Anforderungen an Prüfung der Spontanäußerung eines Angeklagten durch das Tatgericht
Gesetze: § 261 StPO
Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 3 KLs 5122 Js 42417/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Seine hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte am absichtlich das in seinem Eigentum stehende, aus einem Vorder- und einem Hinterhaus bestehende und von ihm allein bewohnte Wohnanwesen in Brand, indem er an insgesamt vier Stellen ‒ an jeweils zwei Stellen im Vorder- und im Hinterhaus ‒ einen Brand legte, der durch die von Dritten verständigte Feuerwehr gelöscht wurde.
II.
3Das Urteil kann nicht bestehen bleiben. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
41. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (§ 261 StPO). Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit setzt objektive Grundlagen voraus, die den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Diese Überzeugungsbildung muss deshalb auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen und erkennen lassen, dass die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen mehr als eine Annahme oder eine Vermutung sind, für die es an einer belastbaren Tatsachengrundlage fehlt und die daher nicht mehr als einen ‒ wenn auch schwerwiegenden ‒ Verdacht begründen (vgl. ‒ 2 StR 232/21 Rn. 27; Beschluss vom ‒ 4 StR 416/20 Rn. 11; Beschluss vom ‒ 2 StR 422/18 Rn. 8; Beschluss vom ‒ 2 StR 4/15 Rn. 8; Beschluss vom ‒ 5 StR 453/94 Rn. 8 mwN; Urteil vom ‒ 3 StR 204/80, NStZ 1981, 33). Dies ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (vgl. ‒ 2 StR 232/21 Rn. 27).
5Um dem Revisionsgericht die ihm obliegende Nachprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler (§ 337 StPO) zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle festgestellten Tatumstände und Beweisergebnisse, soweit sie für oder gegen den Angeklagten sprechen können oder beide Möglichkeiten zulassen, einer umfassenden und erschöpfenden Würdigung unterzogen hat (vgl. ‒ 3 StR 316/20 Rn. 12; Urteil vom ‒ 4 StR 434/16 Rn. 8).
62. Gemessen hieran halten die Beweiserwägungen zur Täterschaft des Angeklagten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie sind lückenhaft und zeigen letztlich nicht mehr als einen Verdacht auf.
7a) Seine Überzeugung von der Täterschaft des zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten hat das Landgericht maßgeblich auf eine Spontanäußerung gestützt. Im Rahmen einer informatorischen Befragung hatte der Angeklagte gegenüber einer in der Hauptverhandlung als Zeugin vernommenen Polizeibeamtin angegeben, sich im Hof seines Anwesens befunden zu haben, als er den Brand bemerkt habe; sonst sei niemand dort gewesen. Aus dieser Äußerung hat das Landgericht ohne nähere Begründung den Schluss gezogen, dass der Angeklagte die einzige Person gewesen sei, die sich im Zeitpunkt der absichtlichen Brandlegung vor Ort befand und daher allein als Täter in Betracht komme.
8b) Der Senat hat auf die Sachrüge ‒ eine Verfahrensrüge ist nicht erhoben ‒ nicht zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Verwertung einer spontanen selbstbelastenden Äußerung eines Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Selbstbelastungsfreiheit Grenzen gesetzt sind (vgl. ‒ 4 StR 170/09 Rn. 9; Urteil vom ‒ 3 StR 188/89 Rn. 6; Schneider NStZ 2017, 126, 130; Miebach NStZ 2000, 234, 240; siehe auch ‒ 3 StR 435/12, BGHSt 58, 301 Rn. 8 f.). Die Beweiserwägungen sind jedenfalls lückenhaft, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, dass das Tatgericht die Spontanäußerung einer kritischen Prüfung unterzogen hat. Eine Prüfung und eigenverantwortliche Würdigung und Bewertung der Spontanäußerung wäre hier aber insbesondere angesichts der festgestellten Verhaltens- und Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten unerlässlich gewesen.
9Weiterhin ist der vom Landgericht aus dieser Äußerung ersichtlich gezogene weitere Schluss, der Angeklagte sei bereits im Zeitpunkt der Brandlegung allein im Anwesen gewesen und komme daher als Einziger als Täter in Betracht, nicht näher begründet. Dieser Schluss lag unter Berücksichtigung der zum Brandgeschehen getroffenen rudimentären Feststellungen auch nicht ohne Weiteres auf der Hand. Feststellungen zum Zeitpunkt der Brandlegung und der Wahrnehmung bzw. der Entdeckung des Brandes durch den Angeklagten sind den Urteilsgründen auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht zu entnehmen. Anhaltspunkte für den Einsatz eines Brandbeschleunigers vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Bei dieser Sachlage versteht sich der tatgerichtliche Schluss, dass der Angeklagte schon im Zeitpunkt der Brandlegung allein dort gewesen sei und daher einzig als Täter in Betracht komme, nicht von selbst und hätte näherer Begründung bedurft. Hieran fehlt es.
10c) Diese Erörterungsmängel führen zur Urteilsaufhebung. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass die tatgerichtlichen Beweiserwägungen zur Täterschaft des Angeklagten auch im Übrigen unklar sind. Das Landgericht hat ausgeführt, dass der Angeklagte sich auf (weitere) Befragung zu möglichen Brandursachen (offene Kabel ‒ vergessener Backofen) geäußert und damit „nicht einmal seine mögliche Verursachung an dem Brandgeschehen“ bestritten habe; zugleich hat es seine „Einlassung“ als Schutzbehauptung gewertet. Der hierin liegende Widerspruch bleibt in den Urteilsgründen unaufgelöst.
11Die Sache bedarf daher umfassender neuer Verhandlung und Entscheidung.
III.
12Der Senat sieht Anlass zu folgenden Hinweisen:
13Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird Gelegenheit haben, genauer als bisher geschehen Feststellungen zum Eintritt des Taterfolgs im Sinne des § 306a Abs. 1 StGB zu treffen. Die nicht näher konkretisierte Feststellung, beide Wohnhäuser seien brandbedingt „erheblich beschädigt“ worden, belegt ein teilweises Zerstören im Sinne der Strafvorschrift (vgl. ‒ 4 StR 626/19 Rn. 6; Urteil vom ‒ 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14) auch unter Berücksichtigung der vage gehaltenen weiteren Feststellung, dass es in einem bzw. in allen Zimmern des Vorderhauses zu brandbedingtem Rußaufschlag gekommen sei, nicht zweifelsfrei.
14Weiterhin wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht ‒ sollte es wiederum zu der Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangen ‒ Feststellungen zu treffen haben, ob der Angeklagte, der zur Tatzeit Eigentümer und ‒ soweit ersichtlich ‒ einziger Bewohner des Hausanwesens gewesen ist, dieses trotz der Brandstiftung weiter als Wohnung benutzen wollte. Dies versteht sich nicht von selbst und hätte daher ausdrücklicher Feststellung bedurft. Denn regelmäßig ist mit dem Inbrandsetzen der Wille kundgetan, das Gebäude nicht mehr als Wohnung zu benutzen (vgl. ‒ 2 StR 594/19, NStZ-RR 2021, 48, 49; Beschluss vom ‒ 2 StR 381/04, NStZ-RR 2005, 76). Eine solche Entwidmung nimmt dem Tatobjekt aber die von § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorausgesetzte Zweckbestimmung.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:070623B4STR128.23.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-46849