Arbeitszeugnis - Maßregelungsverbot
Gesetze: § 241 Abs 2 BGB, § 109 Abs 1 S 3 GewO, § 612a BGB, Art 5 Abs 1 GG
Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 4 Ca 376/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 10 Sa 1217/21 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt von der Beklagten, das ihr erteilte Arbeitszeugnis abzuändern.
2Die Beklagte beschäftigte die Klägerin vom bis zum zunächst als „Persönliche Assistentin der Geschäftsführung“ und zuletzt als „Managerin of Administration and Central Services“. Im März 2021 erteilte sie der Klägerin ein Arbeitszeugnis mit Datum vom („erstes Arbeitszeugnis“). Der letzte Absatz des Zeugnisses lautet:
3Unter dem forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Arbeitszeugnis zu korrigieren und dabei ihr Arbeits- und Sozialverhalten besser zu bewerten. Das daraufhin geänderte Arbeitszeugnis („zweites Arbeitszeugnis“) enthält den folgenden Satz:
4Mit Schreiben vom beanstandete die Klägerin diese Passage mit der Begründung, die positive Aussage werde durch die Verwendung des Wortes „insgesamt“ unzulässig eingeschränkt. Darüber hinaus verlangte sie unter Fristsetzung weitere Korrekturen. Die Beklagte änderte das Arbeitszeugnis ein zweites Mal („drittes Arbeitszeugnis“), das danach wie folgt endet:
5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel enthalte. Mit der Erteilung des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses habe sich die Beklagte diesbezüglich gebunden. Mit ihrer Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis entsprechend zu korrigieren, verstoße sie gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.
6Die Klägerin hat beantragt,
7Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, das Maßregelungsverbot binde den Arbeitgeber lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis, gelte aber nicht für Sachverhalte nach dessen Beendigung. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel gehabt, weil darin lediglich subjektive Empfindungen zum Ausdruck kämen. Daher könne sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlangen. Im Übrigen schließe der Grundsatz der Zeugniswahrheit die Aufnahme derartiger Schlusssätze aus, wenn sich das subjektive Empfinden des Arbeitgebers nach der Erteilung eines Arbeitszeugnisses geändert habe.
8Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.
Gründe
9Der Senat hatte über die Revision der in der Revisionsverhandlung säumigen Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist gemäß § 612a BGB verpflichtet, der Klägerin das Arbeitszeugnis unter Einschluss der begehrten Schlusssätze zu erteilen. Mit ihrer Weigerung, das Zeugnis mit einer sog. Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel zu versehen, verstößt sie gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.
10I. Der Senat hatte durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
111. Eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) kam nicht in Betracht. Dem stehen § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, da in der Revisionsinstanz bisher keine zweiseitige mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. - Rn. 10, BAGE 123, 301).
122. Das Versäumnisurteil beruht nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer sachlichen Prüfung der Klage. Das Urteil wäre inhaltlich ebenso ergangen, wenn die Beklagte nicht säumig gewesen wäre, sondern eine zweiseitige streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Ein Versäumnisurteil setzt begrifflich zwar voraus, dass es gegen die säumige Partei ergeht, aber nicht auch, dass es inhaltlich auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. - Rn. 15).
13II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten ein Arbeitszeugnis mit den von ihr begehrten Schlusssätzen verlangen kann: „Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ Diese Sätze schließen das erste und das von der Beklagten geänderte zweite Arbeitszeugnis ab. Mit der Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis mit einer entsprechenden Formel zu versehen, verstößt die Beklagte gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB).
141. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass ein Arbeitnehmer aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO, der den Arbeitgeber zu einer Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers verpflichtet, keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten kann. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen es nicht, die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO über ihren Wortlaut hinaus auszulegen (vgl. im Einzelnen - Rn. 12 ff.).
152. Auch das in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer über den von ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO geschuldeten Zeugnisinhalt hinaus Dank zu bezeugen und Wünsche für dessen berufliche Zukunft zu formulieren. Die Regelungen zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO sind abschließend ( - Rn. 21 ff.).
163. Die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, es sei der Beklagten verwehrt, in dem dritten Arbeitszeugnis von den Schlusssätzen des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses abzuweichen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Verpflichtung zur Änderung des Zeugnisses vorliegend aus dem Verbot der Maßregelung (§ 612a BGB) folgt.
17a) Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot schützt die Willensfreiheit des Arbeitnehmers (vgl. - zu III 2 b der Gründe, BAGE 61, 151). Dieser soll ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber entscheiden dürfen, ob er die zustehenden Rechte in Anspruch nimmt oder davon absieht. Hat der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot verletzt, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Dabei hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er ohne die Maßregelung stände (vgl. - Rn. 40).
18b) Die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers ist zwar bei der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, gibt ihm aber nicht das Recht, die berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen, das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. Die Norm des § 612a BGB regelt einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (vgl. - Rn. 14). Weder die Rechtsordnung im Allgemeinen noch die auf Seiten des Arbeitgebers zu berücksichtigenden Grundrechte der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützen sittenwidriges Verhalten im Rechtsverkehr.
19aa) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Grundrechte gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet. Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften ( - Rn. 13).
20bb) Bei der Beurteilung, ob der Arbeitgeber durch ein vorheriges Verhalten derart gebunden ist, dass er die Formulierung einer gegebenenfalls auf die Gesamtnote abgestimmten Schlussformel schuldet, sind auf Seiten des Arbeitsgebers die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit und auf Seiten des Arbeitnehmers dessen Berufsausübungsfreit (Art. 12 Abs. 1 GG) und - gegebenenfalls - das aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen.
21cc) Das Interesse des Arbeitnehmers, ohne Angst vor einer Maßregelung seitens des Arbeitgebers die ihm zustehenden Rechte dem Arbeitgeber gegenüber in zulässiger Weise geltend zu machen, ist unter dem Gesichtspunkt des Maßregelungsverbots grundsätzlich höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitgebers, den von ihm zuvor selbst gestalteten Zeugnisinhalt in Reaktion auf ein rechtmäßiges Verhalten des Arbeitnehmers grundlos nachträglich zu ändern. Ein Festhalten an dem von ihm selbst erstellten Zeugnis ist einem Arbeitgeber nur dann nicht zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abweichen als angemessen erscheinen lassen. Dies gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen er mit dem zu beurteilenden Arbeitnehmer eng zusammengearbeitet hat.
22c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anwendungsbereich des Maßregelungsverbots nicht auf das laufende Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern auch nach dessen Beendigung eröffnet, insbesondere im Bereich des Zeugnisrechts. Ähnlich wie das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB (vgl. dazu - Rn. 23), kann auch die Bestimmung des § 612a BGB nachvertragliche Wirkungen zeitigen. So hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, das Maßregelungsverbot hindere den Arbeitgeber daran, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Arbeitszeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern (vgl. - zu I 3 der Gründe, BAGE 115, 130; siehe ferner - zu II 3 c der Gründe, BAGE 114, 320).
23d) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612a BGB liegen im Streitfall vor. Die Beklagte hat die Klägerin, die ihren Anspruch auf Berichtigung der ihr erteilten Arbeitszeugnisse in zulässiger Weise verfolgt hat, gemaßregelt, indem sie darauf verzichtet hat, in das dritte Arbeitszeugnis die zuvor verwendete Dankes- und Wunschformel aufzunehmen.
24aa) Die Klägerin hat mit dem an die Beklagte herangetragenen Wunsch, das zweite Arbeitszeugnis zu korrigieren, in zulässiger Weise von ihrem Recht auf Zeugniserteilung Gebrauch gemacht.
25(1) Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis iSd. § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen (vgl. - Rn. 14, BAGE 174, 372).
26(2) In dem zweiten Arbeitszeugnis beschrieb die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit dem Satz: „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität …“. Diese Beschreibung bleibt hinter der letztlich von der Beklagten erteilten Schlussbewertung („Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt …“) zurück. Aus der Verwendung des Adverbs „insgesamt“ muss der verständige Leser des Zeugnisses schließen, dass die Klägerin ihre Aufgaben nicht durchgehend „zur vollsten Zufriedenheit“ der Beklagten versah.
27bb) Mit der Änderung der Schlussformel in dem dritten Arbeitszeugnis hat die Beklagte der Klägerin einen Nachteil zugefügt. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
28(1) § 612a BGB schützt den Arbeitnehmer gegen eine Benachteiligung seitens des Arbeitgebers. Eine Benachteiligung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, sich also seine Situation nach der Vereinbarung oder Maßnahme durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Situation, wie sie zuvor bestand, verschlechtert hat (vgl. BeckOK ArbR/Joussen Stand BGB § 612a Rn. 8). Der Nachteil, der rechtlicher oder faktischer Natur sein kann, ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen; das rein subjektive Empfinden des Arbeitnehmers, einen Nachteil zu erleiden, reicht nicht aus. Dabei schützt § 612a BGB den Arbeitnehmer nicht nur vor dem Entzug eines Vorteils, auf den er einen Anspruch hat. Der Normzweck der Vorschrift, die Willensfreiheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung der ihm zustehenden Rechte gegenüber dem Arbeitgeber zu schützen, kommt auch im Bereich freiwilliger Leistungen zum Tragen (vgl. - zu B I 1 d bb (1) der Gründe, BAGE 103, 265; - 10 AZR 340/01 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 101, 312; - 1 AZR 87/92 - zu II 2 und 3 der Gründe). Diesen freiwilligen Leistungen ist die Erteilung eines Arbeitszeugnisses, das eine Dankes- und Wunschformel enthält, gleichzustellen.
29(2) Indem die Beklagte die Schlusssätze: „Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“, die sie sowohl dem ersten als auch dem zweiten Arbeitszeugnis beifügte, im dritten Arbeitszeugnis wegließ, erlitt die Klägerin einen faktischen Nachteil iSd. § 612a BGB. Ihre Situation hat sich unabhängig davon objektiv verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf ein Zeugnis mit einer Dankes- und Wunschformel hatte. Denn Schlusssätze, mit denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für seine Mitarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht, sind geeignet, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen (vgl. - Rn. 17). Ein Zeugnis wird durch solche Schlusssätze aufgewertet (vgl. - Rn. 12, BAGE 144, 103).
30cc) Ohne Rechtsfehler ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Änderungswunsch der Klägerin und das Weglassen der Schlusssätze seien ursächlich miteinander verknüpft.
31(1) Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setzt voraus, dass die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund (vgl. - Rn. 42, BAGE 160, 296), dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist (vgl. - Rn. 15). Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (vgl. - Rn. 26). Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen (vgl. - Rn. 28).
32(2) Der klagende Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären ( - Rn. 28).
33(3) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihres wiederholten Wunsches, die von ihr zuvor erteilten Arbeitszeugnisse zu ändern, sanktioniert, ist vom Senat nur eingeschränkt zu überprüfen. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts, die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers sei für die benachteiligende Maßnahme des Arbeitgebers kausal, kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. - Rn. 42, BAGE 160, 296).
34(4) Danach revisible Rechtsfehler werden von der Beklagten nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe ihre zweimaligen Beanstandungen zum Anlass genommen, die ursprünglich beigefügte Schlussformel im dritten Arbeitszeugnis fortzulassen. Den unmittelbaren Zusammenhang der Korrespondenz mit der Änderung des Zeugnistexts hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei zum Anlass genommen, den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Rechtsausübung der Klägerin und Maßregelung seitens der Beklagten zu bejahen. Vortrag, der diesen Zusammenhang erschüttern könnte, hat die Beklagte nicht gehalten. Insbesondere hat sie sich nicht darauf berufen, nach der Erteilung der ersten beiden Zeugnisse von Umständen erfahren zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigten.
354. Da das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Klägerin gemaßregelt, braucht der Senat vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob die Klägerin bereits unter dem - alleinigen - Gesichtspunkt der Selbstbindung der Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Zeugnisformulierung hat. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zum Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. allg. zur Selbstbindung des Arbeitgebers - zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 115, 130). In gleicher Weise kann der Arbeitgeber - soweit er ursprünglich eine Schlussformel erteilt hat - an den Ausdruck persönlicher Empfindungen, wie Dank, Bedauern oder gute Wünsche für die Zukunft, gebunden sein (vgl. - Rn. 19, BAGE 144, 103).
36III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Gegen dieses Versäumnisurteil kann die Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch beim
einlegen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:060623.U.9AZR272.22.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2227 Nr. 39
BB 2023 S. 2365 Nr. 41
BB 2023 S. 2368 Nr. 41
NJW 2023 S. 9 Nr. 41
NJW 2024 S. 10 Nr. 4
NJW 2024 S. 379 Nr. 6
BAAAJ-48128