BGH Urteil v. - II ZR 13/22

GmbH: Stimmverbot bei Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft; Entscheidung über positive Beschlussfeststellungsklage

Leitsatz

1. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.

2. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

Gesetze: § 47 Abs 4 S 2 Alt 2 GmbHG, § 48 GmbHG

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 1 U 475/20vorgehend LG Bamberg Az: 1 HKO 33/19

Tatbestand

1Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Weitere Gesellschafterinnen der Beklagten sind neben anderen mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 26,084% Frau D.       , die zudem Geschäftsführerin der Beklagten ist, und Frau M.     .

2Frau D.        und Frau M.      sind daneben mit einer jeweils hälftigen Beteiligung Gesellschafterinnen der T.            GmbH, deren Geschäftsführerin ebenfalls Frau D.         ist.

3Beide Gesellschafterinnen sind darüber hinaus neben dem Kläger und weiteren Gesellschaftern Kommanditistinnen der T.                                 GmbH u. Co. KG (im Folgenden: T.                       KG), deren Komplementärin die Beklagte ist.

4Die T.                      KG ist Inhaberin verschiedener beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragener Marken, unter anderem der Marke „H.             Original“. Seit 1994 bestand zwischen der T.                      KG und der T.            GmbH ein Vertrag, auf dessen Grundlage die Markenrechte von der T.           GmbH gegen Zahlung eines Entgelts von jährlich 90.000 € genutzt werden konnten.

5Ab August 2017 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Veranlassung von Frau D.        für die T.            GmbH verschiedene vom Kläger als Konkurrenzmarken angesehene Marken der Produktserie „H.        “ angemeldet und im Oktober 2018 eingetragen.

6Am fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, die unter anderem folgende Tagesordnungspunkte vorsah:

"TOP 13. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen     D.        gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen T.           GmbH sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke „H.                      Collection“ beim Deutschen Patent- und Markenamt, einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines Prozessvertreters der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche gem. § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.

TOP 14. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau        M.       wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.

TOP 15. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der T.           GmbH."

7Der Versammlungsleiter stellte nach der Abstimmung unter Zählung der Stimmen der Gesellschafterinnen D.       und M.      fest, dass die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 abgelehnt worden seien.

8Am beantragte Frau D.        die Umschreibung der im Oktober 2018 eingetragenen Marken von der T.           GmbH auf die T.                          KG, die dann auch erfolgte.

9Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse. Weiter verlangt er die Feststellung, dass die jeweiligen Beschlüsse gefasst wurden sowie, über die Beschlussanträge in der Gesellschafterversammlung hinausgehend, ihn als Prozessvertreter zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in allen drei Fällen einzusetzen (Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15)). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat hinsichtlich der Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Gründe

10Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen und Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

11I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

12Da ein Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrund nicht vorliege, seien die ablehnenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom zu den TOP 13, 14 und 15 wirksam. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass die Gesellschafterinnen D.        und M.      bei der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte keinem Stimmverbot unterlegen wären, weil die Geltendmachung von Konkurrenzschutz- und Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschafterinnen D.        , M.       oder die T.         GmbH nicht geboten gewesen sei. Die Anmeldung der Marken „H.     “ für die T.            GmbH sei nicht vorsätzlich, sondern nur versehentlich erfolgt, und begründe allenfalls ein Organisationsverschulden, aber keine gravierende Pflichtverletzung.

13II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

141. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu TOP 13 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschaftergeschäftsführerin D.          einem Stimmverbot.

15a) Der Beschlussantrag zum TOP 13 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau D.        als Geschäftsführerin der Beklagten zum Inhalt (§ 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG). Daneben sollte ein Prozessvertreter der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr bestellt werden.

16Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschaftergeschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. , BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25). Der Stimmrechtsausschluss gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft bei der Anspruchsverfolgung vertreten soll (, BGHZ 97, 28, 34; Urteil vom - II ZR 31/91, BGHZ 116, 353).

17b) Für das Stimmverbot kommt es, anders als das Berufungsgericht meint, nicht darauf an, ob die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Gesellschaftergeschäftsführer rechtlich geboten ist.

18Es ist bereits unklar, was das Berufungsgericht unter dem Prüfungsansatz, die Geltendmachung sei "rechtlich nicht geboten", versteht. Jedenfalls kann es nicht darauf ankommen, ob die beabsichtigte Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.

19Geht es um die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer, so reicht es grundsätzlich aus, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht. Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat (, BGHZ 97, 28, 36; Urteil vom - II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 29). Es würde die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren, wenn schon im Anfechtungsprozess und mangels Rechtskrafterstreckung im nachfolgenden Prozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht (, BGHZ 97, 28, 36).

20c) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschaftergeschäftsführerin D.        bei der Abstimmung über TOP 13 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.

21aa) Die entgegen dem Stimmverbot dennoch erfolgte Stimmabgabe der Frau D.        war nichtig und nicht mitzuzählen (vgl. , BGHZ 232, 203 Rn. 29). Eine unrichtige Beschlussfeststellung aufgrund unrichtiger Stimmzählung liegt vor, wenn der Fehler für das festgestellte Beschlussergebnis ursächlich ist (, BGHZ 220, 207 Rn. 48).

22bb) Das ist hier der Fall. Der ablehnende Beschluss zu TOP 13 wäre bei rechtmäßiger Zählung der Stimmen nicht gefasst worden.

23(1) Nach § 4a Abs. 3 der Satzung der Beklagten werden Beschlüsse, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung etwas Anderes vorschreiben, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Für das Abstimmungsergebnis sind die vom Berufungsgericht festgestellten, im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse zugrunde zu legen (vgl. Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom , Anlage B 11). Den ablehnenden Beschluss zu TOP 13 hat der Versammlungsleiter danach unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne Berücksichtigung der Stimme von Frau D.       (26,084 % des Stammkapitals) wurden in der Gesellschafterversammlung zu TOP 13 Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben.

24(2) Der Wirksamkeit der abgegebenen Ja-Stimmen steht entgegen der Ansicht der Beklagten kein Verstoß der mit Ja stimmenden Gesellschafter gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht entgegen.

25In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Stimmen eines Gesellschafters nichtig sind, wenn der Gesellschafter von seinem Stimmrecht rechtsmissbräuchlich Gebrauch macht. Bei der Feststellung des Beschlussergebnisses sind sie nicht mitzuzählen (, WM 1977, 361; Urteil vom - II ZR 87/83, BGHZ 88, 320; Urteil vom - II ZR 100/87, BGHZ 102, 172, 176; Urteil vom - II ZR 88/89, ZIP 1991, 23, 24; Urteil vom - II ZR 65/92, ZIP 1993, 1228, 1230; Beschluss vom - II ZR 166/07, ZIP 2009, 2193 Rn. 2). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Gesellschafter mit seiner Stimme ausschließlich eigennützige Zwecke verfolgt, etwa eine Blockademacht dazu benutzt, seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte Sondervorteile einsetzt (, ZIP 2016, 1220 Rn. 20, 23).

26Da der Vorwurf verbotener Konkurrenztätigkeit durch die Gesellschafterinnen D.       und M.      sowie die T.            GmbH im Raum steht, liegt in der Stimmabgabe für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft die Verfolgung von Gesellschaftsinteressen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit bzw. der Anmeldung der Konkurrenzmarken nur ein fahrlässiges Handeln zugrunde liegen soll. Dies schließt das Bestehen von Schadensersatzansprüchen nicht von vornherein aus.

272. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu TOP 14 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschafterin M.       einem Stimmverbot.

28a) Der Beschlussantrag zum TOP 14 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit gegen die Gesellschafterin M.     zum Inhalt, weshalb diese bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht hat (s.o. II. 1. a) und b)).

29b) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschafterin M.     bei der Abstimmung über TOP 14 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.

30Den ablehnenden Beschluss zu TOP 14 hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimme der Gesellschafterin M.      (26,084 % des Stammkapitals) wurden zu TOP 14 Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).

313. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass zu TOP 15 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlagen die Gesellschafterinnen D.       und M.     einem Stimmverbot. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.

32a) Der Beschlussantrag zum TOP 15 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der T.           GmbH zum Gegenstand.

33b) Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese Drittgesellschaft betrifft (, BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom - II ZR 139/70, NJW 1973, 1039, 1040; Urteil vom - II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29). Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft (vgl. , BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25). Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter einer GmbH alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben (, BGHZ 68, 107, 110). In diesem Fall ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafter mit dem der Drittgesellschaft gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung der GmbH-Gesellschafter verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der Drittgesellschaft oder die außergerichtliche Anspruchsverfolgung eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr (vgl. , BGHZ 68, 107, 110; Urteil vom - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 32 mwN; Urteil vom - II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29).

34c) Nach diesen Grundsätzen hatten die Gesellschafterinnen der Beklagten D.        und M.       bei der Abstimmung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der T.          GmbH kein Stimmrecht, weil sie mit jeweils 50 % an dieser beteiligt sind.

35d) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimmen der Gesellschafterinnen D.         und M.      bei der Abstimmung über TOP 15 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.

36Den ablehnenden Beschluss zu TOP 15 hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimmen von Frau D.       und Frau M.      wurden zu TOP 15 ausschließlich Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).

37III. Soweit die Revision in Bezug auf die Nichtigerklärung der Ablehnung der Beschlussanträge und die positive Beschlussfeststellung zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung Erfolg hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 563 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom gefassten Beschlüsse sind für nichtig zu erklären, die beantragten Beschlüsse sind festzustellen.

381. Der Inhalt der Beschlussanträge und das Ergebnis der Abstimmung zu TOP 13, 14 und 15 sind vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse für das Abstimmungsergebnis für das Revisionsgericht bindend festgestellt (vgl. Urteil des Berufungsgerichts vom Seite 3 und Urteil des Landgerichts Bamberg vom Seite 30).

39Danach ist festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 13 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 47,821 % die Zahl der Nein-Stimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt. Soweit der Beschluss neben der Bestellung eines besonderen Vertreters die Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei sowie die Kostentragung durch die Gesellschaft vorsieht, ist dies zulässig (MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 46 Rn. 291 f.; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 46 Rn. 493).

40Es ist weiter festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 14 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 43,474 % die Zahl der Nein-Stimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt.

41Schließlich ist festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 15 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom wirksam gefasst wurde, weil ausschließlich Ja-Stimmen zu zählen sind.

422. Zu Recht wendet die Beklagte ein, dass die Anträge des Klägers auf positive Beschlussfeststellung über die der Gesellschafterversammlung der Beklagten vorliegenden Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 hinausgehen. Dies führt aber nicht zur Abweisung der positiven Beschlussfeststellungsklage insgesamt, sondern nur zur Zurückweisung der Revision im überschießenden Umfang.

43Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen (OLG Köln, ZIP 2018, 2410, 2412; BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand , Anhang § 47 Rn. 269; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 189; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, 4. Aufl., Anhang § 47 Rn. 445). Danach bleibt die mit den Berufungsanträgen 11, 12 und 13 begehrte Feststellung erfolglos, soweit sie über die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung hinausgehen.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080823UIIZR13.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2113 Nr. 38
BB 2023 S. 2640 Nr. 46
DB 2023 S. 2238 Nr. 38
DB 2023 S. 2431 Nr. 42
DB 2023 S. 2431 Nr. 42
DNotZ 2024 S. 206 Nr. 3
DStR 2023 S. 2236 Nr. 40
DStR-Aktuell 2023 S. 12 Nr. 38
GmbH-StB 2023 S. 376 Nr. 12
GmbH-StB 2023 S. 376 Nr. 12
GmbHR 2023 S. 1144 Nr. 21
GmbHR 2023 S. 1148 Nr. 21
NJW 2023 S. 9 Nr. 40
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2023 S. 2726
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2023 S. 2726
WM 2023 S. 1752 Nr. 37
ZIP 2023 S. 1986 Nr. 38
ZIP 2023 S. 4 Nr. 37
PAAAJ-47912