BGH Beschluss v. - IV ZB 3/23

Instanzenzug: Az: 19 U 26/22vorgehend Az: 23 O 237/20

Gründe

1I. Das Landgericht hat den im Wege einer Stufenklage in Anspruch genommenen Beklagten verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, welche Unterlagen er im Rahmen der Ausübung seines Amtes als Testamentsvollstrecker "erhalten und aus dessen Besorgung erlangt" hat. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

2II. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, das vom Beklagten eingelegte Rechtsmittel sei unzulässig, da die Beschwer des Beklagten 600 € nicht übersteige und das Landgericht die Berufung nicht zugelassen habe (§ 511 Abs. 2 ZPO). Abzustellen sei bei der Bemessung der Beschwer auf den Aufwand an Zeit und Kosten, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordere. Dabei sei grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufliche Leistung erbringe noch einen Verdienstausfall erleide. Weil die letztgenannten Ausnahmen hier nicht vorgetragen seien, sei der Berechnung der Beschwer ein Stundensatz von 4 € zugrunde zu legen. Zudem beziehe sich die ausgeurteilte Auskunftsverpflichtung erkennbar nur auf solche Unterlagen, die noch nicht an den Kläger übergeben worden seien, und umfasse deshalb lediglich die Sichtung von 42 Aktenordnern. Ausgehend von dem auch durch den Beklagten angesetzten zeitlichen Aufwand von einer Stunde je Ordner ergebe sich unter Einrechnung eines Aufschlags für Papier und Postkosten ein Gesamtaufwand von nicht mehr als 190 €.

3III. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO und § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber im Übrigen nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt weder den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zudem nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) erforderlich und die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die sich hier in Zusammenhang mit der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei Verurteilung zu einer Auskunft im Rahmen einer Stufenklage stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.

42. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

5a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Fall der Verurteilung zu einer Auskunft bei einer Stufenklage für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelklägers maßgeblich ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen (, MDR 2022, 54 Rn. 26). Hierbei kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 5; vom - IV ZB 21/15, juris Rn. 9). Zur Bewertung des Zeitaufwandes ist auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (im Folgenden: JVEG) zurückzugreifen (, MDR 2022, 54 Rn. 27; Senatsbeschluss vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 8), wenn nicht vom Rechtsmittelführer dargelegt ist, mit der Erteilung der Auskunft entgingen ihm bestimmte berufliche Einkünfte oder die Auskunftserteilung stelle eine berufstypische Leistung dar, so dass der Zeitaufwand nach der Vergütung zu bestimmen ist, die er sonst verlangen könnte (zu diesen Ausnahmen vgl. aaO Rn. 27; vgl. auch Senatsbeschluss vom - IV ZR 28/03 NJW-RR 2004, 724 [juris Rn. 12]).

6b) Soweit das Rechtsmittelinteresse - wie hier - gemäß den §§ 2, 3 ZPO festzusetzen ist, kann die Bewertung durch das Berufungsgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Berufungsgericht maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht festgestellt hat (Senatsbeschluss vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 5 f., vgl. auch , MDR 2022, 54 Rn. 23).

7c) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und ohne Überschreitung der dem Tatrichter gezogenen Grenzen einen 600 € nicht übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstandes angenommen. Den Angriffen der Rechtsbeschwerde hält insbesondere stand, dass das Berufungsgericht bei der Wertberechnung nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG, also 4 € je Stunde, zugrunde gelegt hat.

8Nicht in seine Erwägungen einbeziehen musste das Berufungsgericht hier, ob unabhängig von den Regelungen des JVEG ein über 600 € liegender Wert des Beschwerdegegenstandes schon deshalb in Betracht kommt, weil dem Beklagten - verursacht durch den für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Zeitaufwand - bestimmte berufliche Einkünfte entgehen (vgl. hierzu , MDR 2022, 54 Rn. 27). Auf solche Einkünfte, die von ihm konkret anzugeben gewesen wären ( aaO), hat sich der Beklagte nicht bezogen. Ein Verdienstausfall ergibt sich insbesondere nicht ohne Weiteres schon aus einer selbständigen Tätigkeit (Senatsbeschluss vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 8). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kommt es deshalb weder auf die berufliche Stellung des Beklagten als Rechtsanwalt und Steuerberater noch auf die Funktion als Testamentsvollstrecker an.

9Bei der durch das Landgericht ausgeurteilten Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft über die im Rahmen der Testamentsvollstreckung erhaltenen Unterlagen handelt es sich zudem nicht um eine berufstypische Leistung, so dass auch aus diesem Grund hier nicht in Betracht kam, den Zeitaufwand des Beklagten danach zu bewerten, welche Vergütung er ansonsten verlangen könnte (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom - IV ZR 28/03, NJW-RR 2004, 724 [juris Rn. 12]).

10Ein Fehlgebrauch des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens lässt sich schließlich auch nicht feststellen, soweit das Berufungsgericht der Auffassung des Beklagten, bei der Bemessung des Beschwerdewertes sei auf der Grundlage von § 22 JVEG ein Verdienstausfall von 25 € je Stunde in Ansatz zu bringen, mit der Erwägung entgegengetreten ist, ihm sei es ohne weiteres möglich, die für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Arbeiten in seiner Freizeit zu erledigen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist hiervon im Grundsatz auszugehen (, MDR 2022, 54 Rn. 28; vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 7). Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung davon behauptet, dass ihm eine Auskunftserteilung in der Freizeit nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen ( aaO). Solche konkreten Umstände hat der Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere verfängt auch insoweit nicht der allgemeine Hinweis des Beklagten auf seine selbständige Tätigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 8). Der von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang geltend gemachte Gehörsverstoß liegt schon deshalb nicht vor, weil sich das Berufungsgericht eingehend und unter Abgrenzung zu der von dem Beklagten zitierten Rechtsprechung mit der in der Berufungsbegründung aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt hat, ob es hier angesichts der selbständigen Tätigkeit des Beklagten bei dem Grundsatz verbleibt, ohne Darlegung besonderer Umstände sei auch für ihn als Selbständigen eine Erbringung der Auskunftserteilung in der Freizeit möglich. Von einer weiteren Begründung wird gemäß §§ 577 Abs. 6 Satz 2, 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

11d) Zu Recht nimmt die Rechtsbeschwerde die weitere Erwägung des Berufungsgerichts hin, eine Auslegung des Tenors der landgerichtlichen Entscheidung anhand der Entscheidungsgründe ergebe, dass sich die Auskunftsverpflichtung nur auf den Inhalt der 42 Aktenordner beziehe, die dem Kläger noch nicht ausgehändigt worden sind (zur Auslegung des Tenors im Lichte der Entscheidungsgründe vgl. , juris Rn. 6). Ein Überschreiten des dem Tatrichter bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes eingeräumten Ermessens lässt sich insoweit ebenso wenig feststellen wie hinsichtlich der Auffassung des Berufungsgerichts, für die Notwendigkeit der Hinzuziehung von Hilfspersonen fehle substantieller Vortrag (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom - IV ZB 34/19, juris Rn. 9).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190723BIVZB3.23.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-46532