - gegebenenfalls auch dauerhaft - beeinträchtigen; Trainingsrückstände lassen sich häufig, wenn überhaupt, nur durch hohen Einsatz wieder aufholen. Gleichwohl ist die Ungleichbehandlung beider Bereiche noch vertretbar. Der Verordnungsgeber durfte berücksichtigen, dass die Zulassung des organisierten Trainings auch für alle Freizeitsportler sein Schutzkonzept in Frage gestellt hätte, Kontaktmöglichkeiten im Freizeitbereich einzuschränken, um in anderen Bereichen von größerer Bedeutung Kontakte unter besonderen Hygienevorkehrungen zu tolerieren (vgl. UA Rn. 40 <S. 19>). Im Hinblick auf die Gewichtung des öffentlichen Interesses an bestimmten Tätigkeiten hatte der Verordnungsgeber einen Spielraum. Er durfte die Erhaltung der Strukturen im Amateurwettkampfsport in der Pandemie-Situation als besonders schutzwürdig ansehen.
87Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:160523U3CN6.22.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-50072