BAG Urteil v. - 9 AZR 254/22

Instanzenzug: ArbG Detmold Az: 3 Ca 696/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 6 Sa 1248/21 Urteilnachgehend Az: 9 AZR 231/23 (F) Beschlussnachgehend Az: 1 BvR 2231/23 Nichtannahmebeschlussnachgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 6 Sa 1128/23 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung gesetzlichen Mindestlohns für die Zeit vom bis zum .

2Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in H. In seiner Satzung heißt es auszugsweise:

3Zur Verwirklichung seiner Zwecke betreibt der Beklagte Zentren und Seminarhäuser. Als Vereinsmitglieder gehören ihm rund 240 Sevakas an. Die Mitgliedschaft bei dem Beklagten steht Gläubigen aller Religionen offen. Sevakas leben in Yoga V Ashrams und Zentren in indischer Ashram- und Klostertradition zusammen, um sich dort der Übung und Verbreitung der Yoga V Lehre zu widmen. Sie verfügen in den Ashrams über Unterkünfte für sich bzw. ihre Familien. Am Vereinssitz in H befinden sich Seminarräume, Gemeinschaftsräume (zB zur Einnahme der Mahlzeiten) und Unterkünfte für die „Sevaka Gemeinschaft“ sowie für Gäste. In den Seminarräumen werden für externe Gäste kostenpflichtige Seminare und Schulungen für Yogalehrer durchgeführt.

4Für Sevakas gelten Regeln, die in der sog. Yoga V Smriti niedergelegt sind. In deren Teil A (unwiderrufliche Regeln) sind mit der möglichst weiten Verbreitung des Yoga, der Ermöglichung schnellen spirituellen Wachstums für ernsthafte Aspiranten durch Schaffung von Sevaka Gemeinschaften („geistliche Genossenschaften“) in Ashrams und Yoga-Zentren sowie der Vergrößerung der Kräfte des Friedens und des Verständnisses auf der Erde durch Aufbau weiterer Lichtpunkte im Lichtnetz der Erde in Verbundenheit mit anderen spirituellen und ökologischen Traditionen die Hauptziele des Yoga V bezeichnet. Für die spirituelle Entwicklung der Sevakas gelten die sog. „vier großen S“, nämlich Satsang (regelmäßige Teilnahme an gemeinsamer Meditation, Mantra-Singen, Arati), Sadhana (tägliche oder fast tägliche Praxis von Asanas und Pranayama), Seva (selbstloser Dienst im Ashram/Yoga-Zentrum) und Sattwa („reiner“ Lebensstil ohne Fleisch, Fisch, Tabak, illegale Drogen, Alkohol sowohl in als auch außerhalb der Yoga V Gemeinschaft). In Teil B der Smriti werden die allgemeinen Grundsätze aus deren Teil A konkretisiert. Teil C enthält ergänzende Empfehlungen.

5Smriti werden nach Beschlüssen der Sevaka-Versammlung weiterentwickelt. Im streitrelevanten Zeitraum enthielten sie auszugsweise folgende Bestimmungen:

6Als Leistung zur Daseinsfürsorge gewährt der Beklagte Sevakas Unterkunft und Verpflegung. Auf das monatliche Taschengeld iHv. bis zu 390,00 Euro wird bei Führungsverantwortung ein Aufschlag iHv. bis zu 180,00 Euro gezahlt. Sevakas sind gesetzlich kranken-, arbeitslosen-, renten- und pflegeversichert. Nach dreijähriger Zugehörigkeit zu einer Sevaka Gemeinschaft schließt der Beklagte für den jeweiligen Sevaka eine zusätzliche Altersversorgung ab, an die jährliche Beiträge iHv. 1.470,00 Euro abgeführt werden. Sevakas mit längerer Sevakamitgliedschaft im Rentenalter können weiterhin im Ashram leben. Können sie keine Seva mehr zu leisten, haben sie abhängig von der Rentenhöhe einen Kostenbeitrag iHv. monatlich 450,00 bis 550,00 Euro für Unterkunft und Verpflegung zu leisten.

7Der Beklagte ist Alleingesellschafter der Yoga V GmbH, die über einen Internetshop diverse Produkte vertreibt. Gewinne führt sie an den Beklagten ab. Für die bei der Yoga V GmbH anfallenden Tätigkeiten werden auch Sevakas des Beklagten eingesetzt.

8Die Klägerin, die über einen akademischen Abschluss als Kunsthistorikerin und als Romanistin verfügt und neben Deutsch und Rumänisch zudem die Fremdsprachen Englisch und Französisch fließend spricht, bewarb sich im Mai 2012 bei dem Beklagten für ein Praktikum an der Rezeption. Ihr Interesse begründete sie damit, von morgens bis abends Yoga leben, einen sinnvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten und für Yoga stehen zu wollen. In dem zwischen den Parteien geschlossenen „Vertrag über die Mitarbeit als Mitglied in der Yoga V Ashram Gemeinschaft“ vom heißt es auszugsweise:

9Unter dem bestätigte die Klägerin ihre Mitgliedschaft durch Abgabe einer vom Beklagten vorformulierten Erklärung. Entsprechende Erklärungen wurden allen Sevakas vorgelegt und von diesen unterschrieben.

10Die Klägerin lebte vom bis zum als Sevaka im Yoga-Ashram des Beklagten in H. Sie nahm einen spirituellen Namen an, der ihr in einer Zeremonie verliehen und bei der internen Kommunikation verwendet wurde. Daneben erhielt sie eine Mantra-Weihe. Im Dezember 2019 wurde ihr der Titel einer Yoga-Meisterin verliehen. Die Klägerin leistete für den Beklagten im Rahmen ihrer Seva verschiedene Dienste. In der Zeit von September 2012 bis August 2016 war sie in dem Bereich Yoga V Wiki eingesetzt. Dort verfasste sie Artikel zu Yoga und verwandten Themen, bereitete Studien, Übersetzungen, Bücher und Artikel auf und veröffentlichte diese. Zudem übersetzte sie Artikel aus dem Englischen ins Deutsche. Ab Juli 2013 übernahm die Klägerin die Teamleitung. Im September 2016 wechselte sie in den Bereich Socialmedia/Onlinemarketing, dessen stellvertretende Teamleitung ihr im August 2018 übertragen wurde. Daneben war sie seit 2012 als Dolmetscherin tätig und unterrichtete seit 2014 Yoga. Sie erwarb Zertifikate als Yoga- und Meditationslehrerin. Seit 2017 war sie zudem als Yogatherapeutin tätig.

11Am kündigte die Klägerin das Rechtsverhältnis der Parteien fristlos. Der Beklagte erteilte ihr unter dem eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III, in der er ihr eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden bescheinigte.

12Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihre Tätigkeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten, da zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Sevaka Gemeinschaft sei nicht als religiöse Gemeinschaft zu qualifizieren. Bei dem Beklagten stehe vielmehr die wirtschaftliche Ausrichtung mit dem Ziel der Vermarktung von Yoga im Vordergrund. Sevakas würden als Arbeitskräfte eingesetzt und unterlägen dem Direktionsrecht des Beklagten. Die Yoga V GmbH, für die sie tätig geworden sei, habe mit dem Beklagten einen gemeinsamen Betrieb unterhalten. Die Klägerin hat behauptet, weit mehr als 42 Wochenstunden Arbeitsleistungen erbracht zu haben.

13Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

14Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass die Klägerin ihre im Rahmen der Seva geleistete Arbeit nicht als Arbeitnehmerin, sondern aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft geleistet habe. Die Klägerin sei durch ihren Vereinsbeitritt Mitglied einer hinduistischen Klostergemeinschaft geworden, die der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und dem Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV unterliege. Yoga Vedanta sei eine Strömung des Hinduismus. Ebenso wie die Mitglieder einer christlich-klösterlichen Gemeinschaft lebten Sevakas in einer geistlichen Genossenschaft, in der sie gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisteten. Als Verein, der sich nach demokratischen Grundsätzen eine eigene Ordnung gegeben habe, habe er die Rechte und Pflichten seiner Mitglieder durch Satzung festgelegt. Der durch Seva zu leistende Vereinsbeitrag führe nicht zu einer Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen. Die Satzung gewähre den Sevakas einen Schutzstandard, der mit dem von Arbeitnehmern vergleichbar sei. Gleiches gelte für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung. Die Klägerin sei dem Verein beigetreten, um Yoga und Spiritualität ganzheitlich zu leben, nicht jedoch, um Erwerbseinkünfte zu erzielen, wie dies für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend sei. Dem Einsatz der Klägerin bei der Yoga V GmbH habe ein Auftragsverhältnis zugrunde gelegen.

15Die Klägerin hat in erster Instanz den Beklagten und die Yoga V GmbH gesamtschuldnerisch auf Zahlung von 195.740,66 Euro brutto in Anspruch genommen. Nach Rücknahme der gegen die Yoga V GmbH gerichteten Klage hat das Arbeitsgericht den Beklagten - unter Klageabweisung im Übrigen - zur Zahlung von 42.074,26 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

16Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Berufung des Beklagten mit der gegebenen Begründung nicht stattgeben. Die Klägerin hat in der Zeit vom bis zum einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war sie Arbeitnehmerin und unterfiel damit dem persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat die Höhe des Anspruchs der Klägerin nicht beziffern. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

17I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Klägerin habe für den Beklagten auf vereinsrechtlicher Grundlage als Mitgliedsbeitrag nach § 58 Nr. 2 BGB weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Sie sei ihrer Tätigkeit nicht mit der für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses typischen Erwerbsabsicht nachgegangen. Mit ihrem Beitritt zur Beklagten habe sich die Klägerin spirituell weiterentwickeln wollen, um Befreiung und Erleuchtung zu erreichen. Die Ableistung von Diensten auf Grundlage ihrer Vereinsmitgliedschaft habe nicht dazu geführt, dass zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen umgangen worden seien. Zudem habe die Klägerin vereinsrechtlich auf die Willensbildung des Beklagten Einfluss nehmen können. Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses der Parteien sei, dass der Beklagte eine Religionsgemeinschaft sei und sich auf die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 GG sowie auf das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV berufen könne. Sie sei deshalb berechtigt, sich - ähnlich christlich-religiösen Klostergemeinschaften - eine innere Ordnung zu geben, auf deren Grundlage die Mitglieder uneigennützig unter Gewährleistung einer Mindestdaseinsfürsorge Dienste leisteten.

18II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klägerin war für den maßgeblichen Klagezeitraum Arbeitnehmerin iSv. § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG. Weder die Vereinsmitgliedschaft der Klägerin noch die religiöse oder weltanschauliche Ausrichtung des Beklagten stehen der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegen.

191. Der persönliche Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes erstreckt sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

20a) Der Bestimmung liegt der nationale Arbeitnehmerbegriff des § 611a Abs. 1 BGB zugrunde ( - Rn. 11; - 5 AZR 103/20 - Rn. 17, BAGE 173, 32).

21aa) Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6).

22bb) Die Parteien einer privatrechtlichen Vereinbarung über die Erbringung von Dienst- bzw. Arbeitsleistungen sind danach nicht frei darin, den Vertragstyp unabhängig von den vereinbarten Bedingungen, unter denen die Leistung erbracht werden soll, und der tatsächlichen Vertragsdurchführung zu bestimmen. Sie sind an die zwingenden Vorgaben des § 611a Abs. 1 BGB gebunden. Ist die Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit materieller Vertragsgegenstand oder leistet der Beschäftigte abweichend von den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich solche Arbeit, liegt ein Arbeitsverhältnis iSv. § 611a Abs. 1 BGB vor (vgl.  - Rn. 39 mwN, BAGE 173, 111).

23cc) Zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen (zB freier Dienstvertrag, Werkvertrag ua.) ist nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB stets eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen ist. Die Gerichte für Arbeitssachen haben bei ihrer Entscheidung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung neben der Würdigung tatsächlicher Umstände auch die Besonderheiten oder Eigenarten einer Tätigkeit in Branchen und Bereichen mit besonderem verfassungsrechtlichen Schutz zu berücksichtigen (BT-Drs. 18/9232 S. 32). Sie sind von Verfassungs wegen gehalten, die durch das Grundgesetz eingeräumten Rechte interpretationsleitend zu berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsseite gewahrt bleibt. Verfassungsrechtliche Garantien können den Grundrechtsträgern bei der Festlegung des Vertragstyps einen größeren rechtlichen Spielraum eröffnen. Dies hat der Senat zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit entschieden für die Prüfung, ob der Redakteur einer Zeitung als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter beschäftigt wird ( - Rn. 36). Auch der korporativen Religions- bzw. Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und dem Selbstbestimmungsrecht von Religions- oder Weltanschauungsgesellschaften aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV (vgl.  - Rn. 96, BVerfGE 137, 273;  - zu II 6 der Gründe, BAGE 30, 122; Richardi KirchenArbR 8. Aufl. § 5 Rn. 6) ist in der Gesamtbetrachtung angemessenes Gewicht beizumessen.

24b) Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben ( - Rn. 41).

252. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält die angefochtene Entscheidung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klägerin hat sich zwar ausdrücklich auf mitgliedschaftlicher Vertragsgrundlage zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Die formell auf vereinsrechtlicher Grundlage vereinbarten, auf einen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichteten mitgliedschaftlichen Pflichten der Parteien begründen aber einen Arbeitsvertrag. Dem stehen - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - weder die Vereinsautonomie des Beklagten noch dessen spirituelle Ausrichtung und das damit begründete, ordensähnlich organisierte Lebensmodell entgegen.

26a) Das Landesarbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin aufgrund privatrechtlichen Vertrags als Mitglied des Beklagten zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet war. Dies ergibt die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags (§§ 133, 157 BGB).

27aa) Bei rein formaler Betrachtung sollte durch den zwischen den Parteien geschlossenen „Vertrag über die Mitarbeit als Sevaka-Mitglied in der Yoga V Ashram Gemeinschaft“ kein Arbeitsverhältnis, sondern eine Vereinsmitgliedschaft begründet werden. Dementsprechend sehen die auf das Rechtsverhältnis anzuwendenden Smriti unter B.3. ausdrücklich vor, das ein Sevaka „Mitglied des gemeinnützigen Yoga V e.V.“ und „kein Arbeitnehmer“ sei. Nach Maßgabe seiner Präambel dient der Vertrag der Parteien „keinem Erwerbszweck“. Die Vereinbarung über die Mitgliedschaft in einer freien Vereinigung iSd. Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit sei „angelehnt an die Grundlagen für die Ausübung der Religionsfreiheit im Sinne des Artikels 18 der ‚Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte‘ der Vereinten Nationen (UNO)“. Vergleichbar mit einer religiösen Gemeinschaft seien alle Mitglieder, die ihre Kraft, ihr Können und ihren guten Willen dafür einsetzten, die Lehre des Yoga in der Tradition von Swami S und Swami V zu verbreiten. Das Mitglied der Yoga V Ashram Gemeinschaft (Sevaka) sei sich bewusst, dass seine/ihre Motivation darin bestehe, sich durch spirituelle Praxis in der Tradition von Swami S und Swami V geistig zu vervollkommnen sowie uneigennützigen Dienst zu leisten. Mitglieder würden Sevakas beim Beklagten, um sich persönlich zu entwickeln und nicht, um einer Erwerbstätigkeit im Sinne eines rein materiellen Zugewinns nachzugehen. Durch die schriftliche Bestätigung der „Mitgliedschaft“ im Jahr 2015 sollte dieser Vertragsinhalt nicht abgeändert, sondern bekräftigt werden.

28bb) Abweichend von der formalen Vertragsbezeichnung war der materielle Vertragsinhalt auf die Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Arbeit in persönlicher Abhängigkeit gerichtet. Bei der vertraglich geschuldeten Seva handelte es sich nicht nur um einen unabhängig von den zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts regelbaren Mitgliedsbeitrag, sondern um in persönlicher Abhängigkeit durchzuführende Tätigkeiten, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach mit denen eines Arbeitsverhältnisses identisch sind.

29(1) Nach § 14 des Vertrags war die Klägerin verpflichtet, für den Beklagten wöchentlich 42 Stunden Dienst in Form von Seva zu verrichten. Seva diente schwerpunktmäßig der Durchführung und Sicherstellung des Seminarbetriebs sowie der Vermarktung von Yoga-Produkten. Gegenstand der Seva waren gemäß B.3.1. der in Bezug genommenen Smriti Tätigkeiten in Küche, Haushalt, Garten, Gebäudeunterhaltung, Werbung, Buchhaltung, Boutique etc. sowie die Durchführung von Yogaunterricht und die Leitung von Seminaren. Bei alledem - so die Smriti - hatte das Wohl der Gäste, für die diese Leistungen vorrangig zu erbringen waren, im Mittelpunkt zu stehen („ihre Anliegen haben immer Priorität vor allem anderen“). Nebentätigkeiten bei Dritten waren der Klägerin nach § 19 des Vertrags untersagt. Bei der Verrichtung der Seva unterlag sie nach § 9 Abs. 1 des Vertrags dem Direktionsrecht ihrer dienstlichen Vorgesetzten.

30(2) Als Gegenleistung für Seva erhielt die Klägerin nach Maßgabe der vertraglich in Bezug genommenen Smriti neben freier Kost und Logis ein monatliches Taschengeld. Der Gegenleistungscharakter zeigt sich daran, dass Sevakas, die Rente beziehen und nicht mehr in der Lage sind, Seva zu leisten, kein Taschengeld erhalten, sondern zu den Kosten für Unterkunft und Verpflegung einen monatlichen Betrag iHv. 450,00 bis 550,00 Euro beitragen müssen. „Teilzeit-Sevakas“ in Rente, die ca. vier Stunden am Tag bzw. ca. 24 Stunden in der Woche „mithelfen“, bleiben Teil der Ashram-Gemeinschaft, erhalten jedoch kein Taschengeld. Auch dies dokumentiert den inneren Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung und der Gewährung der geldwerten Vorteile. Mit der Teilzeitbeschäftigung können Unterkunft und Verpflegung noch erarbeitet werden, das Taschengeld jedoch nicht mehr.

31(3) Der Vertrag war somit darauf angelegt, dass die Klägerin dem Beklagten ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt und seine Leistungen ihr einziges Arbeitseinkommen darstellen sollten. Die vom Beklagten gewährten Leistungen in Form von Verpflegung, Unterkunft und Taschengeld sollten es der Klägerin ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung war - ebenso wie in einem Arbeitsverhältnis - dazu bestimmt, die wirtschaftliche Existenz der Klägerin zu sichern. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit ihrem Vereinsbeitritt weder vorrangig bezweckte, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch eine angemessene Gegenleistung für die versprochenen Dienste erwartete, sondern sich in erster Linie persönlich entwickeln, die spirituellen Lehren des Yoga verbreiten und nach Selbstverwirklichung streben wollte. Dass neben materiellen Interessen auch immaterielle Interessen die Klägerin zum Vereinsbeitritt bewogen haben, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu  - Rn. 16, BAGE 143, 77). Unerheblich ist, dass die geldwerten Leistungen keine angemessene Vergütung für die von der Klägerin geleistete Arbeit darstellen. Eine unangemessene Vergütung kann nicht Rechtfertigung dafür sein, einen Beschäftigten vom Schutzbereich zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen auszunehmen.

32b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gestatten es die Besonderheiten der Vereinsautonomie nicht, die fremdbestimmt, weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit zu leistenden Tätigkeiten der Klägerin abweichend von den Vorgaben des § 611a Abs. 1 BGB als Mitgliedsbeitrag (§ 58 Nr. 2 BGB) zu regeln.

33aa) Mit Blick auf die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts es zugelassen, dass die Mitglieder von Vereinen auf vereinsrechtlicher Grundlage zu Arbeitsleistungen in fremdbestimmter persönlicher Abhängigkeit verpflichtet werden, ohne Arbeitnehmer zu sein. Die mitgliedschaftliche Bindung an einen Verein kann ein Arbeitsverhältnis iSv. § 611a Abs. 1 BGB jedoch nur unter der Voraussetzung eines gleichwertigen arbeitsrechtlichen Schutzes ausschließen (vgl. zu DRK-Schwestern  - Rn. 40 ff., BAGE 158, 121; - 5 AZB 9/93 - zu B I 2 b und c der Gründe, BAGE 80, 256; zu Scientology  - zu B II 1 der Gründe, BAGE 103, 20; - 5 AZB 21/94 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 79, 319; zu ehrenamtlicher Telefonseelsorge im Ehrenamt  - Rn. 18, BAGE 143, 77). Eine formell mitgliedschaftlich begründete Arbeitsverpflichtung darf nicht zu einer Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen. Die in die Statusbeurteilung nach § 611a Satz 5 BGB einzubeziehenden Freiheiten des Art. 9 Abs. 1 GG gestatten in einem solchen Fall keine Abweichung von dem Status, den das Gesetz für abhängige Arbeit auf privatautonomer Grundlage vorsieht.

34(1) Die Mitgliedschaft in einem Verein wird privatautonom durch eine Beitritts- und Aufnahmeerklärung begründet ( - Rn. 26, BAGE 158, 121;  - zu 1 der Gründe, BGHZ 101, 193; ErfK/Preis 23. Aufl. § 611a BGB Rn. 147; Staudinger/Schwennicke (2019) § 38 Rn. 105). Die Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder und des Vereins bestimmen sich im Allgemeinen aus der Satzung des Vereins (§ 25 BGB). Aufgrund der allgemeinen Freiheit rechtsgeschäftlichen Handelns kann sich der Verein in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung geben ( - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 80, 256). Dies umfasst grundsätzlich das Recht des Vereins, den von jedem Mitglied zu leistenden Vereinsbeitrag in Form von fremdbestimmter, weisungsgebundener Tätigkeit - insbesondere Arbeitsdienste zur Förderung des Vereinszwecks - festzulegen (vgl. ErfK/Preis 23. Aufl. § 611a BGB Rn. 148; Wank/Maties NZA 2007, 353, 355).

35(2) Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der als Vereinsbeitrag zu erbringenden Dienstleistungen dem Erscheinungsbild eines Arbeitsverhältnisses entspricht. Erzeugt die vereinsrechtliche Dienstpflicht gemessen am Maßstab des § 611a Abs. 1 BGB eine Verbindlichkeit, die einer arbeitsvertraglichen Pflicht gleichkommt, steht der zwingende Charakter des Arbeitsrechts der Annahme entgegen, das Vereinsmitglied werde außerhalb eines Arbeitsverhältnisses tätig. Das daraus abzuleitende Gebot zur Nutzung der arbeitsrechtlichen Form führt grundsätzlich zu einem Verbot, die Pflicht zur Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in anderer rechtlicher Form als der eines Arbeitsvertrags unter Anwendung des arbeitsrechtlichen Schutzregimes zu vereinbaren. Durch rechtliche Gestaltung darf nicht eine arbeitsvertragsgleiche Verpflichtung zur Arbeitsleistung geschaffen werden, ohne dem Dienstleistenden den arbeitsrechtlichen Schutz einzuräumen (Schwarze RdA 2020, 38, 41). Die Verdichtung der vereinsrechtlich begründeten persönlichen Arbeitspflicht zur arbeitsvertragsgleichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Ausklammerung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzregeln führt zu einer objektiven Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts und damit dazu, dass - gegebenenfalls neben der Vereinsmitgliedschaft - ein Arbeitsverhältnis vorliegt, das den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften unterliegt (vgl.  - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 80, 256; - 5 AZB 21/94 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 79, 319).

36(3) Dies hat zur Folge, dass anstelle oder gegebenenfalls zusätzlich zur formal begründeten Vereinsmitgliedschaft jedenfalls dann tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt, wenn ein Verein seinen in erheblichem Umfang zur Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichteten Mitgliedern weder einen Anspruch auf angemessene Vergütung noch einen Anspruch auf Versorgung einräumt ( - zu B II 3 a der Gründe, BAGE 79, 319). Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes tritt diese Folge unabhängig von einer Versorgungszusage und deren Inhalt bereits dann ein, wenn der gesetzliche Mindestlohn als unabdingbarer Mindestschutz auf Entgeltebene nicht garantiert ist. Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn schützt Arbeitnehmer umfassend vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung. Die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28;  - Rn. 30, BAGE 155, 202). Der durch das MiLoG vermittelte Mindestschutz bei der Einkommenshöhe für Arbeitsverhältnisse ist zur Vermeidung einer objektiven Funktionswidrigkeit der rechtsgeschäftlichen Beziehung auch bei einer arbeitsvertragsgleichen Tätigkeit in Vereinsstrukturen zu wahren.

37bb) Durch die (formell) mitgliedschaftlich begründete Arbeitsverpflichtung der Klägerin werden zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen umgangen. Die für das Rechtsverhältnis geltenden Bestimmungen in Satzung, Smriti und Mitgliedsvertrag gewährleisten nicht den arbeitsrechtlich gebotenen Mindestschutz. Der Beklagte hat der Klägerin den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn vorenthalten, indem er ihr lediglich das satzungsmäßig vorgesehene Taschengeld zahlte. Die Sachleistungen in Gestalt von Kost und Logis bleiben insoweit unberücksichtigt. Dem Ziel des Mindestlohngesetzes entsprechend, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten, fordern §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld ( - Rn. 30 mwN, BAGE 175, 193).

38cc) Es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung des Senats, ob daran festzuhalten ist, dass Dienstleistenden für ihre arbeitsvertragsgleiche Tätigkeit nicht von vornherein unmittelbar durch das Gesetz der vollständige arbeitsrechtliche Schutz eingeräumt wird, sondern lediglich ein durch die Vereinssatzung vermittelter arbeitsvertragsähnlicher Mindestschutz im Sinne eines Umgehungsschutzes genügt (krit. Mestwerdt NZA 2014, 281, 283; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 19. Aufl. § 8 Rn. 19).

39c) Das Landesarbeitsgericht hat bei der Beurteilung des zwischen den Parteien begründeten Vertragstyps im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände iSv. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB zu Unrecht das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften aus Art. 4 Abs. 1 und 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV in die Prüfung einbezogen. Diese grundgesetzlichen Freiheiten sind vorliegend keine Umstände, die im Rahmen der Gesamtabwägung der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegenstehen und eine fremdbestimmte, weisungsabhängige Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses legitimieren. Auch die entsprechend verfassungsrechtlich gewährleistete Weltanschauungsfreiheit berechtigt nicht zur Beschäftigung in der Seva ohne den zwingenden arbeitsrechtlichen Mindestschutz. Der Beklagte ist weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft. Er darf sich daher keine innere Ordnung schaffen, nach deren Maßgabe ausschließlich vom religiösen bzw. weltanschaulichen Bekenntnis geprägte Dienste nicht dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfen sind.

40aa) Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantiert den Religionsgemeinschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten. Dieses Recht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Bekenntnis dienen. Der Staat erkennt die Religionsgemeinschaften als Institutionen mit dem originären Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Dies gilt auch dann, wenn sie sich zur Erfüllung ihres Auftrags und ihrer Sendung privatrechtlicher Formen bedienen und die Tätigkeiten und getroffenen Maßnahmen in den weltlichen Bereich hineinwirken. Die Religionsgemeinschaften können selbst frei und autonom darüber bestimmen, welche Dienste sie in welchen Rechtsformen ausüben wollen und sind nicht auf spezifische Gestaltungsformen beschränkt. Religiöse Orden können insofern eine mögliche Variante und Form durch die Religion geprägter Dienste darstellen (vgl.  - Rn. 95 f., BVerfGE 137, 273).

41bb) Die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind vollgültiges Verfassungsrecht und von gleicher Normqualität wie die sonstigen Verfassungsbestimmungen. Sie sind - mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog der Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich gestärkt hat. Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes, wobei Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den leitenden Bezugspunkt des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems darstellt. Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische Wechselwirkung. Die Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt und andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt ( - Rn. 89 f., BVerfGE 139, 321).

42cc) Diese verfassungsrechtlichen Gewährleistungen eröffnen die Möglichkeit, Mitglieder eines Ordens oder Singularinstituts der katholischen Kirche oder evangelische Diakonissen in kirchlichen Einrichtungen nicht als Arbeitnehmer zu beschäftigen, obwohl sie weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verrichten. Für Personen, die in ein besonderes Rechtsverhältnis zur Kirche treten, um in der Nachfolge Christi zu leben, kann die Kirche eine Lebensordnung schaffen, auf die staatliches Recht nicht zur Anwendung gelangt, weil der Dienst ausschließlich vom religiösen Bekenntnis geprägt wird ( - BAGE 64, 131; - 1 AZR 280/77 - zu II 6 der Gründe, BAGE 30, 122; Richardi KirchenArbR 8. Aufl. § 5 Rn. 6). Diese Grundsätze sind nicht auf christliche Religionsgemeinschaften beschränkt, sondern gelten ebenso für andere Religionen. Auch deren Mitglieder können vom staatlichen Mindestschutz des Arbeitsrechts ausgenommen sein, wenn ihr Dienst ausschließlich vom religiösen Bekenntnis geprägt ist.

43dd) Weltanschauungsvereinigungen sind verfassungsrechtlich Religionsgesellschaften gleichgestellt (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 7 WRV), ebenso wie die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses der Freiheit des religiösen Bekenntnisses gleichsteht (Art. 4 Abs. 1 GG). Verfassungsrechtlich gilt deshalb für die einen das gleiche wie für die anderen ( I C 54.66 -, BVerwGE 37, 344).

44ee) Unter Religion oder Weltanschauung ist eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende („transzendente“) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente“) Bezüge beschränkt ( - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 79, 319;  - zu 2 a aa der Gründe, BVerwGE 90, 112). Ein religiöser, von Art. 4 GG geschützter Glaube ist nicht bereits in jeder animistischen Naturvorstellung und jedem magischen Weltbezug zu sehen. Neben dem transzendenten Bezug ist auch ein Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung notwendig. Von einem religiösen Glauben kann erst gesprochen werden, wenn die Stellung des Menschen, seine existentielle Sinnsuche unter Verwendung transzendenter Perspektiven so thematisiert wird, dass eine Verhaltensdisposition sich darauf stützen kann (Dürig/Herzog/Scholz/Di Fabio GG Stand Januar 2023 Art. 4 GG Rn. 65). Entsprechendes gilt für weltanschauliche Überzeugungen. Ein Gedankensystem wird erst dadurch zur Weltanschauung, wenn es sich mit Fragen nach dem Sinnganzen der Welt und insbesondere des Lebens der Menschen in dieser Welt befasst und zu sinnentsprechenden Werturteilen hinführt. Überzeugungen zu einzelnen Teilaspekten des Lebens - zB zum Gedanken der Toleranz - mögen im Einzelfall zwar Ausdruck einer weltanschaulichen Gesamtkonzeption sein; ohne die Einbettung in einen entsprechenden Zusammenhang vermögen sie hingegen den Begriff Weltanschauung nicht auszufüllen ( - zu 2 a bb der Gründe, BVerwGE 89, 368). Dies gilt auch für die Vermittlung rein geistiger Techniken (Kahl, Waldhoff/Walter/Mückl BK Stand Dezember 2022 Art. 4 Rn. 125). Eine reine Lebensweise und die Durchführung spiritueller Praktiken sind danach ohne Einbettung in einen Gesamtkontext für sich gesehen weder Religion noch Weltanschauung.

45ff) Religionsgesellschaften iSv. Art. 137 WRV, die mit dem im Grundgesetz ebenfalls verwendeten Begriff der Religionsgemeinschaft (Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG) identisch sind, sind Verbände mit dem Zweck, gemeinsam religiöse Überzeugung zu betätigen. Auf die soziale Relevanz, Organisationsform oder zahlenmäßige Stärke einer solchen Gruppierung kommt es nicht an. Erforderlich ist, dass die Vereinigung von einem gewissen religiösen Konsens getragen wird, der sich auf den Sinn menschlicher Existenz bezieht und wesentliche Prinzipien der Lebensgestaltung umfasst. Der Zusammenschluss muss auf eine umfassende Überzeugung des ihn prägenden religiösen Konsenses durch ein Bekenntnis nach außen abzielen und die umfassende Erfüllung aller religiös motivierten Aufgaben, die er stellt, anstreben (Dürig/Herzog/Scholz/Korioth GG Stand Januar 2023 Art. 140 GG Art. 137 WRV Rn. 14; von Camphausen/de Wall Religionsverfassungsrecht 5. Aufl. § 15 Rn. 4). Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, sind nicht ausreichend. Vielmehr muss es sich nach dem geistigen und äußeren Erscheinungsbild auch tatsächlich um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln. Dies im Streitfall zu prüfen und zu entscheiden, obliegt - als Anwendung einer Regelung der staatlichen Rechtsordnung - den staatlichen Organen und damit letztlich den Gerichten ( - zu C I der Gründe, BVerfGE 83, 341). Diese Vorgaben geltend entsprechend für Weltanschauungsgemeinschaften.

46gg) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Beklagten weder um eine Religions- noch um eine Weltanschauungsgemeinschaft.

47(1) Es wird bereits nicht hinreichend deutlich, dass die vom Beklagten angeführte spirituelle Gemeinschaft auf einem Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung beruht.

48(a) Der Beklagte hat nichts zu den Grundlagen seiner Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens vorgetragen. Er beschränkt sich auf formelhafte Beschreibungen, wie Yoga Vedanta sei eine der Hauptrichtungen des Hinduismus und Yoga der Oberbegriff für alle Methoden der geistigen Entwicklung. Bei Yoga handele es sich um die religiöse und spirituelle Praxis innerhalb der Hindukultur und den spirituellen Heilsweg. Eine bestimmte Überzeugung über den Sinn und die Bewältigung des menschlichen Lebens wird daraus ebenso wenig deutlich wie aus dem Hinweis, die Sevakas lebten in spirituellen Gemeinschaften in der indischen religiösen Ashram- und Klosterkultur zusammen. Es bleibt unklar, auf welchem existentiellen Verständnis der Welt und des Sinnes menschlichen Lebens die gewählte Lebensform beruht. Es stellt danach für sich gesehen weder eine Religion noch eine bestimmte Weltanschauung dar, dass Sevakas, die in einer spirituell geprägten, klosterähnlich organisierten Gemeinschaft nach bestimmten Verhaltensregeln zusammenleben, Yoga in der Tradition von Swami S und Swami V praktizieren und vermitteln.

49(b) Auch die Satzung des Beklagten zeigt nicht das Vorliegen eines bestimmten Bekenntnisses religiöser oder weltanschaulicher Art auf. Sie spricht vielmehr dagegen.

50(aa) Nach der Satzung ist das Wirken des Beklagten darauf ausgerichtet, einem breiten Publikum durch die „Weisheit, Übungen und Techniken des Yoga“ Mittel an die Hand zu geben, die „im Leben des modernen westlichen Menschen sehr wertvoll sein“ können. Wenn in der Präambel der Satzung darauf hingewiesen wird, die Wissenschaft des Yoga umfasse in ihrem gesamten Spektrum Techniken auf den Gebieten der Gesundheitsvorsorge, Heilung, Körper- und Energie-Arbeit, Psychologie, Selbstfindung, Selbstverwirklichung und der spirituellen und religiösen Entwicklung für ein Leben in Harmonie mit den kosmischen Gesetzen, hat der nicht näher bezeichnete religiöse Aspekt als einer von vielen nur untergeordnete Bedeutung. Entsprechendes gilt für die in der Satzung aufgeführte Definition von Yoga als „ein ganzheitliches, offenes Übungssystem, das mit Techniken, Weisheitslehren, Philosophiesystemen und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen verbunden werden kann und wird“. In diesem Zusammenhang verweist die Satzung „insbesondere, aber nicht nur,“ auf „Ayurveda, Vastu (indische Wohnraumlehre) und andere vedische Wissenschaften; tibetische Medizin, Thai Medizin, Shiatsu, Tai Chi, westliche Schulmedizin, Naturheilkunde und andere Medizinsysteme; Ernährungskunde, Massage, Wellness-Wissenschaften; westliche Psychotherapie und Psychologie einschl. Sterbebegleitung; westliche und östliche Philosophie; Tanz, bildende Kunst, Literatur, Theater und Musik aus verschiedenen Kulturen; spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen; Sport, fernöstliche Selbstverteidigungskünste; Ethnologie, Anthropologie, Geschichtswissenschaft und andere universitäre Wissenschaften.“

51(bb) Die Satzung enthält danach eine Aufzählung verschiedener Glaubens- und Überzeugungsrichtungen, die weder als Einzelpositionen näher erläutert noch als Gesamtheit in einen inneren Sinnzusammenhang gestellt werden. Ein systemisches Gesamtgefüge religiöser bzw. weltanschaulicher Elemente und deren innerer Zusammenhang mit der Yoga V Lehre lassen sich nicht hinreichend erkennen. Aufgrund des breiten Spektrums beziehungslos nebeneinandergestellter Glaubens- und Überzeugungsrichtungen, die sich ggf. sogar gegenseitig ausschließen, beruht das Lebensmodell der Sevaka Gemeinschaft nicht auf einem bestimmten Bekenntnis im Sinn eines existentiellen Verständnisses der Welt und des Sinns menschlichen Lebens. Für die Annahme einer Religion oder Weltanschauung genügt es nicht, wenn die Gemeinschaft ihr Leben und Wirken zwar an für sich betrachtet fundierten Grundwerten ausrichtet, diese sich aber auf nicht näher erläuterte Schlagwörter beschränken, zwischen denen kein Sinnzusammenhang hergestellt wird.

52(2) Der Eigenschaft des Beklagten als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft steht zudem entgegen, dass eine gemeinsame religiöse oder weltanschauliche Zielsetzung nicht das bestimmende Element seiner Tätigkeit ist. Der Beklagte ist kein Zusammenschluss von Personen mit gemeinsamer religiöser Anschauung oder gemeinsamer Weltanschauung im Sinne positiver Überzeugungen. Das Leben in Gemeinschaft dient nicht der Verwirklichung gemeinsamer religiöser oder weltanschaulicher Ziele seiner Mitglieder. Es liegt zwar die für geistliche (Kloster- und Ordens-) Gemeinschaften typbildende vollständige Verflechtung von Arbeitsleben und persönlicher Lebensgemeinschaft vor. Diese ist jedoch nicht darauf ausgerichtet, dass die Mitglieder des Beklagten auf der Grundlage eines gemeinsamen religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses eine unter ihnen bestehende Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens bezeugen. Die Mitgliedschaft bei dem Beklagten ist vielmehr multikonfessionell ausgestaltet. Sie setzt insbesondere keine bestimmte Religionszugehörigkeit voraus, sondern ermöglicht Gläubigen aller Religionen, ihre religiösen Ansichten weiterzuführen. Es besteht kein gemeinsamer Bezugspunkt, von dem aus Yoga V und die daran angepasste Lebensweise als Mittel zur Erreichung eines gemeinsamen existentiellen und spirituellen Ziels zu praktizieren ist. Jedes Mitglied kann - unabhängig von und parallel zu den Überzeugungen der anderen Mitglieder - seine Lebensweise anhand einer frei festgelegten Kombination aus den in der Präambel der Satzung aufgeführten Glaubensrichtungen und Überzeugungen ausrichten. Der Ashram und die dort praktizierten Rituale sind danach nicht Ausdruck eines gemeinsamen Bekenntnisses, sondern der äußere Rahmen für die Ausübung und Verbreitung von Yoga.

53(3) Da es bei dem Beklagten bereits an einem engen Konnex zu einem durch Glauben oder Weltanschauung definierten Selbstverständnis fehlt, kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerin annimmt - dem Beklagten der besondere Schutz aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung abzusprechen ist, weil er wie andere Wirtschaftssubjekte am marktwirtschaftlichen Geschehen teilnimmt und bei ihm der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte religiöse oder weltanschauliche Auftrag in der Gesamtschau der Tätigkeiten gegenüber anderen - vorwiegend gewinnorientierten - Erwägungen erkennbar in den Hintergrund tritt (vgl. dazu  - Rn. 94, BVerfGE 137, 273).

54d) Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten ist es unerheblich, ob die Klägerin die Tätigkeiten für die Yoga V GmbH als Erfüllungsgehilfin des Beklagten aufgrund eines mit diesem bestehenden Dienstvertrags oder in einem gemeinsamen Betrieb verrichtete. In beiden Fällen bliebe - anders als bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 9 Abs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG - das mit dem Beklagten begründete Arbeitsverhältnis in seinem Bestand unberührt (vgl. zu Erfüllungsgehilfen  - Rn. 32; vgl. zum Gemeinschaftsbetrieb  - Rn. 45).

55III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Die in Höhe des Mindestlohns geltend gemachten Entgeltansprüche der Klägerin sind nicht - ganz oder teilweise - wegen Nichteinhaltung der im Mitgliedsvertrag enthaltenen Ausschlussfristenregelung verfallen. Die Ausschlussfristenregelung ist jedenfalls insoweit unwirksam, als sie die Geltendmachung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 3 Satz 1 MiLoG) sowie Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG ( - Rn. 19 ff., BAGE 163, 99) und an gesetzlichen Feiertagen nach § 2 Abs. 1 EFZG ( - Rn. 37 ff., BAGE 165, 205) jeweils in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns beschränkt. Entsprechendes gilt für einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns ( - Rn. 16). Ansprüche auf Urlaubsentgelt muss der Arbeitnehmer aufgrund der in Bewilligung von bezahltem Erholungsurlaub enthaltenen „Zahlungszusage“ nicht im Sinne einer Verfallklausel geltend machen ( - Rn. 45, aaO).

56IV. Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht abschließend über die Höhe des Mindestlohnanspruchs der Klägerin entscheiden. Der Sachverhalt ist nicht vollständig aufgeklärt. Das Landesarbeitsgericht hat - auf der Grundlage seiner Argumentationslinie konsequent - nicht die Anzahl der vergütungspflichtigen Stunden festgestellt. Der Senat kann deshalb nicht beurteilen, in wie vielen Stunden die Klägerin tatsächlich ihre Arbeitsleistung erbracht hat bzw. in welchem Umfang Ausfallzeiten (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub) zu vergüten sind. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

571. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird sich das Landesarbeitsgericht - gegebenenfalls nach weiterem Sachvortrag der Parteien und Erhebung der schon bislang angebotenen Beweise - unter umfassender Würdigung des beiderseitigen Tatsachenvortrags die tatrichterliche Überzeugung bilden müssen, in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin vergütungspflichtige Arbeit für den Beklagten geleistet hat bzw. inwieweit einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EFZG).

582. Der Arbeitnehmer trägt für die Behauptung, er habe die geschuldete Arbeit verrichtet, die Darlegungs- und Beweislast. Seiner Darlegungslast genügt er, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Sodann ist es Sache des Arbeitgebers, im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu erwidern und im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 24 mwN; - 5 AZR 452/18 - Rn. 39 mwN, BAGE 167, 158).

593. Unter der Voraussetzung des § 287 Abs. 2 ZPO wird das Landesarbeitsgericht eine Schätzung der Arbeitszeit in Betracht ziehen können, wenn aufgrund unstreitigen Sachvortrags oder nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrags der Klägerin feststeht, dass diese idR die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erfüllt hat, aber nicht jede einzelne Arbeitsstunde belegen kann (vgl.  - Rn. 51 mwN, BAGE 175, 193).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:250423.U.9AZR254.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-48127