BGH Beschluss v. - I ZB 65/22

Markenrechtliches Widerspruchsverfahren: Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde; Anforderungen an das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke - Silver Horse/Power Horse

Leitsatz

Silver Horse/Power Horse

1. Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt keinen Begründungsmangel dar und kann deshalb nicht mit Erfolg gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allein die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.

2. Für das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG ist eine eindeutige Erklärung erforderlich. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie zum Beispiel bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren oder Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der Verwechslungsgefahr können grundsätzlich nicht als Nichtbenutzungseinwand ausgelegt werden.

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 43 Abs 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 6 MarkenG

Instanzenzug: Az: 26 W (pat) 38/17 Beschlussnachgehend Az: I ZB 65/22 Beschluss

Gründe

1Für die Markeninhaberin ist die am angemeldete und am in silber-schwarz eingetragene Wort-Bild-Marke Nr. 30 2013 050 102 für die Waren der Klasse 32 "Alkoholfreie Getränke" geschützt:

2Gegen die am veröffentlichte Eintragung der Marke hat die Widersprechende aus der am international registrierten Wort-Bild-Marke Nr. 1 037 284

Widerspruch erhoben, die für die Europäische Union für Waren der Klasse 32 "Non-alcoholic drinks; preparations for making beverages" Schutz genießt.

3Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom den Widerspruch zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs zu löschen (BPatG, MarkenR 2022, 428).

4Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine mangelnde Begründung der Entscheidung und eine Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör rügt.

5II. Das Bundespatentgericht hat zunächst in einem Hinweis vom ausgeführt, der angegriffene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts sei rechtmäßig. In einem weiteren Hinweis vom hat es angekündigt, es sei beabsichtigt das Deutsche Patent- und Markenamt anzuweisen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs zu löschen. Entsprechend diesem zweiten Hinweis hat es mit dem angegriffenen Beschluss entschieden. Zur Begründung hat es ausgeführt:

6Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke bestehe Verwechslungsgefahr. Die Erklärung der Inhaberin der angegriffenen Marke in ihrem Schriftsatz vom könne nicht als rechtswirksames Bestreiten der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ausgelegt werden. Das Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke zum zweiten Hinweisbeschluss des Gerichts, die ältere Marke sei nicht schutzwürdig, weil sie selbst am Markt nicht teilnehme, stelle keine eindeutige Erklärung dahingehend dar, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke in Abrede gestellt werde. Sie lasse nur den Willen der Inhaberin der angegriffenen Marke erkennen, eine Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke und das Fehlen der Verwechslungsgefahr darzulegen, nicht aber, eine Benutzung des Widerspruchszeichens zu bestreiten. Bei anwaltlicher Vertretung sei eine eindeutige Nichtbenutzungseinrede zu erwarten.

7Zwischen den Vergleichswaren bestehe Identität. Die identischen Kollisionswaren richteten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch an den Getränkefachhandel und den Gastronomiefachverkehr. Da es sich um Artikel des täglichen Bedarfs beziehungsweise um kurzlebige Erzeugnisse des Massenkonsums handele, begegneten ihnen die angesprochenen Verkehrskreise mit eher geringem Aufmerksamkeitsgrad. Die Widerspruchsmarke verfüge nur über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Ihre Kennzeichnungskraft sei nicht durch Drittmarken geschwächt. Ausreichende Anhaltspunkte für eine durch intensive Nutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich. Den bei identischen Vergleichswaren, geringer Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke gebotenen Abstand halte die jüngere Marke wegen komplexer Markenähnlichkeit nicht mehr ein. Die Vergleichsmarken unterschieden sich in der Gesamtheit durch die abweichenden Anfangsworte und die Bildelemente deutlich voneinander. In klanglicher Hinsicht würden sie von ihren jeweiligen Wortelementen geprägt. Da sie nicht durch das Wort "Horse" geprägt würden, stünden sich die Markenwörter "SILVER HORSE" und "POWER HORSE" gegenüber. Diese Markenwörter wiesen eine Reihe von Übereinstimmungen auf. Allerdings unterschieden sich die stärker beachteten Wortanfänge. Gemeinsamkeiten lägen auch in schriftbildlicher Hinsicht vor. In begrifflicher Hinsicht gebe es ebenfalls Übereinstimmungen, weil beide Marken den Wortbestandteil "HORSE" mit einer vorangestellten Eigenschaftsangabe kombinierten. Allerdings werde der begriffliche Unterschied zwischen "SILVER" und "POWER" von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Schwierigkeiten erkannt. Ob die klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Gemeinsamkeiten für sich genommen schon zur Bejahung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ausreichten, müsse nicht abschließend beurteilt werden. Denn auch wenn die vorhandenen Übereinstimmungen wegen der gleichzeitigen Abweichungen für sich gesehen nicht genügen sollten, um eine ausreichende Markenähnlichkeit zu begründen, kämen sich die Vergleichsmarken klanglich, (schrift)bildlich und begrifflich so nahe, dass die Annahme einer komplexen Markenähnlichkeit gerechtfertigt sei. Die Rechtsfigur der sogenannten komplexen Markenähnlichkeit oder Verwechslungsgefahr sei von der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts entwickelt worden. Sie werde mit dem Erfahrungssatz begründet, dass die Vergleichsmarken fast nie gleichzeitig nebeneinander wahrgenommen würden, so dass letztlich nur das meist ungenaue Erinnerungsbild entscheide, das der Verkehr von der Marke habe, wenn er die andere Marke höre oder sehe. Wenn sich die Kollisionsmarken klanglich, schriftbildlich und begrifflich sehr nahekämen, könnten Verwechslungen aus der Erinnerung heraus nicht mehr mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, so dass eine komplexe Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr vorliege. So liege es im Streitfall. Da die Verwechslungsgefahr als Rechtsfrage keiner Beweisaufnahme zugänglich sei, komme die von der Inhaberin der angegriffenen Marke beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu nicht in Betracht.

8III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete, nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.

91. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf einen Begründungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG) und eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Diese Rügen hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2018, 111 [juris Rn. 7] = WRP 2018, 197 - PLOMBIR; Beschluss vom - I ZB 32/22, GRUR 2023, 513 [juris Rn. 11], mwN).

102. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen. Weder leidet die angegriffene Entscheidung an einem Begründungsmangel noch ist der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

11a) Die angegriffene Entscheidung leidet nicht unter einem Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG.

12aa) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe zwar erkannt, dass nach den Vorgaben der Rechtsprechung der Unionsgerichte die klangliche Markenähnlichkeit bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr in den Hintergrund trete, soweit die betreffenden Waren wie diejenigen, die im Streitfall in Rede stünden, überwiegend auf Sicht gekauft würden. Diese Vorgabe werde jedoch dadurch ad absurdum geführt, dass das Bundespatentgericht weiter ausgeführt habe, bei einem Kauf auf Sicht könnten häufig mündliche Empfehlungen und Nachfragen sowie Gespräche vorausgehen und selbst bei nur optischer Wahrnehmung einer Marke werde gleichzeitig der klangliche Charakter des Markenworts unausgesprochen mit aufgenommen und damit die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken geweckt, die von früheren Begegnungen bekannt seien. Die klangliche Verwechslungsgefahr werde insoweit nicht durch ein unmittelbares Hören, sondern durch die ungenauen Erinnerungen an den Klang beider Marken ausgelöst. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, eine solche Argumentation stelle sich als verworren und inhaltslos dar, weil danach die von der Rechtsprechung der Unionsgerichte geforderten Vorgaben zum Kauf auf Sicht niemals zur Anwendung kommen könnten.

13Gleiches gelte, soweit das Bundespatentgericht auf die von ihm selbst entwickelte Rechtsfigur der "komplexen Markenähnlichkeit oder Verwechslungsgefahr" abstelle, ohne dass dem Bundesgerichtshof bisher Gelegenheit gegeben worden sei, sich hiermit auseinanderzusetzen. Die Rechtsfigur erweise sich - wie der Streitfall zeige - als konturlos und in ihrer Begründung nicht mehr nachvollziehbar. Im Erfinden solcher Rechtsfiguren liege ein Begründungsmangel.

14bb) Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Anspruch der Beteiligten auf Mitteilung der Gründe sichern, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hat. Sie dient dagegen nicht der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung (zu § 100 Abs. 3 Nr. 5 PatG aF [§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nF] vgl. , BGHZ 39, 333, 341 - Warmpressen). Es kommt nur darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhafter und unvollständiger Begründung der Fall sein. Eine Entscheidung ist nur dann "nicht mit Gründen versehen", wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Das ist auch dann der Fall, wenn zwar Gründe vorhanden sind, diese aber ganz unverständlich und so verworren sind, dass objektiv nicht mehr zu erkennen ist, welche Erwägungen tatsächlicher oder rechtlicher Art die Entscheidung tragen sollen oder wenn die Gründe sachlich inhaltslos sind und sich in leeren Redensarten oder der einfachen Wiedergabe des Gesetzestextes erschöpfen (, GRUR 1993, 896 [juris Rn. 6] mwN - Leistungshalbleiter). Nicht entscheidend ist, ob die Beurteilung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (, juris Rn. 26 mwN). Nach diesem Maßstab liegt kein Begründungsmangel vor.

15cc) Die Entscheidung des Bundespatentgerichts lässt erkennen, aus welchen Gründen es den Widerspruch aus der älteren Marke für begründet gehalten hat. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Rechtsbeschwerde eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der vom Bundespatentgericht für seine Entscheidung gegebenen Begründung möglich ist, die sie mit näherer Begründung für rechtlich verfehlt hält. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, bei der Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken habe das Bundespatentgericht die Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Neutralisierung einer klanglichen Zeichenähnlichkeit bei auf Sicht gekauften Waren in einer Weise angewandt, dass für sie kein Anwendungsbereich verbleibe, wendet sie sich gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung, die im Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht zur Überprüfung steht.

16dd) Die Beanstandung der Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe die für seine Entscheidung maßgebliche Beurteilung der Zeichenähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken auf die Rechtsfigur der "komplexen Markenähnlichkeit oder Verwechslungsgefahr" gestützt, ohne dass der Bundesgerichtshof bislang Gelegenheit gehabt habe, diese Rechtsfigur einer rechtlichen Nachprüfung zu unterziehen, trifft zwar inhaltlich zu.

17Bislang hat das Bundespatentgericht die Frage, ob die von ihm entwickelte Rechtsfigur der komplexen Markenähnlichkeit, wonach die Kumulation einer je einzeln an sich nicht ausreichenden Annäherung in mehreren Richtungen (Klang, Begriff, Schriftbild und Zeichenaufbau) zur Verwechslungsgefahr im Sinne des Markengesetzes führen kann, dem Bundesgerichtshof nicht zur rechtlichen Überprüfung zugänglich gemacht. Diese Frage ist vielmehr, wie sich aus dem im angefochtenen Beschluss zitierten Aufsatz und aktuellem Schrifttum ergibt, seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes im Jahr 1994 ungeklärt (Starck, WRP 1996, 269, 273; Albrecht, GRUR-Prax 2022, 512; BeckOK.MarkenR/Onken, 33. Edition [Stand: ], § 14 MarkenG Rn. 388).

18Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt jedoch keinen Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG dar. Der Sache nach macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe das Recht der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es seine Entscheidung auf eine ausschließlich von Senaten des Bundespatentgerichts vertretene Rechtsansicht gestützt, die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und damit die maßgebliche verfahrensrechtliche Vorschrift (hier: § 83 Abs. 2 MarkenG) in unhaltbarer Weise gehandhabt habe. Liegt wie im Streitfall eine Rechtsmittelzulassung objektiv nahe und finden sich weder in der Entscheidung noch anderweitig Anhaltspunkte zu Überlegungen des Gerichts, warum es in möglicherweise sachlich gerechtfertigter Weise von der Zulassung abgesehen hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich von einer verfassungswidrigen Nichtzulassung auszugehen (zur unterbliebenen Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG vgl. BVerfG, FamRZ 2019, 1643 [juris Rn. 11]; zur unterbliebenen Zulassung der Revision , WuM 2023, 364 [juris Rn. 15 f.]). Ein solcher Vorwurf kann mit der Rüge einer fehlenden Begründung der Entscheidung gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

19b) Der Markeninhaberin wurde im Verfahren vor dem Bundespatentgericht auch nicht das rechtliche Gehör im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG versagt.

20aa) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daraus jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die vortragende Partei. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2018, 111 [juris Rn. 11] - PLOMBIR, mwN).

21bb) Eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnen. Dies setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich rügt, das Bundespatentgericht habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen, mit dem dieser geltend gemacht habe, der Streitfall erfordere eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG (, GRUR 2014, 1232 [juris Rn. 14] = WRP 2015, 53 - S-Bahn). Die Entscheidung des Bundespatentgerichts, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, ist fachgerichtlich nicht überprüfbar und unterliegt damit keinem verfassungsrechtlichen Begründungszwang. Das Bundespatentgericht muss deshalb im Regelfall eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde nur begründen, wenn ein Verfahrensbeteiligter einen entsprechenden Zulassungsgrund geltend gemacht hat (BGH, GRUR 2014, 1232 [juris Rn. 15] - S-Bahn, mwN). Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass nach diesen Maßstäben eine Gehörsverletzung vorliege. Sie legt nicht dar, dass die Markeninhaberin nach dem zweiten Hinweis des Bundespatentgerichts, mit dem dieses darauf hingewiesen hatte, es gehe von einer "komplexen Markenähnlichkeit" zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen beziehungsweise einer "komplexen Verwechslungsgefahr" aus, die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt hätte.

22cc) Die Rechtsbeschwerde macht vielmehr geltend, das Bundespatentgericht habe den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör mit seiner Annahme verletzt, diese habe den Nichtbenutzungseinwand nicht erhoben. Die Markeninhaberin habe in ihrer Stellungnahme zu dem ihr ungünstigen zweiten Hinweis des Bundespatentgerichts vorgetragen: "Die sog. ältere Marke der Widerspruchsführerin ist auch schon deshalb nicht schutzwürdig, weil sie selbst am Markt nicht teilnimmt und es sicherlich nicht ausreichend ist, wohlgefälligen, aber letztlich inhaltslosen Schriftverkehr seitens der Widerspruchsführerin vorzulegen, wie geschehen." Dabei habe sie auf die Passage im Hinweisbeschuss des Bundespatentgerichts Bezug genommen, in der ausgeführt werde, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke werde nicht durch Drittmarken geschwächt, weil es an einer ausreichenden Anzahl von Drittmarken fehle, deren Benutzung liquide oder gerichtsbekannt sei. Die Bezugnahme der Markeninhaberin auf "wohlgefälligen aber letztlich inhaltslosen Schriftverkehr" habe sich nur auf den von der Widersprechenden vorgelegten Schriftwechsel mit der R.     GmbH beziehen können, den das Bundespatentgericht in anderem, mit der Erörterung der Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Benutzung stehenden Zusammenhang als unzureichend angesehen habe, weil den Bestätigungen weder die Art oder Menge der Getränke noch deren Kennzeichnung entnommen werden könne. Die Erklärung der Markeninhaberin habe sich damit auf die fehlende Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke mangels Teilnahme am Markt, auch aufgrund fehlender Nachweise bezogen. In jedem Fall hätte das Bundespatentgericht seine Zweifel am Aussagegehalt der Erklärungen der Markeninhaberin beziehungsweise sein Verständnis von diesen Erklärungen im Rahmen seiner Hinweispflichten zur Vermeidung von gehörswidrigen Überraschungsentscheidungen darlegen müssen. Die Markeninhaberin habe ausdrücklich um einen Hinweis gebeten. Die mündliche Verhandlung vor dem Bundespatentgericht wäre ein geeignetes Forum gewesen, um mögliche Unklarheiten zu beseitigen. Die Markeninhaberin hätte dann bestätigt, dass sie die Einrede aus § 43 Abs. 1 MarkenG geltend mache.

23dd) Das Bundespatentgericht hat den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es eine von der Markeninhaberin erhobene Einrede einer mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke unberücksichtigt gelassen hätte. Es ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die Markeninhaberin eine solche Einrede nicht erhoben hat.

24(1) Das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG unterliegt dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz und stellt damit eine Ausnahme von dem das patentamtliche und patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Grundsatz dar, dass der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und das Vorbringen der Beteiligten bis zum Erlass der Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. , GRUR 1998, 938 [juris Rn. 24] = WRP 1998, 993 - DRAGON). Hierfür ist eine eindeutige Erklärung erforderlich. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie zum Beispiel bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren oder Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der Verwechslungsgefahr können grundsätzlich nicht als Nichtbenutzungseinwand ausgelegt werden (vgl. BPatGE 25, 53; BPatGE 32, 98, 100; 24 W (pat) 54/08, juris Rn. 29; BeckOK.MarkenR/Draheim, 33. Edition [Stand ], § 43 MarkenG Rn. 7; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 43 MarkenG Rn. 7; Schmitz-Fohrmann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 43 Rn. 15; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 43 Rn. 35). Diese Maßstäbe gelten jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Inhaberin der angegriffenen Marke anwaltlich vertreten ist. Diese Grundsätze, die das Bundespatentgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, stellt die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.

25(2) Das Bundespatentgericht ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Streitfalls zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der Vortrag der Markeninhaberin diesen Anforderungen nicht genügt und nicht zweifelsfrei erkennen lässt, dass sie die Erhebung der Einrede einer mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG beabsichtigt hat.

26Der Vortrag der Markeninhaberin, auf den sich die Rechtsbeschwerde beruft, ist im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage erfolgt, welcher Grad an Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zuzumessen ist. Er bezog sich ausdrücklich auf die Ausführungen des Bundespatentgerichts in dessen zweiten Hinweisbeschluss, mit denen dieses eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Drittmarken wegen nicht liquider oder glaubhaft gemachter Benutzung dieser Drittmarken verneint hat. Das Vorbringen der Markeninhaberin konnte - wie die Beschwerde selbst geltend macht - außerdem dahin verstanden werden, dass die Markeninhaberin den vom Bundespatentgericht als nicht glaubhaft gemacht angesehenen Vortrag der Widersprechenden bestreiten wollte, die Widerspruchsmarke habe bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke über eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt. Das Bundespatentgericht hat außerdem mit Recht darauf hingewiesen, die Markeninhaberin habe im Zusammenhang mit ihren Darlegungen zur Warenähnlichkeit ausgeführt, dass "die Kombattanten am Markt teilnehmen, liegt in der Natur der Sache", und dieser Vortrag spreche gegen die Annahme, die Markeninhaberin habe geltend machen wollen, die Widerspruchsmarke werde überhaupt nicht (rechtserhaltend) benutzt.

27(3) Das Bundespatentgericht war angesichts des geltenden Beibringungsgrundsatzes nicht gehalten, die Markeninhaberin darauf hinzuweisen, dass sie die Einrede mangelnder Benutzung nicht in eindeutiger Weise erhoben hat. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung verweist mit Recht darauf, dass das Bundespatentgericht damit gegen seine Pflicht zur Unparteilichkeit gegenüber den Parteien verstoßen hätte. Das Gericht darf nicht auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel hinweisen. Es ist ihm daher insbesondere verwehrt, auf die Möglichkeit der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede hinzuweisen ( 29 W (pat) 127/04, juris Rn. 49; BeckOK.MarkenR/Draheim aaO § 43 MarkenG Rn. 7; Schmitz-Fohrmann in Ingerl/Rohnke/Nordemann aaO § 43 Rn. 13). Das Bundespatentgericht war danach nicht nur nicht verpflichtet, der Markeninhaberin einen Hinweis zu erteilen. Es war ihm vielmehr aus Gründen der prozessualen Fairness untersagt, sie auf die Erforderlichkeit einer unzweideutigen Einrede der mangelnden Benutzung hinzuweisen.

28IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010623BIZB65.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2369 Nr. 42
WAAAJ-45166