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BGH Beschluss v. - XII ZB 470/21

Vergütung des Berufsbetreuers: Vermittlung besonderer Fachkenntnisse durch Masterstudiengang Recht-Medizin-Ethik

Gesetze: § 4 Abs 3 Nr 2 VBVG vom , § 18 VBVG vom , Art 4 VBVAnpG

Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 8 T 125/21vorgehend AG Bitterfeld-Wolfen Az: 4 XVII 142/19

Gründe

I.

1Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Betreuerin) war zur beruflichen Betreuerin der Betroffenen bestellt. Sie verfügt über an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erworbene akademische Grade des Magister Artium (M.A.) im Hauptfach Kunstgeschichte mit den Nebenfächern Klassische Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte und des Master of Medicine, Ethics and Law (M.mel). Für Letzteren absolvierte die Betreuerin einen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Studien- und Prüfungsordnung für den Masterstudiengang „Medizin-Ethik-Recht“ (120 und 60 Leistungspunkte) im Ein-Fach-Master-Studiengang an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom (im Folgenden: Studienordnung) angebotenen, nicht-konsekutiven Master-Studiengang, dessen Regelstudienzeit nach § 2 Abs. 3 der Studienordnung zwei Semester betrug.

2Für den Abrechnungszeitraum vom bis zum beantragte die Betreuerin für ihre Tätigkeit die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung in Höhe von 3.414 €, der sie im Hinblick auf ihre Ausbildung monatliche Fallpauschalen nach der höchsten Vergütungsstufe (Tabelle C der Anlage zum VBVG) zugrunde legte.

3Das Amtsgericht hat die Vergütung der Betreuerin unter Zugrundelegung monatlicher Fallpauschalen nach Tabelle A auf 2.100 € festgesetzt. Die Beschwerde der Betreuerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Betreuerin die Heraufsetzung der Vergütung auf 3.414 € erreichen.

II.

4Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerhaft zu der Einschätzung gelangt, die von ihm festgestellten besonderen Kenntnisse, über die die Betreuerin verfügt und die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, seien nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben worden.

51. Nach § 18 VBVG ist auf die Vergütungsansprüche der am bestellten Betreuerin für die von ihr im Zeitraum von April 2020 bis April 2021 entfalteten Tätigkeiten das bis zum geltende Recht anzuwenden (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 104/22 - FamRZ 2023, 793 Rn. 7 mwN).

62. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG in der hier maßgeblichen, ab dem geltenden Fassung (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom BGBl. I S. 866) richtet sich die Vergütung eines Berufsbetreuers nach der Vergütungstabelle C, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, verfügt und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

7a) Besondere betreuungsrelevante Kenntnisse müssen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG durch die dort genannten Ausbildungen erworben worden sein.Durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule sind diese Kenntnisse erworben worden, wenn ein Studium an einer Universität oder Fachhochschule absolviert wurde (vgl. OLG Hamm BtPrax 2002, 125; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130; LG Saarbrücken RPfleger 2021, 159, 160). Eine Ausbildung an einer Fachakademie, Studieninstitut oder Fachschule reicht hingegen in der Regel nicht aus (vgl. LG Saarbrücken RPfleger 2021, 159, 160). Bachelor- und Masterabschlüsse sind dabei als vollwertige (Fach-) Hochschulabschlüsse anzusehen (Lütgens in: Bauer/Klie/Lütgens/Schwedler HK zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht [Stand: 5/2021] Vorbemerkungen zu § 3 VBVG Rn. 43).

8b) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts vermittelte der von der Betreuerin absolvierte und abgeschlossene Masterstudiengang im Bereich Recht, Medizin und Ethik für die Führung von Betreuungen nutzbare Kenntnisse, weil diese es der Betreuerin erleichterten, das Leben der Betreuten deren Wünschen entsprechend zu gestalten sowie den Umgang mit ihr und das Verständnis für ihre besondere Situation zu fördern. Auch sind die dort erworbenen Kenntnisse geeignet, die Aufgaben der Betreuerin besser und effektiver zu erfüllen.

9Bei der von der Betreuerin absolvierten Ausbildung handelt es sich, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, zweifellos auch um eine Ausbildung an einer Hochschule. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (in der Fassung der Bekanntmachung vom GVBl. LSA 2021 S. 368, 369 - HSG LSA) gilt dieses Gesetz für die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als staatliche Hochschule. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HSG LSA verleiht die Hochschule aufgrund einer Hochschulprüfung, mit der ein berufsqualifizierender Abschluss erworben wird, den Mastergrad. Nach § 9 Abs. 8 Satz 2 Nr. 2 HSG LSA beträgt die dafür nötige Regelstudiendauer ein bis zwei Jahre, die das absolvierte Masterstudium nach § 2 Abs. 3 der Studienordnung mit der Mindestdauer von einem Jahr (zwei Semester, vgl. § 10 Satz 1 HSG LSA) auch erfüllte.

10Das Beschwerdegericht hat vorliegend verkannt, dass es auf eine darüberhinausgehende Dauer der Hochschulausbildung nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG aF nicht ankommt. Die von ihm aufgeworfene (und verneinte) Frage der Vergleichbarkeit des Studiengangs „Medizin-Ethik-Recht“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit einer Hochschulausbildung stellt sich nicht, weil es sich bei dem dort von der Betreuerin erworbenen Abschluss um einen Hochschulabschluss handelt.

11c) Weil die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat abschließend entscheiden, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG. Die Vergütung ist demnach wie beantragt festzusetzen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230823BXIIZB470.21.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-49009