Umsatzsteuer | Behandlung von Turnierpreisgeldern mit fremden Pferden (EuGH)
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen ist, dass die einheitliche Leistung des Inhabers eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von Pferden besteht, eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn der Eigentümer der Pferde diese Leistung durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme seiner Pferde zustehenden Anspruchs auf die gewonnenen Preisgelder vergütet ( "Finanzamt X").
Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2012 einen "Ausbildungsstall für Turnierpferde". Im Betrieb des Klägers wurden die ihm zur Verfügung gestellten Pferde professionell untergestellt und gepflegt, ausgebildet und auf Turnieren im In- und Ausland eingesetzt.
Mit den im Inland ansässigen Eigentümern der Pferde schloss der Kläger jeweils "Überlassungsverträge", nach denen diese ihre Pferde dem Kläger "zur Verfügung stellten". Der jeweilige Eigentümer verzichtete auf jegliches Weisungsrecht betreffend Training und Einsatz der Pferde. Weiter wurde vereinbart, dass der Eigentümer die Kosten für den Unterhalt, Turnier und Transportkosten, Hufschmied und Tierarzt der Pferde zu tragen hatte, während der Kläger die auf ihn als Reiter entfallenden Kosten für den Turniereinsatz (Fahrt, Flug und Hotelkosten, Spesen) zu übernehmen hatte.
Da Gewinngelder bei Pferdeturnieren allein dem Eigentümer der Pferde zustanden, wurde weiter vereinbart, dass der Kläger 50 % aller Geld- und Sachpreise, die er für den Eigentümer mit dessen Pferden gewinnt, erhalten sollte. Dabei trat der jeweilige Eigentümer seine zukünftigen Ansprüche gegen den jeweiligen Turnierveranstalter auf Auszahlung der Preise und auf Übertragung des Eigentums an Sachpreisen bereits mit dem Überlassungsvertrag zur Hälfte an den Kläger ab. Der Kläger war berechtigt, Zahlungsansprüche des Eigentümers mit Gegenforderungen zu verrechnen.
Die auf den Turnieren mit fremden Pferden erlangten Gewinne verrechnete der Kläger entsprechend den Vereinbarungen mit den Pferdeeigentümern.
Streitig war zum einen, ob die inländischen und ausländischen Turniererlöse mit fremden Pferden dem Regelsteuersatz unterliegen. Diese Frage hat das FG Münster unter Bezugnahme auf das "Baštová" bejaht ().
Streitig war nun noch die Frage, ob der Kläger gegenüber den Pferdeeigentümern Leistungen erbracht hat, die durch die hälftige Preisgeldabtretung als Entgelt vergütet wurden. In diesem Zusammenhang hat der BFH dem EuGH die Frage zur Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG in der Auslegung durch das EuGH-Urteil Baštová zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Inhaber eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde an den Pferdeeigentümer eine einheitliche Leistung auch insoweit gegen Entgelt erbringt, als der Pferdeeigentümer diese Leistung durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme zustehenden Anspruchs auf Preisgeld vergütet (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 25.11.2021 mit Anmerkung Heidner).
Diese Frage hat der EuGH bejaht:
Bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistung handelt es sich um eine einheitliche Leistung, die in der Unterbringung, dem Training und der Turnierteilnahme von Pferden besteht.
Zwischen den Leistungen des Klägers und der hälftigen Abtretung des Anspruchs auf die mit den Pferden bei Turnieren gewonnenen Preisgelder besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.
Zwar ist die Ungewissheit einer Vergütung geeignet, diesen unmittelbaren Zusammenhang aufzuheben. Jedoch hatte die Abtretung, die eine Vergütung darstellt und beim Abschluss der Verträge erfolgte, als solche einen wirtschaftlichen Wert.
Der dem Kläger für jedes Rennen tatsächlich überwiesene Betrag stand in Zusammenhang mit dem Ergebnis, das das Pferd eines bestimmten Eigentümers bei einem bestimmten Turnier erzielte. Die Abtretung als solche stand jedoch nicht in Zusammenhang mit diesem Ergebnis und damit auch nicht mit einem etwaigen Ergebnis der vom Kläger erbrachten Leistung, sondern mit dem bloßen Umstand, dass dieser eine in dem Vertrag vorgesehene Gesamtheit von Leistungen erbrachte.
Die Abtretung stell eine Vergütung dar, die im Voraus und nach genau festgelegten Kriterien bestimmt wurde, wodurch für den Kläger gewährleistet war, dass er den Betrag vorhersehen konnte, auf den er bei einem Sieg oder einer erfolgreichen Platzierung des Pferdes in einem Turnier Anspruch haben würde, ohne dass insoweit das Eintreten eines solchen Ereignisses maßgeblich wäre.
Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht ein unmittelbarer Zusammenhang, wenn sich zwei Leistungen gegenseitig bedingen, d.h., wenn die eine Leistung nur unter der Voraussetzung erbracht wird, dass auch die andere Leistung erfolgt, und umgekehrt (, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die zwischen dem Kläger und den Pferdeeigentümern geschlossenen Verträge systematisch die Vergütung des Klägers im Wege einer hälftigen Abtretung des Anspruchs auf die mit den Pferden bei Turnieren gewonnenen Preisgelder vorsahen, unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme eines jeden Pferdes an einem bestimmten Turnier oder der Häufigkeit dieser Teilnahme. Unter diesen Umständen stellt diese Abtretung einen wesentlichen Bestandteil der genannten Verträge dar, von dem der Kläger die Erbringung seiner einheitlichen Leistung, nämlich der Gesamtheit der Dienstleistungen, aus denen sich diese zusammensetzte - und nicht die Erbringung allein der Leistung, die in der Turnierteilnahme der Pferde bestand -, abhängig machte.
Danach ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die einheitliche Leistung des Inhabers eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von Pferden besteht, eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn der Eigentümer der Pferde diese Leistung durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme seiner Pferde zustehenden Anspruchs auf die gewonnenen Preisgelder vergütet.
Quelle: ; veröffentlicht auf der Homepage des EuGH (il)
Fundstelle(n):
AAAAJ-46796