Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Erfordernis der Feststellung der erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit
Gesetze: § 17 StGB, § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 2 KLs 250 Js 14151/22
Gründe
1Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB sind nicht festgestellt:
3a) Nach § 63 StGB darf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruhte. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. In diesen Fällen ist § 21 StGB als Sonderregelung des Verbotsirrtums (§ 17 StGB) einschlägig, wenn das Fehlen der Unrechtseinsicht vorwerfbar ist; kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein. Erkennt der Täter dagegen das Unrecht seiner Tat, handelt er – unbeschadet seiner eingeschränkten Einsichtsfähigkeit – voll schuldhaft. Die bloße Feststellung, die Einsichtsfähigkeit sei bei Tatbegehung sicher erheblich vermindert gewesen, reicht daher nicht (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 79/23 Rn. 7; vom – 5 StR 232/21 Rn. 7; vom – 3 StR 46/19 Rn. 12 und vom – 3 StR 181/15 Rn. 5; je mwN).
4b) Dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei Ausführung der Anlasstat, einer infolge einer überdauernden paranoiden Schizophrenie mit Wahnideen begangenen gefährlichen Körperverletzung zu Lasten einer Pflegerin, aufgehoben war, hat das Landgericht gerade nicht festgestellt (vgl. insbesondere UA S. 11, 17-19). Zur damit entscheidenden Frage, ob dem Beschuldigten infolge der Verminderung seiner Einsichtsfähigkeit die Unrechtseinsicht tatsächlich fehlte, weist das Urteil damit eine Feststellungslücke auf; deren Fehlen „mit einiger Wahrscheinlichkeit“ (UA S. 17) gibt nicht die erforderliche Überzeugung (§ 261 StPO) wieder. Diese gravierende Lücke kann nicht mit dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe geschlossen werden.
5c) Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei und bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130623B1STR136.23.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-44897