Anforderungen an Anordnung einer lebenslangen Sperre für Erteilung einer Fahrerlaubnis
Gesetze: § 69a Abs 1 S 2 StGB
Instanzenzug: LG Mannheim Az: 7 KLs 712 Js 20701/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, räuberischer Erpressung, Urkundenfälschung sowie fahrlässiger Körperverletzung, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zudem hat es eine lebenslange Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. In den Fällen a) und b) unter II.3 der Urteilsgründe hält die konkurrenzrechtliche Bewertung als rechtlich selbständige Taten der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
3a) Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte, der nicht über eine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügte, am (Fall a) unter II.3) und am (Fall b) unter II.3) mit seinem Pkw der Marke BMW, an dem er zuvor von ihm Mitte Juni 2021 entwendete und für ein anderes Fahrzeug ausgestellte amtliche Kennzeichen angebracht hatte, im öffentlichen Straßenverkehr und verursachte im Zuge der Fahrt am – für ihn vorhersehbar und vermeidbar – einen Verkehrsunfall und hierdurch körperliche Verletzungen seines Beifahrers.
4Das Landgericht hat dieses Geschehen als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei tatmehrheitlichen Fällen, im Fall a) tateinheitlich mit Urkundenfälschung und im Fall b) tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung gewertet.
5b) Die konkurrenzrechtliche Wertung dieser Taten ist rechtsfehlerhaft. Das Geschehen ist als eine Tat der Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und fahrlässiger Körperverletzung zu werten. Nach den getroffenen Feststellungen ist es nicht ausgeschlossen und bei der Beurteilung der Konkurrenzen auch zu Gunsten des Angeklagten anzunehmen, dass er schon beim Anbringen der Kennzeichen den konkreten Vorsatz zu einer zeitnahen Mehrfachnutzung des Fahrzeugs mit den falschen Kennzeichen hatte. Das hat zur Folge, dass der in der Fahrzeugnutzung liegende mehrfache Gebrauch einer unechten Urkunde und deren vorangegangene Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bilden (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 8; Beschluss vom – 4 StR 354/16 Rn. 5; jeweils mwN). Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen weiterer, während der Fahrzeugnutzungen begangener Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung hat zudem zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße, die nicht schwerer wiegen, zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 629/16 Rn. 5; jeweils mwN). Der Umstand, dass der Angeklagte im Fall b) nach der in der Hauptverhandlung beschlossenen Verfahrensbeschränkung (§ 154a Abs. 2 StPO) nicht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden ist, vermag an dieser konkurrenzrechtlichen Bewertung nichts zu ändern (vgl. für Fälle der Klammerwirkung , juris Rn. 3; Beschluss vom – 5 StR 319/83, juris Rn. 4).
6c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab, wobei er aus Gründen der Übersichtlichkeit davon absieht, die zweifache Verwirklichung des Delikts des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG im Tenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. Rn. 10 mwN). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7d) Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der für den Fall a) unter II.3 verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe. Die Gesamtstrafe von sieben Jahren kann bestehen bleiben. Der Senat schließt angesichts der weiteren zwei Einzelfreiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten sowie von vier Jahren aus, dass das Landgericht ohne die entfallene Einzelstrafe auf eine niedrigere als die ohnehin sehr maßvolle Gesamtstrafe erkannt hätte.
82. Die Anordnung einer lebenslangen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Eine solche bedarf stets besonders sorgfältiger Prüfung und erschöpfender Begründung. Sie setzt voraus, dass eine Sperre von fünf Jahren zur Abwendung der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Bei charakterlichen Mängeln – wie vorliegend – kommt sie in der Regel nur bei Fällen schwerster Verkehrskriminalität in Betracht; so z.B. bei chronischer Trunkenheitsdelinquenz und sonstiger auf fest verwurzeltem Hang beruhender Verkehrsdelinquenz, bei mehreren Vorstrafen und mehrfacher Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. , BGHSt 15, 393, 398; , SVR 2019, 268, 269 f.; , NJW 2001, 3491, 3492; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 69a Rn. 22 a).
9Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Denn sie lassen schon nicht erkennen, ob sich das Landgericht der vorgenannten besonderen Begründungserfordernisse, die an die Verhängung einer lebenslangen Sperre gestellt werden, bewusst war. Auch fehlt eine solche eingehende Begründung. Das Urteil erschöpft sich in der Ausführung, dass wegen der seit Jahren eingeschliffenen und einer therapeutischen Einwirkung kaum zugänglichen dissozialen Einstellungs- und Verhaltensmuster des Angeklagten – auch in der anstehenden mehrjährigen Haftzeit – das Ende seiner fehlenden Eignung innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist einer zeitigen Sperre von fünf Jahren nicht absehbar und somit nicht zu erwarten sei, dass die Anordnung der gesetzlichen Höchstfrist zur Abwehr der von ihm drohenden Gefahren ausreichen werde. Indes hätte es angesichts fehlender erheblicher Vorverurteilungen des vergleichsweise jungen Angeklagten wegen Verkehrsdelikten sowie mangels wiederholter Entziehungen der Fahrerlaubnis insoweit näherer Ausführungen bedurft.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:180723B4STR42.23.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-46907