BGH Beschluss v. - 3 StR 151/23

Gesetze: § 68b Abs 1 S 1 Nr 10 StGB, § 145a S 1 StGB

Instanzenzug: LG Trier Az: 8142 Js 28272/20 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei Fällen, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einer hieraus resultierenden Schuldspruchänderung (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO - mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO - aus prozessökonomischen Gründen, insbesondere zur Vermeidung einer erneuten tatgerichtlichen Hauptverhandlung, ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe eines Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB für schuldig befunden worden ist.

3Diesem Schuldspruch liegt zu Grunde, dass der einen Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum aufweisende und gemäß § 67d Abs. 5 Satz 2 StGB unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte entgegen einer ihm nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB erteilten Weisung, keinen Alkohol zu konsumieren, am in einer Gaststätte alkoholhaltiges Bier trank. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht stößt auf rechtliche Bedenken in zweierlei Hinsicht:

4a) Zum einen lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob der Führungsaufsichtsbeschluss einen (eindeutigen) schriftlichen Hinweis darauf enthält, dass ein Verstoß gegen die Abstinenzweisung nach § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist. Der Führungsaufsichtsbeschluss wird im Urteil, anders als es sich zumindest dringend empfiehlt, nicht (im Wortlaut) mitgeteilt. Ein solcher unmissverständlicher Hinweis im Führungsaufsichtsbeschluss ist jedoch erforderlich, damit dieser in Ausfüllung des Blankettstraftatbestandes des § 145a Satz 1 StGB die Strafbarkeit eines Weisungsverstoßes begründen kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 312/22, juris Rn. 17; vom - 3 StR 50/21, juris Rn. 3; vom - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45). Eine Information über die Strafbarkeit von Weisungsverstößen allein im Rahmen einer (mündlichen) Belehrung über die Führungsaufsicht nach § 268a Abs. 3 Satz 2 StPO beziehungsweise §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO genügt nicht (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 312/22, juris Rn. 17; vom - 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733 Rn. 11; Urteil vom - 3 StR 287/19, NStZ-RR 2021, 44, 45).

5b) Zum anderen bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abstinenzweisung, weil die Urteilsfeststellungen nahelegen, dass der Angeklagte alkoholkrank ist. Die Rechtmäßigkeit einer strafbewehrten Weisung nach § 68 Abs. 1 StGB ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit; sie muss sich daher aus den Urteilsgründen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise erkennen lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 590/19, NStZ 2020, 480 Rn. 4; vom - 2 StR 512/15, BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2 Rn. 8; vom - 5 StR 275/15, BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 5; Urteil vom - 3 StR 486/12, BGHSt 58, 136, 138). Zwar ist eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber Alkoholabhängigen nicht ausnahmslos unzulässig; vielfach aber stellt sie unzumutbare Anforderungen an den Betroffenen, sofern dieser aufgrund einer Suchterkrankung seinem Konsumverlangen nicht widerstehen kann. In einer solchen Konstellation ist eine Weisung während der Führungsaufsicht, keine Alkoholika zu konsumieren, wenn auch nicht stets, so aber doch in der Regel unverhältnismäßig (vgl. , NJW 2016, 2170 Rn. 25 f.; , juris Rn. 9 mwN; , juris Rn. 18). Ob ein solcher Fall hier vorliegt, lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht überprüfen.

62. Die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO führt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zum Entfallen der Verurteilung nach § 145a Satz 1 StGB wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht und der für diese Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bleibt davon unberührt. Angesichts der Anzahl und jeweiligen Höhe der übrigen Einzelstrafen ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne die entfallende Einzelstrafe auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

73. Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht rechtsfehlerfrei abgesehen. Da eine durch eine Vorverurteilung angeordnete und zum Zeitpunkt des hiesigen Urteils noch nicht lange zurückliegende frühere Unterbringung gemäß § 64 StGB bereits nach kurzer Zeit wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft des Angeklagten für erledigt erklärt werden musste (§ 67d Abs. 5 Satz 1 StGB) und keine Hinweise auf eine jetzige Therapiemotivation des Angeklagten erkennbar gewesen sind, hat die Strafkammer tragfähig die Erfolgsaussicht einer neuerlichen Maßregelanordnung verneint.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280623B3STR151.23.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-46442