BGH Urteil v. - VIa ZR 1042/22

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 34/22vorgehend LG Osnabrück Az: 2 O 1947/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb am bei einem Händler einen neuen VW Tiguan Track & Style 4Motion 2,0 l TDI zum Preis von 37.500,01 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, der über eine Motorsteuerungssoftware in Form einer sogenannten "Umschaltlogik" verfügte. Die Software wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt und vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet. Die Beklagte entwickelte ein Software-Update mit einem sogenannten "Thermofenster", das auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielt wurde.

3Mit seiner am anhängig gemachten und der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, den Ersatz von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Prozesszinsen und die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagte zur Zahlung von 20.215,13 € nebst Prozesszinsen seit dem und aus 20.877,57 € vom bis zum Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs sowie zum Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Mit ihrer vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des ersten Klageantrags in Höhe eines Betrags von mehr als 14.590,12 € nebst Prozesszinsen seit dem und aus mehr als 15.252,56 € für die Zeit vom bis zum Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs sowie hinsichtlich der weiteren Klageanträge zu ihrem Nachteil erkannt hat.

Gründe

5Die Revision der Beklagten hat im Umfang des beschränkten Rechtsmittelangriffs Erfolg.

I.

6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, wie folgt begründet:

7Der Kläger habe gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens des mit der Umschaltlogik ausgestatteten Fahrzeugs aus § 826 BGB einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 17.284,88 €, mithin auf Zahlung von 20.215,13 €. Ob dieser Anspruch bei Einreichung der Klage verjährt gewesen sei, könne offenbleiben, weil dem Kläger nach § 852 Satz 1 BGB ein unverjährter Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe zustehe. Aufgrund der Bestellung des Neufahrzeugs durch den Kläger habe die Beklagte auf seine Kosten den Kaufpreis abzüglich einer Händlermarge von 15 %, also einen Betrag von 31.875 € erlangt. Da dieser Betrag die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Klägers aus § 826 BGB übersteige, sei sein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB auf den Betrag von 20.215,13 € begrenzt.

8Der Kläger habe einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, dessen Höhe sich nach dem ihm im Zeitpunkt der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung zustehenden Restschadensersatz bemesse. Die Beklagte befinde sich in Annahmeverzug, weil der Kläger ihr das Fahrzeug mit dem Berufungsantrag ordnungsgemäß angeboten habe.

II.

9Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in maßgeblichen Punkten nicht stand.

101. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts kann der Kläger von der Beklagten wegen der Implementierung der Umschaltlogik die Zahlung nicht von 20.215,13 €, sondern lediglich von 14.590,12 € Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs verlangen.

11a) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Annahme des Berufungsgerichts, es könne dahinstehen, ob der Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB verjährt sei, weil diesem nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB ein Anspruch in gleicher Höhe zustehe. Das Berufungsgericht hat die Höhe des Restschadensersatzanspruchs unzutreffend bestimmt, weil es verkannt hat, dass der - den Endkaufpreis unterschreitende - Händlereinkaufspreis nicht lediglich als Vergleichsgröße dient, sondern von ihm nach dem auch für den Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB geltenden Grundsatz der Vorteilsausgleichung die vom Kläger gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen sind (vgl. VIa ZR 57/21, NJW-RR 2022, 850 Rn. 16) und sich der Restschadensersatzanspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB daher auf einen geringeren Betrag als der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB beläuft.

12b) Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist entscheidungserheblich. Der auf die Erstattung des Endkaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gerichtete, vom Berufungsgericht mit einem Betrag von 20.215,13 € bemessene Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB ist nach § 214 Abs. 1 BGB nicht durchsetzbar, weil die Beklagte ihm die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB wegen grob fahrlässiger Unkenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB mit dem Schluss des Jahres 2016 begonnen (vgl. , VersR 2022, 1039 Rn. 25 ff.) und daher mit Ablauf des Jahres 2019 geendet. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wegen des Einbaus der Umschaltlogik nach anderen deliktsrechtlichen Bestimmungen wäre ebenfalls mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt (vgl. VIa ZR 680/21, NJW-RR 2022, 1251 Rn. 25 ff.).

13c) Aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB ergibt sich ein Restschadensersatzanspruch des Klägers in Höhe eines Betrags von lediglich 14.590,12 €. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Restschadensersatzanspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu, ist aufgrund des beschränkten Revisionsangriffs einer Überprüfung entzogen (vgl. VIa ZR 589/21, juris Rn. 7 mwN). Auf der Grundlage der unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts zu der Händlermarge und den vom Kläger gezogenen Nutzungen sind von dem ermittelten Händlereinkaufspreis in Höhe von 31.875 € im Wege der Vorteilsausgleichung die nach § 287 ZPO auf 17.284,88 € geschätzten Nutzungsvorteile des Klägers in Abzug zu bringen. Der Restschadensersatzanspruch des Klägers beläuft sich daher entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht auf 20.215,13 €, sondern nur auf 14.590,12 €. Dementsprechend hat das Berufungsgericht dem Kläger aus zu hohen Beträgen Prozesszinsen zuerkannt.

142. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne von der Beklagten mit Blick auf den Einbau der Umschaltlogik die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen verlangen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt ein solcher Anspruch nicht aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB, weil die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers nicht zu einem Vermögensvorteil der Beklagten geführt haben (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 77). Soweit der Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB die Kosten der Rechtsverfolgung erfasst, ist er ebenfalls verjährt (vgl. aaO, Rn. 74 ff.). Die Beklagte ist auch nicht aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs zum Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers verpflichtet. Dass sie sich bereits vor der Beauftragung der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers in Verzug befunden hätte (vgl. aaO, Rn. 78), ist nicht ersichtlich und wird von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht.

153. Der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte befinde sich mit der Annahme des mit der Umschaltlogik versehenen Fahrzeugs in Verzug. In dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (, NJW 2020, 2806 Rn. 30; Urteil vom - VI ZR 130/20, VersR 2021, 1178 Rn. 16), hat der Kläger sein wörtliches Angebot zur Übereignung des Fahrzeugs an die Bedingung der Erstattung des gezahlten Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung - statt an die lediglich durchsetzbare Bedingung der Erstattung des geringeren Händlereinkaufspreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung - und daher an die Zahlung eines deutlich überhöhten Betrags geknüpft.

III.

16Das Berufungsurteil ist daher im Umfang des Revisionsangriffs aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Dem Kläger steht wegen des im Zuge des Software-Updates installierten Thermofensters kein unverjährter Anspruch auf großen Schadensersatz in einer den Betrag von 14.590,12 € übersteigenden Höhe zu. Selbst wenn es sich bei dem Thermofenster um eine einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch des Klägers auslösende unzulässige Abschalteinrichtung handelte, rechtfertigte sein nachträgliches Aufspielen nicht die begehrte Befreiung von der mit dem Kaufvertrag zuvor eingegangenen ungewollten Verpflichtung beziehungsweise den Ersatz der in deren Erfüllung aufgewendeten Geldmittel (vgl. , VersR 2023, 341 Rn. 18; Urteil vom - VI ZR 934/20, VersR 2022, 852 Rn. 14; Beschluss vom - VIa ZR 230/22, juris Rn. 17).

IV.

17Da die Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang des Revisionsangriffs nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

18Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger auf den ihm nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB zustehenden Restschadensersatz gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Prozesszinsen aus 15.252,56 € vom bis zum und aus 14.590,12 € seit dem verlangen kann. Ihm stand bei Eintritt der Rechtshängigkeit ein Betrag von 15.915 € (Händlereinkaufspreis von 31.875 € abzüglich der vom Berufungsgericht unbeanstandet auf damals 15.960 € geschätzten Nutzungsentschädigung) zu. Der - auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Kilometerstands im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung und der von ihm unbeanstandet angenommenen gleichmäßigen Fahrleistung seit Rechtshängigkeit - zu verzinsende Mittelwert beläuft sich danach auf 15.252,56 €.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:030723UVIAZR1042.22.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-45891