Instanzenzug: LG Hechingen Az: 1 KLs 11 Js 11651/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen und auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
21. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3Am legte der Angeklagte einer Apothekenmitarbeiterin in S. ein auf seinen Namen ausgestelltes gelbes Impfbuch, in dem zwei Eintragungen zu tatsächlich nicht erfolgten Schutzimpfungen gegen Covid-19 enthalten waren, vor, um die Ausstellung eines digitalen Impfnachweises zu erlangen. Ein solcher Nachweis wurde dem Angeklagten jedoch nicht ausgestellt, da die Apothekenmitarbeiterin, die Zeugin H. , das Falsifikat erkannte.
4Der Täter der Fälschung konnte nicht ermittelt werden.
52. Das Landgericht hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil er durch den festgestellten Sachverhalt keinen Straftatbestand erfüllt habe. Eine Strafbarkeit wegen des Fälschens von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB, des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB sowie des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB, jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom , scheide aus, da u.a. die Vorlage des Falsifikats nicht bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft erfolgt sei. Wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB habe der Angeklagte nicht verurteilt werden können, weil die Vorschriften der § 277 StGB aF und § 279 StGB aF zu § 267 StGB im Verhältnis der privilegierenden Spezialität stünden. Ein Rückgriff auf den Tatbestand der Urkundenfälschung sei ausgeschlossen, da § 277 StGB aF eine Sperrwirkung entfalte, auch wenn dessen Tatbestand nicht vollständig erfüllt sei.
II.
6Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
71. Das Landgericht hat zu Unrecht eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verneint.
8Entgegen der Ansicht des Landgerichts sperrt der Tatbestand des § 277 Var. 2 und 3 StGB aF und auch der des § 279 StGB aF den Rückgriff auf den Tatbestand der Urkundenfälschung nicht. Der Senat schließt sich der überzeugend begründeten Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs an, wonach das Fälschen von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB aF zur Urkundenfälschung nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität steht ( Rn. 39 ff., zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Nichts Anderes kann für den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB aF gelten, der tatbestandlich die Voraussetzungen des § 277 StGB aF zum Inhalt hat.
92. Die Aufhebung des Freispruchs führt zur Aufhebung der Feststellungen, da der freigesprochene Angeklagte die ihn belastenden Feststellungen nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte.
103. Der Senat macht nach Klärung der Rechtsfrage von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das nunmehr zuständige Amtsgericht – Strafrichter – Balingen zurückzuverweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:120723U1STR260.22.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-45663