BGH Beschluss v. - 3 StR 258/23

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 4 KLs 90/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Es hat ferner mehrere Gegenstände eingezogen und von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

32. Die Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält sachlichrechtlicher Prüfung hingegen nicht stand. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift Folgendes ausgeführt:

„Das Landgericht hat [die] Unterbringung mit der Begründung verneint, dass von dem Angeklagten zwar weiterhin rechtswidrige Taten zu erwarten seien, diese allerdings nicht die erforderliche Erheblichkeitsschwelle überschreiten würden. Hierbei ging es indes bereits von einem falschen Maßstab aus. Denn zum einen hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte ohne Behandlung seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum weiterhin stetig fortsetzen und somit zur Befriedigung seines eigenen Bedarfs Straftaten im Betäubungsmittelbereich begehen wird, wobei auch Besitzmengen über dem Grenzwert (zur nicht geringen Menge) möglich sind. Demnach ist vom Angeklagten auch in Zukunft immerhin die Begehung weiterer Verbrechen zu erwarten. Zum anderen hat das Landgericht bei der gebotenen Gesamtabwägung mehrere wesentliche Gesichtspunkte überhaupt nicht berücksichtigt. So hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte seit geraumer Zeit arbeitslos ist (UA Bl. 3) und insbesondere selbst nach Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe bis kurz vor der Hauptverhandlung sofort seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum fortsetzte, in den Tag hineinlebte und keinerlei Motivation zeigte, an seiner Alltagsgestaltung etwas zu ändern (UA Bl. 21). Die berufliche Perspektivlosigkeit und das Fehlen stabiler sozialer Bindungen führten so weit, dass das Landgericht nachvollziehbar keine positive Prognose mehr erkennen konnte. Außerdem war der Angeklagte bei Tatbegehung immerhin noch berufstätig (UA Bl. 3) und damit in der Lage, sich seinen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren. Nachdem die finanzielle Situation des Angeklagten mittlerweile derart angespannt ist, dass er nicht mehr in der Lage war, seine letzte Geldstrafe auch nur in Raten zu bezahlen, ist nunmehr auch Beschaffungskriminalität nicht fernliegend (vgl. ). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist nicht auszuschließen, dass eine andere Gefahrprognose zu stellen sein wird.

Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss daher - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. Senat, Beschluss vom - 3 StR 406/19 m.w.N.); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.“

4Dem tritt der Senat bei.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:220823B3STR258.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-48394