BGH Beschluss v. - XI ZB 11/22

Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlage: Darstellung des Totalverlustrisikos im Rahmen eines Verkaufsprospekts für eine Ölplattform

Leitsatz

Zur Darstellung des Totalverlustrisikos einer Kapitalanlage in eine Ölplattform gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 und 4 VermVerkProspV in der bis zum geltenden Fassung im Rahmen eines Verkaufsprospektes.

Gesetze: § 2 Abs 2 S 3 VermVerkProspV vom , § 2 Abs 2 S 4 VermVerkProspV vom

Instanzenzug: Az: XI ZB 11/22 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 13 Kap 12/19vorgehend Az: 332 OH 2/19

Gründe

A.

1Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) über die Fehlerhaftigkeit des am aufgestellten Prospekts zur Beteiligung an der "H.  D.                GmbH & Co. KG" (künftig: Fondsgesellschaft oder Fonds) und eine daraus resultierende Haftung der Musterbeklagten.

2Die Fondsgesellschaft sollte neben der "M.  D.               GmbH & Co. KG" 50% des Kapitals der "Beteiligungsgesellschaft D.                mbH & Co. KG" (künftig: Beteiligungsgesellschaft) aufbringen, die einen Anteil von jeweils 47% an zwei Gesellschaften niederländischen Rechts, der "De.                    Coöperatie U.A." und der "De.                B.V." halten sollte. Die "De.                   Coöperatie U.A." (künftig: Eigentümergesellschaft oder Coöperatie) sollte als Eigentümergesellschaft des Investitionsobjekts, einer Tiefsee-Halbtaucher-Öl-Erkundungsplattform (künftig: Ölplattform oder Oil Rig) fungieren, die "De.               B.V." als Servicegesellschaft.

3Die Ölplattform wurde auf Bestellung eines brasilianischen Partnerunternehmens auf einer Werft in Abu Dhabi gebaut. Partner des Bauvertrags war die "S.                Inc." (künftig: S.  ). Die Auslieferung an die Eigentümergesellschaft war für Juni 2010 geplant. Ab diesem Zeitpunkt sollte die Ölplattform für die Suche nach Ölvorkommen in der Tiefsee vor der brasilianischen Küste für sieben Jahre an den brasilianischen Ölkonzern P.      S.A. für 317.500 US-Dollar/Tag verchartert werden.

4Die Fondsgesellschaft sollte neben der "M.  D.               GmbH & Co. KG" das Eigenkapital für das Projekt einwerben und Kommanditkapital in Höhe von ca. 105 Millionen US-Dollar aufbringen. Die Anleger konnten sich mit einer Mindestzeichnungssumme von 15.000 US-Dollar unmittelbar als Kommanditisten oder mittelbar als Treugeber über die "H.                         GmbH" an der Fondsgesellschaft beteiligen. Das Gesamtinvestitionsvolumen zur Erstellung der Ölplattform sollte bei ca. 574 Millionen US-Dollar liegen. Als Laufzeit des Fonds waren 14 Jahre vorgesehen.

5Die Ölplattform wurde im November 2019 zu einem die Forderungen der Fremdkapitalgeber nicht annähernd deckenden Kaufpreis von 60,3 Millionen US-Dollar verkauft. Die Fondsgesellschaft wurde aufgelöst. Die Anleger erlitten einen Totalverlust ihres Kapitals.

6Die im Jahr 2010 von der Musterbeklagten zu 1 aufgenommene "H.                                         Beteiligungskapital mbH" war Prospektverantwortliche und Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 29.000 US-Dollar. Die H.                          GmbH war Treuhand- und Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 1.000 US-Dollar. Aus ihr entstand durch formwechselnde Umwandlung die Musterbeklagte zu 2. Von dieser wurde im Jahr 2013 die Musterbeklagte zu 3 abgespalten.

7Der Prospekt enthält - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - folgende Angaben:

8In der Einleitung heißt es in dem Abschnitt "Angaben über die Vermögensanlage" (Prospekt, S. 10) u.a. wie folgt:

"Die Zielgruppe

Die Fondsanteile an der H.  D.                GmbH & Co. KG sollten gemäß der individuellen Anlagestrategie dem Portfolio des Anlegers beigemischt werden. Sie sind primär nicht für die Altersvorsorge geeignet. Der Anleger sollte über einen langfristigen Investitionshorizont verfügen und die gegebenenfalls den bei einem unerwartet negativen wirtschaftlichen Verlauf eintretenden Verlust, ggf. auch einen Totalverlust seiner Beteiligung, in Kauf nehmen können."

9In dem mit "Die wesentlichen Risiken der Vermögensanlage" überschriebenen Abschnitt wird unter dem Punkt "Allgemeine Risiken dieser Beteiligung" (Prospekt, S. 15) Folgendes ausgeführt:

"Neben den allgemeinen Risiken sind Investitionen in Erkundungsplattformen - in Form von geschlossenen Fonds als unternehmerische Beteiligungen - auch speziellen bzw. wesentlichen Risiken ausgesetzt. Diese können unterteilt werden in prognosegefährdende Risiken (Risiken, die zu einem schwächeren Ergebnis als prognostiziert führen können), anlagegefährdende Risiken (Risiken, die entweder die Anlageobjekte oder die gesamte Vermögensanlage gefährden und damit zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust der Zeichnungssumme führen können) und darüber hinausgehende anlegergefährdende Risiken (Risiken, die nicht nur zu einem Verlust der gesamten Zeichnungssumme führen können, sondern auch das weitere Vermögen des Anlegers gefährden). Da der Anleger sich an diesem Fonds kommanditistisch beteiligt, ist die Haftung auf seine Zeichnungssumme beschränkt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die dargestellten Risiken einzeln oder kumuliert auftreten können und dadurch negative Auswirkungen auf Gewinn und Liquidität entfalten. Für den Fall eines kumulierten Auftretens der dargestellten Risiken muss u.a. auf die Möglichkeit von Kapitalverlusten bis hin zum Totalverlust hingewiesen werden.

[…]

Es ist darauf hinzuweisen, dass die gewählte Reihenfolge der dargestellten Risiken innerhalb einer Kategorie weder eine Aussage über deren Eintrittswahrscheinlichkeit noch über die Schwere bzw. die Bedeutung der einzelnen Risiken bedeutet. Des Weiteren können Risiken bei starker oder extremer Ausprägung in die jeweils höheren Risikoklassen fallen."

10In demselben Abschnitt heißt es unter der Überschrift "Prognosegefährdende Risiken" (Prospekt, S. 19) weiter wie folgt:

Die Emittentin trägt das Risiko, dass Partner der Coöperatie und/oder Beteiligungsgesellschaft ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht bzw. nicht vollständig nachkommen oder ggf. vorhandene Kündigungsmöglichkeiten wahrnehmen. Dies kann Gründe in der Leistungsqualität, der Vertragstreue, aber auch der Bonität der Vertragspartner der Gesellschaften haben. Dies sind z.B. die Charterer oder Betreiber, mit denen die Gesellschaften Verträge geschlossen haben. Kommen die Vertragspartner aus welchen Gründen auch immer ihren Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig nach, so kann dies Mehraufwendungen für die Eigentümer- und/oder Beteiligungsgesellschaft zur Folge haben."

11Unter derselben Überschrift (Prospekt, S. 21) wird Folgendes ausgeführt:

"Kumulierte Risiken

Soweit prognosegefährdende Risiken eine starke Ausprägung annehmen oder kumuliert auftreten, können sie zu einem anlagegefährdenden Risiko führen."

12Unter der Überschrift "Anlagegefährdende Risiken" (Prospekt, S. 21) ist u.a. angegeben:

"Vertragserfüllungsrisiko aus dem Bauvertrag (Turnkey-Vertrag)

Es besteht das Risiko, dass S.  seinen Pflichten aus dem Bauvertrag nicht oder nicht vollständig nachkommt und das Oil Rig nicht vertragsgemäß abgeliefert wird. Sofern auch die Muttergesellschaft S.          Inc. S.A. ihren Verpflichtungen aus den Garantievereinbarungen nicht nachkommt, droht der Gesellschaft die Zahlungsunfähigkeit."

13Unter derselben Überschrift heißt es in Fettdruck (Prospekt, S. 24):

"Das maximale Risiko für den Anleger besteht im Totalverlust seiner Zeichnungssumme zuzüglich Agio sowie im Fall des Eintritts von anlegergefährdenden Risiken in weiteren Vermögensnachteilen in Form von Verlust ausländischer Vermögensgegenstände und Zahlungsverpflichtungen aus individueller Anteilsfinanzierung."

14In dem Abschnitt "Prognoserechnungen" wird unter der Überschrift "Prognostizierte Investitions- und Finanzierungspläne" (Prospekt, S. 58) Folgendes ausgeführt:

[…]

In Ergänzung zu den von S.   abzuschließenden Versicherungen für die Bauphase des Oil Rig hat sich die Coöperatie gegen weitere Risiken vor Charterantritt abgesichert. Dazu zählt vor allem eine Versicherung für den Transport von Abu Dhabi nach Brasilien und eine "Delay in Start Up"-Versicherung. Die "Delay in Start-Up"-Versicherung wurde zum abgeschlossen und läuft bis zur Inbetriebnahme des Oil Rig durch P.      .

Sie deckt im Falle einer verspäteten Ablieferung sowohl die fehlenden Brutto-Einnahmen (inkl. Fixkosten und Schuldendienst), die bis zur Ablieferung anfallen, als auch die zusätzlichen mit der Vermeidung bzw. Reduzierung der Verspätung im Zusammenhang stehenden Kosten."

15In demselben Abschnitt wird unter der Überschrift "Liquiditäts- und Ertragsprognosen" (Prospekt, S. 62) ausgeführt:

"Liquiditätsprognose

Die kalkulierten Tageseinnahmen basieren auf den bestehenden Charter- und Serviceverträgen mit P.       und betragen anfänglich (zum Zeitpunkt des Abschlusses im Jahr 2006) 190.500 USD (Chartervertrag) bzw. 127.000 USD (Servicevertrag) je Tag, soweit das Oil Rig betriebsfähig eingesetzt wird. (…) Für das Jahr 2010 wurde mit 132 Einsatztagen kalkuliert. Im ersten vollen Beschäftigungsjahr wurden 26 Ausfalltage kalkuliert. Daran anschließend liegen der Berechnung der Erlöse jeweils 350 Einsatztage pro Jahr zugrunde, d.h., es wurden regelmäßig 15 Ausfalltage pro Jahr angenommen.

Je nach Einsatzfähigkeit kann es zu Ratenreduzierungen kommen. Für Wartezeiten (Waiting Charge) kommt es in Abhängigkeit vom Grund für die Wartezeit zu Reduzierungen der vollen Rate:

[…]

Zusätzlich zur Basischarter ist mit P.       eine Bonusvereinbarung abgeschlossen worden, die in Abhängigkeit vom Beschäftigungsgrad (Utilization, Up Time) des Oil Rig fällig wird. Dieser Bonus wird als Aufschlag auf die bestehende Charter gezahlt.

Die mit P.        vereinbarte Definition der "Up Time" ist dabei sehr weit gefasst, da nicht nur reine Betriebstage, sondern auch Warte- und Positionierungstage als Up-Time angesehen werden. Gleiches gilt zudem auch für Tage, an denen aufgrund schlechter Wetterbedingungen kein Betrieb möglich ist. Dockungszeiten von bis zu 35 Tagen für planmäßige Dockungen während der Erstcharter führen ebenfalls nicht zu reinen Ausfallzeiten, sondern werden mit einer reduzierten Werterate von 90 % der genannten Betriebsrate vergütet. In der Kalkulation wurde durchgehend ein Bonus von 13 % der Gesamtcharter angenommen.

Als nicht vergütete Ausfallzeit gilt lediglich, wenn der Betrieb des Oil Rig aufgrund von technischen Mängeln an der Anlage selber nicht möglich ist."

16Die Musterbeklagten werden in den Ausgangsverfahren wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

17Das Landgericht hat dem Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt.

18Mit ihnen wird - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - geltend gemacht, dass der Prospekt fehlerhaft sei, weil er auf Seite 15 den Hinweis auf Kapitalverluste bis hin zum Totalverlustrisiko nur bei einem kumulierten Auftreten von Risiken für erforderlich halte, obgleich bereits jedes der anlagegefährdenden Risiken zu einem Totalverlust führen könne (Feststellungsziel a). Darüber hinaus weise der Prospekt auf Seite 58 nicht darauf hin, dass die für die Bauphase gegen Verspätungen der Abnahme abgeschlossene "Delay in Start-Up"-Versicherung nicht greife, wenn die Verspätung in der Sphäre der Eigentümergesellschaft bzw. in der verspäteten Lieferung der Erstausrüstungsgegenstände (Owner’s Furnished Equipment) begründet sei. Dadurch würden die Anleger unrichtig über die Versicherung des Bauzeitrisikos unterrichtet (Feststellungsziel c). Der Prospekt gehe ferner bei der Ertragsprognose auf Seite 62 - ohne vertretbare Basis - von 350 Einsatztagen pro Jahr mit vollen Tageseinnahmen aus, obgleich bei Schlechtwetter, Wartezeit, Positionierung und Dockung nur ein mindestens 10% geringerer Tagessatz gezahlt werde und die Bonusvereinbarung mit dem Charterer bereits bei weniger als 35 Ausfalltagen greife, so dass eine valide Grundlage für die Prognose fehle (Feststellungsziel d).

19Das Oberlandesgericht hat mit Musterentscheid vom die Feststellungsziele insgesamt zurückgewiesen. Die Musterklägerin und sechs Beigeladene haben Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Zurückweisung der Feststellungsziele a, c und d wenden. Den Rechtsbeschwerden sind 10 Beigeladene beigetreten.

20Mit Senatsbeschluss vom in der Fassung vom ist die Musterbeklagte zu 1 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt worden. Die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind dem Verfahren auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin beigetreten.

B.

21Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.

I.

22Das Oberlandesgericht hat zur Begründung des Musterentscheids, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

23Die Feststellungsziele seien zurückzuweisen, weil die behaupteten Prospektfehler nicht vorlägen.

24Entgegen der Auffassung der Musterklägerin werde auf das Totalverlustrisiko hinreichend deutlich hingewiesen (Feststellungsziel a). Selbst wenn man die von der Musterklägerin gerügte Passage auf Seite 15 des Prospekts, nach der für den Fall eines kumulierten Auftretens der prospektierten Risiken u.a. auf die Möglichkeit eines Totalverlusts hingewiesen werde, als missverständlich ansehen wollte, werde im Prospekt eindrücklich darauf hingewiesen, dass Risiken bis hin zum Totalverlust nicht nur bei einem kumulierten Eintritt verschiedener Risiken bestünden. Schon auf Seite 10 des Prospekts werde deutlich angesprochen, dass ein Totalverlust eintreten könne und zwar "bei einem unerwartet negativen wirtschaftlichen Verlauf". Auf die Verwirklichung mehrerer Risiken werde dabei nicht abgestellt. In gleicher Weise sei auch der hervorgehobene Hinweis auf das Totalverlustrisiko bzw. auf anlegergefährdende Risiken auf Seite 24 des Prospekts formuliert. Auch dort sei nicht von der Verwirklichung mehrerer Risiken die Rede. Der Prospekt hätte insoweit nicht klarer formuliert werden müssen.

25Die Darstellung zur "Delay in Start-Up"-Versicherung im Prospekt auf Seite 58 sei nicht irreführend (Feststellungsziel c). Sie spiegele nicht vor, dass Verzögerungen versichert seien, die sich aus einem schuldhaften Verhalten der versicherten Eigentümerin ergeben könnten. Dass üblicherweise Versicherungen solche Schäden nicht abdeckten, dürfte allgemein bekannt sein und erfordere daher keinen gesonderten Hinweis. Zudem werde gut verständlich auf das "allgemeine Vertragserfüllungsrisiko" hingewiesen (Prospekt, S. 19). Dass Risiken aus nicht rechtzeitiger Erfüllung von Pflichten durch Vertragspartner etwa mit Rücksicht auf die genannte Versicherung nicht bestünden, sei dort gerade nicht ausgeführt. Noch weit deutlicher werde unter dem Punkt "Ablieferung des Oil Rig" (Prospekt, S. 21) darauf hingewiesen, dass dessen ausbleibende Ablieferung zum Totalverlust der Kapitalanlage führen könne. Dies sei also nicht von der Versicherung abgedeckt. Schließlich werde im selben Abschnitt auch auf Risiken hingewiesen, die sich aus einer verspäteten Lieferung des OFE (Owner Furnished Equipment) und damit aus einer verzögerten Inbetriebnahme ergäben, ohne dass ausgeführt werde, dass hierfür die Versicherung bestehe.

26Ein Prospektfehler betreffend die Ertragsprognose sei schon nicht dargelegt (Feststellungsziel d). Aus der tabellarischen Darstellung auf Seite 62 des Prospekts ergebe sich, dass mit "Ausfalltagen" solche Tage gemeint seien, an denen keinerlei Vergütung erzielt werde. Nur so erkläre sich, dass unmittelbar anschließend im Prospekt davon die Rede sei, dass Ratenreduzierungen je nach Einsatzfähigkeit möglich seien. Dies impliziere, dass mit Ausfalltagen solche Tage gemeint seien, an denen gar keine Erlöse erzielt würden. Der tabellarischen Darstellung im Prospekt (S. 62) sei damit zugleich zu entnehmen, dass neben den 15 Ausfalltagen prognostisch auch noch Tage mit reduzierten Betriebsraten anfallen könnten. Soweit die Musterklägerin rüge, dass hier nicht auf Erfahrungswerte Bezug genommen werde, sei dieser Umstand für jeden Leser offensichtlich. Dass es überhaupt Erfahrungswerte betreffend die Ausfalltage von Ölplattformen gebe, aus denen sich ergäbe, dass die Prognose auf Seite 62 des Prospekts unvertretbar sei, habe die Musterklägerin nicht vorgetragen. Die mit P.       getroffene Bonusregelung lasse den von der Musterklägerin gezogenen Schluss, nach dem der Ansatz von nur 15 Ausfalltagen unrealistisch sei, nicht zu. Denn insoweit würden bei der Bonusregelung gemäß den Ausführungen auf Seite 63 des Prospekts in die Berechnung der in die so genannte "Up-Time" einzubeziehenden Tage nur Ausfalltage aufgrund technischer Mängel nicht einbezogen, d.h. eine abweichende Definition zugrunde gelegt. Schließlich werde auf Seite 15 des Prospekts sehr deutlich ausgeführt, dass negative Abweichungen von Prognosen auftreten könnten.

II.

27Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

281. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.

29Die Rechtsbeschwerden sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO).

30Die Rechtsbeschwerden formulieren einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit die Feststellungsziele a, c und d zurückgewiesen worden sind und "insoweit nach den gestellten Anträgen zu erkennen", lässt vorliegend erkennen, welche Abänderung beantragt wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 35, vom - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 21 und vom - XI ZB 24/16, BGHZ 228, 133 Rn. 34 ff., jeweils mwN).

312. Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das Oberlandesgericht hat die Feststellungsziele a, c und d zu Recht zurückgewiesen.

32a) Da es in dem vorliegenden Musterverfahren auch Musterbeklagte gibt, gegen die sich die Rechtsbeschwerde richtet und die nicht der spezialgesetzlichen Prospekthaftung unterliegen, sind die mit den Feststellungszielen a, c und d geltend gemachten Prospektfehler weiterhin entscheidungserheblich und daher zu prüfen. Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass Prospektfehler nicht vorliegen (Feststellungsziele a und c) bzw. nicht dargelegt sind (Feststellungsziel d).

33b) Auf den am veröffentlichten Prospekt ist gemäß § 32 Abs. 1 VermAnlG das Verkaufsprospektgesetz in der vom bis zum geltenden Fassung (künftig: VerkProspG aF) anzuwenden.

34Nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF muss der Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 VerkProspG aF zu ermöglichen. Nach § 8g Abs. 2 VerkProspG aF i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV in der vom bis zum geltenden Fassung (im Folgenden für alle Vorschriften: aF) muss der Verkaufsprospekt über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Vermögensanlagen notwendig sind, Auskunft geben und richtig und vollständig sein. Der Prospekt muss daher über alle Umstände, die von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, und über solche Umstände, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden. Für die Frage, ob ein Prospekt nach diesen Grundsätzen unrichtig oder unvollständig ist, kommt es nicht allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen an, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei sind solche Angaben wesentlich, die ein Anleger "eher als nicht" bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Abzustellen ist auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest (st. Rspr.; Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 18/17, WM 2021, 672 Rn. 43 und vom - XI ZB 24/20, WM 2022, 1007 Rn. 38, jeweils mwN). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem der Prospekt aufgestellt wurde (Senatsbeschluss vom - XI ZB 29/19, WM 2021, 1047 Rn. 65), und damit hier der .

35Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, dass der Prospekt, den der Senat selbst auslegen kann (st. Rspr.; Senatsbeschluss vom - XI ZB 24/20, WM 2022, 1007 Rn. 39 mwN), keine Fehler aufweist (Feststellungsziele a und c) bzw. dass die Musterklägerin einen Fehler nicht dargelegt hat (Feststellungsziel d).

36aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden hat das Oberlandesgericht das Feststellungsziel a, wonach der Prospekt fehlerhaft sei, weil er die Anleger durch die Formulierung auf Seite 15 ("Für den Fall eines kumulierten Auftretens der dargestellten Risiken muss u.a. auf die Möglichkeit von Kapitalverlusten bis hin zum Totalverlustrisiko hingewiesen werden") unrichtig über die Verlustrisiken aufkläre, zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

37Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 VermVerkProspV aF sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den angebotenen Vermögensanlagen einschließlich der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken in einem gesonderten Abschnitt, der nur diese Angaben enthält, darzustellen. Dabei ist das den Anleger treffende maximale Risiko in seiner Größenordnung zu beschreiben (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV aF). Für die Darstellung eines Risikos ist es erforderlich, dass der Prospekt erläutert, welches Ereignis zur Verwirklichung eines bestimmten Risikos führen kann (Senatsbeschluss vom - XI ZB 3/18, WM 2021, 1221 Rn. 48 mwN).

38(1) Gemessen an diesen Vorgaben ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Prospekt hinreichend auf Verlustrisiken und das Totalverlustrisiko hinweist. Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist - wovon das Oberlandesgericht ausgegangen ist - nicht isoliert auf eine einzelne Formulierung im Prospekt, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das der Prospekt dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt (, WM 2018, 556 Rn. 49 mwN). Danach wird der Anleger bei Lektüre des streitgegenständlichen Prospekts an mehreren Stellen darüber informiert, dass ein Totalverlustrisiko nicht nur für den Fall des kumulierten Eintritts verschiedener Risiken besteht.

39Wie das Oberlandesgericht zu Recht ausgeführt hat, wird auf Seite 10 des Prospekts im Rahmen der Beschreibung der Zielgruppe der Vermögensanlage darüber aufgeklärt, dass der Anleger den bei einem unerwartet negativen wirtschaftlichen Verlauf eintretenden Verlust, der auch in einem "Totalverlust seiner Beteiligung" bestehen könne, in Kauf nehmen müsse. Bereits damit wird der Anleger unmissverständlich darüber unterrichtet, dass mit der Anlage ein Totalverlustrisiko verbunden ist, das sich im Fall eines negativen wirtschaftlichen Verlaufs und nicht nur im Fall der Verwirklichung verschiedener Risiken realisieren kann.

40Darüber hinaus wird am Ende der Erläuterungen der prognosegefährdenden Risiken (Prospekt, S. 15 bis 21) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass prognosegefährdende Risiken, die eine starke Ausprägung annehmen oder kumuliert auftreten, zu einem anlagegefährdenden Risiko führen können (Prospekt, S. 21 "kumulierte Risiken"). Auch aus dieser Passage kann der Anleger aufgrund der Verwendung der Konjunktion "oder" mühelos erkennen, dass bereits die Realisierung nur eines Risikos bei "starker Ausprägung" die Kapitalanlage gefährden kann. Für das Risiko des Missmanagements weist der Prospekt zudem ausdrücklich darauf hin, dass es zu einem "Totalverlust der Kapitalanlage des Anlegers" kommen kann (Prospekt, S. 21 li. Sp.). Im Rahmen der Darstellung der verschiedenen anlagegefährdenden Risiken (Prospekt, S. 21 bis 23) wird der Anleger ebenfalls ausdrücklich und gleich an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass ein einzelnes Risiko im Fall seiner Realisierung zu einem Totalverlust führen kann (Prospekt, S. 21 re. Sp., S. 22 li. Sp., S. 23 li. Sp.).

41Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden misst ein Anleger diesen Hinweisen auf die verschiedenen Risiken und auf das mit ihnen jeweils verbundene Totalverlustrisiko ein wesentliches Gewicht im Rahmen seiner Anlageentscheidung bei, da erst sie es ihm ermöglichen, einzuschätzen, welche konkreten Risiken die Kapitalanlage birgt und welche Konsequenzen sich für die Anlage im Fall der Risikorealisierung im Einzelfall ergeben. Das von der Musterklägerin mit der beanstandeten Formulierung auf Seite 15 des Prospekts dargelegte Verständnis, nur der kumulierte Eintritt von Risiken führe zu einem Totalverlust, vermittelt das Gesamtbild des Prospekts danach nicht. Die gebotene Lektüre des gesamten Abschnitts über die "wesentlichen Risiken der Vermögensanlage" veranschaulicht dem Anleger vielmehr an mehreren Stellen unmissverständlich, dass bereits die Verwirklichung eines einzelnen Risikos zu einem Totalverlust führen kann.

42(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden wird das Totalverlustrisiko im Prospekt auch nicht verharmlost.

43Der Anleger wird am Ende des Abschnitts, in dem die wesentlichen Risiken der Anlage erläutert werden (Prospekt, S. 24), in Fettdruck erneut und zusammenfassend u.a. darauf hingewiesen, dass das maximale Risiko im Totalverlust seiner Zeichnungssumme zuzüglich des Agios besteht. Damit wird ihm am Ende der Passage über die Risikohinweise hinreichend deutlich vor Augen geführt, dass er das gesamte von ihm investierte Kapital verlieren kann.

44Die Rechtsbeschwerden machen zu Unrecht geltend, der Prospekt verharmlose das Totalverlustrisiko deswegen, weil in ihm auf den Seiten 44 und 51 und in § 11 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags der Fondsgesellschaft (Prospekt, S. 98) jeweils ausgeführt werde, der Treuhandkommanditistin stehe bei einem Desinvestment, d.h. bei der Veräußerung des Anteils der Gesellschaft an der Beteiligungsgesellschaft oder bei einem Totalverlust, ein Vorabgewinn in Höhe von 1% des von der Gesellschaft erzielten Veräußerungserlöses bzw. der erhaltenen Entschädigungszahlung zu. Diese Formulierung lässt nicht darauf schließen, dass der Anleger im Fall eines Desinvestments in dem genannten Sinne eine Auszahlung erhält.

45Die zitierte Passage des Prospekts steht auch nicht im Zusammenhang mit den Risikoerläuterungen, sondern befindet sich im Abschnitt "Angaben über die Emittentin", in dem die gesellschaftsrechtliche Struktur der Fondsgesellschaft und der mit ihr verbundenen Gesellschaften beschrieben wird. Sie befasst sich mit der Vergütung der Treuhandkommanditistin und enthält keinen Hinweis darauf, dass sich die Vergütungsregelung der Treuhandkommanditistin positiv auf das Totalverlustrisiko der Anleger auswirkt. Anhaltspunkte dafür, dass die Anleger an den Einnahmen der Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft teilhaben, ergeben sich aus dem Prospekt nicht. Darüber hinaus wird die Auszahlung des "Vorabgewinns" an die Treuhandkommanditistin nicht als gesichert dargestellt. In den genannten Passagen im Prospekt (S. 44, 51 und 98) wird jeweils ausdrücklich klargestellt, dass der Vorabgewinnanspruch nur insoweit entsteht, als der handelsrechtliche Gewinn der Fondsgesellschaft des entsprechenden Jahres hierfür ausreicht.

46bb) Zu Recht hat das Oberlandesgericht auch einen Prospektfehler in Bezug auf die Darstellung der "Delay in Start-Up"-Versicherung (Feststellungs-ziel c) verneint. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden suggeriert der Prospekt nicht, dass alle etwaigen Verzögerungsrisiken durch die "Delay in Start-Up"-Versicherung abgedeckt sind.

47Die "Delay in Start-Up"-Versicherung wird im Abschnitt "Prognoserechnungen" unter der Überschrift "Erläuterungen zum prognostizierten Investitions- und Finanzierungsplan der deutschen Kommanditgesellschaften und der Coöperatie (aggregierte Darstellung)" nur in ihren Grundzügen erläutert (Prospekt, S. 58). Danach deckt die Versicherung bei einer verspäteten Ablieferung der Ölplattform die fehlenden Brutto-Einnahmen und die im Zusammenhang mit der Vermeidung bzw. Reduzierung der Verspätung stehenden Kosten ab. Angegeben werden der versicherte Verspätungszeitraum von 12 Monaten, der maximale Entschädigungsanspruch pro Tag ab dem 4. Monat und die Gesamtdeckungssumme für 12 Monate. Eine Darstellung der mit einer verspäteten Ablieferung der Ölplattform versicherten und nicht versicherten Risiken wird im Zusammenhang mit den Erläuterungen des prospektierten Investitions- und Finanzierungsplans von einem durchschnittlichen Leser des Prospekts nicht erwartet. Ausführungen dazu, dass die "Delay in Start-Up"-Versicherung keinen Schutz bietet, wenn die Verspätung der Ablieferung in der Sphäre der Eigentümergesellschaft begründet ist oder wenn sie auf einer verspäteten Lieferung der Erstausrüstungsgegenstände (Owner’s Furnished Equipment) beruht, sind auf Seite 58 des Prospekts daher nicht veranlasst.

48Der Leser des Prospekts erfährt vielmehr in dem Abschnitt über die wesentlichen Risiken der Vermögensanlage unter den anlagegefährdenden Risiken (Prospekt, S. 21) und damit an der im Prospekt hierfür vorgesehenen Stelle, dass eine verspätete Ablieferung der Ölplattform ein anlagegefährdendes Risiko darstellt. Dort wird unter der Überschrift "Vertragserfüllungsrisiko aus dem Bauvertrag (Turnkey-Vertrag)" über das Risiko aufgeklärt, dass die S.   ihren Pflichten aus dem Bauvertrag nicht nachkommt und die Ölplattform nicht vertragsgemäß abliefert. Der Anleger wird in dem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die nicht vertragsgemäße Ablieferung zur Zahlungsunfähigkeit der Fondsgesellschaft führen kann, wenn die Muttergesellschaft der S.   ihr Garantieversprechen nicht einhält (Prospekt, aaO). Unter der Überschrift "Ablieferung des Oil Rig" (Prospekt, aaO) wird außerdem erläutert, dass die Eigentümergesellschaft der S.   die Erstausrüstungsgegenstände zur Verfügung stellen muss und Störungen in dem Zusammenhang Auswirkungen auf die Ablieferung der Ölplattform und auf deren Ablieferung an den Charterer haben. Auf Strafzahlungen, die an P.      zu zahlen sind, wenn die Eigentümergesellschaft die Plattform schuldhaft zu spät abliefert, wird ebenfalls ausdrücklich hingewiesen (Prospekt, aaO). Diese Risikohinweise sind klar und verständlich. Die "Delay in Start-Up"-Versicherung wird im Kontext mit den Risiken der verspäteten Ablieferung als risikominimierender Faktor nicht erwähnt. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerden wird daher auch nicht durch das Fehlen von Risikohinweisen auf Seite 58 des Prospekts suggeriert, alle Verzögerungsrisiken seien durch die "Delay in Start-Up"-Versicherung abgedeckt.

49Darüber hinaus weist der Prospekt ausdrücklich darauf hin, dass der Anleger durch den Abschluss von Versicherungen nicht vor jedem Risiko geschützt wird. Im Rahmen der anlagegefährdenden Risiken wird unter der Überschrift "Versicherungsverträge" insbesondere ausgeführt, bezüglich aller Versicherungen bestehe das Risiko, dass diese im Schadensfall ihren Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht vollständig nachkämen und dass einzelne Risiken nicht versicherbar oder ausdrücklich ausgeschlossen seien (Prospekt, S. 22). Weitere Hinweise im Prospekt waren in dem Zusammenhang nicht veranlasst.

50Zu Unrecht monieren die Rechtsbeschwerden auch, im Prospekt werde nicht deutlich gemacht, dass die Versicherung Strafzahlungen im Entschädigungsfall nicht abdecke. Über das Risiko von Strafzahlungen wegen einer verspäteten Ablieferung der Ölplattform wird der Anleger an der hierfür zutreffenden Stelle im Prospekt unter den anlagegefährdenden Risiken "Ablieferung des Oil Rig" (Prospekt, S. 21) ausdrücklich aufgeklärt. Dort heißt es, dass im Fall der vom Eigner verschuldeten verspäteten Anlieferung der Plattform an P.      für jeden Tag Strafzahlungen in Höhe von 57.150 US-Dollar und bei Verspätungen aufgrund von vertraglichen Anforderungen sowie aufgrund von Forderungen von Prüfern pro verspäteten Tag Strafzahlungen in Höhe von 38.100 US-Dollar anfallen. Im Anschluss hieran wird zudem klargestellt, dass die anfallenden Strafzahlungen die Finanz- und Ertragslage der Fondsgesellschaft erheblich beeinträchtigen können (Prospekt, aaO). Durch diese Erläuterungen wird der durchschnittliche Anleger über das Risiko von Strafzahlungen wegen verspäteter Ablieferung der Ölplattform klar und verständlich informiert. Eines ausdrücklichen Hinweises, dass Strafzahlungen nicht durch die "Delay in Start-Up"-Versicherung versichert sind, bedurfte es angesichts der Risikohinweise nicht.

51cc) Zu Recht hat das Oberlandesgericht schließlich das Feststellungs-ziel d als unbegründet zurückgewiesen. Die Musterklägerin hat einen Prospekt-fehler im Zusammenhang mit der auf Seite 62 enthaltenen Angabe über die der Prognoserechnung zugrunde liegende Anzahl der Einsatztage der Ölplattform nicht hinreichend dargelegt.

52(1) Zu den Umständen, über die der Prospekt ein zutreffendes und vollständiges Bild zu vermitteln hat, gehören auch die für die Anlageentscheidung wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts. Jedoch übernimmt der Prospektherausgeber grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Die Prognosen im Prospekt müssen vielmehr durch Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sein. Sie sind nach den bei Aufstellung des Prospekts gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen (Senatsurteil vom - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn. 19; Senatsbeschluss vom - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 44; , WM 2021, 285 Rn. 77). Hängt ein wirtschaftlicher Erfolg von bestimmten Voraussetzungen ab, deren Eintritt noch ungewiss ist, ist dies deutlich zu machen. Auch bloße Mutmaßungen müssen sich deutlich aus dem Prospekt ergeben (Senatsbeschluss vom - XI ZB 18/17, WM 2021, 672 Rn. 70). Da die Prognose nur auf ihre Vertretbarkeit hin zu untersuchen ist, kommt dem Prospektherausgeber bei der Auswahl des Prognoseverfahrens und der Informationen, die ihr zugrunde gelegt werden, ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Senatsbeschluss vom - XI ZB 3/18, WM 2021, 1221 Rn. 57; , WM 2021, 285 Rn. 77; Senatsbeschluss vom - XI ZB 33/19, WM 2022, 1633 Rn. 74).

53(2) Gemessen hieran hat die Musterklägerin nicht dargelegt, dass die auf Seite 62 des Prospekts enthaltene Angabe, der Berechnung der prognostizierten Erlöse lägen 350 Einsatztage der Ölplattform pro Jahr und damit regelmäßig 15 Ausfallfalltage zugrunde, einen Prospektfehler begründet.

54Darlegungs- und beweispflichtig für die mit dem Feststellungsziel d begehrte Feststellung, die Prognose von 350 Einsatztagen habe keine "vertretbare Basis" bzw. keine "valide Grundlage", ist nach allgemeinen Grundsätzen die Musterklägerin (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 33/19, WM 2022, 1633 Rn. 86). Diese behauptet, dass die Prognose "unrealistisch" sei, und bringt vor, dass in der Ertragsprognose 350 Einsatztage unterstellt würden, obwohl bei Schlechtwetter, Positionierung der Plattform und höherer Gewalt nur 90% oder weniger der Charterrate gezahlt werde und die Vergütung bei Reparaturen insgesamt ausfalle. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit diesem pauschalen Vorbringen ein Prospektfehler nicht dargelegt ist. Tatsächliche Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Vertretbarkeit der prospektierten Prognose über die Anzahl der Einsatztage pro Jahr in Frage zu stellen, hat die Musterklägerin nicht vorgebracht.

55Die Rechtsbeschwerden beanstanden zu Unrecht, dass die prognostizierte Anzahl der Einsatztage auf unzutreffenden bzw. nicht vorhandenen Erfahrungswerten beruht. Ein durchschnittlicher Anleger, der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest, erkennt, dass die bemängelte Angabe im Prospekt nicht an Erfahrungswerte anknüpft. Auf Seite 62 des Prospekts wird zunächst ausgeführt, dass die kalkulierten Tageseinnahmen auf den bestehenden Charter- und Serviceverträgen mit P.       basieren und dass für das Jahr 2010 mit 132 Einsatztagen, im ersten vollen Beschäftigungsjahr mit 26 Ausfalltagen und daran anschließend mit 350 Einsatztagen bzw. 15 Ausfalltagen pro Jahr kalkuliert wird. Auf bestehende Erfahrungswerte bezüglich der Einsatztage wird weder auf Seite 62 des Prospekts noch an anderer Stelle im Prospekt verwiesen. Im Anschluss an die bemängelte Angabe stellt der Prospekt auf Seite 62 zudem ausdrücklich klar, dass es in Abhängigkeit von verschiedenen Gründen (Reparatur, Wartung, Positionierung), die in einer Tabelle im Einzelnen dargestellt sind, zu unterschiedlichen Reduzierungen der Charterraten (90%, 80%, 50%, keine Vergütung) kommen kann. Dort wird weiter ausgeführt, dass als "nicht vergütete Ausfallzeit" lediglich die Zeit gilt, in der der Betrieb aufgrund von technischen Mängeln an der Anlage nicht möglich ist. Angaben dazu, an wie vielen Tagen aufgrund von Erfahrungswerten mit einer reduzierten Vergütung oder mit einem Vergütungsausfall aufgrund von technischen Mängeln zu rechnen ist, enthält der Prospekt nicht. Die Musterklägerin hat nicht dargelegt, dass entsprechende Erfahrungswerte bestünden, aus denen sich die Unvertretbarkeit der prospektierten Prognose bezüglich der 15 Tage mit einem gesamten Vergütungsausfall ergebe.

56Darüber hinaus wird einem durchschnittlichen Anleger im Prospekt hinreichend verdeutlicht, dass die prospektierte Erlösprognose lediglich eine mögliche wirtschaftliche Entwicklung wiedergibt, die von Unwägbarkeiten wie etwa von der Wetterlage und von technischen Ausfällen abhängt. Der Anleger wird im Rahmen der Erläuterungen der wesentlichen Risiken (Prospekt, S. 22) unter dem Punkt "Betriebseinnahmerisiko/Beschäftigung des Oil Rig" darauf hingewiesen, dass er das wirtschaftliche Risiko geringerer Betriebseinnahmen trägt, das sich bei Charterausfällen aufgrund einer geringeren Anzahl von Einsatztagen "z.B. aufgrund technischer Ausfälle" und "z.B. wegen schlechten Wetters" realisiert. Aus der Sensitivitätsanalyse auf Seite 69 des Prospekts, in der die Vergütung bei unterschiedlichen Einsatztagen dargestellt ist, ergibt sich für einen durchschnittlichen Anleger ebenfalls, dass der Ansatz von 350 Einsatztagen mit Unsicherheiten behaftet ist.

57Die Musterklägerin hat schließlich auch mit ihrem Vortrag, aufgrund der mit P.       bezüglich der Charterrate getroffenen Bonusvereinbarung, nach der bei weniger als 35 Ausfalltagen ein nach der Anzahl der Ausfalltage gestaffelter Bonus auf die Charterrate zu zahlen ist (Prospekt, S. 63), nicht substantiiert dargelegt, dass es für die im Rahmen der Erlösprognose angesetzten 350 Einsatztage pro Jahr an einer "validen Grundlage" fehlt und dass 35 Ausfalltage pro Jahr als "realistisch" anzusehen sind. Zum einen ergibt sich aus den prospektierten Angaben zur Bonusvereinbarung nicht, dass die Parteien der Bonusvereinbarung übereinstimmend von 35 Ausfalltagen pro Jahr ausgegangen sind. Anhaltspunkte dafür, dass der Bonusvereinbarung eine solche Anzahl an Ausfalltagen zugrunde liegt, hat die Musterklägerin nicht vorgetragen und finden sich auch nicht im Prospekt. Zum anderen wird in der prospektierten Prognose mit einem Bonus in Höhe von 13% der Gesamtcharter kalkuliert (Prospekt, aaO). Mit einem solchen Bonus sind nach der im Prospekt (aaO) dargestellten Tabelle zur Bonusregelung deutlich weniger als 35 Ausfalltage verbunden, so dass die Erlösprognose auch unter diesem Gesichtspunkt nicht von 35 Ausfalltagen ausgeht.

III.

58Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klagen aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 KapMuG zurückgenommen haben (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 117 und vom - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 80). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 3.304.315,59 €.

59Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Für die Prozessbevollmächtigten, die mehrere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten, ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 RVG in Höhe der Summe der nach § 23b RVG zu bestimmenden Streitwerte festzusetzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 118 und vom - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 81).

60Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin, der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 6 und der Beigetretenen zu 1 bis 10 auf 747.140,70 € festzusetzen. Für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der Musterbeklagten zu 2 und 3 beläuft sich der Gegenstandswert auf 2.853.706,14 €.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130623BXIZB11.21.0

Fundstelle(n):
AG 2023 S. 774 Nr. 21
BB 2023 S. 2050 Nr. 37
WM 2023 S. 1418 Nr. 30
ZIP 2023 S. 1843 Nr. 35
NAAAJ-44748