Landesamt für Steuern Niedersachsen - S 7410 -St 185a - 3984/2022-802/2023

Umsatzsteuerliche Behandlung von Zahlungen im Rahmen der Initiative Tierwohl

Bezug:

1. Allgemeines

Um dem Bedürfnis der Bevölkerung nach artgerecht erzeugtem Fleisch gerecht zu werden, haben sich große deutsche Lebensmittelhändler und Schlachtunternehmen bereit erklärt, Tierhalter für den zusätzlichen Aufwand einer artgerechten Haltung und Aufzucht von Tieren direkt oder indirekt zu entlohnen. Zur Organisation und Abwicklung wurde die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH (Trägergesellschaft) gegründet. Diese hat ein umfassendes Programm zur Förderung des Tierwohls auf Ebene der Tierhalter entwickelt und hierfür Anforderungen an die Tierhalter definiert, die in dem sog. Tierwohlprogramm zusammengefasst sind.

Tierhalter, die das Tierwohlprogramm umsetzen wollen, schließen hierzu einen Teilnahmevertrag mit der Trägergesellschaft. Für jede Anforderung aus dem Tierwohlprogramm, die der Halter nachweislich erfüllt, erhält er einen festgelegten pauschalen Betrag zum Ausgleich der ihm entstehenden Mehrkosten. Je mehr Anforderungen des Katalogs erfüllt werden, desto höher fällt der pauschale Kostenersatz aus.

Die ursprünglich als sog. Fondsmodell entwickelten Rahmenbedingungen wurden zum grundlegend neu konzipiert und seither als sog. Marktmodell weitergeführt.

2. Fondsmodell (bis )

Der von der Trägergesellschaft an den Tierhalter gezahlte Betrag setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag pro Betrieb und Jahr, soweit definierte Grundanforderungen erfüllt werden (z. B. Teilnahme am Antibiotika-Monitoring oder mindestens 1,5 % der Stallgrundfläche Tageslicht), und einem Betrag pro Tier (z. B. für das freie Abferkeln mit 7,5 m² Buchtengröße ohne permanente Fixierungsmöglichkeit).

Die Pauschalerstattungen finanziert die Trägergesellschaft aus einer Umlage der Lebensmittelhändler (z. B. 4 Cent pro kg Schweinefleisch, die der Händler an Endkunden in Deutschland verkauft, wobei unerheblich ist, ob das verkaufte Fleisch von Tierhaltern der Initiative Tierwohl stammt oder nicht). Die Händler sind berechtigt, mit der Teilnahme an der Initiative Tierwohl zu werben sowie das Zeichen der Initiative zu nutzen.

2.1 Leistungsbeziehungen

Die Trägergesellschaft erbringt eine sonstige Leistung an den Lebensmittelhändler (Gewährleistung der artgerechten Tierhaltung gem. Tierwohlprogramm, Öffentlichkeitsarbeit, Kennzeichennutzung). Die Leistung erfolgt gegen Entgelt, nämlich gegen Zahlung der Umlage durch den Händler. Die Leistung der Trägergesellschaft unterliegt dem Regelsteuersatz. Der Tierhalter erbringt eine sonstige Leistung an die Trägergesellschaft (Schaffung bzw. Erfüllung einzelner Anforderungen gem. Tierwohlprogramm). Die Leistung erfolgt gegen Entgelt, nämlich gegen Zahlung des Ausgleichsbetrags pro erfülltem Kriterium gem. Anforderungsliste durch die Trägergesellschaft. Die Leistung des Tierhalters unterliegt dem Regelsteuersatz.

Daneben liefert der Tierhalter seine Erzeugnisse an den Lebensmittelhändler oder einen Dritten. Die Lieferung unterliegt bei Anwendung der Regelbesteuerung regelmäßig dem ermäßigten Steuersatz.

2.2. Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung

Soweit der Tierhalter für seinen landwirtschaftlichen Betrieb die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwendet, unterliegt die Lieferung seiner Erzeugnisse an den Lebensmittelhändler bzw. den Dritten dem Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG.

Für die sonstige Leistung des Tierhalters an die Trägergesellschaft ist die Durchschnittssatzbesteuerung nicht anwendbar, da die von der Trägergesellschaft empfangene Leistung in deren Sphäre nicht zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt wird (so auch , BStBl II 2015 S. 730).

Die Leistung des Tierhalters an die Trägergesellschaft kann auch nicht nach der Vereinfachungsregelung des Abschn. 24.6 UStAE der Durchschnittssatzbesteuerung unterworfen werden, da die Leistung weder ihrer Art nach in Abschn. 24.3 Abs. 1 Satz 2 UStAE genannt ist, noch mit den dort genannten Leistungen vergleichbar ist (vgl. Abschn. 24.6 Abs. 4 UStAE).

2.3 Vorsteuerabzug

Soweit der Tierhalter für seinen landwirtschaftlichen Betrieb die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet, ist ein (weiterer) Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG). Mit der Teilnahme an der Initiative Tierwohl erbringt der Tierhalter daneben auch Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen und grundsätzlich zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigen.

Eingangsleistungen, die der Tierhalter zur Erfüllung der Anforderungen gem. Tierwohlprogramm bezieht, sind anteilig der sonstigen Leistung an die Trägergesellschaft und im Übrigen den pauschal besteuerten Ausgangsumsätzen zuzurechnen. Die Aufwendungen sind nicht allein der Leistung an die Trägergesellschaft zuzurechnen, da sie untrennbar zugleich direkt und unmittelbar der Erzeugung der Tiere dienen. Für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge ist auf das Verhältnis der regelbesteuerten Umsätze zu den Pauschalumsätzen aus dem jeweiligen Tierbestand abzustellen.

Wird die Teilnahme an dem Tierwohlprogramm beendet (ggf. rückwirkend, weil der Tierhalter die Anforderungen des Programms nicht eingehalten hat), tritt zu diesem Zeitpunkt eine Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 15a UStG ein, sodass der Vorsteuerabzug insoweit zu berichtigen ist.

Eingangsleistungen, die allgemeine Produktionskosten der landwirtschaftlichen Erzeugnisse darstellen (z. B. Futter, Einbau von Lüftungs- und Fütterungseinrichtungen, Stallbauten), bezieht der Tierhalter hingegen unmittelbar und ausschließlich für seine pauschal besteuerten Umsätze. Dafür spricht auch die Konstruktion des Tierwohlprogramms, wonach die Zahlungen der Trägergesellschaft als Ersatz jener Mehrkosten dienen, die für die teilnehmenden Tierhalter mit der Erfüllung der zusätzlichen Anforderungen aus dem Programm verbunden sind. Ein Vorsteuerabzug aus allgemeinen Produktionskosten scheidet daher aus.

3 Marktmodell (ab )

Der wesentliche Unterschied zum Fondsmodell besteht darin, dass Tierhalter beim Marktmodell keine direkte Zahlung mehr von der Trägergesellschaft, sondern unmittelbar von den Schlachtunternehmen in Gestalt eines vereinbarten Preisaufschlags für die nach den Anforderungen der Trägergesellschaft erzeugten Schlachttiere erhalten. Der vereinbarte Kaufpreisaufschlag wird als Preisbestandteil in den Abrechnungen separat ausgewiesen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Lebensmittelhändler, die nach besonderem Standard erzeugte Ware im Einkauf angemessen zu vergüten und die dadurch entstandenen Mehrkosten für den Schlachtunternehmer durch höhere Einkaufspreise auszugleichen.

Seit Einführung des Marktmodells werden im Ergebnis die Lebensmittelhändler durch die Schlachtunternehmen ersetzt.

3.1 Leistungsbeziehungen

Die Tierhalter erbringen Lieferungen an die Schlachtunternehmen. Der neu festgelegte Kaufpreisaufschlag ist Teil des Entgelts für das gelieferte Schlachtvieh, welches unter Einhaltung bestimmter, durch die Trägergesellschaft festgelegter Kriterien erzeugt wurde.

Die Trägergesellschaft erbringt eine sonstige Leistung an die Schlachtunternehmen (Gewährleistung der artgerechten Tierhaltung gemäß Tierwohlprogramm, Vermarktung der nach besonderem Standard erzeugten Ware). Die Leistung erfolgt gegen Entgelt, nämlich gegen Zahlung der Teilnahmegebühr durch das Schlachtunternehmen. Die Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz.

3.2 Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung

Soweit der Tierhalter die Voraussetzungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG für seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erfüllt, unterliegen die von den Schlachtunternehmen an die Tierhalter geleisteten Zahlungen - einschließlich der Kaufpreisaufschläge - dem Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Ein (weiterer) Vorsteuerabzug ist gem. § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen.

Kommt die Besteuerung nach Durchschnittssätzen nicht in Betracht, unterliegen die Entgelte für die Lieferung von Schlachtvieh - einschließlich der Kaufpreisaufschläge - dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 Nr. 1.

4. Übergangsphase für Ferkelerzeuger und Anwendungszeitraum

Die Trägergesellschaft hat sich gegenüber Ferkelerzeugern für eine Übergangsphase von drei Jahren, beginnend ab dem , zur Zahlung eines Tierwohlentgelts verpflichtet. Da diese Vereinbarung dem bisherigen Fondsmodell entspricht, gelten die o. a. Grundsätze zum Fondsmodell für Ferkelerzeuger bis zum endgültigen Übergang auf das Marktmodell fort. Die Grundsätze des Marktmodells sind für Ferkelerzeuger ab dem anzuwenden

Für die Schweinemast gelten die Grundsätze des Marktmodells ab dem uneingeschränkt.

5. Erhöhtes Schlachtentgelt für Geflügelmäster im Programmzeitraum 2018 bis 2020

Auf Vorschlag des Vermarkters konnten Geflügelmäster im Programmzeitraum 2018 bis 2020 ohne Anspruch auf Zahlung eines Tierwohlentgelts an der „Initiative Tierwohl“ teilnehmen, wobei sie bei Einhaltung der Tierwohlkriterien ein entsprechendes Zertifikat durch die Zertifizierungsstelle erhalten konnten. Sofern Geflügelmäster ausweislich der Quartalsabrechnung der Trägergesellschaft trotz Zertifizierung kein Tierwohlentgelt erhalten hatten, zahlten Schlachtbetriebe bzw. Vermarkter teilweise ein erhöhtes Schlachtentgelt, das insoweit dem Tierwohlentgelt entsprach. Über das erhöhte Schlachtentgelt wurde regelmäßig mit einer separaten Gutschrift abgerechnet.

Nach bundeseinheitlich abgestimmter Rechtsauffassung ist das erhöhte Schlachtentgelt als Teil des Entgelts für das unter Einhaltung der Tierwohlkriterien gelieferte Schlachtvieh anzusehen.

5.1 Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung bei den Geflügelmästern

Soweit der Geflügelmäster die Voraussetzungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG für seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erfüllt, unterliegen die von den Schlachtunternehmen an die Geflügelmäster geleisteten Zahlungen - einschließlich der erhöhten Schlachtentgelte - dem Durchschnittssatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Ein (weiterer) Vorsteuerabzug für den Geflügelmäster ist insoweit gem. § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen.

Kommt die Besteuerung nach Durchschnittssätzen nicht in Betracht, unterliegen die Entgelte für die Lieferung von Schlachtvieh - einschließlich der erhöhten Schlachtentgelte - dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 Nr. 1.

5.2 Vorsteuerabzug für den Schlachtbetrieb bzw. Vermarkter

Ob die jeweilige Gutschrift dem betreffenden Schlachtbetrieb bzw. Vermarkter den Vorsteuerabzug aus dem erhöhten Schlachtentgelt ermöglicht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Eine Rechnungsangabe, wie z. B. bloß „Tierwohlzuschuss“, genügt den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG an die Leistungsbeschreibung grundsätzlich nicht (Abschn. 14.5 Abs. 15 UStAE und Abschn. 15.2a Abs. 4 ff. UStAE). Liegen im Einzelfall aber sämtliche Angaben vor, um zu erkennen, dass es sich hierbei um einen Teil des Entgelts für bestimmte Lieferungen von Schlachtvieh handelt, ist entsprechend den Erläuterungen in Abschn. 15.2a Abs. 1a UStAE, unter Anwendung eines strengen Maßstabs ausnahmsweise ein Vorsteuerabzug aus der Gutschrift möglich, ohne dass diese entsprechend den Erläuterungen in Abschn. 15.2a Abs. 7 UStAE zu berichtigen wäre.

USt-Kartei ND

Ich bitte, die bisherige Karteikarte S 7410 Karte 1 durch diese Karte zu ersetzen.

Landesamt für Steuern Niedersachsen v. - S 7410 -St 185a - 3984/2022-802/2023

Fundstelle(n):
USt-Kartei ND UStG § 24 Karte S 7410 Karte 1
UR 2023 S. 694 Nr. 17
QAAAJ-49361