BGH Beschluss v. - 2 StR 156/23

Adhäsionsantrag im Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern: Feststellungsantrag bei noch nicht abgeschlossener therapeutischer Behandlung des Tatopfers

Gesetze: § 403 StPO, §§ 403ff StPO, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 249 BGB, § 253 Abs 2 BGB, § 176 StGB, §§ 176ff StGB

Instanzenzug: LG Gera Az: 9 KLs 430 Js 2665/20 jug

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 63 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2Die Adhäsionsentscheidung hält rechtlicher Prüfung nicht uneingeschränkt stand.

31. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hat der Feststellungsausspruch hinsichtlich der Ersatzpflicht des Angeklagten für bereits entstandene immaterielle Schäden der Adhäsionsklägerin keinen Bestand, weil die Strafkammer dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes nicht gerecht geworden ist (vgl. , juris Rn. 3 mwN). Danach werden von dem Schmerzensgeld, das die Geschädigte für erlittene Verletzungen verlangt, alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden können. Weder der Antragsbegründung noch den Urteilsgründen lässt sich indes entnehmen, dass es bereits eingetretene immaterielle Schadensfolgen geben könnte, die nicht objektiv erkennbar sind.

42. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hat die Adhäsionsentscheidung aber insoweit Bestand, wie festgestellt ist, dass der Angeklagte zur Erstattung aller bereits entstandenen materiellen Schäden aus den gegenständlichen Taten verpflichtet ist.

5Die von der Adhäsionsklägerin in Anspruch genommene therapeutische Behandlung ist noch nicht abgeschlossen, so dass die Behandlungskosten noch nicht vollständig beziffert werden können. Bei noch nicht abgeschlossener Schadensentwicklung besteht jedoch kein Vorrang der Leistungsklage; die Klägerin kann in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 466/21, juris Rn. 3 mwN).

6Der Senat kann in dieser Konstellation ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 2 StPO verfahren (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 266/18, juris Rn. 11).

73. Das Landgericht hat dem Adhäsionsantrag nur teilweise entsprochen. Es hat Zinsen erst seit dem zuerkannt, obwohl die beantragten Prozesszinsen ab dem Tag zu entrichten waren, der auf die – hier am eingetretene – Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrags folgt (vgl. , juris Rn. 4). Nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO wäre deshalb im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen gewesen, dass hinsichtlich des nicht zuerkannten Teils der geltend gemachten Zinsen von einer Entscheidung abgesehen worden ist (vgl. BGH, aaO). Der Senat ergänzt den Tenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:220623B2STR156.23.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-45052