BGH Beschluss v. - 3 StR 210/23

Betäubungsmitteldelikt Anforderungen an eine mittäterschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln

Gesetze: § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 26 StGB

Instanzenzug: LG Kleve Az: 131 KLs 1/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubter“ Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Beschwerdeführer mit der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruhen - wie von dem Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt - auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Auf ihrer Basis gebietet die durch die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils eine Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsmangel auf.

3a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen beauftragte der Angeklagte einen gesondert Verfolgten - wie bereits zuvor in sieben, nicht anklagegenständlichen Fällen - am mit der Durchführung des Transports von Betäubungsmitteln aus den Niederlanden nach Deutschland. Der erteilte Auftrag via WhatsApp sah eine Transportfahrt nach O.      vor. Nachdem der gesondert Verfolgte an diesem Tag absprachegemäß mit seinem PKW nach V.    gefahren war, erhielt er von zwei unbekannt gebliebenen Personen im Auftrag des Angeklagten eine Reisetasche, in der sich Marihuana, Ecstasy-Tabletten und Kokain, jeweils in nicht geringer Menge, befanden, wobei die Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Weitere Feststellungen zu der Tatbeteiligung des Angeklagten hat die Strafkammer nicht getroffen. Nach dem Grenzübertritt nach Deutschland wurden der gesondert Verfolgte festgenommen und die Betäubungsmittel sichergestellt.

4Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als täterschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge gewertet.

5b) Während die Annahme eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen rechtlichen Bedenken begegnet, hält die Annahme täterschaftlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6Die mittäterschaftliche Einfuhr im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erfordert, dass die Voraussetzungen für täterschaftliches Handeln nach dem allgemeinen Strafrecht vorliegen. Mittäter der Einfuhr kann zwar auch sein, wer das Rauschgift nicht selbst ins Inland verbringt; der Tatbeitrag des Mittäters muss dann aber einen Teil der Tätigkeit aller und dementsprechend das Handeln der anderen eine Ergänzung seines Tatbeitrages darstellen. Von besonderer Bedeutung sind dabei neben dem Grad des eigenen Interesses am Taterfolg der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt für die anzustellende wertende Gesamtbetrachtung ist hierbei der Einfuhrvorgang selbst (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 45/22, NStZ 2023, 51 Rn. 7; vom - 4 StR 191/18, NStZ 2019, 96 Rn. 3 ff.; vom - 1 StR 316/18, NStZ 2019, 416 Rn. 4; jeweils mwN). Das bloße Veranlassen einer Beschaffungsfahrt ohne Einfluss auf deren Durchführung genügt dagegen nicht (, StV 2012, 410 Rn. 5 mwN).

7Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten in Bezug auf die Einfuhrtat durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat über die Beauftragung des gesondert Verfolgten für die Transportfahrt hinausgehende Feststellungen nicht getroffen. Eine weitergehende Einflussnahme des Angeklagten auf die Vorbereitung der Tat, beispielsweise durch entsprechende Unterweisung des Kuriers, ist ebenso wenig festgestellt wie solche die Durchführung der Einfuhrfahrt betreffende Handlungen des Angeklagten, etwa in Form einer durch ihn veranlassten oder selbst vorgenommenen Überwachung. Zu der Eingabe der Lieferadressen in das Navigationsgerät des Kurierfahrers verhalten sich die Urteilsgründe lediglich hinsichtlich der festgestellten vorherigen Transportfahrten, nicht jedoch in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Tat vom . Damit fehlt es an hinreichenden, über das Tatinteresse des Angeklagten und die Veranlassung der Transportfahrt hinausgehenden, seine Tatherrschaft oder jedenfalls seinen darauf gerichteten Willen belegenden Umständen.

8c) Die Feststellungen zu der Tathandlung des Angeklagten belegen jedoch eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 26 StGB. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO demgemäß. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

9Zugleich kann die Bezeichnung der Einfuhr und des Handeltreibens als „unerlaubt“ entfallen, weil Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (vgl. hierzu , NStZ-RR 2023, 78, 79 mwN).

102. Die verhängte Freiheitsstrafe wird von der Schuldspruchänderung nicht berührt. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn sie der Strafzumessungsentscheidung die zutreffende rechtliche Beurteilung zu Grunde gelegt hätte. Die rechtlich abweichende Beurteilung lässt den anzuwendenden Strafrahmen unberührt; zudem ergibt sich hieraus mit Blick auf die Stellung des Angeklagten als Initiator der gegenständlichen Tat auch kein veränderter Unrechtsgehalt derselben. Vielmehr lassen sich alle von der Strafkammer konkret angestellten Strafzumessungserwägungen mit der rechtlichen Einordnung als Anstiftung in Einklang bringen.

11Auch im Übrigen weist die Strafzumessung aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift dargelegten Erwägungen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

123. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit dessen gesamten Kosten zu belasten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080823B3STR210.23.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-48497