Unterscheidung bei Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bzw. tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte
Gesetze: § 113 Abs 1 StGB, § 114 Abs 1 StGB
Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 10a Kls 7/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten bei Freispruch im Übrigen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall II.6 der Urteilsgründe), wegen Körperverletzung in zwei Fällen (II.1 und II.3 der Urteilsgründe) und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (II.5 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs (§ 354 Abs. 1 StPO analog); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte im Fall II.5 der Urteilsgründe nicht wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB), sondern wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
3Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Eine Strafbarkeit wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte kommt nicht in Betracht. Nach den Feststellungen nahm der Polizeibeamte H. keine Diensthandlung im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB vor, als der Angeklagte auf ihn mit erhobenen Fäusten zusprang. Hiernach stand der Beamte lediglich im Begriff, den Angeklagten wegen eines vorangegangenen Vorfalls zu befragen. Eine solche Ermittlungshandlung ist keine gezielte Vollstreckungsmaßnahme im vorgenannten Sinne, sondern eine bloße nicht gegen den Verdächtigen erzwingbare Beschuldigtenvernehmung (vgl. –, NJW 1974, 1254, 1255; MüKoStGB/Bosch, 4. Aufl., § 113 Rdnr. 11). Tatsächlich unterfällt das Verhalten des Angeklagten dem Tatbestand des § 114 Abs. 1 StGB. Mit seinem Versuch, auf den diensthabenden Polizeibeamten einzuschlagen, hat der Angeklagte einen Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angegriffen; denn in jeder mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten zielenden Einwirkung liegt – unabhängig von ihrem Erfolg – ein Angriff im Sinne des § 114 Abs. 1 StGB (vgl. –, NJW 2020, 2347 f.). Eine einschränkende Auslegung des Begriffs des tätlichen Angriffs nach dessen Erheblichkeit war mit der Neufassung des § 114 StGB durch das Gesetz vom (BGBl. 2017 I 1226) trotz der erhöhten Strafandrohung dieser Vorschrift gegenüber der des § 113 Abs. 1 StGB gerade nicht verbunden (vgl. –, NJW 2020, 2347 f.; MüKoStGB/Bosch, 4. Aufl., § 114 Rdnr. 6).“
4Dem schließt sich der Senat an. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung ebensowenig entgegen wie das nur für die Rechtsfolgen geltende Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO. Es benachteiligt den Angeklagten nicht, dass das Landgericht die Strafe im Fall II.5 dem milderen Strafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB entnommen hat.
52. Die auch mit der Anlasslosigkeit der Tat begründete Strafe im Fall II.1 der Urteilsgründe erweist sich aus den sonstigen gewichtigen zumessungsrelevanten Umständen als angemessen (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:090823B6STR182.23.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-47738