BGH Beschluss v. - 5 StR 100/23

Schwerer Bandendiebstahl: Konkurrenzverhältnisse bei Mittäterschaft an Seriendelikten

Gesetze: § 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB, § 244a StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Dresden Az: 3 KLs 424 Js 15154/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung „von Wertersatz“ in Höhe von 60.550 Euro angeordnet. Gegen die Verurteilung richtet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.

32. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat ergeben, dass das Landgericht bei einzelnen Fällen von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist. Aus deren Korrektur resultieren eine Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall von Einzelstrafen. Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen.

4a) Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte mit mehreren gesondert verfolgten Personen zu einer international operierenden Bande zusammen, um in der Bundesrepublik Deutschland Fahrzeuge, insbesondere der Marken VW und Skoda zu entwenden, in die Tschechische Republik zu verbringen und dort gewinnbringend zu verwerten. Der Angeklagte organisierte und finanzierte als Hauptorganisator und Kopf der Bande dabei über ihm nachgeordnete Mittelsmänner den Diebstahl von Fahrzeugen eines bestimmten Typs, von dem er wusste, dass nach diesen sowie nach zugehörigen Ersatzteilen eine Nachfrage auf dem Markt besteht. Er stattete die anderen Bandenmitglieder mit mechanischen Werkzeugen zum Überwinden von Wegfahrsperren aus, hielt Werkstätten vor, in denen die Fahrzeuge versteckt und auseinandergenommen werden konnten, und war für den Verkauf der Fahrzeuge und Fahrzeugteile verantwortlich.

5In den Fallpaaren nach Ziffer II.1 und 2, Ziffer II.5 und 6 sowie Ziffer II.8 und 9 der Urteilsgründe beauftragte der Angeklagte jeweils zwei Bandenmitglieder damit, passende Fahrzeuge in Deutschland zu stehlen. Er händigte ihnen dazu stets die erforderlichen Werkzeuge aus; teilweise organisierte er zudem ihre Anfahrt aus der Tschechischen Republik zu den in D.      liegenden Tatorten. Auf dieser Basis entwendeten die Bandenmitglieder K.     und B.    am einen Pkw, während die Wegnahme eines zweiten, bereits aufgebrochenen Fahrzeugs misslang. Das gestohlene Auto wurde in die Tschechische Republik überführt und dort dem Angeklagten zur Verwertung übergeben (Fälle Ziffer II.1 und 2). Am 18. und gelang den Bandenmitgliedern G.    und P.     die Wegnahme zweier Pkw, die sie anschließend zum Angeklagten brachten und ihm übergaben (Fälle Ziffer II.5 und 6). In der Nacht vom 18. auf den entwendeten dieselben Bandenmitglieder erneut zwei Fahrzeuge. Bei deren anschließender Überführung in die Tschechische Republik versuchten beide Bandenmitglieder erfolglos, sich durch Flucht einer Polizeikontrolle zu entziehen; einer der Männer verstarb dabei unfallbedingt. Beide Fahrzeuge wurden stark beschädigt sichergestellt (Fälle Ziffer II.8 und 9).

6b) Das Landgericht hat alle genannten Fälle als selbständige, in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangene Taten angesehen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, kommt es nicht darauf an, wie sich die Taten für andere Tatbeteiligte konkurrenzrechtlich darstellen; vielmehr ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur ; Urteil vom – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 130/19; vom – 3 StR 231/21).

8Danach erweist sich das Verhalten des Angeklagten innerhalb der genannten Fallpaare jeweils als einheitliches Tun im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. zu deren Voraussetzungen , NStZ 1997, 276; Beschluss vom – 4 StR 235/17; Fischer, StGB, 70. Aufl., Vor § 52 Rn. 3 ff. mwN).

9c) Der Senat hat deshalb den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. Dieser reduziert sich um zwei Fälle des vollendeten und einen Fall des versuchten schweren Bandendiebstahls. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

10d) Die Änderung des Schuldspruchs führt für jedes Fallpaar zum Wegfall einer Einzelstrafe und zur Festsetzung einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.

11Es entfallen die für die Fälle II.2, II.5 und II.9 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt für das Geschehen der Fälle II.1 und II.2 die für Fall II.1 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II.5 und II.6 die für Fall II.6 verhängte Strafe und für dasjenige der Fälle II.8 und II.9 die für Fall II.8 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest. In allen Fällen ist auszuschließen, dass das Landgericht für die jeweiligen Geschehnisse bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung niedrigere Einzelstrafen bestimmt hätte.

12e) Der Gesamtstrafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der Senat kann angesichts der verbleibenden zehn Einzelfreiheitsstrafen von jeweils mindestens zwei Jahren Dauer ausschließen, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse und des Wegfalls dreier weiterer Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei – wie hier – unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. Rn. 9 mwN).

133. Hinsichtlich des nach §§ 73, 73c StGB eingezogenen Wertes von Taterträgen war anzuordnen, dass der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

144. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:240523B5STR100.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-44761