Instanzenzug: LG Duisburg Az: 32 KLs 29/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung und wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, eine nach Urteilserlass eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung sei mit einem Vollstreckungsabschlag in Höhe von sechs Monaten zu kompensieren. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II., Tatkomplex II 3.) der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist.
32. Der Schuldspruch ist demgemäß um einen Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu reduzieren. Zugleich kann die Bezeichnung des Handeltreibens als „unerlaubt“ entfallen, weil Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 180/23, juris Rn. 2; vom - 3 StR 378/22, NStZ-RR 2023, 78, 79; jeweils mwN).
43. Der Wegfall einer Einzelstrafe von einem Jahr lässt die Gesamtstrafe unberührt. Angesichts der Einsatzstrafe von einem Jahr und sieben Monaten Freiheitsstrafe sowie sechs weiterer Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne die weitere Einzelstrafe von einem Jahr eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
54. Es ist festzustellen, dass das Strafverfahren zwischen dem Erlass des Urteils und der Übersendung der Akten an das Revisionsgericht rechtsstaatswidrig verzögert worden ist. Dem Genugtuungsinteresse des Angeklagten wird mit dieser ausdrücklichen Feststellung hinreichend Rechnung getragen. Hierzu im Einzelnen:
6Unabhängig von der Frage, ob und unter welchen Umständen eine zwar nach Urteilserlass aber noch vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bereits auf die Sachrüge beachtlich sein kann oder mit einer den Anforderungen an eine Verfahrensrüge genügenden Beanstandung geltend gemacht werden muss (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 99/19, StV 2020, 838; vom - 2 StR 493/06, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 32 Rn. 11 f.; Urteile vom - 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21; vom - 4 StR 139/05, NStZ-RR 2006, 50; MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 46 Rn. 512 ff., SSW-StGB/Eschelbach, 5. Aufl., § 46 Rn. 177; jeweils mwN), ist hier den vorgetragenen sowie von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Verfahrenstatsachen keine über die Feststellung der Verfahrensverzögerung hinausgehende Notwendigkeit einer weitergehenden Kompensation zu entnehmen. Ein solcher Ausgleich durch Anordnung eines Vollstreckungsabschlags (vgl. BGH, Beschlüsse vom - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 Rn. 14 ff.; vom - 3 StR 50/07, NJW 2007, 3294) kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zur Kompensation bereits die ausdrückliche Feststellung genügt, etwa weil der Betroffene während der Verzögerung nicht inhaftiert war und auch sonst keine zusätzliche Belastung ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 551/11, NStZ 2012, 470; vom - 1 StR 363/09, NStZ-RR 2009, 339; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 46 Rn. 133 f.; jeweils mwN).
7So liegt der Fall hier. Der Zeitraum der Nichtförderung des Verfahrens durch das Landgericht beträgt ein Jahr und sechs Monate, so dass eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung allenfalls in diesem Umfang eingetreten sein kann. Hiervon bezeichnet selbst der Revisionsführer lediglich einen Zeitraum von dreizehn Monaten als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Wie die im Urteil festgestellten Haftzeiten belegen, befand sich der Angeklagte in diesem Verfahrensabschnitt nicht mehr in Untersuchungshaft; ihn besonders belastende Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich. Eine über die ausdrückliche Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hinausreichende Kompensation scheidet mithin aus.
85. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260723B3STR506.22.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-46906