BGH Beschluss v. - KVZ 87/20

Instanzenzug: Az: VI-2 Kart 1/20 (V) Beschlussnachgehend Az: KVZ 87/20 Beschluss

Gründe

1I. Die Betroffenen gaben im März 2018 ein umfassendes Transaktionsvorhaben öffentlich bekannt. Als Teil davon meldeten sie am beim Bundeskartellamt den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung in Höhe von 16,67 % am stimmberechtigten Grundkapital der Betroffenen zu 2, der E.ON SE, durch die Betroffene zu 1, die RWE AG, an. Hierüber unterrichtete das Amt noch am selben Tag die Beschwerdeführerin, die bereits vor der Anmeldung einen Beiladungsantrag gestellt hatte. Am teilte das Amt mit, es werde kein Hauptprüfverfahren einleiten und der Zusammenschluss könne vollzogen werden. Mit Bescheid vom lehnte es den Beiladungsantrag der Beschwerdeführerin ab.

2Das Beschwerdegericht hat die gegen die Mitteilung des Bundeskartellamts vom , hilfsweise auf dessen Verpflichtung zur Durchführung eines Hauptprüfverfahrens gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin verworfen. Mit der Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Weder ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 77 Abs. 2 GWB).

41. Das Beschwerdegericht hat die mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsbeschwerde als unstatthaft angesehen. Selbst wenn die Mitteilung, nicht in ein Hauptprüfverfahren einzutreten, als Verfügung angesehen werden könnte, sei sie durch Dritte nicht anfechtbar, weil mit Verstreichen der Monatsfrist die Freigabefiktion eingreife, die ihrerseits keiner Anfechtung unterliege. Dies sei im Streitfall auch nicht deshalb anders, weil das Bundeskartellamt unzulässigerweise ein faktisches oder "wildes" Hauptprüfverfahren durchgeführt hätte. Zum einen ließen die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Tatsachen den Schluss auf die Durchführung eines faktischen Hauptprüfverfahrens nicht zu und gäben auch zu weiterer Sachaufklärung keinen Anlass. Zum anderen könne auch ein irreguläres Verfahren des Kartellamts keine vom Gesetz nicht vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Ob, wie das Kammergericht erwogen habe, bei einer "krass manipulativen" Verfahrensweise etwas Anderes gelte, könne mangels Anhaltspunkten für Derartiges offenbleiben. Zudem fehle der Anfechtungsbeschwerde das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Zusammenschlussvorhaben nach Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht mehr untersagt werden und die Beschwerdeführerin folglich ihr Rechtsschutzziel nicht mehr erreichen könne. Auch die hilfsweise verfolgte Verpflichtungsbeschwerde sei mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Eintritt des Kartellamts in ein Hauptprüfverfahren; zudem fehle ihr wie beim Hauptantrag und aus denselben Gründen das Rechtsschutzbedürfnis.

52. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt nicht dar, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

6a) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird von der Erwägung getragen, das Kartellamt dürfe ein angemeldetes Zusammenschlussvorhaben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB nur untersagen, wenn es den anmeldenden Unternehmen binnen eines Monats den Eintritt in ein Hauptprüfverfahren mitteile, und es sei die Mitteilung, nicht in ein solches Verfahren einzutreten, weder durch Dritte anfechtbar, noch könnte ein Dritter mit einer Anfechtung die dem Kartellamt nach Fristablauf verschlossene Durchführung eines Hauptprüfverfahrens erreichen; die Anfechtung der Mitteilung vom sei daher unstatthaft und auch mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Dass und inwiefern diese Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwürfe, ist der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.

7b) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die Beschwerde gegen eine "Entscheidung" des Bundeskartellamts statthaft sei, die ein ungesetzliches, faktisches Hauptprüfverfahren ("Prä-Hauptprüfverfahren") abschließe und somit keine Entscheidung im Sinne von Absatz 1 oder Absatz 2 des § 40 GWB sei, stellte sich selbst dann nicht, wenn man sie dahin verstände, dass die Nichtzulassungsbeschwerde die Frage für klärungsbedürftig hält, ob die ein "faktisches Hauptprüfverfahren" abschließende Mitteilung, nicht in ein Hauptprüfverfahren einzutreten, als oder wie eine Freigabeentscheidung anfechtbar ist. Aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts ergibt sich nicht, dass das Kartellamt ein "faktisches Hauptprüfverfahren" durchgeführt und mit einer (Freigabe-)Entscheidung vom abgeschlossen hat.

8Der Prüfung der Zulassungsgründe sind die Feststellungen des Beschwerdegerichts zugrunde zu legen. Inwiefern diese Feststellungen - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - den von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht näher definierten Tatbestand eines "faktischen Hauptprüfverfahrens" ausfüllen sollen und die Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das Beschwerdegericht hiervon in zulassungsrelevanter Weise abweichen soll, ist der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen. Ihre eigene Sachdarstellung ist schon revisions- und rechtsbeschwerderechtlich unerheblich; erst recht kann sich aus ihr kein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde ergeben.

9Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet, das Beschwerdegericht habe entgegen dem Amtsermittlungsgrundsatz keine Feststellungen zum Verfahren des Kartellamts getroffen, ergibt sich daraus kein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Mängel des Verfahrens können als solche nur unter den Voraussetzungen des § 77 Abs. 4 GWB mit der (zulassungsfreien) Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden.

103. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 GWB) liegt nicht vor.

11a) Der Bundesgerichtshof hat zwar bislang nicht entschieden, ob und gegebenenfalls auf welche Weise für den Fall, dass die Freigabe ein subjektives öffentliches Recht eines Dritten verletzt, ausnahmsweise eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden kann (vgl. , WuW/E DE-R 1571, 1572 - Ampere). Diese Frage bedarf jedoch auch im Streitfall keiner Klärung, da das Beschwerdegericht die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts verneint und festgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin durch den unterlassenen Eintritt des Bundeskartellamts in ein Hauptprüfverfahren allenfalls in ihren wirtschaftlichen Interessen berührt ist. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Verletzung eines subjektiven Rechts nicht aus einer Verletzung der Vorschriften über die Beteiligung Dritter am Fusionskontrollverfahren, insbesondere über die Beiladung gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB, hergeleitet werden. Denn sie stützt sich hierfür wiederum auf die Annahme, das Bundeskartellamt habe schon vor der Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens faktisch ein Hauptprüfverfahren durchgeführt. Dies hat das Beschwerdegericht jedoch gerade nicht festgestellt (o. Rn. 7).

12b) Keinen Anlass zur Fortbildung des Rechts gibt ferner die Frage, ob die im Fusionskontrollrecht der Union bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter auf das deutsche Recht zu übertragen sind. Aus dem Unionsrecht ergeben sich keine Vorgaben für die Behandlung von Zusammenschlüssen ohne gemeinschaftsweite Bedeutung im nationalen Fusionskontrollrecht (vgl. , WuW 2021, 350 Rn. 40 - CTS Eventim/Four Artists). Der Gesetzgeber konnte sich daher im Zuge der 6. GWB-Novelle gegen die Anfechtbarkeit einer im Vorprüfverfahren durch formlose Mitteilung des Bundeskartellamts erteilten Freigabe entscheiden (, juris Rn. 5; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 13/9720, S. 59). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

13III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 Satz 2 GWB.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210921BKVZ87.20.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-45598