BVerwG Urteil v. - 4 A 11/21

Tatbestand

1Die Klägerinnen wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.

2Gegenstand des von der Bezirksregierung Münster unter dem erlassenen Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen im Abschnitt Pkt. Nordvelen - Pkt. Legden Süd. Vorhabenträgerin ist die Beigeladene. Das Vorhaben ist Teil des in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 1 EnLAG unter Nr. 5 aufgeführten Vorhabens "Neubau Höchstspannungsleitung Dörpen/West - Niederrhein, Nennspannung 380 kV", das in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnLAG als Pilotvorhaben für den Einsatz von Erdkabeln benannt wird.

3Der ausschließlich als Freileitung geplante, 15,3 km lange Abschnitt soll in weiten Teilen als Ersatzneubau in der bestehenden Trasse einer 220-kV-Freileitung (Bl. 2304) zwischen dem vorhandenen Mast 77 und dem Mast 114B umgesetzt werden. Im Bereich der Ortslage der Stadt Gescher verlässt die geplante Leitung den Trassenraum der alten Leitung auf einer Länge von 2,6 km. Die Leitung wird über 3,2 km von Mast 89 bis Mast 96A in Richtung Nordwesten verschwenkt, wodurch insbesondere ein bislang überspanntes Gewerbegebiet umgangen wird. Ab dem Mast 89 wendet sich die Leitung nach Norden, verläuft zwischen den Masten 89 und 92 auf einer Strecke von ca. 1 km westlich entlang der Landstraße L 608, wobei sie neben landwirtschaftlichen Flächen auch ein Waldstück quert. Die Straße wird nach Mast 92 mit einer Verschwenkung in östliche Richtung überspannt. Zwischen den Masten 92 und 96A wendet die Leitung sich mehrmals leicht in östliche Richtung und verläuft größtenteils über Ackerflächen und Grünland. Nach Mast 95 quert sie das FFH-Gebiet "Berkel" (DE 4008-301), das sich dort teilweise mit dem Naturschutzgebiet "Berkelaue" deckt, und nutzt ab Mast 96A wieder den vorhandenen Trassenraum der Bl. 2304.

4Die landwirtschaftlichen Anwesen der Klägerinnen liegen jeweils nordwestlich der Antragstrasse, das der Klägerin zu 1 im Bereich von Mast X und Mast Y, das der Klägerin zu 2 bei Mast Z. Grundstücke der Klägerinnen werden für Maststandorte, für Schutzstreifen sowie für temporäre Arbeitsflächen und Zuwegungen in Anspruch genommen.

5Die Klägerinnen, die sich bereits im Planfeststellungsverfahren gegen das Vorhaben gewandt und sich für die Nutzung der Bestandstrasse oder eine Erdverkabelung ausgesprochen hatten, haben am Klage erhoben. Die Klägerin zu 1 beklagt die Erschwerung ihrer im Nebenerwerb betriebenen Landwirtschaft. Die Klägerin zu 2 sieht sich insbesondere durch die Überspannung ihres Waldstücks beeinträchtigt. Beide Klägerinnen weisen darauf hin, dass die Wohnqualität leide. Sie machen geltend, der Planfeststellungsbeschluss sei verfahrensfehlerhaft erlassen worden. Er verstoße auch gegen Bestimmungen des Artenschutz- und des Habitatrechts, und die Abwägung zugunsten einer Umgehung der Ortslage Gescher als Freileitung anstelle eines Erdkabels sei fehlerhaft.

6Auf den Antrag der Klägerinnen hat der Senat mit Beschluss vom - 4 VR 3.21 - die aufschiebende Wirkung der Klagen in Bezug auf die Westumgehung Gescher wegen Mängeln der FFH-Vorprüfung für das FFH-Gebiet Berkel angeordnet. Die Planfeststellungsbehörde hat daraufhin auf Antrag der Beigeladenen ein ergänzendes Verfahren durchgeführt und unter dem einen Planergänzungsbeschluss erlassen.

7Auch hiergegen wenden sich die Klägerinnen und machen neben Verfahrensfehlern wiederum Verstöße gegen materielles Recht geltend.

8Die Klägerinnen beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Nordvelen - Pkt. Legden Süd in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom aufzuheben,

hilfsweise

festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,

äußerst hilfsweise,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom zu verpflichten, Ansprüche der Klägerinnen aus ihren Rechten als eigentumsbetroffene Dritte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

9Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Klagen abzuweisen.

10Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

Gründe

11Die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss, dem der Planergänzungsbeschluss angewachsen ist ( 9 A 1.13 - BVerwGE 150, 92 Rn. 14), sind zulässig, aber nicht begründet.

12Die Klägerinnen können eine Verletzung ihres Eigentumsrechts geltend machen. Als enteignungsbetroffenen Grundstückseigentümerinnen stehen ihnen ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) zu, soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke kausal ist ( 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24, vom - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 12 und vom - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff., 34 ff.).

13Die Klägerinnen können aber weder die (Teil-)Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses noch die Feststellung seiner (Teil-)Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder die höchst hilfsweise begehrte Neubescheidung verlangen. Denn der Planfeststellungsbeschluss verletzt - nach Maßgabe des durch den gemäß § 6 Satz 1 UmwRG fristgerechten und den Anforderungen des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO genügenden Vortrag bestimmten Prozessstoffs ( 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 12 und vom - 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 11 ff.) - die Klägerinnen nicht in ihren Rechten; er ist auch nicht um Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten zu ergänzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

14A. Der Planfeststellungsbehörde sind weder vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch im Planergänzungsverfahren beachtliche Verfahrensfehler unterlaufen.

151. Die gerügten Mängel bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses führen nicht auf einen beachtlichen Verfahrensfehler.

16a) Die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung vom hat zwar den Anforderungen des § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG i. V. m. § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG in der bis zum geltenden Fassung vom - UVPG a. F. - nicht entsprochen. Die Vorschrift verpflichtet die zuständige Behörde, die Öffentlichkeit zu Beginn des Beteiligungsverfahrens darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG a. F. vorgelegt wurden. Damit ist eine vollständige Auflistung aller vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen nicht gefordert; es genügt schon ein aussagekräftiger Überblick (vgl. zuletzt 9 A 1.21 - UPR 2023, 103 Rn. 22 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 176, 94>). Auch auf solche Angaben hat die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage damals geltender Verwaltungsvorschriften allerdings verzichtet. Der damit vorliegende relative Verfahrensfehler (§ 4 Abs. 1a UmwRG), der entgegen der Auffassung der Klägerinnen als solcher und nicht in einer Zusammenschau mit anderen vermeintlichen Erschwernissen im Verfahren zu betrachten ist, erweist sich aber als unbeachtlich; er hat sich nach Überzeugung des Senats nicht auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt (vgl. dazu 4 A 13.18 - juris Rn. 24 ff.). Die zahlreich erhobenen Einwendungen belegen, dass die Auslegung die Öffentlichkeit erreicht hat; auch auf dieser Grundlage ist die Betroffenheit der Umweltgüter im Verfahren ausgiebig diskutiert worden. Es kann folglich ausgeschlossen werden, dass eine genauere Benennung von Unterlagen in der ersten Bekanntmachung zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätte führen können; dies umso mehr, als die Öffentlichkeit in der Folgezeit nochmals beteiligt worden ist.

17b) Ein Fehler der Bekanntmachung vom (1. Planänderung) wegen des unterbliebenen Hinweises auf das Rechteverzeichnis liegt nicht vor. Denn dabei handelt es sich nicht um eine entscheidungserhebliche Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens gemäß § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a. F. i. V. m. § 6 UVPG a. F.

18c) Die Bekanntmachung der Auslegung der Unterlagen zur 2. Planänderung im März 2021 genügt den Anforderungen, die sich aus dem Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie - Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) - vom (BGBl. I S. 1041) i. d. F. des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 353) ergeben.

19aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 (i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 9, § 6 Abs. 1 Satz 1) PlanSiG ist in der Bekanntmachung der Auslegung darauf hinzuweisen, dass und wo die Veröffentlichung im Internet erfolgt. Dem hat die Bekanntmachung sowohl seitens der Bezirksregierung im Amtsblatt vom und in drei Lokalzeitungen als auch die ortsübliche Bekanntmachung durch die Städte und Gemeinden - so durch die Stadt Gescher unter dem -, in denen die Unterlagen ebenfalls auslagen, entsprochen. Darin ist übereinstimmend darauf hingewiesen worden, dass die Unterlagen auf der Internetseite der Bezirksregierung Münster unter "www.brms.nrw.de/go/verfahren -> Planfeststellungsverfahren Energieversorgung / Planfeststellung Energieleitungen - Stichwort: 380-kV-Höchstspannungsfreileitung" zur allgemeinen Einsicht zur Verfügung stehen.

20Aus dem Gesetzeswortlaut folgt nicht, dass die Internetseite, auf der die betreffenden Unterlagen unmittelbar zur Verfügung gestellt werden, mit ihrer vollständigen Adresse (URL) angegeben werden müsste (so wohl Dammert/Brückner, DVBl 2021, 91 <92>); dies wäre gerade bei mehreren Unterlagen wegen der je nach Aufbau einer Webseite oftmals beachtlichen Länge und Komplexität solcher Adressen (Zeichenfolgen) im Übrigen auch nicht hilfreich. Vielmehr ist die Angabe der übergeordneten Internetseite ausreichend, wenn hierüber die Zugänglichkeit in leicht erkennbarer und einfacher Weise, d. h. über Seitennavigationselemente mit wenigen Mausclicks, gewährleistet ist (vgl. Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 27a Rn. 15; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 27a Rn. 52; Schneider, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwVfG, Stand August 2022, § 27a Rn. 18). Diesen Anforderungen ist Genüge getan.

21Zwar deckt sich der Verweis in der Bekanntmachung auf eine Kategorie "Planfeststellungsverfahren Energieversorgung / Planfeststellung Energieleitungen" nicht vollständig mit der - nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten - damals verwendeten Kategorie "Energieversorgung / Planfeststellung Energieleitungen". Aber auch mit dieser Angabe ist der Auffindeort noch hinreichend deutlich bezeichnet. Es ist nicht ersichtlich, dass ein interessierter Bürger sich durch die lediglich geringfügige Abweichung in die Irre führen und sich von einer naheliegenden und sinnvollen Suche nach den einschlägigen Inhalten in einem gegliederten Internet-Auftritt abhalten ließe.

22bb) Schließlich ist die Bekanntmachung nicht wegen des Hinweises auf die verschiedenen Möglichkeiten der Erhebung von Einwendungen widersprüchlich und rechtswidrig. Der Bekanntmachungstext benennt für die Erhebung von Einwendungen, was nach der allgemeinen Regelung des § 43 Abs. 4 und 5 EnWG i. V. m. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde zu geschehen hat, in der Sache zutreffend drei Wege: Zum einen die in § 3a Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie Satz 4 Nr. 2 VwVfG NRW vorgesehene Ersetzung der Schriftform durch die Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur (E-Mail-Adresse: poststelle@brms.sec.nrw.de) bzw. über De-Mail (De-Mail-Adresse: poststelle@brms-nrw.de-mail.de), sowie zum anderen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 PlanSiG die Ersetzung der Erklärung zur Niederschrift nach § 4 Abs. 2 Satz 1 PlanSiG durch Abgabe einer elektronischen Erklärung an eine gewöhnliche E-Mail-Adresse der Planfeststellungsbehörde (poststelle@brms.nrw.de). Den Klägerinnen ist zwar zuzugeben, dass die der pandemischen Lage geschuldete Zulassung der einfachen, mit keinen weiteren formalen Einschränkungen verbundenen E-Mail als Ersatz für die niederschwellige Erhebung einer Einwendung zur Niederschrift (BT-Drs. 19/18965 S. 13) neben den regulären Formen der elektronischen Kommunikation, die an besondere Voraussetzungen gebunden sind, jedenfalls für den juristischen Laien überraschend sein mag. Aus der gesetzlichen Regelung und dem zutreffenden, mit einer ohne weiteres nachvollziehbaren Erläuterung verbundenen Hinweis darauf ergeben sich jedoch keine Erschwernisse, welche geeignet sind, die Öffentlichkeitsbeteiligung zu entwerten. Denn die Rechtsordnung darf vom Bild eines mündigen Bürgers ausgehen, der, wenn er aufgrund der zutreffenden Darstellung der gesetzlichen Regelungen gleichwohl unsicher ist, ob er mit einer einfachen E-Mail Einwendungen erheben kann, sich gerade dieses unkomplizierten Kommunikationsmittels bedient, um gegebenenfalls durch eine kurze Anfrage bei der Planfeststellungsbehörde bestehende Zweifel zu beseitigen (vgl. 9 A 1.21 - UPR 2023, 103 Rn. 35 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 176, 94> und Beschluss vom - 4 BN 50.20 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 26 Rn. 5).

23d) Die ausgelegten Unterlagen waren nicht unvollständig.

24aa) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zum Umfang der erfolgten Auslegung die anonymisierten Eigentümernachweise/Leitungsrechte im Frühjahr 2015 und im Frühjahr 2019 nicht ausgelegt worden sind.

25bb) Die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange - hier benennen die Klägerinnen Stellungnahmen der höheren Naturschutzbehörde vom und vom sowie die Stellungnahme des LANUV vom - mussten ebenso wenig wie die von den Klägerinnen erwähnte, im Auftrag der Beigeladenen erstellte Beurteilung ("Funktionskartierung") der Waldfläche im Bereich der Masten 90 und 91 vom ausgelegt werden.

26Zu dem nach § 9 Abs. 1b Nr. 2 UVPG a. F. maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens im Frühjahr 2015 lagen diese Stellungnahmen noch nicht vor. Für erst später vorliegende Unterlagen wird der Zugang der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen gewährleistet (vgl. 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 21).

27Auch unabhängig von den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UVPG a. F. war eine Öffentlichkeitsbeteiligung insoweit nicht geboten. Denn mit den genannten Unterlagen ist keine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten vorgenommen worden, die für die Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist (vgl. 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 34). Dies beurteilt sich danach, ob bereits die ursprünglichen Unterlagen die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG a. F. nötige Anstoßwirkung entfaltet haben oder ob eine solche erstmalig von den neuen Unterlagen ausgeht. Die Anstoßwirkung soll den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen, durch Einbeziehung von Meinungsäußerungen und Bedenken der Öffentlichkeit zu Umweltbelangen den behördlichen Entscheidungsprozess besser und transparenter zu gestalten. Sie setzt voraus, dass die Unterlagen potentiell Betroffenen und den anerkannten Vereinigungen die Beurteilung ermöglicht, ob und in welchem Umfang ihre Belange oder ihre satzungsmäßigen Interessen von den Umweltauswirkungen betroffen werden könnten (vgl. 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 28 und vom - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 19). Diese Anstoßwirkung ging jedoch schon von den im Verfahren ausgelegten umfangreichen Unterlagen insbesondere zur Umweltprüfung und zur FFH-Verträglichkeitsprüfung aus.

282. Auch in Bezug auf das Planergänzungsverfahren werden Verfahrensfehler nicht aufgezeigt.

29a) Die Klägerinnen meinen zu Unrecht, wegen der Auswirkungen des nunmehr vorgesehenen Seilzugs mit dem Helikopter habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft.

30aa) Sie sind der Auffassung, die Ausführungen in der UVP-Vorprüfung vom (Planergänzung, Unterlage 12 EV UVP-Vorprüfung Helikopterseilzug) seien unzureichend und ließen nicht den Schluss zu, dass die Änderung des Vorhabens zusätzliche erhebliche oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht hervorrufen könne. Es fehlten genaue Angaben zu Flughöhe, Lärm, Rotorabwind, Start- und Landeplätzen, Fluganzahl und Flugdauer, die erforderlich seien, um die - nach dem anfänglichen Vorbringen der Klägerinnen - insgesamt sieben Vorseile (je eines für jedes Leiterpaket und das Erdseil) zu ziehen. Negative Auswirkungen auf relevante Tierarten könnten wegen der nicht nur einmaligen, sondern der wiederholten, in einem nicht festgelegten Zeitraum vorgesehenen Flüge nicht ausgeschlossen werden. Ein Störpotenzial hätten Helikopterflüge für die hier charakteristischen Vogelarten. So könnten durch die Luftverwirbelungen Nester geschädigt, Eier und Jungvögel aus den Nestern geschleudert und die Elternvögel zum Verlassen der Brut veranlasst werden. Auch beim Fischotter als einer charakteristischen Art des FFH-Gebiets könne das Auftreten eines lauten Flugobjekts zu Panikreaktionen und zur dauerhaften Aufgabe des Reviers führen.

31Dieses Vorbringen führt nicht auf einen von den Klägerinnen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und Satz 2 UmwRG rügefähigen absoluten Verfahrensfehler. Die nach § 9 Abs. 4 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 2 und Anl. 3 zum UVPG durchgeführte allgemeine Vorprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die neue Vermeidungsmaßnahme als Änderung des Vorhabens zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht hervorrufen kann und folglich keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG). Diese Einschätzung hat im Rahmen der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle Bestand.

32Im Rahmen der UVP-Vorprüfung darf die Planfeststellungsbehörde nicht bereits mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe "durchermitteln" und damit die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen insbesondere die vom Vorhabenträger eingeholten Fachgutachten. Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu. Das Gericht hat aber zu prüfen, ob eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden hat oder das Ergebnis der Vorprüfung Rechtsfehler aufweist, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Gefordert ist eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist (vgl. 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 18).

33bb) Nach diesen Maßstäben ist das Ergebnis der UVP-Vorprüfung nicht zu beanstanden. Unter Ziff. 2.1.1 der Vorprüfung wird das Vorgehen beim Helikopter-Seilzug näher erläutert: Danach wird der Flug von einem Abspannmast (Mast 95) zum anderen Abspannmast (Mast 96A) entgegen der Darstellung der Klägerinnen nur dreimal, nämlich einmal für das Erdseil und jeweils einmal pro Stromkreis, wiederholt. Wegen des kurzen Abspannabschnitts wird mit einer Gesamtdauer von 1 bis 2 Stunden gerechnet. Die Start- und Landeplätze werden zwar nicht örtlich genau bezeichnet, es wird aber festgelegt, dass Start und Landung auf einer dafür geeigneten Freifläche und nicht auf wertgebundenen Biotopen erfolgen (Ziff. 2.3, siehe auch Maßnahmenblatt V1). Exakte Angaben zur Flughöhe, die die Klägerinnen vermissen, sind entbehrlich; sie ist durch das beim Seilzug übliche Vorgehen vorgegeben, wie es nicht zuletzt in im Internet zahlreich verfügbaren Videos dokumentiert wird, auf die die Klägerinnen sich ebenfalls beziehen. Danach werden die Baumwipfel im FFH-Gebiet nicht nur mit einem minimalen Sicherheitsabstand überflogen, wie das etwa bei der Schneeräumung mittels eines "Downwash-Flugs" der Fall ist. Vielmehr wird das Vorseil an einem Gewicht befestigt, das an einem Seil unter dem Helikopter hängt, sodass sich der Abstand zwischen dem Rotor und den Bäumen merklich vergrößert und folglich sowohl die Lärmbelastung als auch die Luftbewegung durch den Rotorabwind im FFH-Gebiet verringert wird. Des Weiteren musste der zu verwendende Helikopter-Typ nicht vorab festgelegt werden. Auch insoweit folgt aus der anstehenden Aufgabe, dass kein großer und im Betrieb kostspieliger Schwerlasthubschrauber, sondern ein leichter Transporthubschrauber mit geringeren Emissionen eingesetzt wird. Das wird nicht zuletzt durch die Erwägung belegt, alternativ eine Drohne einzusetzen (Ziff. 2.3.7). Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung nachvollziehbar, dass wegen des Seilzugs in einem durch die land- und insbesondere die forstwirtschaftliche Nutzung vorbelasteten Raum (Ziff. 2.2.1) nach Lage der Dinge eine ernsthafte Besorgnis nachhaltiger Auswirkungen durch die jeweils kurzfristige Belastung mit Lärm, Abgasen und Luftverwirbelungen nicht besteht (siehe Ziff. 2.1.5, 2.3, 2.3.4). Wenn in der UVP-Vorprüfung unter Ziff. 2.3 davon die Rede ist, dass Auswirkungen auf die "Belange des Artenschutzes" nicht gegeben seien, ist das ersichtlich nicht im Sinne einer Ausklammerung des Habitatrechts zu verstehen. Die Wortwahl bezieht sich vielmehr auf geschützte Arten.

34(1) Der beantragten Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten bedurfte es nicht. Der Beweisantrag A.7.a zum Störpotenzial auch einmaliger Helikopterflüge für Brutvögel ist unerheblich, soweit damit die Auswirkungen auf die Kiebitze, Greifvögel und Uhus unter Beweis gestellt werden. Denn diese Vogelarten sind im betroffenen Bereich nicht kartiert worden. Dies gilt auch für den in der mündlichen Verhandlung wiederholt erwähnten Wespenbussard (Pernis apivorus, siehe Planunterlagen, Anl. 12 D2 Umweltstudie, Anhang C <Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag> Anl. 1 <Protokoll einer Artenschutzprüfung - ASP->, 1B Prüfprotokoll 22). Für den Mäusebussard (Buteo buteo, siehe ASP, 1B Prüfprotokoll 8) und den Baumfalken (Falco subbuteo, siehe ASP, 1B Prüfprotokoll 2) ist im Übrigen in den Maßnahmenblättern V5.1 und V5.2 eine zeitliche Beschränkung der Bautätigkeit vorgesehen, falls in der Nähe der geplanten Bauvorhaben Horste mit Bruten festgestellt werden. Auch ansonsten wird auf Brutzeiten Rücksicht genommen (siehe Maßnahmenblatt V2, V4).

35Der Beweisantrag ist im Übrigen unsubstantiiert. Er stellt generalisierend und pauschalierend Tatsachenbehauptungen unter Beweis, ohne auf die Umstände der konkreten Sachverhaltskonstellation einzugehen. So ist der Eisvogel (Alcedo atthis) in der Seilzugtrasse zwar mit einem Brutplatz kartiert. Der Beweisantrag geht jedoch daran vorbei, dass der Eisvogel als Höhlenbrüter in keiner Weise von den Luftverwirbelungen und wegen des großen Abstandes zu dem über den Mastspitzen fliegenden Hubschrauber nur im geringen Maße von den kurzfristigen Lärmeinwirkungen betroffen ist. Soweit unspezifiziert die Beeinträchtigung weiterer Brutvögel wegen optischer und akustischer Störreize unter Beweis gestellt wird, fehlt es bereits an einem geeigneten Ausgangspunkt für eine sachverständige Bewertung. In der von den Klägerinnen lediglich in einer knappen Zusammenfassung herangezogenen Studie (Komenda-Zehnder/Bruderer: Einfluss des Flugverkehrs auf die Avifauna - Literaturstudie. Schriftenreihe Umwelt Nr. 344. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern 2002; verfügbar unter www.vogelwarte.ch) werden bei den Auswirkungen von Luftfahrzeugen als Störquelle die bedeutenden Artunterschiede herausgestellt (S. 47). Des Weiteren wird bei brütenden Vögeln eine starke Tendenz vermerkt, bei Störreizen auf dem Nest zu verharren (S. 48); reagieren sie mit Aufliegen, kann sich die Flucht zeitlich auf wenige Sekunden oder einige Minuten beschränken (S. 51). Soweit - wiederum ohne Benennung bestimmter Arten - die Vernichtung von Nestern als Lebensstätten durch die Auswirkungen des Rotorabwinds unter Beweis gestellt wird, geht der Beweisantrag ausweislich des schriftsätzlich in Bezug genommenen Videos ersichtlich von der Nutzung eines Hubschraubers zur Beseitigung der Schneelast von Bäumen aus, nimmt jedoch die konkreten Verhältnisse und auch den Vortrag der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, wonach der Rotorabwind bei dem eingesetzten Hubschrauber lediglich eine Geschwindigkeit von 30 km/h erreicht, nicht zur Kenntnis.

36(2) Was den Fischotter (Lutra lutra) angeht, der im Standard-Datenbogen von Juni 2021 für das FFH-Gebiet Berkel unter Abschnitt 3.2 als Art nach Anhang II der FFH-Richtlinie genannt und folglich - ungeachtet einer Einstufung als charakteristische Art eines im FFH-Gebiet geschützten Lebensraumtyps - als Erhaltungsziel (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG) im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG gilt, ist in keiner Weise dargetan, dass er durch wenige Flüge von kurzer Dauer in einer Höhe von mindestens 80 m über dem Gewässer nachhaltig verschreckt und zur Aufgabe seines Reviers veranlasst werden könnte.

37Zu diesen von den Klägerinnen behaupteten Auswirkungen des Helikopter-Seilzugs hat sich die UVP-Vorprüfung nicht verhalten. Die Überprüfung der Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses einer UVP-Vorprüfung hat sich zwar grundsätzlich allein an der von der Behörde hierfür gegebenen Begründung auszurichten. Dies gilt aber nicht, wenn erst im Rahmen des Gerichtsverfahrens Einwände in Bezug auf ersichtlich eher fernliegende Auswirkungen geltend gemacht werden. Ob diese zu Recht nicht ausdrücklich erwähnt worden sind, weil sie als vernachlässigbar einzustufen sind, ist anhand der Darlegungen im gerichtlichen Verfahren zu beurteilen.

38Die Beigeladene verweist auf die Lebensgewohnheiten des Fischotters, der als überwiegend nachtaktives Tier von den Überflügen, die ausschließlich tagsüber stattfinden, nicht betroffen sei, und der sich im Falle einer Störung in seinen Bau zurückziehe und sein Revier nicht verlasse. Über diese naturschutzfachliche Einschätzung ist nicht, wie beantragt (A.7.b), Beweis zu erheben. Für diese Beurteilung fehlt es an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden, anhand derer das außerrechtliche Erkenntnisdefizit in eindeutiger Weise beseitigt werden könnte. Eine Sachverhaltsaufklärung kommt demnach wegen des Fehlens einer sicheren Unterscheidung von richtig und falsch an ihre Grenzen. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich folglich auf die fachliche Vertretbarkeit der zugrunde gelegten Maßstäbe und Methoden und die Plausibilität der Einschätzung der tatsächlichen Umstände (vgl. u. a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 23 ff.).

39Die Einschätzung, dass der Fischotter durch die Hubschrauberüberflüge nicht in erheblicher Weise gestört wird, ist nicht etwa deswegen erschüttert, weil ihre Prämissen sich als unzutreffend erweisen. Die Klägerinnen stellen darauf ab, dass der Fischotter gleichermaßen tag- und nachtaktiv sei. Die von der Beigeladenen bereits im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag von Oktober 2014 (Planunterlagen, Anl. 12 Umweltstudie, Anh. C S. 32) vertretene Auffassung, wonach die Hauptaktivität des Fischotters sich auf die Dämmerung und die Nacht konzentriert, wird demgegenüber in zahlreichen fachkundigen Stellungnahmen geteilt (siehe etwa LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Fischotter, Steckbrief, Biologie/Lebenszyklus, Aktivität; BUND Naturschutz in Bayern e. V. <www.bund-naturschutz.de>, BN informiert, Steckbrief Fischotter, Lebensweise; WWF <www.wwf.de>, Fischotter im Artenlexikon, Wie leben eurasische Fischotter?; Weber/Trost, Die Säugetierarten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Land Sachsen-Anhalt, Fischotter <Lutra lutra L., 1758>, Berichte des Landesamts für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 1/2015, S. 14; Stiftung Pro Lutra <www.prolutra.ch>, Tagesverstecke). Auch hinsichtlich der Frage, in welcher Weise der Fischotter auf eine Störung reagiert, legt die Beigeladene keine unvertretbaren Annahmen zugrunde. Der Fischotter ist eine sehr mobile Art mit einem großen Aktionsradius und Revieren, die an Fließgewässern mehrere Kilometer umfassen; auch im Familienverband wandert er pro Nacht zwischen 3 und 7 km (siehe LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Fischotter, Steckbrief, Biologie/Lebenszyklus, Mobilität; sowie BUND Naturschutz in Bayern e. V. <www.bund-naturschutz.de>, BN informiert, Steckbrief Fischotter, Reviergröße/Besatzdichte; Weber/Trost, a. a. O., S. 14 f.). Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung, dass ein Fischotter wegen einer kurzfristigen und punktuellen Störung durch wenige Helikopter-Überflüge sein Revier nicht verlassen wird, ohne weiteres nachvollziehbar. Die behaupteten Auswirkungen auf den Reproduktionserfolg scheiden folglich aus.

40(3) Der Beweisantrag A.7.c war gleichfalls abzulehnen. Auf die Frage der Dauer der Hubschrauberflüge zum Ziehen von drei Vorseilen - ob das, wie die Beigeladene aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen vorträgt, binnen zwei Stunden zu bewältigen ist oder einen deutlich längeren Zeitraum von drei Stunden oder mehr in Anspruch nimmt - kommt es angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht an. Im Übrigen ist er auch ins Blaue hinein gestellt.

41b) Die Umweltverbände mussten im ergänzenden Verfahren nicht erneut beteiligt werden. Die Planfeststellungsbehörde durfte von einer Öffentlichkeitsbeteiligung und Erörterung im Sinne von § 73 Abs. 6 VwVfG NRW absehen. Auf das ergänzende Verfahren als Fortsetzung des Ausgangsverfahrens ist § 43d EnWG jedenfalls entsprechend anzuwenden. Dabei ist der ausdrückliche Verweis in § 43d Satz 1 (i. V. m. § 43 Abs. 4 und 5) EnWG auf § 76 Abs. 1 VwVfG NRW nicht so zu verstehen, dass damit die in § 76 Abs. 2 und 3 VwVfG NRW eröffneten Möglichkeiten beschränkt werden sollten, in Fällen unwesentlicher Änderung - hier die Änderung von Nebenbestimmungen durch die Hinzufügung neuer Maßnahmenblätter - von einem neuen Planfeststellungsverfahren nach Absatz 2 abzusehen oder nach Absatz 3 auf ein Anhörungsverfahren und damit einen Erörterungstermin nach § 73 Abs. 6 VwVfG NRW zu verzichten ( 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 35).

42c) Mit dem Einwand, weitere betroffene Eigentümer hätten insbesondere wegen einer Unterschreitung der Mindestflughöhe und der damit verbundenen Eigentumsbeeinträchtigungen angehört werden müssen, dringen die Klägerinnen auch ungeachtet der Frage, ob sie sich auf die behauptete Rechtsverletzung überhaupt berufen könnten, nicht durch. Soweit die Grundstückseigentümer nicht ohnehin durch Mastfundamente und Schutzstreifen und folglich durch die Seilzugarbeiten auch am Boden betroffen sind und es schon deswegen nicht zuletzt angesichts einer nur kurzfristigen Belästigung durch zusätzlichen Lärm einer Anhörung nicht bedurfte (§ 76 Abs. 3 VwVfG NRW), ist die Beigeladene bei einer etwaigen erstmaligen Inanspruchnahme von Grundstücken durch die jetzt festgelegte Art des Seilzugs und nach Konkretisierung des erforderlichen Vorgehens gehalten, vor Durchführung der Arbeiten ein Einverständnis der Betroffenen einzuholen. Ein Verstoß gegen das Gebot, alle durch das Vorhaben verursachten Konflikte zu bewältigen ( 9 A 13.18 - BVerwGE 166, 132 Rn. 170) liegt darin nicht. Eines gesonderten Einverständnisses der Eigentümer zum Überflug ihrer Grundstücke bedarf es allerdings auch dann nicht, wenn die Mindestflughöhe unterschritten wird. Hierzu muss nämlich eine Ausnahmegenehmigung nach § 37 Abs. 1 Luftverkehrs-Ordnung - LuftVO - eingeholt werden, die von der Einhaltung der Mindestflughöhe befreit, und damit die Duldungspflicht des Grundeigentümers (§ 905 Satz 2, § 906 BGB, § 1 Abs. 1 LuftVG) ausformt (vgl. Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand Januar 2021, § 1 Rn. 38, 42; Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Stand November 2017, § 1 Rn. 20).

43d) Die Klägerinnen wurden ausreichend beteiligt. Nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG NRW genügt selbst für den Fall, dass nach der Änderung eines Plans Belange Dritter erstmals oder stärker als bisher berührt werden, eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen. Dies muss erst recht gelten, wenn der Plan im ergänzenden Verfahren nur geringfügig geändert wird (vgl. auch 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 19 und vom - 4 A 10.20 - juris Rn. 15).

44B. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen die von den Klägerinnen als verletzt gerügten Vorschriften des zwingenden Rechts.

451. Die innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG nur "vorsorglich", aber ohne jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Planfeststellungsbeschluss erhobene Rüge, dem Vorhaben fehle die Planrechtfertigung, gibt keine Veranlassung für eine gerichtliche Überprüfung. Hinsichtlich des Immissionsschutzes gilt Entsprechendes für die Frage der Beeinträchtigungen durch elektromagnetische Felder.

462. Was die Lärmimmissionen betrifft, wenden die Klägerinnen sich nicht gegen die Bewertung der betriebsbedingten Immissionen (Koronageräusche) - die einschlägigen Richtwerte der TA Lärm werden ausweislich der vorgelegten Untersuchung (PFB S. 170 ff.; Planunterlagen, Anl. 12 Umweltstudie S. 6.1-14 ff., Ziff. 6.1.6.2) nicht überschritten -, sondern allein gegen die baubedingten Lärmimmissionen. Aus dem Vortrag der Klägerinnen ergeben sich jedoch bei Würdigung der örtlichen Verhältnisse keine Anhaltspunkte dafür, dass der Planfeststellungsbeschluss mögliche Beeinträchtigungen wegen des Baulärms unzureichend bewertet und deswegen die Erforderlichkeit von Schutzvorkehrungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW verkannt hat (vgl. dazu 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 23 ff.).

47Der Planfeststellungsbeschluss nimmt diese Immissionen in den Blick und verweist die Bewältigung eventueller Problemlagen nicht von vornherein allein auf die Regelung der Phase der Bauausführung (siehe dazu 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 93 m. w. N.). Er geht vielmehr davon aus, dass die Lärmrichtwerte der nach § 66 Abs. 2 BImSchG fortgeltenden "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm - Geräuschimmissionen" - AVV Baulärm - vom (Beil. zum BAnz Nr. 160 vom ) eingehalten werden (PFB S. 175). Die Klägerinnen halten dies in Ermangelung einer näheren gutachterlichen Untersuchung für nicht nachvollziehbar. Von vornherein unbeachtlich ist insofern der Vortrag zu Belastungen der Klägerin in dem Parallelverfahren - 4 A 10.21 -, denn Schutzvorkehrungen können nicht zugunsten Dritter geltend gemacht werden. Soweit die Klägerinnen jeweils auf die Nähe ihrer Wohnhäuser zu den Mastbaustellen verweisen und die Klägerin zu 2 darüber hinaus eine Beeinträchtigung durch Verkehrslärm von Baufahrzeugen auf der öffentlichen Zuwegung zur Mastbaustelle Z rügt, ist nicht zu beanstanden, dass der Planfeststellungsbeschluss auch ohne dokumentierte Abschätzung keine absehbar unzumutbaren Belastungen für die Klägerinnen angenommen und folglich keinen Anlass gesehen hat, insoweit besondere Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten anzuordnen.

48Das Wohnhaus auf dem Anwesen der Klägerin zu 1 ist ca. 240 m vom nächstgelegenen Maststandort (Mast X) und ca. 300 m vom Mast Y, das Wohnhaus auf dem Anwesen der Klägerin zu 2 ist etwa 320 m vom Mast Z entfernt. Schon aufgrund dieser Abstände und der vom Umfang her überschaubaren Bauarbeiten zur Mastgründung - nach Maßgabe des Baugrunds vorrangig mit einem Bohrfundament oder nachrangig mit einem Plattenfundament (Planunterlagen, Anl. 1 Erläuterungsbericht, S. 29 f., 33 f., Anl. 6 Fundamenttabelle und Planfeststellungsbeschluss, Auflage 5.2.1) - sowie der nachfolgenden Mastmontage (Vormontage und Stocken des Mastes) jeweils mit Maschinen, die den Anforderungen der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung - 32. BImSchV) und dem Stand der Technik entsprechen (siehe PFB, Auflage 5.9.1, 5.9.2 a. E.), liegt es in keiner Weise nahe, dass der nach Nr. 3.1.1 Buchst. c AVV Baulärm maßgebliche Immissionsrichtwert von tagsüber 60 dB (A) überschritten werden könnte. Deswegen konnte sich der Planfeststellungsbeschluss insoweit in der Auflage 5.9.2 mit dem (deklaratorischen) Hinweis auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen der AVV Baulärm sowie die Verpflichtung zu weitgehender Verminderung baubedingter Schallimmissionen begnügen. Was die von der Klägerin zu 2 gerügte Beeinträchtigung durch Verkehrslärm angeht, kann dahinstehen, ob die Lärmbelastung durch baustellenbedingten Lkw-Verkehr außerhalb der Baustelle, der sich noch nicht mit dem allgemeinen Straßenverkehr vermischt hat, in den Anwendungsbereich der AVV Baulärm fällt (verneinend Fricke, Baurecht 2016, 444 <450>). Denn jedenfalls hält sich der Zufahrtverkehr zur Mastbaustelle wegen der dort auszuführenden, im Umfang beschränkten Arbeiten in Grenzen.

493. Die Rüge, die Beeinträchtigung des Waldbiotops BK 4007-0016 wegen der Inanspruchnahme durch den Schutzstreifen stehe im Widerspruch zu einer Vorgabe des Regionalplans Münsterland, führt nicht auf einen Verstoß gegen zwingendes Recht.

50Bei Ziff. 23.1 des Regionalplans Münsterland (GV. NRW 2014 S. 334) handelt es sich entgegen der gewählten Bezeichnung nicht um eine verbindliche zielförmige Festlegung, die im Wege der Abwägung nicht überwunden werden kann. Diese Festlegung bestimmt, dass der Wald wegen seiner vielfältigen Funktionen und seiner Bedeutung zu erhalten und weiterzuentwickeln ist. Nach Ziff. 23.2 ist eine Inanspruchnahme durch raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen nur in dem durch die Ziele des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - (GV. NRW 2017 S. 122) vorgegebenen Rahmen zulässig. Damit ergänzt der Regionalplan die Vorgaben des Landesentwicklungsplans. Zutreffend geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass es sich bei der hier einschlägigen Festlegung 7.3-1 LEP NRW nach dem maßgeblichen materiellen Gehalt der Planaussage entgegen der Bezeichnung nicht um ein Ziel im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG handelt ( 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 52).

514. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planergänzungsbeschlusses verneint erhebliche Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets Berkel im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG. Das ist auf der Grundlage der im ergänzenden Verfahren überarbeiteten Rechtsprüfung nicht zu beanstanden.

52Nach § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BNatSchG ist ein Projekt vor seiner Zulassung auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen. Es darf nur zugelassen werden, wenn es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann (vgl. nur 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 171).

53Die hierfür erforderliche Prüfung hat die Planfeststellungsbehörde nunmehr auf der Grundlage der von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen ordnungsgemäß vorgenommen.

54a) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Planfeststellungsbehörde eine Beeinträchtigung des FFH-Gebiets in Bezug auf einige wenige Wirkfaktoren schon aufgrund einer Vorprüfung verneint hat.

55aa) Bei der Untersuchung des Wirkfaktors "Veränderung abiotischer Standortfaktoren: Auswirkungen auf den Boden (anlage-/baubedingt)" stellt die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung für die FFH-Gebiete "Berkel" und "Liesner Wald" vom (Planunterlagen, Anl. 12 EV Anhang D FFH-VU, S. 9, Ziff. 2.1.1.4) fest, dass eine Zufahrt zu Mast 96 randlich auf einem Feldweg durch das FFH-Gebiet führt. Eine erhebliche Beeinträchtigung schließt sie aus, weil es sich beim betreffenden Biotop "Fettwiese EA0" nicht um einen maßgeblichen Bestandteil des FFH-Gebiets handele; es gehe um einen bestehenden Feldweg, so dass sich durch die Zufahrt auch keine Beeinträchtigungen ergeben könnten.

56Hiergegen wenden sich die Klägerinnen ohne Erfolg. Zu Recht gehen sie allerdings davon aus, dass nach Maßgabe der Erhaltungsziele eine Beeinträchtigung des FFH-Gebiets auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn das Vorhaben zwar nicht zum Flächenverlust eines zu den maßgeblichen Bestandteilen zählenden Lebensraumtyps führt, der Verwirklichung der Erhaltungsziele durch Erschwerung der Erhaltungsmaßnahmen jedoch zuwiderläuft (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2022, § 34 BNatSchG Rn. 28). Deswegen ist es zunächst unbeachtlich, dass die vom Feldweg durchquerte Wiese derzeit nicht als Lebensraumtyp 6510 (Glatthafer- und Wiesenknopf-Silgenwiesen; Magere Flachland-Mähwiesen [Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis]) einzustufen ist; die Bestandskarte (Bl. 8) im Maßnahmenkonzept des Kreises Borken - Untere Naturschutzbehörde - für das FFH-Gebiet Berkel vom weist den betreffenden Bereich als Biotop EA3 (Feldgras und Neueinsaaten) aus. Denn das Maßnahmenkonzept führt unter dem Erhaltungsziel die Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustands des Lebensraumtyps im Gebiet an und verbindet dies - vor dem Hintergrund des weiten unionsrechtlichen Begriffsverständnisses der Erhaltung (Art. 1 Buchst. a FFH-RL) - mit der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands in der biogeographischen Region (Maßnahmenkonzept Erläuterungsbericht S. 21 f.). Unter den geeigneten Erhaltungsmaßnahmen wird dementsprechend auch die Optimierung und Vermehrung von Glatthafer- und Wiesenknopf-Silgenwiesen an geeigneten Standorten erwähnt. In der Ziel- und Maßnahmenkarte des Maßnahmenkonzepts wird auch für die betreffende Wiese dieses Entwicklungsziel festgelegt. Zwar weisen weder die Bestandskarte (Bl. 8) noch die Zielkarte (Bl. 8) den Feldweg ausdrücklich als Wirtschaftsweg (VB0) oder Landwirtschaftsweg (VB3a) aus. Ob dies, wie die Beigeladene meint, schon aufgrund der Vorgaben der Kartieranleitung entbehrlich ist, mag dahinstehen; denn der Weg ist jedenfalls auf der zugrundeliegenden topographischen Karte eingezeichnet. Er ist auch in der Umweltstudie (Planunterlagen Anl. 12, Karte 6.2-1 Bl. 3) als "Zuwegung, dauerhafte Schotterung" vermerkt. Im Landschaftspflegerischen Begleitplan ist er bei der Ermittlung des Kompensationsbedarfs als bestehender "Feld-/Wirtschaftsweg unbefestigt" aufgeführt, der zum Schotterweg wird (Planunterlagen Anl. 12, S. 7-7, Tab. 7.3-1). Dieser Feldweg dient - wie ein Blick auf im Internet verfügbare aktuelle Luftbilder bestätigt - im Anschluss an die Überquerung eines dort wohl verdohlten Grabens als Zuwegung zur nördlich des FFH-Gebiets gelegenen Ackerfläche. Vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, dass das Maßnahmenkonzept so zu verstehen sein könnte, es ziele auf die Beseitigung des Feldwegs; dies umso mehr, als der Ziel-Lebensraumtyp 6510 im dortigen Bereich großflächig ausgewiesen wird. Zutreffend geht die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung demnach davon aus, dass sich aus der planfestgestellten Zufahrt keine Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets ergeben können.

57bb) Beim Wirkfaktor "Eintrag von Schadstoffen" legt die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung (S. 13, Ziff. 2.) dar, dass hier in erster Linie der Baustellenverkehr von Belang sei. Bei Einhaltung der gesetzlichen Normen seien mögliche Beeinträchtigungen als vernachlässigbar oder irrelevant einzustufen. Darüber hinaus lägen die Arbeitsflächen außerhalb der FFH-Flächen.

58Die Klägerinnen halten diese Begründung für unzureichend. Sie vermissen die Bewertung möglicher Stickstoffdepositionen im FFH-Gebiet wegen der Bildung von Stickoxiden an den Leiterseilen. Der Baustellenverkehr, auch auf Flächen im FFH-Gebiet sowie in Verbindung mit kumulativ zu betrachtenden Tierhaltungsanlagen und Einträgen der Flächenbewirtschaftung, werde nicht untersucht. Dieses Vorbringen führt nicht auf einen Fehler der FFH-Vorprüfung.

59Die Erwähnung betriebsbedingter Stickstoffemissionen durch die Ionisierung der Luft aufgrund elektrischer Entladungen an den Leiterseilen (Koronaeffekt) war aufgrund der Geringfügigkeit entbehrlich. Der Erläuterungsbericht (Planunterlagen, Anl. 1 S. 58; siehe auch Umweltstudie, Anl. 12, S. 3-21, 5-9 sowie PFB S. 54, 84, 174) führt aus, dass bereits in einem Abstand von 4 m zum spannungsführenden Leiterseil kein eindeutiger Nachweis zusätzlich erzeugter Stickoxide (NOx) mehr möglich sei (siehe auch 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 65 f.). Das wird durch die Einschätzung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) bestätigt, dass bei Energiefreileitungen (Hoch- und Höchstspannung) die Relevanz des Wirkfaktors 6.1 - Stickstoff- und Phosphatverbindungen/Nährstoffeintrag - mit der Stufe 0, d. h. "(i. d. R.) nicht relevant", einstuft (siehe https://ffh-vp-info.de). Dagegen bringen die Klägerinnen substantiiert nichts vor. Rein theoretische Besorgnisse begründen aber keine Prüfungspflicht (vgl. 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 60).

60Gleiches gilt für die letztlich geringe Anzahl von Fahrzeugbewegungen in der verhältnismäßig kurzen Bauzeit an den Masten 95 und 96 in der Nähe des FFH-Gebiets (vgl. PFB S. 56, 76). Die Fahrten auf dem oben erwähnten Feldweg, der auf einer Strecke von ca. 40 m am Rande des FFH-Gebiets verläuft, erfordern offensichtlich keine abweichende Bewertung. Des Weiteren ist in keiner Weise ersichtlich, dass der zeitlich beschränkte Baustellenverkehr angesichts des zum landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin im Verfahren - 4 A 10.21 - gehörenden Offenstalls mit 1 000 Schweinen in einer Entfernung von etwa 150 m zur Grenze des FFH-Gebiets, der nach den eigenen Angaben der Klägerinnen Ammoniak (NH3) in beachtlichen Mengen emittiert, einen nennenswerten Beitrag zur Gesamtbelastung des FFH-Gebiets mit Stickstoff leisten könnte.

61b) Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung ist nicht zu beanstanden.

62Den Wirkfaktor "Verunfallung von Vögeln durch Leitungsanflug (anlagebedingt)" hat die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung vom (Planunterlagen, Anl. 12 EV Anhang D) als Ergebnis der Vorprüfung als regelmäßig relevant (S. 6, Tab. 2-1) und auch für das Vorhaben hinsichtlich des FFH-Gebiets Berkel als beachtlich (S. 11 ff., Ziff. 2.1.1.8) angesehen. Bei der anschließenden FFH-Verträglichkeitsuntersuchung hat der Gutachter auch den Kiebitz (Vanellus vanellus) in den Blick genommen, eine Beeinträchtigung wegen des Kollisionsrisikos angesichts der angeordneten Schadensvermeidungsmaßnahmen aber ausgeschlossen (S. 57 f.; Ziff. 5.2.2.4 und 5.2.3).

63Dagegen wenden sich die Klägerinnen ohne Erfolg. Auf die inhaltliche Bewertung der Ausführungen zur erheblichen Beeinträchtigung des Kiebitzes - gerade auch aufgrund von Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse - kommt es dabei nicht an. Denn der Kiebitz ist für die habitatrechtliche Verträglichkeit des Vorhabens ohne Bedeutung. Während der Planfeststellungsbeschluss (S. 213 f.) bei der Einordnung des Kiebitzes zumindest undeutlich war, stellt der Planergänzungsbeschluss im Anschluss an den Erläuterungsbericht im ergänzenden Verfahren und die dort in Bezug genommene FFH-Verträglichkeitsuntersuchung nunmehr unmissverständlich klar, dass eine Beeinträchtigung des Kiebitzes nicht nach den rechtlichen Vorgaben zwingend, sondern nur "vorsorglich" geprüft worden ist (PEB S. 13; FFH-Verträglichkeitsuntersuchung S. 32, 37 f., 57; Ziff. 3.1.2.5., 3.2.3.4, 5.2.2.4). Das ist zutreffend. Denn er zählt nicht zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen ist der Kiebitz keine charakteristische Art eines der vom FFH-Gebiet geschützten Lebensraumtypen. Zum Erhaltungsziel wird er auch nicht aufgrund seiner Erwähnung unter den Schutzzwecken des Naturschutzgebiets "Berkelaue" in dem am in Kraft getretenen Landschaftsplan "Gescher" des Kreises Borken. Dieses Naturschutzgebiet überschneidet sich im betreffenden Bereich räumlich mit dem FFH-Gebiet und dient insoweit der Unterschutzstellung nach § 32 Abs. 2, § 20 Abs. 2 BNatSchG.

64Gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit (nur) mit den für das Natura 2000-Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu überprüfen. Der Gegenstand der Prüfung wird in § 34 Abs. 2 BNatSchG sprachlich dahingehend konkretisiert, dass ein Projekt unzulässig ist, wenn es zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.

65Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG ergeben sich die Erhaltungsziele, die Maßstab der Verträglichkeitsprüfung sind, im Falle einer Unterschutzstellung in erster Linie aus der Schutzgebietserklärung (§ 32 Abs. 2 und 3 BNatSchG). Fehlt eine Unterschutzstellung, sind die Erhaltungsziele sowie die konkret zu schützenden Lebensraumtypen und Arten dem Standard-Datenbogen als dem von der EU-Kommission ausgearbeiteten Meldeformular (Art. 1 des Durchführungsbeschlusses der Kommission vom über den Datenbogen für die Übermittlung von Informationen zu Natura 2000-Gebieten <2011/484/EU>, ABl. L 198 vom , S. 39) zu entnehmen. Der Standard-Datenbogen ist allerdings insbesondere bei älteren Unterschutzstellungen zur Ermittlung der Erhaltungsziele heranzuziehen und wegen der Dynamik der natürlichen Entwicklung im Gebiet auch für Aktualisierungen der Schutzzwecke zu beachten (siehe dazu Möckel, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 34 Rn. 76).

66aa) Der Landschaftsplan verweist in den Erläuterungen (S. 18) darauf, dass die Berkelaue seitens der Bundesrepublik als ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß der FFH-Richtlinie gemeldet worden ist und benennt als Schutzzweck des Naturschutzgebiets unter 2.1.1 B. Buchst. g die Bewahrung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Art. 4 Abs. 4 i. V. m. Art. 2 FFH-Richtlinie. Er zählt zunächst unter Ziff. 1 und 2 bestimmte Lebensräume (Lebensraumtyp 3260, 3270, 6430 und 91EO) und Anhang II-Arten (Groppe, Bachneunauge) auf, jeweils "als maßgebliche Bestandteile des Gebiets i. S. des § 48d Abs. 4 LG NW" (Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft <Landschaftsgesetz - LG> in der Fassung der Bekanntmachung vom <GV. NRW 2000 S. 568>, mit weiteren Änderungen in dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landschaftsplans; entspricht § 34 Abs. 2 BNatSchG, auch in der Fassung 2002). Unter Ziff. 3 wird schließlich bestimmt, dass es sich außerdem um "Lebensräume für folgende im Schutzgebiet vorkommende Vogelarten gemäß Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie als maßgebliche Bestandteile des Gebiets im Sinne des § 48d Abs. 4 LG NW handelt", darunter als nicht in Anhang I VRL aufgeführt - sondern als Zugvogel nach Art. 4 Abs. 2 VRL - u. a. der Kiebitz. Unter Buchstabe h werden "wegen der Bedeutung der Berkel im Gebietsnetz Natura 2000" noch weitere Lebensraumtypen (3150, 6510, 9160) und weitere Arten gemäß Art. 4 VRL genannt. Unter Buchstabe j werden bei dem Schutzzweck "Sicherung und Umsetzung der langfristigen Zielsetzung für den Schutz und die Entwicklung der Lebensraumtypen und Arten" unter Ziffer 1 u. a. Groppe, Bachneunauge und Eisvogel als Arten benannt, die für die Meldung des Gebietes ausschlaggebend sind.

67Die Benennung des Kiebitzes als maßgeblicher Bestandteil wäre nur dann für die FFH-Prüfung von Bedeutung, wenn er damit konstitutiv zum Erhaltungsziel bestimmt worden wäre. Vor dem Hintergrund der bei Erlass des Landschaftsplans geltenden gesetzlichen Regelungen - wegen der Ausgestaltung des BNatSchG 2002 als Rahmengesetz (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG a. F.) ist nach Maßgabe von (Art. 75 Abs. 2 GG a. F. i. V. m.) § 11 BNatSchG 2002 das Landesrecht einschlägig - ist das jedoch zu verneinen.

68Nach § 48c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 LG NW (entspricht § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BNatSchG) wird der Schutzzweck entsprechend den Erhaltungszielen für die Gebiete bestimmt, die nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft zu erklären sind. Art 4 Abs. 4 FFH-RL nimmt nur Lebensraumtypen des Anhangs I oder Arten des Anhangs II dieser Richtlinie in den Blick. Allein hierauf beziehen sich die für das Naturschutzgebiet benannten Schutzzwecke nach B.g)1) und 2). Demgegenüber ist die Ausweisung nach B.g)3), die auf Arten der Vogelschutzrichtlinie bezogen ist, von dieser Vorgabe nicht unmittelbar gedeckt. Die Rechtslage entspricht insoweit derjenigen nach der Begriffsbestimmung des Erhaltungsziels in § 10 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a BNatSchG 2002, die in FFH-Gebieten die möglichen Erhaltungsziele auf die Lebensraumtypen und die Anhang II-Arten der FFH-RL beschränkt, und - hiervon getrennt in § 10 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. b BNatSchG 2002 - Vogelarten als Erhaltungsziele nur in einem Vogelschutzgebiet aufführt. Die Benennung einer Vogelart als Erhaltungsziel in einem FFH-Gebiet ist allerdings insoweit möglich, als die Vogelart eine charakteristische Art eines dort geschützten Lebensraumtyps ist (vgl. 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 73 ff. und vom - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 72). Die Vogelart wird insoweit "akzessorisch" geschützt, und ihre Erwähnung als Erhaltungsziel ist letztlich deklaratorisch.

69bb) In dieser Hinsicht sind die Erhaltungsziele durch Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung und deren Aktualisierung gefertigten Standard-Datenbögen zu ermitteln, in denen die Merkmale des Gebiets beschrieben werden, die aus nationaler Sicht erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten haben. Daher sind nicht sämtliche im Gebiet vorhandenen Arten zum Gegenstand der FFH-Verträglichkeit zu machen, sondern nur diejenigen, aufgrund derer das Gebiet ausgewählt wurde. Allerdings sind nicht nur die in der Gebietsmeldung ausdrücklich als Erhaltungsziel genannten, sondern auch die in den als Erhaltungsziel festgesetzten Lebensraumtypen charakteristisch vorkommenden, d. h. solche Arten, die nach dem fachwissenschaftlichen Meinungsstand für den jeweiligen Lebensraumtyp prägend sind, in die Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen. Auch insoweit bedarf es jedoch keiner Untersuchung aller, sondern nur derjenigen charakteristischen Arten, die eine Indikatorfunktion für potentielle Auswirkungen des Vorhabens auf den Lebensraumtyp besitzen (vgl. 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 65 m. w. N.). Hiernach ist der Kiebitz in der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung vom und im Anschluss daran vom Planergänzungsbeschluss zu Recht nicht als charakteristische Art des FFH-Gebiets Berkel eingeordnet worden.

70(1) Der erste Standard-Datenbogen für die Gebietsmeldung vor Erlass des Landschaftsplans liegt dem Senat zwar nicht vor. Aber schon die Angaben im Landschaftsplan unter B.j)1) zu den Schutzzwecken des Naturschutzgebiets ("Lebensraumtypen und Arten, die für die Meldung des Gebiets ausschlaggebend sind") lassen den Rückschluss zu, dass der Kiebitz nicht als charakteristische Art anzusehen war; denn die dort erwähnten Lebensraumtypen (3260, 3270 und 6430) sind für ihn von vornherein ungeeignet.

71In dem aktuellen und für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Standard-Datenbogen von Juni 2021 wird der Kiebitz in Abschnitt 4.1 (Gebietsbeschreibung, andere Gebietsmerkmale) erwähnt. Allein daraus folgt aber nicht, dass er zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets (§ 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG) zählt. Das zutreffende Verständnis der Eintragungen im Standard-Datenbogen erschließt sich ohne weiteres bereits anhand des Aufbaus des Formulars und wird durch die Erläuterungen zum Durchführungsbeschluss der Kommission vom bestätigt. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, wie von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung angeregt (B.b), bedarf es nicht.

72Die für die FFH-Verträglichkeitsprüfung maßgeblichen Angaben finden sich in Abschnitt 3 des Standard-Datenbogens (Ökologische Angaben). Im Abschnitt 3.1 werden die im Gebiet vorkommenden Lebensraumtypen und im Abschnitt 3.2 Arten gemäß Anhang II der FFH-RL genannt. Nur solche Arten sind für ein FFH-Gebiet - sei es als (vorgeschlagenes) Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (<v>GGB - Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2, Abs. 2 UAbs. 1 FFH-RL), sei es nach innerstaatlicher Ausweisung als besonderes Erhaltungsgebiet (BEG), das zum Zwecke der terminologischen Unterscheidung im Standard-Datenbogen im Anschluss an andere Sprachfassungen der FFH-RL abweichend von Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1, Art. 4 Abs. 4 FFH-RL (besonderes Schutzgebiet) bezeichnet wird - von Bedeutung. Die Eintragung in Abschnitt 1.1 (Gebietskennzeichnung, Gebietstyp: B) weist das Gebiet als FFH-Gebiet aus (siehe Durchführungsbeschluss, Erläuterung zu 1.1). Die in der Überschrift zu Abschnitt 3.2 des Weiteren erwähnten Arten gemäß Art. 4 der VRL sind demgegenüber nur für die besonderen Schutzgebiete (BSG) im Sinne von Art. 4 Abs. 1 UAbs. 3 VRL aufzuführen. Die hiernach auf ein FFH-Gebiet bezogenen obligatorischen Angaben, die jeweils auch Daten zur schutzgutbezogenen Beurteilung des Gebiets umfassen, sind wesentlich für die Bewertung der Wirksamkeit des Natura-2000-Netzes für die Erhaltung der Lebensräume des Anhangs I und der Lebensräume der Arten nach Anhang II der FFH-RL (Durchführungsbeschluss, Erläuterungen, Einleitung, Zweck, Nr. 1.). Daneben können unter Abschnitt 3.3 fakultativ alle anderen wichtigen Pflanzen- und Tierarten angegeben werden, wenn sie für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Gebiets relevant sind; die Auflistung der Arten muss anhand bestimmter (Schutz-)Kategorien begründet werden (Durchführungsbeschluss, Erläuterung zu 3.3). Während auch insoweit Angaben zur Populationsgröße gefordert sind, gilt das nicht für Angaben zur diesbezüglichen Beurteilung des Gebiets. Diese sind entbehrlich, weil der Erhaltungszustand der betreffenden Arten - hier bei den Tierarten Laubfrosch (Hyla arborea) und Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) als Arten aus Anhang IV der FFH-RL - für die FFH-Verträglichkeit nach Maßgabe des nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 FFH-RL umschriebenen Schutzumfangs keine Rolle spielt. Als "Ergänzung zu 3.3" wird der Kiebitz in Abschnitt 4.1 unter den bedeutsamen Vorkommen von Vogelarten im Gebiet aufgeführt. Unter den anderen Gebietsmerkmalen können andere nicht in Anhang I genannte Lebensräume und nicht in Anhang II aufgeführte Zielarten aufgezählt werden, die für die Erhaltung des Gebiets wichtig sind (Durchführungsbeschluss, Erläuterung zu 4.1). Wenn schon die unter den Abschnitt 3.3 genannten Arten für die FFH-Prüfung nicht von Bedeutung sind, gilt dies umso mehr für Arten, die lediglich in Abschnitt 4.1 erwähnt werden.

73(2) Der Kiebitz ist schließlich auch keine für die geschützten Lebensraumtypen charakteristische Art. Die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung (S. 33) verweist insoweit auf den für Nordrhein-Westfalen im Auftrag des MKULNV erarbeiteten Leitfaden zur "Berücksichtigung charakteristischer Arten der FFH-Lebensraumtypen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung" vom (vgl. dazu Wulfert u. a., NuL 2017, 373 ff.). Der Hinweis der Klägerinnen auf im Ansatzpunkt abweichende Vollzugshinweise für niedersächsische Behörden (NLWKN, Niedersächsische Strategie zum Arten- und Biotopschutz - Vollzugshinweise zum Schutz der FFH-Lebensraumtypen sowie weiterer Biotoptypen mit landesweiter Bedeutung in Niedersachsen - Magere Flachland-Mähwiesen <6510>, Ziff. 1.4.2: Kiebitz als lebensraumtypische Tierart) ist schon deswegen unbehelflich, weil der zuständigen Behörde insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt. Deswegen ist auch dem Beweisantrag A.8.a nicht nachzugehen.

74Nach dem hier einschlägigen Leitfaden werden anhand der nach Auswertung von Literaturquellen und durch Experteneinschätzungen beurteilten Kriterien "Vorkommensschwerpunkt", "Bindungsgrad" und "Habitat-/Strukturbildner" die charakteristischen Arten des Lebensraumtyps auf der "Typebene" identifiziert (vgl. Leitfaden S. 6 ff.). Auf der "Objektebene" erfolgt die Festlegung der in der konkreten FFH-Verträglichkeitsprüfung zu betrachtenden Arten nach der Empfindlichkeit gegenüber Wirkfaktoren und Vorkommen im FFH-Gebiet. Im Anhang I zum Leitfaden (S. 13) werden für den Lebensraumtyp 6510 - nur dieser kommt für eine Offenlandart wie den Kiebitz überhaupt in Betracht - keine Vogelarten als charakteristische Art ausgewiesen. Wenn im Maßnahmenblatt für das FFH-Gebiet Berkel als - nicht abschließender - Nachweis auf Objektebene (vgl. FFH-Verträglichkeitsuntersuchung S. 31, Tab. 3-4) für diesen Lebensraumtyp keine charakteristische Art vermerkt wird, beruht dies in Bezug auf den Kiebitz folglich nicht auf einem fehlenden Nachweis des Vorkommens im FFH-Gebiet. Die Angaben im Standard-Datenbogen über das Vorkommen sind nämlich nur nach Maßgabe der Festlegungen auf Typebene von Relevanz (vgl. hierzu Leitfaden, S. 22).

75Aus diesen Gründen musste auch der Weißstorch (Ciconia ciconia), der in den von den Klägerinnen herangezogenen niedersächsischen Vollzugshinweisen ebenfalls als lebensraumtypische Art für den Lebensraumtyp 6510 benannt wird, in der FFH-Prüfung nicht betrachtet werden. Entsprechendes gilt für den im Beweisantrag A.8.b genannten Eisvogel (Alcedo atthis) als vermeintlich charakteristische Art für den Lebensraumtyp 3260 (Fließgewässer mit flutender Wasservegetation; Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitricho-Batrachion). Der Anhang 1 zum Leitfaden erwähnt hier bei den Brutvögeln nur den Flussregenpfeifer (Charadrius dubius), den Gänsesäger (Mergus merganser) und die Uferschwalbe (Riparia riparia).

765. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den artenschutzrechtlichen Bestimmungen.

77a) Hinsichtlich der Fledermäuse hat der Planfeststellungsbeschluss einen Verstoß gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote (§ 44 Abs. 1 BNatSchG) im Ergebnis zu Recht verneint.

78aa) Die artenschutzrechtliche Prüfung setzt eine ordnungsgemäße Bestandserfassung voraus; dem wird das Vorgehen des Fachgutachters der Beigeladenen nicht in jeder Hinsicht gerecht.

79Die gebotenen artenschutzrechtlichen Untersuchungen setzen eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Vorhabenbereich vorhandenen Pflanzen- und Tierarten sowie von deren Lebensräumen voraus. Dabei ist kein lückenloses Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchung hängt vielmehr von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Die hierbei anzuwendenden Methoden sind normativ nicht vorgegeben, sondern ergeben sich aus außerrechtlichen Maßstäben. Regelmäßig liegt der Ermittlung artenschutzrechtlicher Betroffenheiten neben einer Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur eine - unter Zuhilfenahme einschlägiger, im Interesse einer Standardisierung erarbeiteter Leitfäden und Arbeitshilfen vorgenommene - Bestandserfassung an Ort und Stelle zugrunde (stRspr, vgl. 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54, 59 und vom - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 128 f.). Bei dieser muss sich der Gutachter an den - soweit vorhanden - allgemein anerkannten fachwissenschaftlichen Standards orientieren; fehlen diese, ist die gerichtliche Überprüfung insoweit auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle beschränkt (vgl. u. a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 26 ff.).

80(1) Der Fachgutachter hat sich bei der Kartierung der üblichen Methoden zum Nachweis von Fledermäusen (Netzfang, Detektorbegehung, Batcorder) bedient. Die Klägerinnen erheben insoweit keine Einwendungen, beanstanden jedoch den zeitlichen Rahmen der Untersuchungen, nämlich die Beschränkung auf die Monate Mai und Juli, als ungenügend. Diese Kritik greift auch ungeachtet des Umstands, dass sie insofern von falschen Prämissen ausgeht, als der Batcorder bis in den September hinein eingesetzt wurde (siehe Planunterlagen, Anl. 12 D2 Anhang C Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag <AFB> Anl. 1 Protokoll einer Artenschutzprüfung <ASP> Anhang 3 S. 7 f.), nicht durch.

81Eine sachgerechte Bestandserfassung im Untersuchungsraum hat sich an den für die Arten maßgeblichen Wirkfaktoren des jeweiligen Vorhabens auszurichten. Als relevante Einwirkung hat das Gutachten die Beseitigung von Vegetation identifiziert, sodass allein von Interesse ist, ob dadurch Zugriffstatbestände verwirklicht werden können. Wegen der örtlichen Radizierung kommt es darauf an, ob die Fledermäuse durch den vorhabenbedingten Eingriff unmittelbar oder mittelbar geschädigt bzw. beeinträchtigt werden. Gefahren, die sich durch einen Ortswechsel insbesondere vor und nach der Winterruhe ergeben können, sind demgegenüber unbeachtlich; das Zuggeschehen im Frühjahr und Herbst ist ohne Bedeutung. Die Bestandserfassung durfte sich demnach auf den gewählten Zeitraum beschränken.

82(2) In räumlicher Hinsicht weist die Bestandserfassung hingegen Fehler auf. Für diese Feststellung bedarf es nicht der beantragten Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten (A.4.a, A.4.b). Denn der Senat verfügt über die erforderliche eigene Sachkunde, um die vorliegenden Unterlagen verständig auszuwerten und im Anschluss die dann gebotenen Schlüsse zu ziehen. Die festgestellten Fehler sind für die artenschutzrechtliche Bewertung im Ergebnis allerdings unbeachtlich.

83Der Fachgutachter hat sich bei Bestimmung der konkreten Untersuchungsorte im gesamten Untersuchungsraum angesichts der maßgeblichen Wirkfaktoren zu Recht an potentiellen Quartierstandorten orientiert. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, dass er nicht alle diejenigen Gebiete einer gründlichen Untersuchung unterzogen hat, in denen - wie auch in dem von der Leitung überspannten Waldbiotop BK 4007-0016 ("Laubwälder westlich Gescher" mit drei in der Feldflur liegenden Buchen- und Eichenbeständen) - Bäume und folglich für Fledermäuse gegebenenfalls geeignete Habitatstrukturen im Schutzstreifen vorhabenbedingt beseitigt bzw. eingekürzt werden müssen, wobei die Auswirkungen nach dem Planfeststellungsbeschluss als erheblich einzustufen sind (siehe Umweltstudie, Anl. 12, Anhang A, Karte 6.2.2-2: Konfliktintensität im Schutzstreifen sehr hoch). Dieses Vorgehen bemängeln die Klägerinnen und verweisen in der Klagebegründung auf insgesamt 13 Strukturen in der Schneise der Wuchshöhenbeschränkung wie (Baum-)Höhlen, ausgefaulte Stämme, abgeplatzte Baumrinde, die als Fledermausquartiere in Betracht kämen. Diese nachträglichen Feststellungen ihres Gutachters sind als solche zwar unbeachtlich. Soweit damit im Wege eines naheliegenden Rückschlusses auf vergangene Zustände eine nicht sachgerechte Bestandserfassung belegt werden soll, deckt sich dies aber im Ergebnis mit der auf einer Auswertung der vorgelegten Unterlagen beruhenden Bewertung des Senats. Wegen der hieran anknüpfenden rechtlichen Erwägungen des Senats, insbesondere der gebotenen worst-case-Annahme zur Existenz von geeigneten Habitatstrukturen, ist die im Beweisantrag A.1.c unter Beweis gestellte Tatsache, dass durch die Wuchshöhenbeschränkung mindestens 40 bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung vorhandene Baumhöhlen als mehrjährige Fortpflanzungs- und Ruhestätten für Fledermäuse zerstört werden, unerheblich. Auf die exakte Anzahl kommt es rechtlich nicht an. Auch kann dahinstehen, ob eine mehrjährige Nutzung rückblickend überhaupt verlässlich ermittelt werden kann.

84Das Gutachten hat die Probeflächen, auf denen der Fledermausbestand kartiert worden ist, nach einer so bezeichneten "Übersichtsbegehung" vom festgelegt (Anl. 12 D2, Anhang C, Anl. 1, Anhang 3, Protokoll einer Artenschutzprüfung, März 2020, S. 7). Im Bericht über die vorangegangene Kartierung wird das Ziel der Übersichtsbegehung in der Optimierung der Probeflächenabgrenzung gesehen, insbesondere im Hinblick auf Einbeziehung unterschiedlicher Habitattypen und zusammenhängender Habitatkomplexe, um so ein möglichst breites Spektrum an Arten zu erfassen (Anl. 12 D2, Anhang C, Anl. 1, Anhang 2, Protokoll einer Artenschutzprüfung, Dezember 2018, S. 3).

85Auf dieser Grundlage hat das Gutachten das mit ca. 6 ha größte Teilstück des insgesamt aus drei Teilflächen im Gesamtumfang von 9,8 ha bestehenden Biotops BK 4007-0016 als eine der Probeflächen (Probefläche 7) bestimmt. Diese Entscheidung mag bei ähnlicher Vegetation aller Teilflächen wegen des im Vergleich zum überspannten, nur ca. 2,4 ha großen Teilstück kompakteren Zuschnitts der ausgewählten Waldfläche und dem größeren Abstand zur Straße nachvollziehbar erscheinen, soweit es um die Breite des Artenspektrums geht. Das vordringliche Untersuchungsziel - der Nachweis von Fledermaushabitaten gerade im Bereich der in Rede stehenden Wirkfaktoren - gerät damit jedoch in den Hintergrund.

86Das Gutachten weist in der Probefläche 7 neben der zahlenmäßig dominierenden, aber als gebäudebewohnend hier nicht interessierenden Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) insgesamt noch weitere 14 Fledermausarten nach. Nur bei der Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) wird ein Quartier festgestellt, während bei drei weiteren Fledermausarten an anderen Probeflächen Quartierstandorte gefunden worden sind (Braunes Langohr <Plecotus auritus> in Probefläche 17 bei Mast 100 und Fransenfledermaus <Myotis natteri> in Probefläche 18 bei Mast 96; ein Quartier der Bechsteinfledermaus <Myotis bechsteinii> wird entgegen der Angaben im Kartierbericht <Anl. 12 D2, Anhang C, Anl. 1, Anhang 3, Protokoll einer Artenschutzprüfung, März 2020, S. 23> in den Karten Nr. 4 Bl. 1 und 2 nicht verzeichnet). Nach den Erläuterungen der Beigeladenen handelt es sich wegen des Zeitraums der Kartierung um Wochenstubenquartiere.

87Wenn der artenschutzrechtliche Fachbeitrag vom Februar 2021 (Planunterlagen, Anl. 12 D2, Anhang C) auf dieser Grundlage zum Schluss kommt, dass jedenfalls bezogen auf den Bereich von Mast 90 die dort ermittelten Fledermausquartiere außerhalb der Wirkräume der Wirkfaktoren liegen (AFB S. 37; PFB S. 191), versteht sich das aufgrund des örtlich begrenzten Untersuchungsprogramms von selbst. Für die nachfolgende Aussage im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag, wonach "bei Kontrollen und Nachsuchen in den betroffenen Bereichen keine für Fledermäuse geeigneten Höhlenbäume oder sonstigen Quartiermöglichkeiten nachgewiesen werden" konnten, gibt es keinen Nachweis in den Planunterlagen. Es ist nicht ersichtlich, dass die erwähnten Überblicksbegehungen solche "Nachsuchen und Kontrollen" umfasst haben. Die Ausführungen nach dem Fazit, wonach Beeinträchtigungen der nachgewiesenen Arten durch die genannten Wirkfaktoren nicht zu erwarten seien, sind ebenso wenig geeignet, die Feststellungen zu verdeutlichen. Während zuvor aus dem Fehlen von Höhlenbäumen auf das Nichtvorhandensein von Fledermausquartieren geschlossen wird, soll nunmehr die Entfernung von Höhlenbäumen möglich sein, weil keine Quartiere nachgewiesen seien (AFB S. 37; PFB S. 192).

88Angaben aus vorangegangenen Verfahrensstadien helfen ebenso wenig weiter. Im (ersten) artenschutzrechtlichen Fachbeitrag von Oktober 2014 (Planunterlagen, Anl. 12 Umweltstudie Anhang C) wird zwar auf die faunistische Erhebung der Fledermäuse entlang der gesamten Trasse (Untersuchungsraum 100 m beidseits) aus dem Jahr 2012 mit gezielter Kartierung im Bereich potentieller Quartierstandorte oder Höhlen sowie eine zusätzliche Kartierung 2013/2014 im Bereich der Umgehung Gescher in geeigneten Habitaten verwiesen (S. 6 f.). Damals wurden nur fünf Fledermausarten nachgewiesen, wobei lediglich von Jagdhabitaten ausgegangen wurde (S. 30). Die weiteren Erkenntnisse, wonach keine Hinweise auf tatsächliche oder potenzielle Fledermausquartiere, insbesondere Höhlenbäume, gefunden werden konnten (S. 29), können aber schon wegen ihres Alters und weil sie durch die neue Kartierung überholt sind, nicht mehr herangezogen werden. In der Revision des Faunakapitels - März 2019 - (Deckblatt 1, Ordner 4) wird soweit ersichtlich nur auf die schon in den ursprünglichen Planunterlagen erwähnten Kontrollen und Nachsuchen aus dem Jahr 2012 Bezug genommen (Seite 6.2-69).

89Zweifel an der dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden pauschalen Feststellung der fehlenden Quartiereignung und folglich der Nutzung des überspannten Waldstücks lediglich als Jagdhabitat weckt im Übrigen die Beschreibung der im betreffenden Biotop anzutreffenden Lebensraumtypen im Biotopkataster Nordrhein-Westfalen. Der Lebensraumtyp 9110 (Hainsimsen-Buchenwald) macht dort 74 % der Fläche aus. Der entsprechende Biotoptyp AA0 (Buchenwald) wird u. a. mit den Kennzeichen "oh - Höhlenbaum(bäume)" und "oj - totholzreich" beschrieben. Die Umweltstudie (Planunterlage Anl. 12, Karte 6.2-1/2) weist für das überspannte Waldstück im Schutzstreifen den Biotoptyp AA1 (Eichen-Buchenmischwald) und in der westlichen Ecke den Biotoptyp AB1 (Buchen-Eichenmischwald) aus. Es ist nicht ersichtlich, dass deswegen die Kennzeichen keinen Bestand mehr hätten. Wenn die Beigeladene betont, dass die kartierte und die benachbarte Waldfläche funktional zusammenhängen, liegt die Annahme nicht fern, dass sich die festgestellte Quartiernutzung durch die Wasserfledermaus bei gegebenen geeigneten Habitatstrukturen auf das Waldgebiet im Schutzstreifen erstreckt.

90Diese Einschätzung wird letztlich bekräftigt durch die im Auftrag der Beigeladenen erstellte "Funktionskartierung" für den geplanten Waldschutzstreifen (Lill, Beurteilung von Nutzfunktion, Schutzfunktion und Erholungsfunktion einer Waldfläche - Bl. 4201, geplante Höchstspannungsfreileitung Wesel - Pkt. Meppen, Mast 90-91, Gemeinde Gescher, Gemarkung Estern, Flur 4, Flurstück 169, vom ; Verwaltungsakten Bl. 1268 ff.), auf die der artenschutzrechtliche Fachbeitrag allerdings nicht eingeht. Bei den "Erläuterungen zum Artenschutz" (S. 6 f.) wird das Vorkommen und die Menge von stehendem oder liegendem Totholz als gering bezeichnet. Totholz im Starkholzbereich komme nicht vor. Eine abgestorbene Birke weise zahlreiche Hackstellen durch Spechte auf. Bei den Baumhöhlen/Horstbäumen wird als Ergebnis einer Untersuchung auf vorhandene Baumhöhlen/Spechthöhlen sowie Rindenspalten als mögliche Quartiere u. a. für Fledermäuse allein auf eine Birke mit einer starken Höhlung verwiesen, während weitere Stämme mit markanten Höhlungen nicht vorgefunden worden seien und auch Horstbäume nicht hätten bestätigt werden können. Als Ergebnis dieser gezielten Begehung des von der Planung betroffenen Waldstücks bleibt festzuhalten, dass in diesem Gebiet für Fledermäuse geeignete Habitatstrukturen zwar nicht in großer Zahl anzutreffen sind; sie sind allerdings, wenn auch weniger zahlreich als die Kennzeichnung im Biotopkataster mit "oh" und "oj" wohl erwarten ließe, durchaus vorhanden. Auch vor diesem Hintergrund erweist sich die Bestandserfassung nach ihrem räumlichen Umgriff als defizitär.

91bb) Ist folglich im Schutzstreifen als dem maßgeblichen Eingriffsbereich eine Beseitigung von Habitatstrukturen nicht ausgeschlossen, die von der in der benachbarten Waldfläche als quartiernutzend nachgewiesenen Wasserfledermaus regelmäßig genutzt werden, muss mangels tragfähiger Feststellungen bei einer worst-case-Betrachtung (vgl. etwa 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38 und vom - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 51) von einem vorhabenbedingten Verlust von Fortpflanzungsstätten im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ausgegangen werden. Die Fortpflanzungsstätte im Rechtssinne beschränkt sich dabei auf die einzelnen quartiergeeigneten Habitatstrukturen wie insbesondere Höhlenbäume. Für eine Ausweitung auf einen weiteren von Einkürzungen betroffenen Umkreis vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom - C-357/20 [ECLI:EU:C:2021:881], Stadt Wien (Feldhamster II) - (NVwZ 2022, 49) ist hier kein Raum; denn aufgrund der Größe des Jagdhabitats von Fledermäusen kann insoweit nicht von einer relevanten Verkleinerung für den Reproduktionserfolg essenzieller Habitatbestandteile ausgegangen werden.

92Der Planfeststellungsbeschluss bewältigt diese artenschutzrechtliche Problemlage allerdings im Wege vorsorglich angeordneter Maßnahmen.

93(1) Der Planfeststellungsbeschluss setzt vorsorglich wegen der Möglichkeit von sporadisch durch Fledermäuse genutzten Spaltenquartieren die Vermeidungsmaßnahme V3 (Baumhöhlenkontrolle vor Rodung) fest. Diese Maßnahme erfasst der Sache nach - wie bereits aus der Bezeichnung hervorgeht - über die Kontrolle von Spalten hinaus auch sonstige habitatgeeignete Baumhöhlen. Im Zusammenspiel mit Auflage Nr. bildet sie eine vorgezogene Ausgleichsmaßnahme (CEF-Maßnahme) im Sinne von § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 BNatSchG. Dabei bedarf es keiner Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG erfüllt sind. Denn insoweit genügen die Ausführungen in der Klagebegründung nicht den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO. Die Tauglichkeit der Ausgleichsmaßnahme kann der Senat aufgrund der vorliegenden fachlichen Stellungnahmen selbst bewerten. Die insoweit beantragte Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten (A.4.c, d) ist nicht erforderlich. Ist davon auszugehen, dass Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von Fledermäusen durch die Ausgleichsmaßnahmen ersetzt werden können, kommt es auf die im Beweisantrag A.4.e unter Beweis gestellte Tatsache nicht an. Sie bezieht sich allein darauf, ob auch ohne die festgelegten Ausgleichsmaßnahmen die ökologische Funktion durch bereits bestehende Ausweichmöglichkeiten gewahrt ist (vgl. hierzu BVerwG, [Hinweis-]Beschluss vom - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 61), sodass der Beweisantrag als unerheblich abzulehnen ist. Keines Beweises bedarf die im Beweisantrag A.4.f unter Beweis gestellte Tatsache. Generalisierende und nicht artbezogene Aussagen über Lebensgewohnheiten und Habitatanforderungen gehölzbewohnender Fledermäuse sind allgemeinkundig, in dieser Allgemeinheit allerdings auch nicht entscheidungserheblich.

94(2) Als CEF-Maßnahme kann die Baumhöhlenkontrolle zusammen mit dem zugleich vorgesehenen Anbringen von Fledermauskästen als Ersatz für verloren gegangene natürliche Quartiere nur dann anerkannt werden, wenn von einer ausreichenden Wirksamkeit ausgegangen werden kann. Während bislang in der Genehmigungspraxis verbreitet und von der Rechtsprechung auch gebilligt im Wege einer generalisierenden und nicht artspezifischen Betrachtung von der Wirksamkeit von auf gehölzbewohnende Fledermausarten ausgerichteten Fledermauskästen ausgegangen worden ist (siehe etwa 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 91), wird in Fachkreisen nunmehr vermehrt eine artenbezogene Betrachtung angemahnt. Die Klägerinnen schließen sich dieser Ansicht an und beziehen sich auf eine Untersuchung von Zahn/Hammer (Zur Wirksamkeit von Fledermauskästen als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen, Anliegen Natur <39> 2017, 27 ff.; siehe auch Zahn/Hammer/Pfeiffer, Hinweisblatt zu artenschutzrechtlichen Maßnahmen für vorhabenbedingt zerstörte Fledermausquartiere, Anliegen Natur <43> 2021, 11 ff.; sowie dieselben Autoren für die Koordinationsstellen für Fledermausschutz in Bayern, Vermeidungs-, CEF- und FCS- Maßnahmen für vorhabenbedingt zerstörte Fledermausbaumquartiere, Stand Mai 2021). Danach sei die Akzeptanz von solchen Ersatzhabitaten bei den Fledermausarten ganz unterschiedlich ausgeprägt und bei manchen Arten von einer längeren Gewöhnungsphase zur Begründung einer "Kastentradition" abhängig (in diesem Sinne auch Hurst u. a., Windkraft im Wald und Fledermausschutz - Überblick über den Kenntnisstand und geeignete Erfassungsmethoden und Maßnahmen, in: Voigt <Hrsg.>, Evidenzbasierter Fledermausschutz in Windkraftanlagen, 2020, S. 30 ff., 47; Veith u. a., Windkraft und Fledermausschutz im Wald - eine kritische Betrachtung der Planungs- und Zulassungspraxis, in: Voigt <Hrsg.>, Evidenzbasiertes Wildtiermanagement, 2023, S. 149 ff., 182 f.; siehe aus der Praxis der Planfeststellungsverfahren die artenschutzrechtliche Ersteinschätzung des Fachgutachters für TransnetBW im Verfahren 380-kV-Netzverstärkung Grafenrheinfeld - Kupferzell - Großgartach, Unterlagen zur Bundesfachplanung nach § 8 NABEG, vom , S. 34, 98 ff.: kein Beleg für die Wirksamkeit von Fledermauskästen bei Mopsfledermaus, Bechsteinfledermaus, Kleiner Bartfledermaus und Mückenfledermaus). Die Beigeladene zieht die Verwertbarkeit der von den Klägerinnen erwähnten Studie wegen methodischer Mängel in Zweifel und stellt sie als letztlich vereinzelte Auffassung dar, die den gegenteiligen Konsens weiter naturschutzfachlich ausgewiesener Kreise nicht zu erschüttern vermöge. Dieser Einwand überzeugt nicht. Soweit die Beigeladene zum Beleg der Auffassung, Fledermauskästen seien für baumbewohnende Arten eine etablierte Maßnahme mit guten Nachweisen der Erfolge, insbesondere auf die Leitfäden aus Nordrhein-Westfalen (MKULNV, Leitfaden "Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen" für die Berücksichtigung artenschutzrechtlich erforderlicher Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen, 2013) und - darauf aufbauend - aus Rheinland-Pfalz (LBM, Leitfaden CEF-Maßnahmen, Hinweise zur Konzeption von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen <CEF> in Rheinland-Pfalz, 2021) verweist - der ebenfalls zitierte Leitfaden aus Schleswig-Holstein (LBV, Fledermäuse und Straßenbau - Arbeitshilfe zur Beachtung der artenschutzrechtlichen Belange bei Straßenbauvorhaben in Schleswig-Holstein, 2021) verhält sich nicht zur aufgeworfenen Fragestellung -, finden sich gerade dort artbezogen differenzierende Angaben (siehe MKULVN, S. 77 ff.; LBM S. 55 ff.), auch wenn bei einer Gesamtbetrachtung eine positive Einschätzung durchaus überwiegt.

95Bei dieser Sachlage ist gerade angesichts der genannten Leitfäden nicht davon auszugehen, dass der generalisierende Ansatz weiterhin den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegelt. Bei der gebotenen artspezifischen Betrachtungsweise kann zur Einschätzung der Wirksamkeit von Fledermauskästen für die hier betroffene Wasserfledermaus ohne weiteres auf die Bewertung "mittel" in den Leitfäden zurückgegriffen werden (MKULVN, S. 81; LBM S. 64). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies fachlich unvertretbar wäre. Vielmehr gehen auch andere sachkundige Veröffentlichungen davon aus, dass die Wasserfledermaus Fledermauskästen akzeptiert (siehe LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Planungsrelevante Arten, Wasserfledermaus, Kurzbeschreibung, Biologie/Lebenszyklus, Phänologie; BfN <www.bfn.de>, Artenportraits, Myotis daubentonii - Wasserfledermaus, Lebensraum, Ökologie der Art). Jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation genügt demnach die Anbringung von geeigneten Fledermauskästen bei Beachtung der in der Auflage normierten fachlichen Vorgaben den Anforderungen an eine Maßnahme nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG, sodass ein naturschutzrechtlicher Verbotstatbestand nicht verwirklicht wird.

96(3) Die Anwendung der Vorschriften über die CEF-Maßnahmen begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken. Der insoweit angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (B.a, B.e) zum Verständnis von Art. 12 FFH-RL bedarf es nicht; soweit entscheidungserheblich, sind die aufgeworfenen Fragen geklärt.

97Mit dem Verschließen von Baumhöhlen vor einer Gehölzentnahme und der damit bezweckten Verhinderung der Besiedlung als Winterquartier von Fledermäusen sollen Individuenverluste und folglich die Verwirklichung des Verbotstatbestands des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL vermieden werden. Der damit einhergehende Verlust bestimmter von den Tieren genutzter Plätze verwirklicht bei einem weiter gefassten unionsrechtlichen Verständnis des Begriffs der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im Sinne eines funktionalen Verbundkomplexes den Verbotstatbestand des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL nicht, wenn zugleich ein tauglicher Ersatz besteht oder für einen solchen gesorgt wird. Dem entsprechen die zweistufigen Vorschriften des nationalen Rechts über die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (vgl. 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 97 f., vom - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 65, 69 f., vom - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 140, unter Verweis auf den Leitfaden der Europäischen Kommission zum Artenschutz von Februar 2007; [Hinweis-]Beschluss vom - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 62 und zuletzt Urteil vom - 7 C 4.21 - BVerwGE 176, 313 Rn. 40). Die Klägerinnen legen weder dar, noch ist sonst ersichtlich, dass diese Auslegung zweifelhaft sein könnte. Denn der Europäische Gerichtshof stellt beim Zerstörungsverbot maßgeblich auf die Erhaltung der (gebietsbezogenen) ökologischen Funktionalität ab (vgl. , C-474/19 [ECLI:EU:C:2021:166], Föreningen Skydda Skogen - NVwZ 2021, 545 Rn. 79 ff. und vom - C-357/20, Stadt Wien [Feldhamster II] - NVwZ 2022, 49 Rn. 30, 42, 48 ff.), und auch die Europäische Kommission erkennt in dem überarbeiteten "Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichen Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie" vom (C[2021] 7301 final) funktionserhaltende Maßnahmen weiterhin an (Ziff. 2.3.4d, S. 46 f.).

98Die weitere Frage, die der Sache nach das Verhältnis von Art. 12 und 16 der FFH-RL betrifft, ist eindeutig zu beantworten. Denn der Anwendungsbereich der Bestimmung über die Gewährung einer Ausnahme ist nicht eröffnet, wenn aufgrund der Wahrung der ökologischen Funktionalität der Verbotstatbestand nicht verwirklicht wird. Die ökologische Funktionalität wird dabei durch die Festlegung konkreter Ausgleichsmaßnahmen gewährleistet und nicht lediglich einer inhaltlich nicht näher bestimmten ökologischen Baubegleitung überantwortet.

99(4) Der rechtlichen Anerkennung der Ausgleichsmaßnahmen steht der durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes am in Kraft getretene § 45b Abs. 7 BNatSchG (siehe Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes vom , BGBl. I S. 1362) nicht entgegen. Danach dürfen Nisthilfen für kollisionsgefährdete Vögel- und Fledermausarten in einem Umkreis von 1 500 Metern um errichtete Windenergieanlagen sowie innerhalb von Gebieten, die in einem Raumordnungsplan oder einem Flächennutzungsplan für die Windenergienutzung ausgewiesen sind, nicht angebracht werden. Ungeachtet der Frage, ob insbesondere die Voraussetzungen der ersten Tatbestandsalternative vorliegen, ist die Vorschrift für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses unbeachtlich. Denn maßgeblicher Zeitpunkt ist insoweit der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 16). Daran hat sich hier durch den Planergänzungsbeschluss nichts geändert. Denn das ergänzende Verfahren hat sich darauf beschränkt, einen punktuellen Fehler der ersten Entscheidung zu heilen und Erwägungen an anderer Stelle zu überarbeiten (vgl. 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 163 und vom - 7 C 22.17 - Buchholz 406.403 § 64 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 14 m. w. N.).

100Im Übrigen spricht viel dafür, dass § 45b Abs. 7 BNatSchG dann keine Anwendung findet, wenn die Nistkästen im Zuge einer Maßnahme nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG angebracht werden. In dieser Hinsicht dürfte eine teleologische Reduktion der Vorschrift angezeigt sein. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Vorschrift vermeiden, dass aufgrund der Nähe von Brut- und Nistplätzen kollisionsgefährdeter Vogel- und Fledermausarten und von Windenergieanlagen bestehende Konflikte sich verschärfen oder neue Problematiken geschaffen werden (BT-Drs. 20/2354 S. 26). Eine solche grundsätzlich zu vermeidende Risikoerhöhung für die gefährdeten Arten ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine vorgefundene und bereits mit einem Gefahrenpotenzial verbundene Lage durch eine Ausgleichsmaßnahme lediglich beibehalten, nicht aber verschlimmert wird.

101b) Einen Verstoß gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen hinsichtlich der Vögel hat der Planfeststellungsbeschluss ebenfalls verneint. Auch hiergegen wenden sich die Klägerinnen ohne Erfolg.

102Eine ordnungsgemäße Bestandserfassung ist - wie bereits ausgeführt - die Grundlage für die Prüfung, ob und inwieweit artenschutzrechtliche Betroffenheiten vorliegen. Die Untersuchungen müssen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichen, um die Planfeststellungsbehörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen. Dem wird das dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegende Vorgehen gerecht. Mängel in der Bestandserfassung würden sich im Übrigen auf das Ergebnis der artenschutzrechtlichen Prüfung nicht auswirken.

103aa) Die Klägerinnen beanstanden, dass der Planfeststellungsbeschluss insbesondere bei der Prüfung der Avifauna zwischen planungsrelevanten und sonstigen Arten unterscheide und rügen - unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Fachbeistands - insoweit eine fehlerhafte Bestandserfassung, weil damit das zu berücksichtigende Artenspektrum beschränkt und gegen unionsrechtliche Vorgaben, wie sie vom , C-474/19, Föreningen Skydda Skogen - (NVwZ 2021, 545) klargestellt worden seien, verstoßen werde.

104Dieser Einwand greift nicht durch. Das kann der Senat ohne die von den Klägerinnen angeregte Vorlage (B.d) an den Europäischen Gerichtshof feststellen. Der Planfeststellungsbeschluss legt bei den Brut- und Rastvögeln kein unzulässig verengtes Verständnis der zu erfassenden Schutzobjekte der Zugriffsverbote zugrunde. Vielmehr nimmt der artenschutzrechtliche Fachbeitrag (Planunterlagen, Anl. 12 D2 Umweltstudie, Anhang C) - wie geboten - alle europäischen Vogelarten als besonders geschützte Arten (§ 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b Doppelbuchst. bb BNatSchG) in den Blick. Bei der nachfolgenden Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG, der die Vorgaben des Art. 12 FFH-RL und des Art. 5 VRL umsetzt, trennt er im Anschluss an die "Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 92/43/EWG (FFH-RL) und 2009/147/EG (V-RL) zum Artenschutz bei Planungs- oder Zulassungsverfahren - VV-Artenschutz - "des MKULNV vom (S. 19) zwischen verschiedenen Artengruppen (Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag S. 40 f. und Anl. 1, Protokoll einer Artenschutzprüfung, Anl. 1A). Er unterscheidet die Gilden der Irrgäste und der sporadischen Zuwanderer, deren unstetes Vorkommen bei einer Zulassungsentscheidung sinnvollerweise keine Rolle spielen kann, einerseits und die Allerweltsarten mit einem landesweit günstigen Erhaltungszustand und einer großen Anpassungsfähigkeit andererseits. Bei diesen Gilden wird in der Regel auf eine Art-für-Art-Betrachtung verzichtet, weil im Rahmen allgemeiner Vermeidungsmaßnahmen zum Gehölzrückschnitt und zu Gehölzentnahmen sowie zur Baufeldfreimachung vermeidbare Verletzungen und Tötungen vermieden werden können (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), die lokale Population nicht erheblich gestört (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) und die ökologische Funktion ihrer Lebensstätten nicht beeinträchtigt wird (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Diese vereinfachte Herangehensweise ist Ausdruck einer vollzugspraktischen Bündelung, deren Zulässigkeit von der erwähnten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht infrage gestellt wird; denn darin ging es um pauschale Legalausnahmen, die bestimmte Gruppen von Vogelarten von vornherein von einer Artenschutzprüfung ausnehmen (vgl. 9 A 1.21 - UPR 2023, 103 Rn. 98 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 176, 94> sowie vom - 7 C 4.21 - BVerwGE 176, 313 Rn. 32 ff.).

105Hiernach ist dem Beweisantrag A.1.c nicht nachzugehen, soweit die Zerstörung von Fortpflanzungsstätten der Ringeltaube, der Grasmücke und der Drossel unter Beweis gestellt wird. Diese Tatsache ist zum Nachweis einer mangelhaften Bestandserhebung unerheblich, denn die genannten Vogelarten gehören nicht zu den planungsrelevanten Arten.

106Die Klägerinnen zeigen auch nicht auf, dass jedenfalls in Bezug auf das Zerstörungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ein Ausnahmefall vorliegt, weil mit den Einkürzungen bei der Anlage des Schutzstreifens in dem betroffenen Waldstück des Biotops BK 4007-0016 das gesamte Habitat verloren gehe und Ersatzhabitate nicht mehr im räumlichen Zusammenhang zur Verfügung stünden. Zum einen findet schon im Schutzstreifen kein Kahlschlag statt, und zum anderen liegt in geringer Entfernung von diesem Waldstück mit der Probefläche 7 der Fledermauskartierung ein flächenmäßig größerer Teil des Biotops, der vom Vorhaben gänzlich unberührt bleibt. Es ist folglich davon auszugehen, dass sich die Ersatzhabitate innerhalb des Verbreitungsgebiets der lokalen Population befinden (siehe dazu 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 115). Dem auch hierauf bezogenen Beweisantrag A.1.d war nicht nachzugehen. Er ist unerheblich, weil auch bei der behaupteten Beeinträchtigung der Habitateignung im Schutzstreifen - jedenfalls ausgenommen ist insoweit der Bereich in der Nähe von Mast 90, wo sich die Wuchshöhenbeschränkung nicht oder nur in sehr geringem Maße auswirkt - und auch teilweise darüber hinaus weiterhin Waldflächen zur Verfügung stehen, die vom Vorhaben in keiner Weise betroffen sind. Im Übrigen ist der Beweisantrag unbestimmt und unsubstantiiert, weil völlig offen bleibt, welche Vogelarten durch welche Änderung des Mikroklimas durch einen im Aufbau gestuften Wald ihr Habitat verlieren könnten.

107bb) Der Untersuchungsraum ist zutreffend bestimmt worden.

108Die Bemessung des Untersuchungsraums hat sich an den vom Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen auszurichten. Je nach den Besonderheiten des jeweils maßgeblichen Wirkfaktors kann er unterschiedlich festzulegen sein.

109Neben den eindeutig zu bestimmenden Wirkzonen der Wirkfaktoren "Beseitigung von Vegetation (temporär)" in den Baustelleneinrichtungsflächen sowie "Beseitigung und Beanspruchung von Gehölzvegetation durch Wuchshöhenbeschränkung" im Bereich des Schutzstreifens wird die Wirkzone bei der "Veränderung der Habitatstruktur mit der Folge Meidung trassennaher Flächen durch Vögel" mit einem Streifen von 300 m beidseitig der Trassenmitte festgesetzt und bei der "Verunfallung von Vögeln durch Leitungsanflug" artspezifisch bis mindestens 5 000 m beidseitig der Trassenmitte angegeben (Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag S. 29, Tab. 3-2). Die Klägerinnen rügen, dass der Fachbeitrag der letztgenannten Anforderung hinsichtlich des Weißstorchs und des Schwarzstorchs nicht nachgekommen sei.

110Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag (S. 6 f.) hat den Untersuchungsraum im Bereich der Umgehung Gescher gerade wegen eines aufgrund der Neutrassierung erhöhten Anflugrisikos nach Nordwesten - d. h. in Richtung der offenen Landschaft - auf einen Streifen von 1 000 m ausgeweitet, während in anderen Abschnitten im Bereich des Ersatzbaus je nach faunistischer Qualität des durchquerten Gebiets 300 m bzw. 500 m beidseits der Trasse festgelegt worden sind. Ein Streifen wie hier von 1 000 m bleibt hinter den Vorgaben in der Arbeitshilfe von Bernotat u. a. (Arten- und gebietsschutzrechtliche Prüfung bei Freileitungsvorhaben, BfN-Skripten 512, 2018, S. 48 Tab. 15) zurück, die den weiteren Aktionsraum des Weißstorchs auf mindestens 2 000 m und den des Schwarzstorchs auf mindestens 6 000 m bemessen. Das Fehlen einer Kartierung in diesem weiten Umfeld führt aber nicht auf einen durchgreifenden Mangel der Bestandserfassung.

111(1) Beim Schwarzstorch (Ciconia nigra) mit seinem großen weiteren Aktionsraum muss eine erweiterte Suche im Wege der Kartierung nicht anlasslos geschehen. Der Schwarzstorch ist nur einmal gesichtet worden (AFB S. 40); auch die Klägerinnen tragen nicht vor, dass er von Anwohnern der geplanten Trasse beobachtet worden sei. Vor diesem Hintergrund bestand keine Veranlassung, von einem hier beachtlichen Aktionsraum auszugehen und weiträumig Ermittlungen nach einem Brutplatz anzustellen. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil bei seltenen Großvögeln davon ausgegangen werden kann, dass deren Brutplätze den fachkundigen Stellen bekannt sind, die im Wege der Datenrecherche angefragt werden (AFB S. 9; Protokoll einer Artenschutzprüfung ASP S. 10 f.). Diese Kenntnis kann gerade auch beim Schwarzstorch vorausgesetzt werden, weil dessen Bestand in Nordrhein-Westfalen alljährlich von ehrenamtlichen Horstbetreuern erfasst wird (siehe LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Schwarzstorch, Artspezifisch geeignete Kartiermethoden, 1.1.5). Die Tatsache, dass ein Brutgeschehen in der weiteren Umgebung des Vorhabens nicht bekannt ist, deckt sich im Übrigen mit den allgemeinen Feststellungen zum Verbreitungsgebiet des Schwarzstorchs. Ausweislich der Erkenntnisse des LANUV (<artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Schwarzstorch, Kurzbeschreibung) ist der Schwarzstorch als Waldbewohner nicht im Münsterland, sondern hauptsächlich in den waldreichen Gebieten des Landes anzutreffen. Soweit auf der Seite des LANUV "arten-kreise-nrw", auf der Vorkommen und Bestandsgrößen von planungsrelevanten Arten in den einzelnen Kreisen aufgeführt werden, für den Kreis Borken von einem Vorkommen ausgegangen wird (S. 128), musste dies keinen Anlass zu weiteren Nachforschungen im Planfeststellungsverfahren geben. Denn bei der Bestandsgröße fehlen jegliche konkreten Angaben (Eintrag "n. b."), so dass auch damit nur einzelne Sichtungen belegt sind.

112(2) Beim Weißstorch (Ciconia ciconia) sind im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag nur Nebenbeobachtungen als Zugvogel vermerkt worden (Protokoll einer Artenschutzprüfung <ASP> S. 21, 41 <Anhang III, Tab. 19>), dies ungeachtet des Umstands, dass die Aktualisierungen des Fachbeitrags für die Avifauna gerade auch wegen Hinweisen von Anwohnern auf den Weißstorch als Nahrungsgast vorgenommen worden sind (AFB S. 1). Allerdings war keine Rede davon, dass Brutplätze im weiteren Umfeld der geplanten Trasse benannt worden sind. Das behaupten auch die Klägerinnen nicht. Ohne eine regelmäßige Anwesenheit des Weißstorchs als Nahrungsgast bestand kein Anlass für Nachforschungen nach Storchennestern. Auch in dieser Hinsicht wäre eine Kenntnis der angefragten sachkundigen Stellen zu erwarten gewesen. Deren Fehlen steht wiederum in Einklang mit den allgemeinen Erkenntnissen zum Verbreitungsgebiet des Weißstorchs. In den Artenschutzinformationen des LANUV wird der Kreis Borken in den allgemeinen Darlegungen zu bedeutenden örtlichen Vorkommen des Weißstorchs nicht erwähnt. Lediglich auf der Seite "arten-kreise-nrw" des LANUV wird er im Kreis Borken als dort vorkommend verzeichnet, wobei zur Bestandsgröße Angaben fehlen (S. 162). In diesen Angaben können sich eine Bestandsdynamik und die Ausweitung seiner Vorkommensgebiete widerspiegeln. Während im Jahr 1991 der Tiefstand mit nur noch drei Horstpaaren in Nordrhein-Westfalen erreicht war, geht man für das Jahr 2015 von ca. 200 Brutpaaren und für das Jahr 2018 von 320 Brutpaaren aus (LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Kurzbeschreibung). Wenn die Klägerinnen auch vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen zahlreiche Sichtungen des Weißstorchs bei der Nahrungssuche im Frühjahr 2021, insbesondere in der ersten Maihälfte, vorgetragen und nunmehr für einen längeren Zeitraum - wohl auf dasselbe Jahr bezogen - unter Beweis gestellt haben (A.3.a), ist dies gleichwohl unerheblich. Die Beobachtungen beziehen sich zwar auf einen Zeitraum, der vor dem für die Überprüfung eines Planfeststellungsbeschlusses grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses liegt (vgl. 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 16). Bei den für ein komplexes Vorhaben erforderlichen umfangreichen Maßnahmen zur Erfassung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse kann jedoch nicht erwartet werden, dass alle diesbezüglichen Feststellungen jeweils bis zum Schluss nachgehalten werden. Die Planfeststellungsbehörde muss sich für ihre Bewertung auf einen hinreichend aktuellen Datenbestand stützen, wobei bei faunistischen Datenerhebungen die Tauglichkeit der Datengrundlage an einer zeitlichen - in der Regel fünfjährigen - Grenze auszurichten ist. Bei Hinweisen auf grundlegende Änderungen kann die Verwertbarkeit einer auch nur wenige Jahre zurückliegenden Bestandserfassung allerdings erschüttert sein (vgl. 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 149 f., vom - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 319 und vom - 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 96). Solche bedeutsamen Änderungen sind durch eine gegebenenfalls häufigere Nutzung von leitungsnahen Flächen als Nahrungshabitat aber schon deswegen nicht dargetan, weil der Weißstorch seine Nahrungshabitate auch über weite Distanzen von 5 bis 10 km aufsucht (LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Weißstorch, Kurzbeschreibung). Ein Rückschluss auf einen Brutplatz in einem Korridor von 2 000 m zur Leitung ist folglich weder zwingend noch naheliegend.

113Ebenfalls unerheblich ist die mit dem Beweisantrag A.3.b unter Beweis gestellte Tatsache, dass der Weißstorch bereits 2021 auf der im Jahr zuvor errichteten Nisthilfe in Trassennähe gebrütet hat. Ob und inwieweit eine solche tatsächliche Veränderung, deren Grundlage - das Aufstellen einer Nistplattform (Kunsthorst) - ersichtlich in erster Linie auf die Verhinderung bzw. die Erschwerung des Vorhabens abzielt, bei der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen überhaupt zu beachten ist, kann dahinstehen. Denn die Klägerinnen haben im Einwendungsschreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom (Verwaltungsakten Bl. 2729 ff.) auf die Nisthilfe, die sich in Sichtweite des Anwesens der Klägerin zu 1 befindet, nicht hingewiesen, sodass für eine Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über die Notwendigkeit einer neuen Bestandserfassung und eine Änderung der darauf aufbauenden Prüfungen keine Veranlassung bestand.

114Ist von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden Bestandserfassung auszugehen, ist den insbesondere aufgrund natürlicher Entwicklungen immer in Rechnung zu stellenden Veränderungen des faunistischen Inventars vorhabenbetroffener Gebiete durch Auflagen zu begegnen, die bei der Umsetzung und den Bauarbeiten die Verwirklichung der Verbotstatbestände verhindern (siehe etwa Maßnahmenblätter V2, V3, V4, M1).

115Wollte man, anders als soeben ausgeführt, aufgrund der behaupteten Sichtungen des Weißstorchs einen Mangel der Bestandserfassung bezogen auf den weiteren Aktionsraum annehmen, so folgte daraus jedenfalls kein beachtlicher Fehler der artenschutzrechtlichen Prüfung. Denn diese Ermittlungslücke könnte ohne weiteres durch eine worst-case-Annahme geschlossen werden (vgl. etwa 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38 und vom - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 51), auf deren Grundlage angesichts der zu anderen Arten, insbesondere zum Kiebitz, angestellten Überlegungen der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ausgeschlossen werden kann (siehe nachfolgend unter c). Entsprechendes gilt, wenn ausgehend vom vorgetragenen Nistplatz die Leitung im zentralen Aktionsraum verläuft.

116So ist der überarbeitete artenschutzrechtliche Fachbeitrag aus dem Jahr 2019 vorgegangen. Darin ist der Weißstorch trotz fehlenden Nachweises bei der Kartierung allein aufgrund der Hinweise aus der Nachbarschaft in die Prüfung einbezogen worden, und angesichts der festgesetzten Vermeidungsmaßnahmen ist ein relevantes Tötungsrisiko durch die Anfluggefahr verneint worden (siehe Aktualisierte und bislang nicht ausgelegte Unterlagen <= Deckblatt 1>, Planunterlagen, Revision des Faunakapitels <Kap. 6.2 der UVS> S. 6.2-63, 6.2-76, 6.2 106 f.). Eine am Kiebitz ausgerichtete Bewertung des Anflugrisikos ist ohne weiteres möglich, da der vorhabentypbezogene Mortalitätsgefährdungsindex für beide Vogelarten gleichermaßen mit "hoch" einzustufen ist (vgl. Bernotat/Dierschke, Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen - Teil II.1: Arbeitshilfe zur Bewertung der Kollisionsgefährdung von Vögeln an Freileitungen, 4. Fassung, Stand , S. 14, Tab. 10-5).

117(3) Einen Mangel der Bestandserfassung zeigen die Klägerinnen in Bezug auf den Mäusebussard (Buteo buteo) nicht auf. Er ist mit insgesamt vier Revieren, so auch in der Nähe von Mast 89, kartiert worden (siehe Anl. 12 D2 Umweltstudie, Anhang C Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag, Anl. 1 Protokoll einer Artenschutzprüfung, Prüfprotokoll 8 und Anhang 3, Karte Nr. 1 Bl. 1/2). Auf die von den Klägerinnen behaupteten nachträglichen Feststellungen, nämlich einen Horstfund im Bereich der Wuchshöhenbeschränkung, kommt es nicht an. Denn sie sind nicht geeignet, eine frühere ordnungsgemäße Bestandserfassung zu erschüttern ( 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 50, vom - 9 A 7.19 - juris Rn. 426 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 170, 138> und vom - 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 97). Dem Beweisantrag A.1.c, soweit er sich auf den Mäusebussard bezieht, war folglich nicht nachzugehen. Im Übrigen spricht aufgrund der Nähe des kartierten Horstes bei Mast 89 zu einem weiteren Horst bei Mast 90 viel dafür, dass es sich dabei um ein einheitliches Revier mit mehreren Wechselhorsten handelt (siehe dazu LANUV <artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de>, Mäusebussard, Artenschutzmaßnahmen, Status und Habitat, Art und Abgrenzung der Fortpflanzungs- und Ruhestätte).

118(4) Aus dem Umstand, dass im Bereich eines Feuchtbiotops nur wenige Vogelarten kartiert worden sind, kann entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht auf methodische Mängel der Bestandserfassung geschlossen und vermutet werden, dass dieses Habitat schlichtweg übersehen worden sei. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Zum einen ist das angesprochene Biotop schon in der Umweltstudie (Planunterlagen Anl. 12, Anhang Karten, Schutzgüter Tiere und Pflanzen Bestand 6.2-1 Bl. 2/5) als GB 4007-207 mit der Kennung yCF2, EC1 (Röhricht, seggen- und binsenreiche Nasswiese) verzeichnet worden (siehe auch Unterlagen 2019 <= Deckblatt 1> - Ordner 4 - FuF Bestand Abs. 4 Bl. 2 sowie Revision Faunabericht Januar 2015 6.2-34). Zum anderen gibt es in der letzten Kartierung verschiedene Nachweise im betreffenden Bereich (siehe Anl. 12 D2 Umweltstudie, Anhang C Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag Anl. 1 Anhang 3, Karte Nr. 2 Bl. 1/2 Rastvögel: Grünschenkel, Krickente, Kormoran; Karte Nr. 1 Bl. 1/2 Brutvögel: Flussregenpfeifer, Kiebitz). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Ergebnisse aus dem direkt benachbarten, nach Norden nur durch einen Weg getrennten Grundstück mit einem Teich nicht genauso verwertet worden sind.

119cc) Entgegen dem Einwand der Klägerinnen ist die im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag enthaltene Dokumentation der Kartierung ausreichend. Es ist in keiner Weise ersichtlich, welchen Erkenntnisgewinn die von den Klägerinnen geforderten näheren Angaben zu Ort und Zeit einzelner Beobachtungen erbringen sollte (vgl. dazu 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 46 und vom - 7 A 1.18 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 18 Rn. 83 f.). Die Einschätzung der Repräsentativität einer Fläche ist eine naturschutzfachliche Frage und keine der Dokumentation.

120Im Übrigen ist insbesondere der gesamte Bereich der nördlichen Umgebung der Ortslage Gescher weiträumig als Probefläche ausgewiesen worden (Planunterlagen, Anl. 12 D2 Umweltstudie, Anhang C Anl. 1 Anhang 3, Karte Nr. 2 Bl. 1/2); bei der Brutvogelkartierung erstrecken sich die Flächen ausweislich der kartierten Funde auf das gesamte Gebiet.

121c) Der Planergänzungsbeschluss verneint einen Verstoß gegen das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, weil das mit der Errichtung der Höchstspannungsleitung verbundene Anflugrisiko nicht zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos für den Kiebitz führt. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.

122Der Planergänzungsbeschluss lehnt sich - wie schon der Planfeststellungsbeschluss - im Anschluss an die von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen (Vergleich des konstellationsspezifischen Risikos nach Bernotat et al. 2018 und Bernotat & Dierschke 2021, Planergänzung, Antragsunterlagen 12 EV Anhang C) maßgeblich an die von Bernotat u. a. erarbeitete "Arbeitshilfe Arten- und gebietsschutzrechtliche Prüfung bei Freileitungsvorhaben" (BfN-Skripten 512, 2018, im Anschluss an Bernotat/Dierschke, Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen. 3. Fassung, Stand ) an und modifiziert diese nur in wenigen Aspekten. Er ermittelt das konstellationsspezifische Risiko zunächst nach den Kriterien "Konfliktintensität der Freileitung", "Entfernung des Vorhabens zu den Vorkommen", "Anzahl betroffener Individuen". Bei der anschließenden Beurteilung der Wirksamkeit der Vermeidungsmaßnahmen folgt er nicht der Arbeit von Liesenjohann u. a. (Artspezifische Wirksamkeiten von Vogelschutzmarkern an Freileitungen. Methodische Grundlagen zur Einstufung der Minderungswirkung durch Vogelschutzmarker - ein Fachkonventionsvorschlag <BfN-Skripten 537, 2019>), die sich als Ergänzung der oben genannten Arbeitshilfe sieht, sondern anderen sachverständigen Äußerungen, kommt jedoch im Ergebnis zu keiner abweichenden Einschätzung. Abschließend setzt er das so ermittelte konstellationsspezifische Risiko in Bezug zum vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdungsindex (vMGI), wobei dieser der Arbeitshilfe von Bernotat/Dierschke "Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen - Teil II.1: Arbeitshilfe zur Bewertung der Kollisionsgefährdung von Vögeln an Freileitungen, 4. Fassung, Stand " entnommen wird.

123aa) Die Planfeststellungsbehörde durfte diesem methodischen Vorgehen dem Grunde nach folgen. Zur Bestimmung der Signifikanz des Tötungsrisikos gibt es noch keine normativen Vorgaben. In dieser Situation darf sich die Behörde fachwissenschaftlichen Erkenntnissen anschließen, auch wenn diese - wie die erwähnten Arbeitshilfen - noch nicht den Stand einer Fachkonvention erlangt haben ( 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 30). Die den fachwissenschaftlichen Ausarbeitungen zugrundeliegenden Maßstäbe müssen sich jedoch im Rahmen der rechtlichen Vorgaben halten. Das ist hier entgegen dem Vortrag der Klägerinnen der Fall. Die für die rechtliche Betrachtung bedeutsame Kategorie des Mortalitätsgefährdungsindex verstößt auch bei der Anwendung im Artenschutzrecht nicht gegen dort zu beachtende Grundsätze.

124(1) Das Tötungsverbot in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist zwar vom Grundsatz her individuenbezogen, verbietet also die Tötung einzelner Exemplare einer Art (Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL; 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 58, 67). Die Signifikanzrechtsprechung öffnet die Betrachtung allerdings für Verhältnismäßigkeitserwägungen und damit auch für den wertenden Blick auf "überindividuelle" und damit artbezogene Aspekte. Nach der Rechtsprechung ist der Tatbestand des Tötungsverbots wegen der bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließenden Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere erst dann erfüllt, wenn das jeweilige Vorhaben das Tötungsrisiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Ansonsten würde das Tötungsverbot wegen des Individuenbezugs und des weiten Verständnisses des unionsrechtlichen Absichtsbegriffs zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis für Bauvorhaben und stets nur noch der Weg über die Ausnahme möglich sein ( 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 90 f. und vom - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 100 f.). Das mittlerweile vom Gesetzgeber in § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG übernommene Kriterium der Signifikanz ist nach einer wertenden Betrachtung auszufüllen, um letztlich naturschutzfachlich relevante Mortalitätsrisiken von weniger bedeutsamen bzw. naturschutzfachlich und planerisch vernachlässigbaren Individuenverlusten zu unterscheiden (vgl. Bernotat, ZUR 2018, 594 <596>). Es trägt dem Umstand Rechnung, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom Menschen verursacht ist, aber nur einzelne Individuen betrifft. Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass Bauvorhaben wie etwa auch Stromleitungen zur Ausstattung des natürlichen Lebensraums der Tiere gehören und daher besondere Umstände hinzutreten müssen, damit von einer signifikanten Gefährdung durch neue hinzukommende Bauvorhaben gesprochen werden kann. Ein Nullrisiko ist daher nicht zu fordern. Neben artspezifischen Verhaltensweisen, häufiger Frequentierung des durchschrittenen Raums und der Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen sind weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art von Relevanz ( 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 84 und vom - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 98).

125Soweit der Mortalitätsgefährdungsindex vor diesem Hintergrund auch auf die Art als Ganzes kennzeichnende Merkmale abstellt, liegt darin keine grundsätzlich fehlerhafte Weichenstellung ("Webfehler"), wie die Klägerinnen unter Bezugnahme auf ihren Fachbeistand meinen. Die allgemeine Mortalitätsgefährdung der Arten ergibt sich durch die Zusammenführung des Populationsbiologischen Sensitivitäts-Index (PSI) und des Naturschutzfachlichen Wert-Index (NWI), wobei diese über eine Matrix miteinander verschnitten werden. Schon in den ersten Index, der die autökologische Empfindlichkeit der Arten abbildet, fließen mit den Parametern "nationale Bestandsgröße" und "nationaler Bestandstrend" auf die Population bezogene Kriterien ein, mit denen die relative Bedeutung eines Individuenverlusts betrachtet werden kann (Bernotat/Dierschke 2016, S. 27 ff.). Im NWI, der die allgemeine Empfindlichkeit und Resilienz der Arten abbildet, werden mit u. a. der "Häufigkeit/Seltenheit" und dem "Erhaltungszustand" (Gefährdung) der Art Kriterien aggregiert, die auf naturschutzfachlichen Einordnungen mit normativen Elementen beruhen (Bernotat/Dierschke 2016 S. 35 ff.). Auch wenn letzteres insbesondere für die gebietsschutzrechtliche und folglich ausschließlich populationsbezogene Bewertung einer "erheblichen Beeinträchtigung" von Bedeutung ist, kann gerade das Kriterium der Häufigkeit, ebenso wie der Bestand, auch artenschutzrechtlich in räumlicher Hinsicht auf eine signifikante Erhöhung führen. Denn verbreitet vorkommende Arten wie etwa die häufigen Singvogelarten werden bei allen Infrastrukturmaßnahmen landesweit gleich gefährdet. Das Risiko aufgrund einer konkreten Planung ist folglich in der Regel nicht signifikant erhöht, da das Risiko-Niveau flächendeckend gleich ist, während bei seltenen und/oder stark gefährdeten Arten eine Planung im Lebensraum der Arten räumlich schnell zu signifikant erhöhten Risiken führt (Bernotat u. a. 2018 S. 28 f.; Bernotat, ZUR 2018, 594 <600>). Dieser Grundansatz ist in der Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt worden (vgl. 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 100). Die Klägerinnen zeigen nicht auf, dass er unionsrechtlich problematisch sein könnte. Die dem Signifikanzansatz zugrundeliegenden Erwägungen, den Individuenbezug durch Verhältnismäßigkeitserwägungen und eine Orientierung an dem Regel-Ausnahmeverhältnis für die Planungspraxis handhabbar zu machen, sind dem Unionsrecht nicht fremd.

126(2) Auch der Einwand, dass es zwingend der normativen Festlegung der Signifikanzgrenze bedürfe, diese höchstens bei einer Verdoppelung des natürlichen Tötungsrisikos anzunehmen sei und zur Ermittlung der Risikoerhöhung probabilistische Ansätze heranzuziehen seien, führt nicht zur Unvertretbarkeit der gewählten Methode.

127Das Fehlen einer zumindest untergesetzlichen Maßstabsbildung, auf die jedenfalls auf Dauer nicht verzichtet werden kann ( u. a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 24), hat derzeit nicht zur Folge, dass eine vom Gesetzgeber erst 2017 ausdrücklich - und ungeachtet der Angewiesenheit auf eine fachwissenschaftliche Ausfüllung - bestätigte Rechtsfigur unangewendet bleiben müsste. Der Gesetzgeber hat die Anforderungen an die Signifikanz bislang erst für den Betrieb von Windenergieanlagen in §§ 45b und 45c BNatSchG (i. d. F. des Gesetzes vom , BGBl. I S. 1362) konkretisiert. Eine Pilotstudie zur Probabilistik ist in Arbeit (siehe dazu Sailer, NuR 2023, 78 <79>). Im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens besteht aber keine Notwendigkeit, Forschungsvorhaben durchzuführen (vgl. zuletzt 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 397 und juris Rn. 213).

128bb) Die Einwände gegen die Umsetzung dieser Methode dringen nicht durch.

129Die von der Beigeladenen vorgelegte Untersuchung bemisst das kollisionsspezifische Risiko (KSR) im Bereich der Umgehung Gescher, die insoweit als Neubau eingestuft wird, mit "hoch" (3 + 2 + 1=6; siehe dazu Bernotat u. a. 2018, S. 26 Tab. 7.) Die Kollisionsintensität der Leitung wird - unumstritten - mit der höchsten Stufe ("3") bewertet, die Entfernung des Vorhabens zu den Vorkommen mit der mittleren Stufe ("2") sowie die Anzahl betroffener Individuen mit der niedrigsten Stufe ("1").

130(1) Zu letzterem tragen die Klägerinnen - unter Bezugnahme auf ihren Fachbeistand - vor, dass es hier nicht um Einzelpaare gehe, die ihren Reviermittelpunkt im 500-m-Korridor um die Leitung hätten, sondern um drei Reviere, die vermutlich in einem lockeren Verbund stünden. Diese Interpretation bzw. Spekulation wird von der Kartierung nicht bestätigt, die jeweils im Abstand von mehr als 300 m, wohl etwa 400 m, von der geplanten Trasse auf der Ostseite zwei Brutpaare und auf der Westseite ein Brutpaar festgestellt hat. Deren Einstufung als Einzelpaare - im Gegensatz zur (kleinen) Kolonie (vgl. hierzu Bernotat u. a. 2018, S. 24 Tab. 6) - begegnet, auch was die Brutpaare auf der Ostseite betrifft, keinen Bedenken. Dem steht das sehr weite Begriffsverständnis der "Brutkolonie" nicht entgegen. Eine solche ist gegeben, "sobald sich mehrere Individuen einer oder mehrerer Arten an einem Ort zu einer gemeinsamen Brut versammeln" (Bernotat u. a. 2018, S. 56). Es muss sich demnach um eine Ansammlung handeln. Die Brutplätze im Osten liegen zwar auf derselben Wiese. Der beträchtliche Abstand von mehr als etwa 50 m spricht aber gegen eine Ansammlung, auch wenn in der Fachliteratur von "lockeren Kolonien" die Rede ist, wo die Nester in Sichtweite der Artgenossen angelegt werden (siehe etwa Horch/Burkhardt, Natura Helvetica, April/Mai 2017, 16 <19>; Kooiker, Natur und Land 82 <1996> S. 16 <21>); bei einem" kolonieartigen" Brüten ist von einem deutlich geringeren Abstand zwischen den Nestern von bis zu 20 m, bisweilen auch nur 2 m, auszugehen (siehe hierzu Steffens u. a., Brutvögel in Sachsen, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, 2013, S. 236; Glutz von Blotzheim u. a., Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 6, 1. Teil, 1975, S. 405, 443; Bayerisches Landesamt für Umwelt <lfu.bayern.de>, Arteninformation, Kiebitz, Lebensraum und Lebensweise).

131(2) Bei der Entfernung des Vorhabens grenzt die Untersuchung zwischen Querung/unmittelbar angrenzend (Bernotat u. a. 2018, S. 24: "Inmitten oder unmittelbar angrenzend") mit der Kollisionsintensität hoch (3) und dem Zentralen Aktionsraum mit der Kollisionsintensität mittel (2) ab. Eine Querung als auf den Brutplatz bezogen wird als leicht abgrenzbar verneint. Für "unmittelbar angrenzend" wird angesichts des für die Arten ganz unterschiedlich bemessenen Zentralen Aktionsraums eine artunspezifische Entfernung von bis zu 150 m zur Freileitung abgelehnt. Bei den in der Bestandstrasse kartierten Brutpaaren wird referierend davon ausgegangen, dass hier "Querung/unmittelbar angrenzend" gegeben sei, weil Balz- und Verfolgungsflüge größtenteils in einer Entfernung von 100 m vom Brutplatz stattfänden. Schließlich wird auf die Art-für-Art-Betrachtung des Kiebitzes in den Antragsunterlagen verwiesen, wo bei der Bestimmung des Aktionsraums dargelegt worden sei, warum in einigen Bereichen keine regelmäßigen Querungsflüge auf Höhe der Freileitung stattfänden.

132Gegen die daraus folgende Einstufung der Kollisionsintensität mit "mittel" wenden sich die Klägerinnen mit dem Einwand, dass angesichts längerer Flugstrecken des Kiebitzes von einem Risikobereich von 500 m entlang der Leitung auszugehen sei. Dazu verweisen die Klägerinnen auf die Beobachtung der Flugbahnen des Kiebitzes durch ihren Fachbeistand. Auch fänden Balz- und Feindabwehrflüge nicht nur im unmittelbaren Umfeld des Brutplatzes statt, was die Beigeladene ohne Nachweis behaupte. Des Weiteren sei die Einschätzung unrichtig, dass die Leiterseile im FFH-Gebiet (Mast 95 und 96) nur unterflogen würden.

133Soweit die Klägerinnen ein sehr weites Verständnis der Querung des Brutplatzes vertreten, weil hierzu auch die Balzflüge zählten, ist schon unzutreffend, dass die vom Fachgutachter der Beigeladenen vertretene Bemessung auf 100 m ohne jeglichen ornithologischen Nachweis erfolgte. Im Übrigen ist eine solche Ausdehnung zutreffend im Begriffsteil "unmittelbar angrenzend" zu verorten. Damit wird die unmittelbare Umgebung um das Nest bezeichnet, in der verstärkt Revierabgrenzung und Revierverteidigung stattfinden, Nestmaterial gesammelt und Jungvögel flügge werden. Das "unmittelbar angrenzende" Vorhaben hat einen unmittelbaren Einfluss auf das Brutgeschehen bzw. den Brutplatz (Bernotat u. a. 2018, S. 62). Auf einen angenommenen "Risikobereich" von 500 m auch wegen gelegentlicher Feindabwehrflüge kann der Bereich des höchsten Risikos schon deswegen nicht ausgedehnt werden, weil der zentrale Aktionsraum beim Kiebitz, wo die Kollisionsintensität mit "mittel" eingestuft wird, gerade 500 m beträgt (Bernotat u. a. 2018, S. 48 Tab. 15) und damit die aus der Mobilität der Tiere resultierende Gefährdung abbildet. Die verschiedenen Arten von Flügen sind bei dessen Bemessung berücksichtigt worden. Schon damit wird erreicht, dass der Bereich häufiger Flugbewegungen, d. h. mit erhöhter Raumnutzungsfrequenz, stärker geschützt wird. Er trägt gegenüber einem engeren Bereich um den Brutplatz als Ausgangs- und Endpunkt aller Flüge in der Brutzeit dem Umstand Rechnung, dass sich mit zunehmender Entfernung vom Brutplatz die Wahrscheinlichkeit, dass der Luftraum an einer bestimmten Stelle genutzt wird, wegen dessen im Verhältnis zur Entfernung potenzierten Vergrößerung immer mehr abnimmt. Schließlich kommt es bei der artenschutzrechtlichen Betrachtung auf die Frage, ob die Leiterseile im Bereich der Masten 95 und 96 unterflogen werden nicht an, weil die auf diesen Bereich bezogenen Erwägungen nur im Rahmen der FFH-Prüfung von Bedeutung waren.

134(3) Bei der Prüfung, ob angesichts des hohen Kollisionsrisikos vom Eintreten des Verbotstatbestandes der signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos auszugehen ist, legt die Untersuchung beim Kiebitz einen vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdungsindex von nur noch "hoch" (B) zugrunde. Er ist in der Untersuchung von Bernotat/Dierschke 2021 (Tab. 10-5, S. 14 f. mit FN 1) im Vergleich zur vorherigen Untersuchung von 2016 herabgestuft worden. Mit dieser um eine Klasse geänderten Einstufung von Brutvogelarten mit sehr weiter Verbreitung und sehr großen Beständen von mehr als 100 000 Tieren in Deutschland soll vermieden werden, dass die Betroffenheit von Einzelbrutpaaren überbewertet wird.

135Mit dem grundsätzlichen Einwand, dass damit ein populationsbezogenes Element zu Unrecht in die artenschutzrechtliche Bewertung Eingang finde, dringen die Klägerinnen, wie schon oben ausgeführt, nicht durch. Der Anregung einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (B.c) folgt der Senat daher nicht. Auch gegen die angenommene Bestandszahl wird substantiiert nichts eingewandt. Soweit schließlich die nationale Bezugsebene infrage gestellt wird, wird nicht aufgezeigt, dass relevante Unterschiede in biogeographischen Regionen eine Differenzierung erforderten (siehe dazu Bernotat/Dierschke 2016, S. 35).

136(4) Zur Einschätzung der Wirksamkeit der Vogelschutzmarker an Erdseilen, die das kollisionsspezifische Risiko um zwei Stufen reduzieren, tragen die Klägerinnen substantiiert nichts vor.

137(5) Demnach fehlt es schon wegen der Anordnung dieser Vermeidungsmaßnahme an der Planungsrelevanz der Leitung. Es kommt deswegen in dieser Hinsicht weder auf die Frage der Wirksamkeit der weiteren - insoweit "überobligatorischen" - Vermeidungsmaßnahmen, die im Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf die damals angenommene Einstufung des vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdungsindex mit "sehr hoch" (A) angeordnet worden sind und weiterhin Bestand haben (V15 und V18: Verbesserung von Kiebitzhabitaten, westlicher und östlicher Bereich <Ablenkflächen>; V17: Anbringung zusätzlicher Markierungen auf einem Erdseil in Höhe der untersten Leiterseilebene), noch auf die (Un-)Tauglichkeit der Bestandstrasse als Alternativtrasse wegen der dortigen Kiebitzproblematik, noch auf die im Planfeststellungsbeschluss (S. 202 ff.) nur hypothetisch geprüfte Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG an.

138Einer Beweiserhebung bedurfte es auch in Bezug auf diese Fragen nicht.

139Der allein auf den Nachweis der Untauglichkeit der im Maßnahmenblatt V18 festgesetzten Fläche gerichtete Beweisantrag A.2.b ist wegen der Unerheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache abzulehnen. Im Übrigen ist er auch unsubstantiiert, weil er die tatsächliche Situation nicht zur Kenntnis nimmt; es ist nämlich nicht plausibel, dass bereits die Siedlungsnähe die Ablenkfläche untauglich machen soll, wo doch in unmittelbarer Nähe Brutplätze des Kiebitzes kartiert worden sind.

140Demgegenüber betreffen die Beweisanträge A.2.a, A.2.c und A.2.d mit dem Vortrag, die Vermeidungsmaßnahmen in den Maßnahmenblättern V15, V17 und V18 seien als solche kontraproduktiv und führten zu Beeinträchtigungen und neuen Gefährdungen des Kiebitzes, nicht bereits unerhebliche Tatsachenbehauptungen. Es geht jedoch jeweils um naturschutzfachliche Bewertungen, die angesichts des damit verbundenen Einschätzungsspielraums einer Klärung durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich sind. Im Übrigen nehmen die Behauptungen der Klägerinnen wiederum die tatsächlichen Verhältnisse nicht zur Kenntnis. Bezüglich der geltend gemachten Gefährdung durch die im Maßnahmenblatt V15 festgesetzte Ablenkfläche ist darauf hinzuweisen, dass in unmittelbarer Nähe dieser Flächen zwei Kiebitzbrutstätten kartiert sind. Auch in der Nähe der Ablenkfläche nach Maßnahmenblatt V18 brüten bereits Kiebitze im Bereich der Bestandsleitung, sodass im Falle einer Verlagerung der Brutstätten die befürchtete "Vereinzelung" mit negativen Folgen für gemeinschaftliche Feindabwehrflüge nicht zu erwarten ist.

141Der Beweisantrag A.2.e ist jedenfalls deswegen abzulehnen, weil die Erhebung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich ist; denn der Senat verfügt über die eigene Sachkunde, das Anflugrisiko unter Anwendung der vom BfN-Skript 512 vorgegebenen Maßstäbe zu bemessen.

142(6) Schließlich spricht nichts dagegen, dass der Planfeststellungsbeschluss (S. 202) bei Mast 89 nicht von einem regelmäßigen Brutplatz ausgegangen ist. Wenn der Platz nach der nachgewiesenen Nutzung im Jahr 2018 im Folgejahr verwaist war, kann von einer regelmäßigen Rückkehr des betreffenden Kiebitzbrutpaars gerade nicht mehr ausgegangen werden. Entsprechendes gilt für die allein in der ersten Bestandserfassung im Jahr 2012 kartierten Brutplätze.

143C. Die Entscheidung, der planfestgestellten Trassenführung den Vorzug gegenüber anderen Trassenvarianten zu geben, ist nicht zu beanstanden. Das Vorbringen der Klägerinnen führt weder auf einen rechtserheblichen Fehler bei der Abwägung der Freileitungsvarianten noch auf einen solchen bei der Ermessensentscheidung gegen ein Erdkabel.

1441. Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten für eine Freileitung eine fachplanerische Abwägungsentscheidung (§ 43 Abs. 3 EnWG). Die Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit unterliegt rechtlichen Bindungen. Die Wahl einer Trassenvariante ist rechtsfehlerhaft, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Darüber hinaus ist die Abwägungsentscheidung auch dann fehlerhaft, wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung und Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48 m. w. N.).

145Im Rahmen der Abwägung der Freileitungsvarianten stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 122, 125), bestätigt durch den Planergänzungsbeschluss (S. 15), bei der - unstreitig und folglich keiner Beweiserhebung (Beweisantrag A.5.a) bedürftig - technisch ohne weiteres umsetzbaren Nutzung des bestehenden Trassenraums leichte Vorteile für die Schutzgüter Natur und Landschaft sowie Boden fest, sieht jedoch bei der Antragstrasse deutliche Vorteile für das Schutzgut Mensch, die sich bei einer Gesamtschau durchsetzen. Diese Bewertung ist nach Maßgabe der gerichtlichen Überprüfungskriterien nicht zu beanstanden.

146a) Die Klägerinnen zeigen nicht auf, dass dieser Einschätzung eine fehlerhafte Ermittlung und Bewertung der abwägungserheblichen Umstände zugrunde liegt.

147aa) Die insgesamt positive Einschätzung der Antragstrasse (Umgehung Gescher) für das Schutzgut Mensch folgt ihrerseits aus einer Gegenüberstellung der von der Trasse bewirkten Ent- und Belastungen. Deren Grundlagen werden von den Klägerinnen nicht erschüttert. Für die dabei gebotene Prüfung und Auswertung der im Verfahren vorgelegten Unterlagen bedarf es keines Sachverständigengutachtens, wie mit dem Beweisantrag A.5.b gefordert. Denn insoweit verfügt der Senat über eigene Sachkunde.

148(1) Der Planfeststellungsbeschluss verkennt im Ausgangspunkt nicht, dass ein Abweichen vom Grundsatz 8.2-1 LEP NRW über die vorrangige Nutzung vorhandener Trassen beim Netzausbau einer tragfähigen Rechtfertigung durch besondere Umstände bedarf. Solche besonderen Umstände erfordern aber entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht zwingend den Nachweis, dass von einer Leitungsführung auf der Bestandstrasse eine zusätzliche Belastung ausgeht, die erheblich größer als die Belastung auf der neuen Trasse ist. Ausgehend von dem besonderen Gewicht einer Nutzung der Bestandstrasse im Rahmen der Abwägung, die dem Umstand geschuldet ist, dass eine Neutrassierung oftmals bestehende Konflikte verlagert und neue schafft, können die erwähnten Kriterien zugunsten einer neuen Trasse herangezogen werden (vgl. 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 35). Sie beschränken die Abwägung jedoch nicht abschließend insbesondere in dem Sinne, dass etwa die numerische (Zusatz-)Belastung bei den Immissionen elektromagnetischer Felder in Bezug auf die jeweilige Anzahl der betroffenen Wohnungen (oder gar Bewohner) ermittelt und sodann saldierend gegenübergestellt werden müsste. Eine Abkehr von der Bestandstrasse kann auch abgesehen hiervon beim Vorliegen nachvollziehbarer Umstände gerechtfertigt sein.

149Der Planfeststellungsbeschluss bemisst die Entlastung und Belastung in erster Linie durch eine Gegenüberstellung der Anzahl der betroffenen Wohngebäude in Anlehnung an die Abstände von 200 bzw. 400 m, wie sie in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EnLAG bzw. in dem - hier wegen des Beginns des Planfeststellungsverfahrens vor Inkrafttreten des LEP NRW noch nicht anwendbaren (PFB S. 95, 146, 153) - Ziel 8.2-4 LEP NRW normiert sind. An der darin zum Ausdruck kommenden Bewertung schutzwürdiger Interessen der von einer Höchstspannungsleitung Betroffenen durfte sich der Planfeststellungsbeschluss orientieren. Die Klägerinnen halten die Betrachtung eines 400-m-Korridors für verfehlt. Auf das Urteil des Senats vom - 4 A 13.18 - (juris Rn. 107 ff.) können sie sich aber nicht stützen. Dort ging es um die Begrenzung des Wirkraums der visuellen Beeinträchtigung des Wohnumfelds auf 200 m. Ohne dies abschließend zu entscheiden, hielt der Senat diese Bemessung des Wirkraums angesichts der Besonderheiten der dortigen Topographie jedenfalls im Ausgangspunkt für nachvollziehbar. Diese Bewertung einer bestimmten fachlichen Einschätzung der Möglichkeit einer relevanten visuellen Beeinträchtigung des Wohnumfelds steht aber einer Orientierung an einer generalisierenden gesetzlichen Wertung über jedenfalls grundsätzlich erstrebenswerte Abstände zwischen Stromleitungen und Wohnbebauung nicht entgegen. Denn dem Gesetzgeber ist es unbenommen, das Wohnumfeld auch großzügiger zu schützen, sei es aus Gründen evidenzbasierter äußerster Vorsorge gegen befürchtete gesundheitliche Beeinträchtigungen, sei es, um im Interesse der Förderung der Akzeptanz von Höchstspannungsleitungen einem Unbehagen zu begegnen (vgl. zum BBPlG BT-Drs. 18/6909 S. 41; Franke, in: Steinbach/Franke, Kommentar zum Netzausbau, 3. Aufl. 2021, § 4 BBPlG Rn. 2). Auf die mit dem Beweisantrag A.5.d unter Beweis gestellte Tatsache einer "optischen Zäsur" kommt es folglich nicht an.

150Die Klägerinnen können auch nicht mit Erfolg einwenden, die Vorgehensweise im Planfeststellungsbeschluss sei widersprüchlich, weil eine andere Planfeststellungsbehörde des beklagten Landes in einem ebenfalls beklagten Planfeststellungsbeschluss zugunsten einer Planung in der Bestandstrasse einen 200-m-Korridor zugrunde lege. Ungeachtet der Frage, für welchen konkreten Sachverhalt eine solche Vorgabe für die dortige Planung gemacht worden ist, muss sich eine Planfeststellungsbehörde nicht am Handeln einer anderen Behörde festhalten lassen, wenn ihr eigenes Vorgehen keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

151(2) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 122) benennt die Anzahl der im Korridor von 400 m durch die Antragstrasse entlasteten Wohnungen und legt dar, dass die geringe Anzahl von Unterschreitungen des 400 m Abstands in der Ortslage Gescher für den Vergleich schon deswegen irrelevant seien, weil sie auch beim Ersatzneubau in der Bestandstrasse entstünden; dagegen bringen die Klägerinnen nichts vor.

152Beim 200-m-Korridor, der auch nach Auffassung der Klägerinnen für den Vergleich von Bedeutung ist, stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 123) zum einen auf die Vermeidung der Unterschreitung dieses Abstands in 17 Fällen im Außenbereich ab, und stellt dem vier erstmalige, wenn auch geringe, Unterschreitungen im Außenbereich gegenüber. Soweit der Planfeststellungsbeschluss insoweit von einer im ungünstigsten Fall marginalen Beeinflussung des nahen Wohnumfelds ausgeht, ist nichts dagegen zu erinnern, dass er auch auf eine - im Jahresverlauf je nach der Vegetationsperiode unterschiedlich ausgeprägte - Sichtverschattung durch Laubbäume abstellt. Auf einen Vergleich der Lebensdauer von Bäumen und Leitungen und die Möglichkeit einer nicht absehbaren Veränderung der Verhältnisse kommt es nicht an. Es ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass der Planfeststellungsbeschluss bei einer Wohnbebauung im Außenbereich eine insgesamt geringere Schutzwürdigkeit gegenüber dort privilegiert zulässigen Vorhaben annimmt ( 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 98 <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2>). Hiernach ist die mit Beweisantrag A.5.e unter Beweis gestellte Tatsache unerheblich, sodass es keiner Beweiserhebung bedarf.

153Der Planfeststellungsbeschluss verweist auf die Entlastung von Betriebsleiterwohnungen, die im Falle eines Ersatzneubaus im Schutzstreifen lägen (S. 124). Diese Entlastung ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht deswegen unbeachtlich, weil sich die Betriebe im Gewerbegebiet in Kenntnis der Bestandsleitung angesiedelt haben. Im Rahmen einer Vergleichsbetrachtung mag die Schutzwürdigkeit durch die Vorbelastung gemindert sein; die aus einem Neubau in der Bestandstrasse folgende Belastung darf gleichwohl nicht ausgeblendet werden. Bei den durch die Antragstrasse neu betroffenen Betriebsleiterwohnungen stellt der Planfeststellungsbeschluss in nachvollziehbarer Weise auf die äußerst geringe Belastung durch elektromagnetische Felder ab.

154(3) Des Weiteren verweist der Planfeststellungsbeschluss (S. 125) auf die Optimierung des Trassenverlaufs im Hinblick auf eine Vorsorge unterhalb der Schwelle der Grenzwerte der 26. BImSchV. Diese Erwägung ist ersichtlich für die Bewertung von Ent- und Belastung nicht von ausschlaggebendem Gewicht, sodass sich der Einwand der Klägerinnen als unerheblich erweist, jedenfalls in größerem Abstand zur Leitung tendiere die Belastung mit Immissionen wegen elektromagnetischer Felder gegen Null. Im Übrigen kann es im mittleren Bereich noch nachweisbare Unterschiede bei den Immissionen geben. Jedenfalls aber bleibt die gesetzgeberische Einschätzung, dass die Wahrung eines Abstands von 400 m angezeigt sei, von solchen Erwägungen unberührt. Auf die mit dem Beweisantrag A.5.c unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es folglich nicht an.

155bb) Der Planfeststellungsbeschluss hat die mit der Wahl der Antragstrasse verbundenen Belastungen nicht, jedenfalls nicht in entscheidungserheblicher Weise, verkannt.

156(1) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt, dass durch die Antragstrasse wertvoller Wald im Bereich des Biotopkomplexes BK 4007-0016 in Anspruch genommen und somit die Schutzgüter Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt negativ betroffen sind (S. 122, 125 f.). Der Senat kann die Zusammensetzung und die Wertigkeit des Biotops anhand der Angaben im Biotopkataster selbst nachvollziehen; des beantragten Sachverständigengutachtens (A.1.a) bedarf es dazu nicht. Das genaue Alter der Eichenbestände ist unerheblich.

157Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass diese Beeinträchtigung nicht unter die "leichten" Nachteile der Antragstrasse eingeordnet werden könne. Sie gehen davon aus, dass von dem ca. 2,5 ha großen Teilbereich des Biotops BK 4007-0016 wegen des Schutzstreifens im Umfang von 1,6 ha kaum etwas übrigbleibe. Das ist so nicht richtig. Im Schutzstreifen - dieser umfasst nach dem Landschaftspflegerischen Begleitplan (Planunterlagen, Anl. 12 Umweltstudie, Abschnitt 7, Bericht 7-8, Tab. 7.3-2) eine Fläche von 1,289 ha - erfolgt kein Kahlschlag, denn die Wuchshöhenbeschränkung bewegt sich in einer Spanne von 14 m bis 35 m. Dabei ist zu beachten, dass die geringste Wuchshöhe nur in einem kleinen Teil des Waldes im Bereich des größten Leiterseildurchhangs in der Mitte des Spannfeldes und folglich nur im nördlichen Teil des Biotops einzuhalten ist. Nach der forstfachlichen Bewertung (siehe dazu PFB S. 144) kann durch ein Schutzstreifenmanagement (Maßnahmenblatt M6) in dem entsprechenden Bereich weiterhin ein Wald im Sinne eines gestuften Waldsaums gedeihen. Auf die im Beweisantrag A.1.b unter Beweis gestellte Tatsache, die im Übrigen von den anderen Beteiligten nicht in Zweifel gezogen wird, kommt es nicht an. Denn von der Durchführung eines forstfachlich ordnungsgemäßen Schutzstreifenmanagements, das zwischen der Möglichkeit eines Rückschnitts und der Entfernung des Baums zu unterscheiden weiß, kann ausgegangen werden. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Wald im betreffenden Bereich alle 150-jährigen Eichen und Buchen verlieren wird. Im Kompensationskonzept des landschaftspflegerischen Begleitplans (siehe oben) wird davon ausgegangen, dass der Biotopwert des Waldstücks im betreffenden Bereich (lediglich) von 8 auf 6 sinkt. Er ist folglich weiterhin - insbesondere in Verbindung mit dem südlich benachbarten größeren Teilstück des Biotops - ein taugliches Habitat für die Fauna. In dieser Hinsicht ist es unerheblich, ob - wie die Klägerinnen im Beweisantrag A.1.d im Übrigen unbestimmt und unsubstantiiert behaupten - einzelne Vogelarten durch eine Veränderung des Mikroklimas das Waldstück nunmehr meiden werden.

158(2) Ein Verstoß gegen die Festlegungen in Ziff. 23.1 und 23.2 des Regionalplans Münsterland, denen - wie ausgeführt - keine Zielqualität zukommen, liegt nicht vor. Eine Inanspruchnahme von Wald ist nicht allgemein ausgeschlossen, sondern als Ergebnis einer umfassenden Abwägung im hier vorgesehenen - beschränkten - Umfang zulässig (PFB S. 125).

159(3) Der Planfeststellungsbeschluss stellt in die Abwägung ein, dass das Landschaftsschutzgebiet Harwick-Berkel durch die größere Querungslänge, die die Klägerinnen und die Beigeladene übereinstimmend auf 800 m bemessen, stärker beeinträchtigt wird als bei der Nutzung der Bestandstrasse. Er hält fest, dass aufgrund der Errichtung der Freileitung in einem bisher nicht vorbelasteten Raum im Hinblick auf die Schutzzwecke Beeinträchtigungen stattfinden, obwohl nur randliche Bereiche des Landschaftsschutzgebiets betroffen seien (PFB S. 225). Nähere Erläuterungen finden sich hier zwar nicht, sind aufgrund der insoweit selbsterklärenden Planung mit dem Raumanspruch von Masten und Leitungen aber auch entbehrlich. Eine Bewertung der Beeinträchtigung der Landschaft findet sich in der Umweltstudie (Planunterlagen Anl. 12) in Kap. 6 (S. 6.3-21 f., 6.3-32 sowie Karte 6.3-5). Die weiteren Ausführungen zu den Voraussetzungen der nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilten Befreiung beziehen sich nur auf die Eingriffe in vorbelasteten Bereichen.

160Ein Verstoß gegen den Grundsatz Ziff. 24, 24.1 und 24.2 des Regionalplans Münsterland liegt ebenso wenig vor, da der Grundsatz mit dem Gebot, Beeinträchtigungen "möglichst" zu vermeiden, unter einem Abwägungsvorbehalt steht. Soweit der Planfeststellungsbeschluss (S. 128) betont, dass das Biotopverbundsystem nicht beeinträchtigt werde, ist daraus entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht zu schließen, dass der erwähnte Grundsatz nur auf diesen Aspekt verengt wird.

161(4) Hinsichtlich des Schutzguts Boden bewertet der Planfeststellungsbeschluss (S. 122) die Bestandstrasse wegen der um 1 geringeren Anzahl von Masten und geringeren Eingriffen in schutzwürdige Böden als vorteilhaft, wobei er den Unterschied als nur geringfügig bewertet. Auch das ist vertretbar.

162(5) Der Planfeststellungsbeschluss hat zutreffend zur Kenntnis genommen, dass die Antragstrasse um 600 m länger ist als die Trasse im bisher genutzten Trassenraum. Dass damit auch in größerem Umfang privates Eigentum durch Maststandorte in und Schutzstreifen über landwirtschaftlich genutzten Grundstücken in Anspruch genommen wird, hat der Planfeststellungsbeschluss an dieser Stelle zwar nicht ausdrücklich erwähnt; das versteht sich aber von selbst. Mit den Interessen der betroffenen Grundstückseigentümer setzt sich der Planfeststellungsbeschluss ausführlich auseinander (S. 242 ff.).

163(6) Der Planergänzungsbeschluss (S. 15 f.) hat des Weiteren das artenschutzrechtliche Konfliktpotenzial einer Trassenführung in der Bestandstrasse wegen der dortigen Überspannung zweier Kiebitzbrutplätze und des daraus folgenden spezifischen Anflugrisikos als höher eingestuft. Auch dagegen ist nichts zu erinnern.

164(7) Schließlich rügen die Klägerinnen, die Belange des landwirtschaftlichen Betriebs der Klägerin im Verfahren - 4 A 10.21 - seien nicht ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden. Denn es sei nicht erwogen worden, dass eine Erweiterung ihrer Schweinehaltung erschwert wäre, wenn bei der immissionsschutzrechtlichen Bewertung im Wege der Kumulation auch die auf die Stromleitung zurückzuführende Stickstoffdeposition insbesondere im benachbarten FFH-Gebiet zu beachten sei. Ob die Klägerinnen eine unzureichende Berücksichtigung dieses fremden Belangs überhaupt rügen können, bedarf keiner Entscheidung (siehe 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 ff). Denn diese Überlegungen liegen jedenfalls neben der Sache; sie gehen von gänzlich realitätsfremden Annahmen aus (siehe oben II.B.4.a)bb)). Sie bedurften keiner Erwähnung im Planfeststellungsbeschluss.

165b) Wenn die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage dieser von Rechts wegen nicht zu beanstandenden Ermittlung und Bewertung der abwägungserheblichen Umstände zusammenfassend feststellt, dass eine Trassenführung in der Bestandstrasse als Freileitung nicht vorzugswürdig sei, hält sich das im Rahmen ihrer planerischen Freiheit. Dass eine Planung in der Bestandstrasse, lässt man jedenfalls die Überspannung von Kiebitzbrutplätzen außen vor, möglich und vertretbar gewesen wäre, scheint unbestreitbar; aufdrängen musste sich diese Variante allerdings nicht.

1662. Gegen die Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Anordnung eines Erdkabels nach § 2 EnLAG wenden die Klägerinnen sich gleichfalls ohne Erfolg.

167a) Ob die Höchstspannungsleitung als Erdkabel errichtet und betrieben wird, entscheidet sich nach § 2 Abs. 2 EnLAG. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG ist im Falle des Neubaus auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bei einem Vorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG eine Höchstspannungsleitung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel zu errichten und zu betreiben, wenn - u. a. - bestimmte Abstände zu Wohngebäuden im Bebauungsplanbereich oder im unbeplanten Innenbereich - 400 m - (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnLAG) bzw. zu Wohngebäuden im Außenbereich - 200 m - (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG) unterschritten werden. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, entscheidet die Planfeststellungsbehörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber, ob statt einer Freileitung eine Erdverkabelung vom Vorhabenträger verlangt wird. Die Norm eröffnet nur die nach § 43 Satz 1 Nr. 1 EnWG nicht gegebene Möglichkeit, auch die Errichtung, den Betrieb oder die Änderung eines Erdkabels planfeststellen zu können; darin erschöpft sich grundsätzlich ihr Regelungsgehalt ( 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 95 <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2>). Dieses Ermessen ist nicht in der Weise intendiert, dass das Auslösekriterium im Zusammenwirken mit dem Erfordernis eines geeigneten Abschnitts nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EnLAG in der Regel die Entscheidung für ein Erdkabel nach sich ziehen müsste. Vielmehr gebietet § 2 Abs. 2 EnLAG eine offene Abwägung, in die alle abwägungserheblichen Belange Eingang finden müssen. Diese Abwägung muss jedoch dem Gesetzeszweck Rechnung tragen ( 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 57). Hierzu legt der Planfeststellungsbeschluss im Anschluss an die Darlegungen in der Planunterlage "Alternativenprüfung Gescher (GA 4) - Ergänzende Stellungnahme", Abschnitt 6.2, S. 47 ff. (Planunterlagen, Deckblatt 1, Ordner 1) ein "Planungs-/Abwägungskonzept" zugrunde. Geht es wie hier nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnLAG um das Schutzgut Mensch, müssen danach die betroffenen Interessen angesichts der nur eingeschränkt als Pilotvorhaben vorgesehenen Errichtung eines Erdkabels (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EnLAG) gewichtet werden. Bei dieser Gewichtung und der Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Anordnung eines Erdkabels ist in erster Linie das für die Auslösefälle bereits erreichte Schutzniveau - anders gewendet: die Belastung insbesondere mit elektromagnetischen Feldern - sowie die Dichte der in den Annäherungsabschnitten angetroffenen Nutzungsstrukturen im Sinne einer Siedlungsverdichtung - d. h. auch die Anzahl der von einer Entlastung Betroffenen - zu berücksichtigen. Bei einer Gesamtbetrachtung im Sinne eines Summationspotenzials sind über die Auslösefälle hinaus andere durch das Erdkabel Begünstigte sowie die Zusatzbelastung für das Landschaftsbild, aber auch andere durch eine Freileitung betroffene Schutzgüter einzubeziehen (PFB S. 142 ff., 148 ff.).

168b) Der Einwand der Klägerinnen gegen das Abwägungskonzept greift nicht durch. Auf der Grundlage seines weiten Gestaltungs- und Prognosespielraums durfte der Gesetzgeber die Beschränkung der Errichtung von Erdkabeln lediglich auf Pilotverfahren angesichts der von ihm angenommenen technischen und betrieblichen Risiken einer Erdverkabelung im Drehstrombereich normieren. Ob Erdkabel insoweit, wie die Klägerinnen behaupten, zwischenzeitlich den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG entsprechen, ist unbeachtlich (vgl. 4 A 13.20 - BVerwGE 176, 39 Rn. 145 ff.).

169Auch gegen die Anwendung des Abwägungskonzepts wenden sich die Klägerinnen ohne Erfolg. Die für die Abwägung nachrangige Entlastungswirkung für andere Schutzgüter, insbesondere für das überspannte Waldgebiet, hat der Planfeststellungsbeschluss zutreffend in seine Erwägungen eingestellt und auch Entlastungswirkungen über die vier durch das planfestgestellte Vorhaben erstmals belasteten Außenbereichswohnlagen hinaus bei weiteren landwirtschaftlichen Anwesen in anderen Annäherungsabschnitten (Planunterlagen, Anl. 12 Umweltstudie, Anhang A, Karten 6.1-1) betrachtet (PFB S. 150). Eines Sachverständigengutachtens, wie von den Klägerinnen beantragt (Beweisantrag A.6.b) bedarf es für diese Feststellung nicht. Der Senat verfügt selbst über die erforderliche Sachkunde, um die vorliegenden Unterlagen verständig auszuwerten. Ob der Planfeststellungsbeschluss die einer Erdverkabelung entgegenstehenden Interessen der Landwirtschaft im Wege einer generalisierenden Betrachtungsweise annehmen durfte und er unzutreffend von einer geringen Schutzwürdigkeit der Landschaft westlich der L 608 wegen einer Vorbelastung ausgegangen ist, kann dahinstehen. Wegen des für das Abwägungskonzept geringen Gewichts dieser Gesichtspunkte ist auszuschließen, dass eine andere Einordnung zu einer abweichenden Entscheidung geführt hätte. Auf die im Beweisantrag A.6.a unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es folglich nicht an.

170Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO und § 100 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:310323U4A11.21.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-45849