Gründe
1Die Jugendschöffenrichter der Amtsgerichte Offenburg und Ellwangen streiten über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung in einer Jugendstrafsache.
21. Die Staatsanwaltschaft Offenburg hat gegen den heute 21-jährigen am 24. Juni und am Anklagen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln erhoben. Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Offenburg hat beide Verfahren verbunden und mit Beschluss vom die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Zu einem für den anberaumten Hauptverhandlungstermin ist der Angeklagte nicht erschienen, die Ladung für einen neuen Hauptverhandlungstermin am konnte nicht zugestellt werden. Nach Bekanntwerden einer neuen Meldeanschrift in B. hat das Amtsgericht Offenburg das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Offenburg durch Beschluss vom ohne weitere Begründung an das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Ellwangen (Jagst) abgegeben. Das Amtsgericht Ellwangen (Jagst) hat Bedenken gegen die Abgabe und hat das Verfahren deshalb mit Beschluss vom dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
32. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung des zwischen den Jugendgerichten bestehenden Zuständigkeitsstreit gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG als gemeinschaftliches oberes Gericht berufen, weil die Amtsgerichte Offenburg (OLG-Bezirk Karlsruhe) und Ellwangen (OLG-Bezirk Stuttgart) in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte liegen.
43. Für die Verhandlung und Entscheidung der Sache ist das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Offenburg zuständig.
5Die Voraussetzungen für eine Abgabe gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG liegen nicht vor.
6Der nicht mit einer näheren Begründung versehene Abgabebeschluss lässt bereits nicht erkennen, ob sich die Jugendrichterin bewusst gewesen ist, dass eine Abgabeentscheidung gemäß § 42 Abs. 3 JGG im pflichtgemäßen Ermessen steht und deshalb einer sachlichen Begründung bedarf (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 ARs 25/23 mwN).
7Abgesehen davon, dass schon unklar ist, ob der Angeklagte seinen Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Offenburg nicht bereits vor der Anklageerhebung gewechselt hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom – 2 ARs 257/09 und vom – 2 ARs 70/18) kommt eine Abgabe des Verfahrens nur dann in Betracht, wenn sie zweckmäßig ist. Hingegen ist von einer Abgabe abzusehen, wenn diese – wie hier – keine sachlichen Vorteile für das Verfahren bringt und nur zu dessen Verzögerung führt.
8Die Jugendschöffenrichterin in Offenburg, wo das Verfahren seit bereits drei Jahren anhängig ist, ist bereits mit der Sache vertraut, während der Jugendschöffenrichter in Ellwangen sich zunächst noch einarbeiten müsste. Zudem müssten nicht nur mehrere Zeugen sondern auch der Pflichtverteidiger aus L. statt nach Offenburg in das wesentlich weiter entfernte Ellwangen anreisen. Schließlich erscheint es angesichts der häufigen Ortswechsel des mittlerweile erwachsenen Angeklagten ohnehin nicht gesichert, ob er sich derzeit – und gegebenenfalls wie lange noch – im Amtsgerichtsbezirk Ellwangen aufhält. Zur Vermeidung wiederholter Abgaben ist es daher zweckmäßig, das Verfahren in der Zuständigkeit des Amtsgerichts Offenburg zu belassen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010823B2ARS255.23.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-46033