Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht: Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose bei besonderer Schwere der Anlasstat
Gesetze: § 7 Abs 2 S 1 Nr 1 JGG, § 7 Abs 2 S 1 Nr 2 JGG, § 177 Abs 1 StGB, § 177 Abs 5 Nr 1 StGB, § 177 Abs 6 S 2 Nr 1 StGB, § 178 StGB, § 211 Abs 2 StGB
Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 7 Ks 5620 Js 9686/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten ‒ unter Freisprechung im Übrigen ‒ wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Von der Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung hat es abgesehen.
2Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision gegen den Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zum Nachteil von F. und beanstandet die unterbliebene Maßregelanordnung. Mit seiner umfassend erhobenen und auf die unausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen das Urteil, soweit er verurteilt worden ist. Weiterhin beanstandet der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde den Kostenausspruch, soweit ihm im Umfang seiner Verurteilung die den Nebenklägerinnen und Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt worden sind.
3Die vom Generalbundesanwalt im Hinblick auf die unterbliebene Maßregelanordnung vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Einziehungsentscheidung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Die sofortige Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung des Urteils erweist sich als unbegründet.
A.
I.
4Das Landgericht hat zu den Taten II. 1. bis 3. und 5. der Urteilsgründe im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
51. Ende des Jahres 2018 nahm die 13-jährige Ro. über ihr Mobiltelefon Kontakt zu dem 16 Jahre alten Angeklagten auf. Nach dem Austausch einer Vielzahl von Kurznachrichten und einem ersten Treffen Anfang des Jahres 2019 beteuerte der Angeklagte am , dass er sie liebe, und fragte sie, ob sie seine Freundin sein wolle, was diese bejahte. Bei einem weiteren Treffen im Haus seiner Familie etwa eine Woche später vollzog der Angeklagte in Kenntnis ihres Alters und ihrer sexuellen Unerfahrenheit den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mit Ro. , die hierdurch erhebliche Schmerzen verspürte und weinte (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Anfang Februar 2019 kam es anlässlich eines neuerlichen Besuchs der Nebenklägerin bei dem Angeklagten zu einem weiteren Beischlaf zwischen beiden (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
6In beiden Fällen war nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass Ro. ihren den sexuellen Handlungen möglicherweise entgegenstehenden Willen dem Angeklagten gegenüber hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte. Zu Gunsten des Angeklagten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass Ro. zwar „anfänglich widerstrebte und Einwände erhob“, aber auf die „insistierende[n] Bitten“ des Angeklagten „nachgab und dem Geschlechtsverkehr zustimmte“.
72. Spätestens Anfang November 2019 tauschte der Angeklagte mit der Nebenklägerin W. zahlreiche Kurznachrichten aus und traf sich schließlich persönlich mit ihr. Bei einem weiteren Treffen am vollzog der Angeklagte mit der – wie er wusste – damals 13-jährigen W. den vaginalen Geschlechtsverkehr. Die Nebenklägerin wünschte die sexuellen Handlungen zwar „wahrscheinlich nicht wirklich“, ließ den Angeklagten aber zumindest gewähren, so dass dieser den „Vorbehalt“ der Nebenklägerin jedenfalls nicht erkannte (Fall II. 3. der Urteilsgründe).
83. Der Angeklagte und die später Getötete Z. Z. begannen am über den Messengerdienst WhatsApp Nachrichten auszutauschen. In den folgenden Wochen entwickelte sich zwischen ihnen ein reger Austausch, wobei auch über eine mögliche Beziehung gesprochen wurde; die 17-jährige Z. Z. befürchtete, der Angeklagte hege ein rein sexuelles Interesse an ihr, was dieser bestritt. Schließlich verabredeten sie ein erstes persönliches Treffen am Nachmittag des am Hauptbahnhof in Fr. .
9Nach ihrer Begegnung dort begaben sie sich gemeinsam zum Haus der Familie des Angeklagten nach L. . Wenig später brachen sie zu einem Spaziergang in Richtung des nahe gelegenen Wi. auf. Als sie gegen 17.45 Uhr ein am Nordufer des Sees gelegenes Gebüsch erreichten, gab der Angeklagte Z. Z. unmissverständlich zu verstehen, dass er nunmehr Geschlechtsverkehr mit ihr haben wolle, was diese ablehnte. Spätestens in diesem Moment fasste der Angeklagte den Entschluss, auch gegen ihren Willen sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen und den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr zu vollziehen. Er überwältigte Z. Z. und brachte sie zu Boden. Um ihre Gegenwehr zu unterbinden und zu verhindern, dass sie Passanten auf sich aufmerksam machen konnte, begann er, sie mit mindestens einer Hand unter erheblicher Kraftentfaltung zu würgen; zugleich empfand er dies als sexuell erregend. Währenddessen vollzog der Angeklagten den vaginalen Geschlechtsverkehr mit dem Opfer, dem er aufgrund seiner groben Vorgehensweise erhebliche Verletzungen im Vaginalbereich zufügte. Dabei setzte der Angeklagte den Würgevorgang und den Geschlechtsverkehr auch dann noch fort, nachdem das Opfer nach mindestens einer knappen Minute das Bewusstsein verloren und seine Gegenwehr aufgegeben hatte. Er würgte die Geschädigte mehrere Minuten lang weiter, bis sie aufgrund fehlender Sauerstoffversorgung eine so schwere Hirnschädigung erlitt, dass ihr Würgereflex ausgeschaltet wurde. Als sich Z. Z. – als unmittelbare Reaktion auf die Todesnähe infolge Sauerstoffmangels – übergeben musste, verblieb das Erbrochene in ihrer Luftröhre und verlegte diese. Zu einem nicht exakt bestimmbaren Zeitpunkt ließ der Angeklagte den Hals der Geschädigten los und beendete seine sexuellen Handlungen. Z. Z. verstarb schließlich, wobei die Strafkammer nicht sicher festzustellen vermochte, ob der Hirntod bereits im Verlaufe des Würgevorgangs oder erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund eines sauerstoffmangelbedingten Hirnschadens eintrat. Dem Angeklagten war die „Gefährlichkeit seines Handelns bewusst“ und er nahm zumindest billigend in Kauf, dass Z. Z. infolge des anhaltenden Würgens und der damit einhergehenden Sauerstoffunterversorgung versterben könnte (Fall II. 5. der Urteilsgründe).
10Im Anschluss an die Tathandlungen fertigte der Angeklagte ‒ rittlings auf dem Bauch des reglosen Tatopfers sitzend ‒ mit seinem Mobiltelefon zwei Fotos des entblößten Oberkörpers an. Spätestens jetzt bemerkte er, dass die Geschädigte entweder bereits verstorben oder dem Tode nahe war. Er verblieb zunächst in der Nähe des Tatopfers und führte ein kurzes Telefonat mit seiner Mutter, der er wahrheitswidrig erklärte, mit Freunden unterwegs zu sein. Wenige Minuten später bedeckte er den Bauch des Tatopfers mit der Oberbekleidung und fertigte mit seinem Mobiltelefon ein Foto ihres entblößten Genitalbereichs an. Schließlich verbrachte er den Körper der Verstorbenen tiefer in ein Gebüsch, um den Leichnam zu verbergen. Als ein Spaziergänger vorbeikam, ergriff der Angeklagte die Flucht und lief davon.
114. Die Strafkammer hat die Taten II. 1., 2. und 3. der Urteilsgründe jeweils als sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der bis zum geltenden Fassung und die Tat II. 5. der Urteilsgründe als Mord (zur Befriedigung des Geschlechtstriebs) in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge gemäß § 211 Abs. 2, § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, § 178 StGB gewürdigt. Sachverständig beraten ist sie zu der Überzeugung gelangt, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten weder aufgehoben noch erheblich vermindert war. Die Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 JGG hat sie mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche Wahrscheinlichkeit, der strafrechtlich nicht vorgeahndete Angeklagte werde auch künftig Taten im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JGG begehen, nicht festzustellen sei.
II.
12Von dem Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin F. hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
131. Insoweit hat es im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
14Kurz vor dem nahm der Angeklagte über Instagram Kontakt zu F. auf, unterbreitete ihr ein Freundschaftsangebot und erklärte ihr, dass er mit ihr Geschlechtsverkehr haben wolle. F. stimmte dem zu. Beide trafen sich am um 8.00 Uhr in L. und begaben sich zum Angeklagten nach Hause, wo sich zu dieser Zeit niemand aufhielt. Nach einem kurzen Gespräch ließen sie sich im Wohnzimmer auf einem Sofa nieder. Dort vollzog der Angeklagte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin, die zu einem unbekannten Zeitpunkt ‒ noch vor oder während der sexuellen Handlungen ‒ ihre Meinung geändert hatte und mit ihnen nicht einverstanden war. Ihren entgegenstehenden Willen brachte sie dem Angeklagten gegenüber jedoch „nicht ausschließbarerweise ‒ da sie infolge ihres atypischen Autismus Schwierigkeiten hatte, mit anderen klar zu kommunizieren und insbesondere ‚nein’ zu sagen ‒ nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, leistete keine (nachweisbare) Gegenwehr und verzichtete auf Schreie, obwohl diese durchaus erfolgversprechend gewesen wären […]“. „Gegebenenfalls“ erklärte die Zeugin „sogar ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs (ˌja okay, mach’s einfach halt‘)“. Feststellungen zum genauen Ablauf des Geschehens konnten nicht getroffen werden.
152. Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte, der zu diesem wie zu sämtlichen weiteren verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfen geschwiegen hatte, den entgegenstehenden Willen der Geschädigten erkannt hat. Zu Gunsten des Angeklagten ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte annahm, die Geschädigte sei mit der Durchführung des vaginalen Geschlechtsverkehrs einverstanden. Mit Blick auf Aggravationstendenzen der Nebenklägerin sei auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der Angeklagte sie am Hals angefasst oder sie gar so stark gewürgt habe, dass ihre Atmung eingeschränkt gewesen sei.
B.
Die Rechtsmittel des Angeklagten
I.
16Die Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat insoweit keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
17Jedoch kann die Einziehungsentscheidung nicht bestehen bleiben. Nach den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen liegt fern, dass es sich bei dem Mobiltelefon um ein Tatmittel, also um einen Gegenstand handelt, der zur Begehung oder zur Vorbereitung der Tat gebraucht oder bestimmt gewesen ist (vgl. ‒ 5 StR 393/22, NStZ-RR 2023, 79, 80; Beschluss vom ‒ 1 StR 264/18 Rn. 4; Beschluss vom ‒ 2 StR 362/04 Rn. 3; vgl. auch ‒ 4 StR 406/56, BGHSt 10, 28, 29).
II.
18Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die in dem angegriffenen Urteil getroffene Auslagenentscheidung ist zulässig, aber unbegründet.
19Die notwendigen Auslagen der Nebenklage (§ 472 Abs. 1 StPO, § 74 JGG) können auch einem verurteilten Jugendlichen aus erzieherischen Gründen auferlegt werden. Dies gilt auch und gerade für das abgeurteilte Tötungsdelikt; durch die Auferlegung der Auslagen der Nebenkläger lässt sich ihm vor Augen führen, dass durch seine Tat auch Angehörige betroffen sind. Zudem kann hierdurch eine Abschwächung der Verurteilung vermieden werden, die in einer umfassenden Kostenfreistellung gesehen werden könnte (vgl. ‒ 4 StR 314/18 Rn. 5; Urteil vom ‒ 3 StR 117/12 Rn. 52). Das Landgericht hat die nach § 74 JGG erforderliche Ermessensentscheidung unter Hinweis auf den Erziehungsgedanken noch tragfähig begründet.
C.
Die Revision der Staatsanwaltschaft
I.
20Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft ist ausdrücklich auf den Teilfreispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil von F. sowie auf die unterbliebene Maßregelanordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Beschränkung der Revision in diesem Umfang ist wirksam; die teilweise Anfechtung des Schuldspruchs erfasst jedoch den gesamten Rechtsfolgenausspruch.
211. Der Teilfreispruch und die unterbliebene Maßregelanordnung können nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden, ohne eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die infolge der Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamt-entscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. ‒ 4 StR 211/22 Rn. 13; Urteil vom ‒ 4 StR 537/19 Rn. 6).
22Der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung auf den Teilfreispruch steht nicht entgegen, dass das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung von „Verbindungen zwischen den Anklagefällen 1, 2 und 4“ ausgegangen ist. Die angestellten Beweiserwägungen im Fall II. 4. der Urteilsgründe belegen vielmehr, dass das Landgericht insoweit einen Konnex zwischen dem die Geschädigte F. betreffenden Geschehen und den beiden zum Nachteil von Ro. begangenen Sexualdelikten nicht hergestellt hat, der einer getrennten Beurteilung des Teilfreispruchs entgegenstehen würde.
232. Die Teilanfechtung des Schuldspruchs erfasst aber den gesamten Straf- und Maßregelausspruch. Dies gilt jedenfalls, wenn ‒ wie hier ‒ eine Einheitsjugendstrafe verhängt worden ist (vgl. ‒ 4 StR 502/99, NStZ 2000, 483; vgl. auch ‒ 5 StR 803/52, GA 1953, 83, 84).
24Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass (auch) eine isolierte Anfechtung der Nichtanordnung der Maßregel wirksam gewesen wäre, weil die Urteilsgründe weder einen inneren Zusammenhang zwischen der verhängten Einheitsjugendstrafe von zehn Jahren und der Nichtanordnung der Maßregel vorbehaltener Sicherungsverwahrung (vgl. etwa ‒ 3 StR 327/20 Rn. 11; Urteil vom ‒ 5 StR 616/19 Rn. 24; Urteil vom ‒ 4 StR 643/17, NStZ-RR 2018, 305, 306) herstellen noch aus § 5 Abs. 3 JGG, der nur die Maßregelanordnung nach § 63 und § 64 StGB erfasst, ein normativer Zusammenhang zwischen Strafausspruch und unterbliebener Maßregelanordnung abzuleiten ist (vgl. ‒ 4 StR 314/18 Rn. 2 mwN).
II.
25Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs und entzieht auch der unterbliebenen Maßregelanordnung die Grundlage.
261. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht den Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre oder sogar nähergelegen hätte (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 603/19 Rn. 6; Urteil vom ‒ 3 StR 302/21 Rn. 35; Urteil vom ‒ 3 StR 183/20 Rn. 14).
27In Fällen, in denen ‒ wie hier hinsichtlich der Frage der Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen ‒ „Aussage gegen Aussage“ steht, sind besondere Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung in den schriftlichen Urteilsgründen zu stellen. In dieser besonders schwierigen Beweiskonstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind. Erforderlich ist insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben des Belastungszeugen, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Angaben, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 62/22 Rn. 7 mwN).
28Hieran gemessen halten die tatgerichtlichen Beweiserwägungen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
29a) Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, welchen objektiven Geschehensablauf das Landgericht seiner Vorsatzprüfung zugrunde gelegt hat. Ohne Kenntnis des von der Strafkammer zugrunde gelegten Gesamtgeschehensablaufs (vgl. ‒ 2 StR 292/21, NStZ-RR 2022, 211) ist die Wertung der Strafkammer, in dubio pro reo sei davon auszugehen, dass der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht habe erkennen können, nicht nachvollziehbar.
30aa) Das Landgericht ist ‒ rechtlich tragfähig ‒ zu der Überzeugung gelangt, dass F. mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs „innerlich nicht einverstanden“ war. Die weitere Feststellung, die Nebenklägerin habe ihren entgegenstehenden Willen „dem Angeklagten gegenüber nicht ausschließbarer Weise […] nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck“ gebracht, lässt nicht zweifelsfrei erkennen, ob das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass aus der allein maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten der entgegenstehende Wille der Nebenklägerin zum Tatzeitpunkt erkennbar gewesen ist (vgl. ‒ 2 StR 292/21, NStZ-RR 2022, 211, 222). Darüber hinaus hat das Landgericht alternativ (vgl. UA 30: „gegebenenfalls“) die Möglichkeit in den Raum gestellt, die Geschädigte habe im Rahmen des Tatgeschehens ihr Einverständnis mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs erklärt. Bei dieser Sachlage bleibt offen, von welchem objektiven Geschehensablauf das Landgericht ausgegangen ist und ob es bereits das Vorliegen des objektiven Tatbestands oder ‒ wofür der Hinweis sprechen könnte, der Angeklagte habe irrig angenommen, dass F. mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs einverstanden sei ‒ die subjektive Tatseite verneint hat.
31bb) Zwar hat das Landgericht ausgeführt, dass Feststellungen zum „genaue[n] Ablauf des Beischlafs“ nicht hätten getroffen werden können; den Urteilsgründen kann aber auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnommen werden, aus welchen Gründen sich das Landgericht an weiter gehenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen gehindert sah. Das Landgericht ist den Angaben der Geschädigten ersichtlich überwiegend gefolgt und hat auf dieser Grundlage angenommen, dass der Angeklagte einigen der von ihr geäußerten Bitten (ihren Oberkörper nicht zu entkleiden ‒ zur Entfernung ihres Tampons zur Toilette gehen zu dürfen ‒ den Beischlaf zunächst vorsichtig zu vollziehen) entsprochen habe. Losgelöst von der an diese Feststellungen anknüpfenden, rechtlich für sich genommenen bedenklichen Erwägung, dass diese von der Nebenklägerin beschriebenen Verhaltensweisen „in keiner Weise dem typischen Gebaren eines Vergewaltigers oder Missbrauchstäters“ entsprechen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen es sich an weiteren Feststellungen gehindert sah. Darüber hinaus hätte der Erörterung bedurft, ob diese Angaben der Zeugin, die für eine differenzierte Schilderung des Verhaltens des Angeklagten sprechen und auf einen Verzicht auf eine Mehrbelastung hindeuten bzw. als deutlicher Hinweis auf einen fehlenden Belastungseifer verstanden werden können, nicht für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Übrigen sprechen konnten. Hieran fehlt es.
32b) Darüber hinaus weisen die Beweiserwägungen durchgreifende Lücken auf.
33aa) Es fehlt bereits an einer geschlossenen und wertfreien Darstellung der Angaben der Zeugin F. in der Hauptverhandlung. Die Wiedergabe ihrer Aussage ist auf den pauschalen Hinweis beschränkt, dass sie das Geschehen zwar „seinen groben Zügen nach übereinstimmend“ mit früheren Aussagen wiedergegeben habe, sich an andere Details aber nicht zu erinnern vermochte und wieder andere Begebenheiten „in deutlich abweichender Weise beschrieben“ habe. Die nachfolgende fragmentarische Wiedergabe einzelner Aussageteile ist mit wertenden Elementen durchsetzt. Bei dieser Sachlage kann der Senat die Wertung der Jugendkammer nicht nachvollziehen, die Konstanzanalyse biete „deutliche Anhaltspunkte für eine bewusste Verfälschung von Aussageinhalten“ und zeige Divergenzen und Gedächtnislücken hinsichtlich der Frage auf, ob die Zeugin „ursprünglich ihre Zustimmung zum Geschlechtsverkehr erklärte, ob und ggf. wann sie diese widerrief und ob sie sie schließlich während des Vorfalls erneut erteilte“.
34bb) Zwar geben die Urteilsgründe die zwischen der Nebenklägerin und der Geschädigten Ro. am zeitnah nach der Tat ausgetauschten Chat- und Sprachnachrichten wieder, denen die Strafkammer maßgebliche Beweisbedeutung für die Frage der Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen beigemessen hat. Den Urteilsgründen kann aber nicht entnommen werden, aus welchen Gründen das Landgericht ihren damaligen Angaben, dem sie verbal und körperlich bedrängenden Angeklagten gegenüber erklärt zu haben, dass sie „nicht wolle“, jede Beweisbedeutung abgesprochen hat. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang auf das bestehende Störungsbild eines atypischen Autismus hingewiesen und daraus gefolgert hat, die Zeugin sei nicht in der Lage gewesen, sich klar und unmissverständlich zu äußern, fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage, so dass sich die hieraus gezogenen tatgerichtlichen Schlussfolgerungen als bloße Spekulation erweisen.
35cc) Schließlich hat das Landgericht die Äußerung der Geschädigten gegenüber dem Angeklagten („Ja, okay, mach’s einfach halt“) ohne Weiteres als ausdrückliche Zustimmung gewertet, ohne den (objektiven) Bedeutungsgehalt der Erklärung unter Berücksichtigung ihres Äußerungskontextes näher zu prüfen. Die Auslegung der (möglicherweise erfolgten) Erklärung der Geschädigten, die dem Tatgericht vorbehalten ist (vgl. ‒ 2 StR 438/16 Rn. 17), versteht sich nicht von selbst und hätte daher einer näheren Begründung bedurft. Insoweit hätte sich das Landgericht insbesondere zu einer Erörterung der Frage gedrängt sehen müssen, ob die Äußerung angesichts des von der Zeugin geschilderten Äußerungskontexts, in dessen Rahmen sie von dem ihr körperlich überlegenen Angeklagten bedrängt worden sein soll und sich vor ihm fürchtete, auch als Ausdruck der Resignation im Hinblick auf einen aussichtslos erscheinenden Widerstand verstanden werden kann.
36dd) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass einzelne der von der Strafkammer angestellten Erwägungen ‒ etwa die Frage, warum die Zeugin sich nicht im Bad eingeschlossen (vgl. UA S. 39), keinen Fluchtversuch unternommen (vgl. UA S. 43) und nicht um Hilfe gerufen (vgl. UA S. 51) habe ‒, mit denen das Landgericht Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben der Geschädigten begründet hat, nicht nachvollziehbar sind und besorgen lassen, dass das Landgericht nicht hinreichend beachtet hat, dass der entgegenstehende Wille nicht ausdrücklich erklärt zu werden braucht, sondern seine konkludente Äußerung genügt (vgl. ‒ 3 StR 372/22, NJW 2023, 701, 702). Weiterhin erscheint fraglich, ob das Landgericht hinreichend beachtet hat, dass der subjektive Tatbestand schon erfüllt ist, wenn der Täter ein Handeln gegen den erkennbaren Willen des Tatopfers für möglich hält und ihm dies gleichgültig ist; ein Handeln „im Wissen“ (vgl. UA S. 50) um das fehlende Einvernehmen ist tatbestandlich nicht vorausgesetzt.
37c) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der Freispruch des Angeklagten auf diesen Beweiswürdigungsmängeln beruht. Dies führt zur Aufhebung des Freispruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Die Aufhebung erfasst auch die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt, die der freigesprochene Angeklagte nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte.
382. Die Aufhebung des Freispruchs zieht die Aufhebung des gesamten Straf- und Maßregelausspruchs nach sich. Die Nichtanordnung der Maßregel hätte auch für sich genommen einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten. Denn die Erwägungen, mit denen das Landgericht bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JGG die Gefährlichkeitsprognose verneint hat, sind nicht tragfähig.
39a) Die für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JGG erforderliche Gefährlichkeit ist nur dann gegeben, wenn eine Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JGG bezeichneten Art begehen wird.
40Der Begriff der „hohen Wahrscheinlichkeit“ setzt voraus, dass ein „hohes Maß an Gewissheit“ (Prognosesicherheit) über die Gefahr besteht, dass der Täter neue Katalogtaten begehen werde (vgl. ‒ 4 StR 280/20, BGHSt 65, 221, 230 f.). Dass lediglich überwiegende Umstände auf eine entsprechende zukünftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten, genügt nicht (vgl. ‒ 2 BvR 749/08, NJW 2009, 980 Rn. 41 [zu § 66b StGB aF]).
41An Inhalt und Qualität der Prognoseentscheidung sind höchste Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, aaO, Rn. 29; BT-Drucks. 16/6562 S. 9 zu § 7 JGG aF). Sie erfordert eine Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten, seiner Taten und seiner weiteren Entwicklung und muss die vorhandenen Prognosemöglichkeiten ausschöpfen. Dabei ist die Beurteilung ‒ nicht anders als bei anderen qualifizierten Gefährlichkeitsprognosen ‒ darauf zu erstrecken, ob und welche Katalogtaten künftig von dem Täter drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welche Rechtsgüter bedroht sind (vgl. BGH, aaO; ‒ 2 BvR 2256/17, NStZ-RR 2019, 272, 273). Zudem muss die spezifische Gefährlichkeit im Hinblick auf die Begehung von den Anlasstaten vergleichbaren schweren Taten in der Persönlichkeit des Täters angelegt sein.
42b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Begründung fehlender Gefährlichkeit und ihre Darstellung in den schriftlichen Urteilsgründen werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Die Erwägungen sind lückenhaft.
43aa) Das Landgericht ist den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt und hat eine Gefährlichkeit des Angeklagten verneint. Dabei hat es versäumt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise mitzuteilen (vgl. ‒ 4 StR 300/20 Rn. 4; Urteil vom ‒ 4 StR 463/16 Rn. 13). Die Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen sind auf die Wiedergabe des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens beschränkt, ohne dass die vom Sachverständigen angeführten maßgeblichen Anknüpfungstatsachen und die hieraus gezogenen Folgerungen wiedergegeben werden.
44bb) Weiterhin stehen die prognostischen Erwägungen hinsichtlich der Persönlichkeitsproblematik des Angeklagten in einem unaufgelösten Widerspruch zu den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen. Danach war bereits die frühkindliche Entwicklung des Angeklagten durch ungewöhnliche Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen gekennzeichnet, die nicht nur einer Regelbeschulung des Angeklagten entgegenstanden, sondern auch dazu führten, dass der Angeklagte in den Einrichtungen, in denen er untergebracht war, als kaum führbar angesehen wurde. In den Monaten vor den verfahrensgegenständlichen Taten kam es nach den Feststellungen mehrfach zu bedrohlichem Auftreten des Angeklagten gegenüber verschiedenen Lehrkräften, sowie einem Übergriff auf einen Mitschüler. Wie das Landgericht vor dem Hintergrund dieser Feststellungen im Rahmen der Maßregelprüfung ‒ dem Sachverständigen folgend ‒ zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Verhaltensauffälligkeiten „in der Kindheit und den seinerzeitigen ‒ teils widersprüchlichen, teils nur bedingt nachvollziehbaren, oftmals sehr subjektiven und nicht mehr zu hinterfragenden ‒ Einschätzungen seiner diversen Behandler […] keine weiterreichende Bedeutung mehr zukomme“, erschließt sich nicht und hätte angesichts der Bedeutung dieses Umstands für die Gefährlichkeitsprognose einer nachvollziehbaren Erläuterung bedurft.
45cc) Schließlich fehlt es an der erforderlichen umfassenden Bewertung der Anlasstat, die von der Jugendkammer zu Recht als besonders schwerwiegend angesehen und nachvollziehbar schon für sich genommen mit der Höchststrafe geahndet worden ist. Angesichts der besonderen Schwere der Anlasstat ‒ der Begehung eines Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebs in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge ‒, der Besonderheiten des Nachtatverhaltens, das auf ein besonderes Maß an fehlender Opferempathie hindeutet, sowie angesichts der im Falle eines Rückfalls bedrohten Rechtsgüter des Lebens und der sexuellen Selbstbestimmung hätte es einer ins Einzelne gehenden Erörterung bedurft, dass und aus welchen Gründen diese Tat als „singuläres Ereignis“ anzusehen ist, in dem nicht diejenigen Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten zum Ausdruck gekommen sind, die seinen bisherigen Lebensweg kennzeichneten. Darüber hinaus hätte der Erörterung und prognostischen Bewertung bedurft, welches Verhalten künftig zu erwarten ist, wenn die sexuellen Wünsche des Angeklagten nicht erfüllt werden, sondern er ‒ wie im Falle der Getöteten Z. Z. ‒ Ablehnung erfährt. Dabei hätte die prognostische Bedeutung der Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten, namentlich die gänzlich fehlende Opferempathie sowie seine mehrfach unter Beweis gestellte Bereitschaft, aggressive Impulse auszuagieren, ausdrücklicher Erörterung bedurft. Schließlich hätte auch das Verhalten des Angeklagten in der Untersuchungshaft umfassend in den Blick genommen werden müssen. Der festgestellte Versuch des Angeklagten, seiner Mutter im Rahmen eines Haftbesuchs heimlich und unter Umgehung der Postkontrolle einen Brief zu übergeben, in welchem er sie bzw. seine Familie um ein Alibi bat, durfte als möglicher Hinweis auf ein nicht nur regelwidriges, sondern manipulatives Verhalten nicht unerörtert bleiben; insoweit handelt es sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte sich schweigend verteidigt hat, nicht um ein zulässiges Verteidigungsverhalten, das einer prognostischen Bewertung aus Rechtsgründen entzogen wäre.
46Die Sache bedarf daher auch insoweit ‒ naheliegend unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen ‒ neuer Verhandlung und Entscheidung.
III.
47Die schriftlichen Urteilsgründe geben Anlass zu folgendem Hinweis:
48Einzelne der im Rahmen der Beweiswürdigung zum Teilfreispruch gewählten Formulierungen lassen besorgen, dass das Landgericht die Bedeutung des Zweifelssatzes nicht hinreichend beachtet hat.
49Der Zweifelssatz ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 1 StR 585/17 Rn. 30; ‒ 2 BvR 553/08 Rn. 15; Beschluss vom ‒ 2 BvR 496/07 Rn. 8). Er findet daher erst Anwendung, wenn das Tatgericht nach umfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände nicht die volle Überzeugung von einer für den Schuld- und Strafausspruch unmittelbar bedeutsamen Tatsache zu gewinnen vermag (vgl. ‒ 5 StR 457/22 Rn. 8; Urteil vom ‒ 5 StR 309/22 Rn. 21; Urteil vom ‒ 1 StR 585/17 Rn. 30). Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden, auch nicht auf entlastende Hilfstatsachen (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 5 StR 309/22 Rn. 21; Urteil vom ‒ 1 StR 311/22 Rn. 14; Urteil vom ‒ 1 StR 423/15 Rn. 8; Urteil vom ‒ 1 StR 549/08 Rn. 26; Urteil vom ‒ 1 StR 292/08 Rn. 24).
50Vor diesem Hintergrund erscheint es rechtlich bedenklich, wenn die Strafkammer bereits im Rahmen der Konstanzanalyse darauf verweist, dass „zumindest […] in dubio pro reo nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen“ sei, dass die Zeugin „tatsächlich kurz vor Beginn des Beischlafs ausdrücklich ihr Einvernehmen mit selbigem kundtat“, oder ohne weitere Beweiserwägungen zugunsten des Angeklagten annimmt, dass es sich bei den nach der Tat sichtbaren Verletzungen an ihrem Hals nicht um Würgemale, sondern um „Knutschflecken“ gehandelt habe.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:200723U4STR32.23.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-48243