Tarifliche Nachtarbeitszuschläge - Gleichheitssatz - Verstoß - Zuschlagshöhe - Differenzierung - Nachtarbeit - Nachtschichtarbeit - Tarifauslegung - Brauerei
Gesetze: § 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, § 6 Abs 5 ArbZG, Art 9 Abs 3 GG
Instanzenzug: ArbG Wilhelmshaven Az: 1 Ca 207/19 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 6 Sa 67/20 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge.
2Der Kläger leistete im streitgegenständlichen Zeitraum Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit bei der Beklagten, einem Brauereiunternehmen. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Beklagte ist durch einen mit der Gewerkschaft NGG geschlossenen Unternehmenstarifvertrag (UTV) an den Manteltarifvertrag zwischen dem Verband der Brauereien von Niedersachsen e. V. und der NGG Landesbezirk Niedersachsen/Bremen vom (MTV) sowie an verschiedene zwischen der F GmbH & Co. KG und der NGG vereinbarte Tarifverträge, ua. die Änderungs-/Ergänzungsvereinbarung zum Anerkennungstarifvertrag vom (ÄV 2002), gebunden.
3Der MTV enthält unter anderem folgende Regelungen:
4Die ÄV 2002 sieht unter anderem folgende Regelungen vor:
5Der Kläger verrichtete von Dezember 2018 bis Mai 2019 Nachtarbeit in Wechselschicht in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr, für die er einen Zuschlag in Höhe von 25 % erhielt. Es handelt sich um einen Zuschlag in Höhe von 213,50 Euro brutto für 40 Nachtschichtstunden im Dezember 2018, in Höhe von 170,80 Euro brutto für 32 Stunden im Januar 2019, in Höhe von 304,24 Euro brutto für 57 Stunden im Februar 2019, in Höhe von 351,84 Euro brutto für 64 Stunden im März 2019, in Höhe von 87,96 Euro brutto für 16 Stunden im April 2019 sowie in Höhe von 483,78 Euro brutto für 88 Stunden im Mai 2019. Abgerechnet wurden die Nachtarbeitszuschläge - entsprechend einer im Betrieb bestehenden Regelung - jeweils mit der Entgeltabrechnung im Folgemonat.
6Der Kläger begehrt mit seiner am eingegangenen Klage - nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung der Ansprüche für Dezember 2018 bis Februar 2019 mit bei der Beklagten am eingegangenem Schreiben - für die geleistete Nachtarbeit die Zahlung weiterer Nachtarbeitszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem gezahlten tariflichen Zuschlag für Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr in Höhe von 25 % und dem tariflichen Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 50 %.
7Er hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe sich aus § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 iVm. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der tariflichen Regelung erhielten Arbeitnehmer für Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr - trotz Vergleichbarkeit beider Arbeitnehmergruppen - Zuschläge von nur 25 %, für im Übrigen verrichtete Nachtarbeit dagegen Zuschläge von 50 %, ohne dass für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorliege. Der vorrangig zu beachtende Gesundheitsschutz rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht; andere Aspekte als dieser könnten bei Nachtarbeit höhere Zuschläge nicht rechtfertigen. Zudem sei die Teilhabe am sozialen Leben auch bei Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr deutlich erschwert. Planbarkeit könne sowohl bei Schichtarbeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr als auch bei Nachtarbeit vorliegen oder fehlen. Ein Zuschlag von nur 25 % für Schichtarbeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr sei nicht vom Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt, er verteuere die Nachtarbeit nicht ausreichend. Außerdem sei dieser Gestaltungsspielraum mit Blick darauf eingeschränkt, dass tarifvertragliche Regelungen für Nachtarbeitszuschläge der Durchführung von Unionsrecht iSv. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dienten und insoweit an Art. 20 und Art. 31 Abs. 1 GRC zu messen seien. Seine Ansprüche seien auch nicht verfallen.
8Der Kläger hat zuletzt - nach teilweiser Klagerücknahme vor dem Arbeitsgericht - beantragt,
9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für Nachtarbeit und Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gruppen der Arbeitnehmer, die Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit verrichteten, seien schon nicht vergleichbar. Zwischen Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit bestehe zudem ein Regel-Ausnahmeverhältnis, weil die planbare Nachtschichtarbeit sehr viel häufiger anfalle als sonstige Nachtarbeit. Die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge überschreite auch nicht den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Die Zuschlagsdifferenz verringere sich außerdem durch die Regelungen zu den Schichtfreizeiten, Pausen und den Umstand, dass der Zuschlag von 50 % für Nachtarbeit typischerweise Mehrarbeit betreffe und daher den Mehrarbeitszuschlag enthalte. Er solle auch nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern kompensieren, dass die betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit verlören, über ihre Freizeit zu disponieren. Arbeitgeber sollten von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abgehalten werden. Außerdem sei die Teilhabe am sozialen Leben, etwa die Organisation der Kinderbetreuung, bei unregelmäßiger Nachtarbeit wesentlich schwerer zu organisieren. Schließlich sei eine „Anpassung nach oben“ abzulehnen.
10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger seine Zahlungsansprüche weiter.
11Der Senat hat das Revisionsverfahren im Hinblick auf zwei Vorabentscheidungsersuchen zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgesetzt. Der EuGH hat auf die dort gestellte Frage mit Urteil vom geantwortet (- C-257/21 und C-258/21 - [Coca-Cola European Partners Deutschland]).
Gründe
12Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für die während der Nachtschichten geleisteten Arbeitsstunden grundsätzlich Anspruch auf einen höheren Nachtarbeitszuschlag, der allerdings zum Teil verfallen ist. Dies führt zur teilweisen Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Klage ist überwiegend begründet, was der Senat selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).
13I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat für jeden Monat des streitgegenständlichen Zeitraums die Anzahl der geleisteten Nachtarbeitsstunden angegeben und die Klageforderung ausgehend vom tariflichen Bruttostundenlohn mit der geltend gemachten Differenz von 25 Prozentpunkten für die geleisteten Nachtarbeitsstunden berechnet. Damit ist die Klage in Bezug auf jeden Monat, für den der Kläger höhere Nachtarbeitszuschläge verlangt, als abschließende Gesamtklage zu verstehen und hinreichend bestimmt (vgl. - Rn. 14 mwN; - 10 AZR 34/17 - Rn. 13, BAGE 162, 230).
14II. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Beklagte hat an den Kläger für die Monate Januar bis Mai 2019 für seine Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr den Zuschlag für Nachtarbeit nach § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 in Höhe von 50 % des tatsächlich gezahlten Monatsentgelts je Arbeitsstunde (§ 7 Buchst. d MTV idF der ÄV 2002) abzüglich der geleisteten Zuschläge zu zahlen. Die klägerischen Ansprüche für den Monat Dezember 2018 sind hingegen verfallen.
151. Ein Anspruch auf einen höheren Nachtarbeitszuschlag ergibt sich nicht unmittelbar aus den Regelungen des MTV idF der ÄV 2002.
16a) Der MTV idF der ÄV 2002 gilt - vermittelt über den UTV - im Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).
17b) Nach § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 ist für Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr (im Folgenden Nachtschichtarbeit) ein Zuschlag von 25 % und für Nachtarbeit - in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr im Sommerhalbjahr bzw. 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr im Winterhalbjahr (§ 3 Nr. 6.1 MTV) - (im Folgenden sonstige Nachtarbeit) ein Zuschlag von 50 % zu zahlen. Da es sich bei der vom Kläger im Rahmen von Wechselschichtarbeit geleisteten Nachtarbeit um Nachtschichtarbeit iSv. § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 handelt (vgl. zum Begriff „Schichtarbeit“ (A) - Rn. 53, BAGE 175, 296; - 10 AZR 354/11 - Rn. 10 mwN), hat er nach den Regelungen des MTV nur Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des tatsächlich gezahlten Monatsentgelts je Arbeitsstunde (vgl. § 7 Buchst. d MTV idF der ÄV 2002). Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.
182. Höhere Nachtarbeitszuschläge stehen dem Kläger aber zu, weil die tarifvertragliche Unterscheidung der Zuschläge für sonstige Nachtarbeit einerseits und Nachtschichtarbeit andererseits (§ 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002) einer Kontrolle am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht standhält. Nachtschichtarbeitnehmer werden gegenüber Arbeitnehmern, die außerhalb von Schichtsystemen Nachtarbeit leisten, gleichheitswidrig schlechter gestellt. Dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) kann nur dadurch genügt werden, dass der Kläger für die im Rahmen von Nachtschichten geleistete Nachtarbeit ebenso wie ein Arbeitnehmer, der sonstige Nachtarbeit iSv. § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 leistet, behandelt wird. Er hat ergänzend zu dem gezahlten Nachtarbeitszuschlag nach § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 Anspruch auf einen Zuschlag von weiteren 25 % zu seinem jeweiligen tatsächlichen Stundenentgelt für die von ihm geleisteten Stunden zur tariflichen Nachtzeit.
19a) Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden, wenn sie tarifliche Normen setzen (st. Rspr., zB - Rn. 33; - 10 AZR 108/19 - Rn. 26; - 10 AZR 334/20 - Rn. 26, BAGE 173, 205; - 6 AZR 449/19 - Rn. 21; - 5 AZR 168/19 - Rn. 21). Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Vergütungen und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen ( ua. - Rn. 146, BVerfGE 146, 71). Mit der Normsetzung auf Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien daher keine delegierte Staatsgewalt aus. Sie nehmen vielmehr privatautonom ihre Grundrechte wahr, wobei ihre Normsetzung durch den in § 4 Abs. 1 TVG enthaltenen staatlichen Geltungsbefehl tariflicher Rechtsnormen getragen wird. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. Sie führte zu einer umfassenden Überprüfung tarifvertraglicher Regelungen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und damit zu einer „Tarifzensur“ durch die Arbeitsgerichte ( - Rn. 19, BAGE 169, 163; - 10 AZR 300/18 - Rn. 17; ErfK/Schmidt 23. Aufl. GG Einl. Rn. 47).
20b) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet aber als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen (vgl. - Rn. 20; - 3 AZR 618/19 - Rn. 39, BAGE 174, 116; - 10 AZR 334/20 - Rn. 27 ff. mwN auch zur Gegenauffassung, BAGE 173, 205; - 6 AZR 449/19 - Rn. 21; - 9 AZR 364/19 - Rn. 47, BAGE 172, 313; - 5 AZR 258/19 - Rn. 37; - 6 AZR 563/18 - Rn. 23 ff., BAGE 169, 163; - 10 AZR 300/18 - Rn. 18; zust. Bayreuther NZA 2019, 1684, 1686). Diese Grenze ist zu beachten, obwohl Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse sind („Gesamtpaket“), und kann damit zur Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechte der Tarifvertragsparteien führen (vgl. - Rn. 31 mwN, aaO; abl. Jacobs RdA 2023, 9, 15 ff.).
21c) Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags haben die Gerichte allerdings zu beachten, dass den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Sie bestimmen in diesem Rahmen nicht nur den Zweck einer tariflichen Leistung ( - Rn. 47, BAGE 172, 313; - 10 AZR 231/18 - Rn. 34, BAGE 165, 1). Ihnen kommt auch eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind ( - Rn. 26, BAGE 169, 163; vgl. auch BT-Drs. 12/5888 zum Entwurf des ArbZG S. 20: „Ein wesentliches Ziel des Gesetzentwurfs ist es, den Tarifvertragsparteien ... im Interesse eines praxisnahen, sachgerechten und effektiven Arbeitszeitschutzes mehr Befugnisse und mehr Verantwortung als bisher zu übertragen. Die Tarifvertragsparteien kennen die in den Betrieben zu leistende Arbeit und die für die Arbeitnehmer entstehenden zeitlichen Belastungen [größere Sachnähe der Tarifvertragsparteien ...]. Sie können daher viel stärker differenzieren, ...“). Darüber hinaus verfügen die Tarifvertragsparteien über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen ( (A) - Rn. 43, BAGE 173, 251). Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht ( - Rn. 40, BAGE 174, 116; - 10 AZR 334/20 - Rn. 41, BAGE 173, 205; - 6 AZR 563/18 - aaO; - 2 AZR 158/18 - Rn. 34, BAGE 168, 238; - 4 AZR 796/13 - Rn. 32, BAGE 151, 235). Ob ein Sachgrund eine Differenzierung rechtfertigt, ist auch dann zu prüfen, wenn die ggf. erforderliche Anpassung nach oben mit erheblichen Mehrkosten für die betroffenen Arbeitgeber verbunden ist (vgl. - Rn. 33 f., BAGE 140, 1).
22Dies bedingt im Ergebnis eine deutlich zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte ( - Rn. 42, BAGE 173, 205). Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgrundrecht ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Bei der Gruppenbildung dürfen sie generalisieren und typisieren. Allerdings müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Auf abstrakt denkbare Zwecke kommt es dabei nicht an, sondern auf solche, die den Tarifnormen im Weg der Auslegung zu entnehmen sind. Diese können sich insbesondere aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen sowie den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen ergeben, die die Tarifvertragsparteien unter Beachtung ihres Gestaltungsspielraums festgelegt haben ( (B) - Rn. 34 mwN). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Verbandstarifverträge, unternehmensbezogene Verbandstarifverträge oder Tarifverträge mit einzelnen Arbeitgebern handelt.
23d) Diese Grundsätze gelten im Ausgangspunkt auch für tarifvertragliche Regelungen über den Ausgleich der Belastungen durch Nachtarbeit. Allerdings können solche tariflichen Regelungen den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur verdrängen, wenn sie unter Beachtung des Gesundheitsschutzes der Nachtarbeitnehmer tatsächlich einen angemessenen Ausgleich gewährleisten.
24aa) Das Bundesverfassungsgericht hat für den Bereich der Nachtarbeit erkannt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Schutz der Arbeitnehmer vor den schädlichen Folgen der Nachtarbeit zu regeln. Eine solche Regelung war notwendig, um dem objektiven Gehalt der Grundrechte, insbesondere dem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, zu genügen. Für dieses Grundrecht besteht eine staatliche Schutzpflicht. Dem Gesetzgeber kommt dabei ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsfreiraum zu, um die Schutzpflicht zu erfüllen ( ua. - zu C III 3 der Gründe, BVerfGE 85, 191; - Rn. 44, BAGE 173, 205).
25bb) Der Gesetzgeber ist dem Schutzauftrag mit § 6 Abs. 5 ArbZG nachgekommen. Die Norm überantwortet die Schaffung von Ausgleichsregelungen für geleistete Nachtarbeit wegen ihrer größeren Sachnähe vorrangig den Tarifvertragsparteien. Die gesetzlichen Ansprüche greifen nur subsidiär (vgl. - Rn. 45 mwN, BAGE 173, 205). Auch bei solchen tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit handelt es sich aber um originär ausgeübte Tarifautonomie ( - Rn. 46, aaO; aA Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 21). Der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Koalitionsfreiheit ist nicht auf den Bereich des Unerlässlichen beschränkt. Er geht über den Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG hinaus und erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen ( ua. - Rn. 115 mwN, BVerfGE 148, 296).
26cc) Die Tarifvertragsparteien sind frei in ihrer Entscheidung, ob sie einen tariflichen Ausgleich für erbrachte Nachtarbeit regeln wollen. Dies gilt sowohl im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 ArbZG als auch darüber hinaus. So können sie beispielsweise die Nachtzeit gegenüber den Bestimmungen des ArbZG erweitern oder auch Arbeitnehmern, die keine Nachtarbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 ArbZG sind, einen Ausgleichsanspruch gewähren. Entscheiden sie sich aber im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 ArbZG dafür, eine Regelung zu treffen, sind sie - anders als regelmäßig sonst bei der Gewährung tariflicher Leistungen - in einem gewissen Maß inhaltlich gebunden. Sie haben zu beachten, dass der Gesundheitsschutz beim Ausgleich der Belastungen durch Nachtarbeit im Vordergrund steht und diesem Genüge getan werden muss. Die tarifliche Regelung muss die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen angemessen kompensieren ( (A) - Rn. 72 mwN, BAGE 173, 165; - 6 AZR 549/17 - Rn. 18; - 1 ABR 62/10 - Rn. 15 mwN; - 10 AZR 369/10 - Rn. 18; Baeck/Deutsch/Winzer ArbZG 4. Aufl. § 6 Rn. 83; BeckOK ArbSchR/Höfer Stand ArbZG § 6 Rn. 51, 53; BeckOK ArbR/Kock Stand ArbZG § 6 Rn. 25 f.; Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 269; Kohte FS Buschmann 2014 S. 71, 81; Raab ZFA 2014, 237, 244; J. Ulber AuR 2020, 157, 161 f.; aA Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 26 f.; wohl auch Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 26). Nur dann kann die tarifliche Regelung den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG hinsichtlich des die Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmers verdrängen. Das folgt schon aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ in § 6 Abs. 5 ArbZG und entspricht dem Sinn und Zweck des Gesundheitsschutzes ( - aaO).
27dd) Bei der näheren Ausgestaltung, wie eine solche angemessene Kompensation erfolgen soll, sind die Tarifvertragsparteien hingegen im Rahmen der Tarifautonomie freier als der unmittelbar an § 6 Abs. 5 ArbZG gebundene Arbeitgeber. Ihnen kommt ein Beurteilungsspielraum zu, wie sie den Ausgleich für die Nachtarbeit regeln wollen ( - Rn. 18; HK-ArbZeitR/Lorenz 2. Aufl. ArbZG § 6 Rn. 127). § 6 Abs. 5 ArbZG sieht für tarifliche Regelungen keine konkreten Mindestvorgaben vor. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die tarifvertragliche Regelung den mit § 6 Abs. 5 ArbZG verfolgten Zwecken (vgl. dazu zuletzt - Rn. 28, 36 mwN) bei einer Gesamtbetrachtung gerecht wird. Die Tarifvertragsparteien sind deshalb auch nicht an die von der Rechtsprechung entwickelten Regelwerte für gesetzliche Nachtarbeitszuschläge gebunden (aA Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 14; J. Ulber AuR 2020, 157, 162 f.).
28ee) Soweit tarifvertragliche Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründen, tritt unmittelbar eine gesundheitsschützende Wirkung in den Fällen ein, in denen sich die Dauer der Arbeitszeit für den Arbeitnehmer durch den bezahlten Freizeitausgleich insgesamt verringert und er zeitnah gewährt wird. Nachtarbeitszuschläge wirken sich dagegen nicht positiv auf die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers aus. Der individuelle Gesundheitsschaden wird über den Zuschlag kommerzialisiert. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg allgemein Nachtarbeit einzudämmen, wodurch die Gesundheit mittelbar geschützt wird. Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag den Arbeitnehmer in einem gewissen Umfang für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (vgl. - Rn. 48 mwN, BAGE 173, 205).
29e) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze haben die Tarifvertragsparteien für Beschäftigte, die - wie der Kläger - Nachtschichtarbeit leisten, im MTV idF der ÄV 2002 Regelungen geschaffen, die den Zwecken des § 6 Abs. 5 ArbZG gerecht werden und die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen angemessen kompensieren. Damit werden die gesetzlichen Ausgleichsansprüche für die streitgegenständlichen Schichtzeiten verdrängt.
30aa) Ob im jeweiligen Tarifvertrag ein angemessener Ausgleich für die Belastungen durch die Nachtarbeit vorgesehen ist und die entsprechende Regelung den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG verdrängt, ist jeweils anhand der betroffenen Arbeitnehmergruppe - hier die Arbeitnehmer, die Nachtschichtarbeit leisten, - und der konkreten Arbeitssituation, die im Streit steht, zu prüfen. Eine Gesamtbetrachtung des Tarifvertrags im Hinblick auf seinen persönlichen Geltungsbereich ist nicht vorzunehmen. Eine solche würde auf der einen Seite nicht sicherstellen, dass für jeden einzelnen Nachtarbeitnehmer iSd. ArbZG ein angemessener tariflicher Ausgleichsanspruch besteht. Auf der anderen Seite kann der Umstand, dass es für einzelne Arbeitnehmergruppen an einem angemessenen Ausgleich fehlt (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung zB -), nicht dazu führen, dass tarifliche Regelungen, die für andere Gruppen einen angemessenen Ausgleich beinhalten, entgegen § 6 Abs. 5 ArbZG der Vorrang verwehrt wird.
31bb) Danach wird § 6 Abs. 5 ArbZG auch im Hinblick auf Beschäftigte, die Nachtschichtarbeit leisten, durch die streitgegenständliche tarifliche Regelung verdrängt.
32(1) Diese erhalten grundsätzlich einen tariflichen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des tatsächlich gezahlten Monatsentgelts je Arbeitsstunde (§ 7 Buchst. d und f MTV idF der ÄV 2002). Dieser Wert erhöht sich allerdings nicht durch den in § 15 Buchst. b MTV idF der ÄV 2002 geregelten Anspruch auf jährlich vier Arbeitstage bezahlte Schichtfreizeit für Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - im Drei-Schicht-System oder die in Nachtschicht arbeiten. Hierbei handelt es sich nicht um einen spezifischen Ausgleich für Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschicht (vgl. zum spezifischen Ausgleich der Nachtarbeit durch Schichtfreizeiten - Rn. 30, 36; - 10 AZR 379/20 - Rn. 30, 36). Nach § 15 Buchst. a MTV idF der ÄV 2002 dient die Schichtfreizeit „zur Abgeltung der in der Nachtschicht oder Zwei- bzw. Drei-Schicht-Wechsel auftretenden Erschwernisse und Belastungen“. Es geht den Tarifvertragsparteien danach offensichtlich nicht nur um den Ausgleich der Belastungen durch die Nachtarbeit, sondern - bei Zwei- bzw. Drei-Schicht-Wechsel - auch um den Ausgleich der Belastungen durch diese Wechsel. Dies verdeutlicht § 15 Buchst. c MTV idF der ÄV 2002, nach welchem Arbeitnehmer, die im Zwei-Schicht-System („Früh-/Spät-, Nacht- oder Spät-/Nachtschicht“) arbeiten, jährlich drei Arbeitstage bezahlte Schichtfreizeit erhalten. Danach wird den im Zwei-Schicht-System tätigen Arbeitnehmern nur eine Schichtfreizeit weniger gewährt als den im Drei-Schicht-System eingesetzten Beschäftigten und dies unabhängig davon, ob sie Nachtarbeit leisten oder nicht. Denn ausweislich der Formulierung werden auch im Wechsel „Früh-/Spätschicht“ Freischichten gewährt. Außerdem impliziert eine solche Regelung, dass es vorrangig auf die Belastung durch die Schichttätigkeit ankommt und diese im Drei-Schicht-System etwas höher bewertet wird als bei einem Zwei-Schicht-Wechsel. Des Weiteren werden die Freischichten nicht in Abhängigkeit der Anzahl der geleisteten Nachtschichten und damit zur tatsächlichen Belastung durch die Nachtarbeit gewährt (zu einer solchen Regelung vgl. - Rn. 31); vorausgesetzt wird nur ein entsprechender Arbeitseinsatz im jeweiligen Jahr (bei teilweiser Schichtleistung in einem Jahr erfolgt eine anteilige Gewährung, vgl. § 15 Buchst. d MTV idF der ÄV 2002). Insgesamt betrachtet kann der Regelung somit nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, ob und ggf. in welchem Umfang mit der Leistung ein spezifischer Ausgleich der durch die Nachtarbeit entstehenden Belastungen bezweckt wird.
33(2) Gleichwohl stellt im Rahmen der bei der Beurteilung der Angemessenheit notwendigen wertenden Betrachtung der von den Tarifvertragsparteien vorgesehene Ausgleich eines Zuschlags in Höhe von 25 % unter Berücksichtigung der Art der zu leistenden Arbeit, also der Gegenleistung der Arbeitnehmer (vgl. dazu - Rn. 26 mwN), eine hinreichende Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis dar und beinhaltet eine Entschädigung für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben.
34cc) Soweit der Kläger darauf verweist, dass eine Regelung, die für Nachtschichtarbeit geringere Zuschläge gewährt als für sonstige Nachtarbeit, die gesetzliche Zielsetzung missachte und deshalb unwirksam sei, vermag dies nicht zu überzeugen (so aber zB auch J. Ulber AuR 2020, 157, 163). Dies vermengt die Frage der Angemessenheit des Ausgleichs mit der Frage der Gleichbehandlung. Die Frage der Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG richtet sich aber nicht danach, ob andere Arbeitnehmer den gleichen oder ggf. einen höheren Nachtarbeitszuschlag erhalten.
35f) Die im MTV idF der ÄV 2002 enthaltene Differenzierung zwischen den Zuschlägen für Nachtschichtarbeit und Nachtarbeit in § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 verstößt aber - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es liegen miteinander vergleichbare Arbeitnehmergruppen vor. Die unterschiedliche Behandlung bei den Zuschlägen für Nachtschichtarbeit im Gegensatz zur sonstigen Nachtarbeit ist - wie die Auslegung des MTV idF der ÄV 2002 ergibt - nicht durch einen aus dem Tarifvertrag erkennbaren sachlichen Grund gerechtfertigt.
36aa) Arbeitnehmer, die Nachtschichtarbeit bzw. sonstige Nachtarbeit leisten, sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - miteinander vergleichbar. Die jeweiligen Zuschlagstatbestände knüpfen übereinstimmend an die Arbeitsleistung in der tarifvertraglich definierten Nachtzeit an, die sich - insbesondere durch das Maß an Belastung - von der Arbeit zu anderen Zeiten unterscheidet (vgl. - Rn. 50 ff. mwN auch zu krit. Stimmen, BAGE 173, 205). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich autonom die Tatbestandsvoraussetzungen festlegen können, auf deren Grundlage die Gruppen zu bilden sind. Das entbindet sie nicht davon, die Grenzen von Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Die sich dabei stellende Frage, ob sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen, ist auf der Rechtfertigungsebene zu klären (vgl. - Rn. 52, aaO; aA zB Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 267 f.; ähnlich Höpfner Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG S. 16 ff.; Kleinebrink NZA 2019, 1458, 1461).
37bb) Die unterschiedlich hohen Zuschläge für Nachtarbeit und für Nachtschichtarbeit in § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 führen dazu, dass zwei Gruppen von Arbeitnehmern, die nachts arbeiten, ungleich behandelt werden. Der Ausgleich, den Arbeitnehmer für sonstige Nachtarbeit erhalten, ist deutlich höher als derjenige für Nachtschichtarbeit.
38(1) Nach § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 erhalten Arbeitnehmer für Nachtschichtarbeit einen Zuschlag von 25 % des je Arbeitsstunde tatsächlich gezahlten Monatsentgelts, während der Zuschlag für sonstige Nachtarbeit hiernach 50 % beträgt. Das führt zu einer Differenz in Höhe von 25 Prozentpunkten.
39(2) Diese Differenz zwischen den beiden Zuschlagstatbeständen verringert sich nicht dadurch, dass nach § 15 Buchst. b MTV idF der ÄV 2002 jährlich vier Arbeitstage bezahlte Schichtfreizeit zu gewähren ist. Dabei handelt es sich nicht um einen spezifischen Ausgleich für die Belastungen durch die Arbeit in der Nachtzeit (vgl. Rn. 32).
40(3) Die rechnerische Differenz bei der Zuschlagshöhe vermindert sich auch nicht um die bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit nach § 4 Nr. 4 MTV. Diese steht Arbeitnehmern im Drei-Schicht-System zu, die ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können. Der Anspruch setzt somit schon nicht voraus, dass ein Einsatz in der Nachtschicht erfolgt. Die Pause wird vielmehr bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen in allen Schichten gewährt. Demnach dient sie nicht dem Ausgleich der spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit, sondern dem Ausgleich des ununterbrochenen Fortgangs der Arbeit verbunden mit dem Umstand, den Arbeitsplatz für eine Pause nicht verlassen zu können.
41(4) Ebenso wenig verringert sich der Unterschied in der Zuschlagshöhe - anders als die Beklagte meint - dadurch, dass sonstige Nachtarbeit in der Regel Mehrarbeit ist und der Zuschlag für Nachtarbeit einen Mehrarbeitszuschlag umfasst. Zwar begründet § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 für Mehrarbeit während der ersten beiden Stunden täglich einen Zuschlag in Höhe von 25 %, ab der dritten Stunde täglich in Höhe von 50 % sowie Zuschläge in Höhe von 35 % für Mehrarbeit an Sonnabenden und für Schichtgänger an arbeitsfreien Werktagen. In den tariflichen Regelungen ist aber nicht angelegt, dass Nachtarbeit stets oder auch nur regelmäßig zuschlagspflichtige Mehrarbeit im Tarifsinn ist, also über die jeweilige vereinbarte tägliche Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers hinausgeht (§ 3 Nr. 4.1 MTV).
42(5) Unerheblich ist auch, dass der Nachtarbeitszuschlag nach § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 bereits für die Zeit ab 22:00 Uhr geschuldet wird und somit der Beginn der Nachtzeit gegenüber der gesetzlichen Regelung um eine Stunde vorgezogen ist (aA wohl Creutzfeldt/Eylert ZFA 2020, 239, 251 „Ausgleichsfaktor“). Das gilt im Sommerhalbjahr (1. April bis 30. September) sowohl für die Nachtschichtarbeit als auch die sonstige Nachtarbeit (vgl. § 3 Nr. 6.1 MTV), so dass sich hieraus in Bezug auf die Ungleichbehandlung keine Relativierung ergibt. Im Winterhalbjahr (1. Oktober bis 31. März) steht einer solchen Annahme außerdem entgegen, dass die tarifliche Nachtzeit für Arbeitnehmer, die sonstige Nachtarbeit leisten, bereits um 20:00 Uhr beginnt.
43cc) Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die Nachtschichtarbeit leisten, gegenüber Arbeitnehmern, die sonstige Nachtarbeit versehen, ist - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Ein solcher lässt sich den maßgeblichen Regelungen des MTV nicht entnehmen.
44(1) Die Tarifvertragsparteien sind im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative nicht gehindert, tatsächliche Unterschiede hinsichtlich der Belastungen durch Nachtschichtarbeit und sonstige Nachtarbeit anzunehmen. Dabei sind sie nicht auf gesundheitliche Aspekte beschränkt. Diese tatsächlichen Unterschiede vermögen auf der Regelungsebene aufgrund des den Tarifvertragsparteien zukommenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums einen - auch deutlich - höheren Ausgleich für sonstige Nachtarbeit zu rechtfertigen. Dabei hat sich die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung am - aus dem Tarifvertrag erkennbaren - Zweck der Leistung zu orientieren ( - Rn. 66, BAGE 165, 1; - 6 AZR 161/16 - Rn. 55, BAGE 158, 360). An einem solchen weiteren Zweck neben dem Gesundheitsschutz fehlt es hier. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Regelungen.
45(2) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., zB - Rn. 13 mwN).
46(3) Dies zugrunde gelegt ergibt sich zunächst, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung von Nachtarbeitszuschlägen den Gesundheitsschutz der Nachtarbeitnehmer bezwecken. Das gilt sowohl im Hinblick auf den Zuschlag für Nachtschichtarbeit als auch für sonstige Nachtarbeit. Dieser Zweck stellt aber keinen Sachgrund für höhere Zuschläge zugunsten der Arbeitnehmer dar, die sonstige Nachtarbeit leisten.
47(a) Der Zweck des Gesundheitsschutzes ist zwar nicht ausdrücklich im MTV benannt. Er hat aber hinreichend Niederschlag gefunden. Die Zuschläge werden ausdrücklich als solche für Nachtarbeit bzw. für Nachtschichtarbeit bezeichnet (§ 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002). Der MTV definiert den Begriff der Nachtarbeit als die Zeit zwischen 22:00 Uhr - bzw. im Winterhalbjahr zwischen 20:00 Uhr - und 06:00 Uhr (§ 3 Nr. 6.1 MTV) bzw. der Nachtschichtarbeit als die Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr (§ 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002). Die Regelung knüpft damit an § 2 Abs. 3 ArbZG an und erweitert den Nachtzeitraum. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Ausgleichsregelung des § 6 Abs. 5 ArbZG und dem dort normierten grundsätzlichen Vorrang von Ausgleichsregelungen in Tarifverträgen liegt nahe, dass die Tarifvertragsparteien von dieser Kompetenz Gebrauch machen und auch der gesetzlichen Zwecksetzung genügen wollten. Die Gesundheit - über die Verteuerung der Arbeit zumindest mittelbar - zu schützen, ist der typischerweise mit Nachtarbeitszuschlägen verfolgte Zweck (vgl. - Rn. 25).
48(b) Der Zweck des Gesundheitsschutzes vermag die Ungleichbehandlung allerdings nicht zu rechtfertigen.
49(aa) Nachtarbeit ist nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen für jeden Menschen schädlich, weil sie negative gesundheitliche Auswirkungen hat ( ua. - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 85, 191; ebenso - Rn. 70 f., BAGE 173, 205; - 10 AZR 123/19 - Rn. 27 mwN, BAGE 171, 280; - 10 AZR 34/17 - Rn. 49, BAGE 162, 230; - 10 AZR 47/17 - Rn. 39, BAGE 160, 325; Schubert/Bayreuther in Schlachter/Heinig Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [EnzEuR Bd. 7] 2. Aufl. § 11 Rn. 37; EuArbRK/Gallner 4. Aufl. RL 2003/88/EG Art. 8 Rn. 3 mwN). Das gilt im Ausgangspunkt unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb von Schichtsystemen geleistet wird. Die gesundheitliche Belastung durch Nachtarbeit steigt nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Zahl der Nächte im Monat und die Zahl der aufeinanderfolgenden Nächte, in denen Nachtarbeit geleistet wird ( - Rn. 24; - 10 AZR 123/19 - aaO; - 10 AZR 423/14 - Rn. 17 mwN, BAGE 153, 378; - 10 AZR 736/12 - Rn. 19, BAGE 147, 33).
50(bb) Durch Arbeit während der Nachtzeit wird die sog. zirkadiane Rhythmik gestört. Zu der sozialen Desynchronisation kommt die physiologische Desynchronisation der Körperfunktionen, die sich typischerweise in Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und kardiovaskulären Beeinträchtigungen äußert (Beermann Nacht- und Schichtarbeit - ein Problem der Vergangenheit? S. 4 f. = https://d-nb.info/992446481/34; Langhoff/Satzer Gutachten zu arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit S. 26 ff., 37 f.; DGUV Report 1/2012 S. 81 f., 91 ff., 119 ff.). Sekundärstudien deuten darauf hin, dass sich Nachtarbeit auch negativ auf die Psyche auswirkt (vgl. Amlinger-Chatterjee Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt S. 31). Anerkannt ist, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in je größerem Umfang sie geleistet wird ( - Rn. 24; - 10 AZR 123/19 - Rn. 27 mwN, BAGE 171, 280; - 10 AZR 423/14 - Rn. 17 mwN, BAGE 153, 378; vgl. auch den siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG; Mitteilung der Europäischen Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. EU C 165 vom S. 42).
51(cc) Aufgrund der steigenden gesundheitlichen Belastung durch eine größere Zahl der Nächte im Monat und eine höhere Zahl der aufeinanderfolgenden Nächte, in denen Nachtarbeit geleistet wird, sollten möglichst wenige Nachtschichten aufeinanderfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass viele Schichtarbeitnehmer, die in einem Rhythmus von fünf und mehr aufeinanderfolgenden Nachtschichten arbeiten, subjektiv den Eindruck haben, dass sich ihr Körper der Nachtschicht besser anpasst. Das trifft nicht zu (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit 9. Aufl. S. 12 f.; Langhoff/Satzer Gutachten zu arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit S. 32). Aufeinanderfolgende Nachtschichten sind besonders schädlich, obwohl sich Arbeitnehmer typabhängig unterschiedlich gut an die Nachtarbeit anpassen ( - Rn. 72, BAGE 173, 205; - 10 AZR 423/14 - Rn. 17, BAGE 153, 378; - 10 AZR 736/12 - Rn. 19 f. mwN, BAGE 147, 33; vgl. Langhoff/Satzer aaO S. 36). Bislang ist nicht belegt, dass aufeinanderfolgende Nachtschichten signifikant weniger gesundheitsschädlich sind, wenn Arbeitnehmer nach einem Schichtplan eingesetzt werden, der ihnen im Voraus bekannt ist. Nach Amlinger-Chatterjee zeigen extrahierte statistische Daten lediglich eine tendenziell geringere gesundheitliche Belastung, wenn die Arbeitszeiten vorhersagbar sind (Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt S. 52).
52(dd) Gesundheitsschutzaspekte können danach die im MTV vorgenommene Differenzierung für sich genommen sachlich nicht rechtfertigen.
53(4) Dafür, dass der Zuschlag für sonstige Nachtarbeit - so die Beklagte - auch den Zweck habe, einen Ausgleich für Mehrarbeit zu gewähren, die in der Regel mit sonstiger Nachtarbeit verbunden sei, ergeben sich aus dem MTV - wie ausgeführt (Rn. 41) - keine Anhaltspunkte.
54(5) Soweit die Beklagte darauf hinweist, der MTV regle die sonstige Nachtarbeit im Verhältnis zur Nachtschichtarbeit als Ausnahmetatbestand, falle somit seltener an, ergibt sich auch aus einem solchen Ausnahmecharakter für sich genommen kein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Der mögliche Ausnahmecharakter wäre zwar ein Umstand, der auf einen bestimmten Zweck der Leistung hindeuten kann, nicht aber ein selbständiger Zweck, der mit der Tarifregelung verfolgt wird. Außerdem ist ein solcher Ausnahmecharakter in den Bestimmungen und der Struktur des MTV für seinen Geltungsbereich weder inhaltlich angelegt noch aus diesen auch nur im Ansatz erkennbar. Weder in den allgemeinen Regelungen über die Arbeitszeit in § 3 MTV noch in den speziellen Bestimmungen über die Nachtarbeit und deren Ausgleich (§ 3 Nr. 6 MTV, § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002) finden sich dazu Hinweise. Auch die Größe der jeweils betroffenen Arbeitnehmergruppe - sollte die Beklagte hierauf abstellen - vermag die Begünstigung einer Mehrheit oder Minderheit allein nicht zu rechtfertigen. Denn Ungleichbehandlungen sind - dem Grundgedanken des Gleichheitsgebots folgend - unabhängig von der Größe der betroffenen Gruppen zu vermeiden.
55(6) Es ist auch sonst kein Zweck erkennbar, der die Differenzierung zwischen den Zuschlägen für sonstige Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit sachlich rechtfertigen könnte. Die Tarifvertragsparteien des MTV haben den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum auch unter Zugrundelegung eines zurückgenommenen Prüfungsmaßstabs (Rn. 22) überschritten. Zwischen der sonstigen Nachtarbeit und der Nachtschichtarbeit bestehen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die die Differenzierung bei der Höhe der Nachtarbeitszuschläge sachlich rechtfertigen könnten. Das gilt auch, soweit die Beklagte anführt, der MTV wolle die fehlende Planbarkeit sonstiger Nachtarbeit mit dem höheren Zuschlag ausgleichen. Dieser Zweck ist dem MTV nicht zu entnehmen.
56(a) Richtig ist, dass der Zweck des Ausgleichs der schlechteren Planbarkeit von unregelmäßiger Nachtarbeit eine Ungleichbehandlung bei der Zuschlagshöhe zu rechtfertigen vermag. Es handelt sich um einen sachlich vertretbaren Grund. Unerheblich ist dabei, wenn mit einer tariflichen Zuschlagsregelung mehrere Zwecke gebündelt verfolgt werden, solange diese Zwecke Niederschlag im Tarifvertrag gefunden haben. Ist dies der Fall, kommt es auch nicht darauf an, wie der weitere Zweck von den Tarifvertragsparteien finanziell bewertet wird (umfassend dazu - Rn. 52 ff.).
57(b) Der Zweck des Ausgleichs einer schlechteren Planbarkeit von - unregelmäßiger - Nachtarbeit hat im MTV idF der ÄV 2002 keinen Niederschlag gefunden.
58(aa) § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 benennt nicht ausdrücklich, welchem Zweck die höheren Zuschläge für sonstige Nachtarbeit - neben dem Gesundheitsschutz - dienen. Der MTV enthält in den Bestimmungen, die die Zuschläge für Nachtarbeit regeln, auch nicht ein Begriffspaar wie „regelmäßig“ und „unregelmäßig“, aus dessen Gegenüberstellung sich der damit verbundene weitere Zweck erkennen ließe (vgl. dazu - Rn. 53 ff.). Dem Regelungssystem des MTV lässt sich zwar entnehmen, dass es sich bei der Nachtschichtarbeit um die regelmäßige Form der Nachtarbeit handelt, nicht aber, dass mit „Nachtarbeit“ iSv. § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 ausschließlich unregelmäßige Nachtarbeit gemeint ist und hieraus folgend mit dem höheren Zuschlag die schlechtere Planbarkeit ausgeglichen werden soll.
59(bb) Nachtschichtarbeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr iSv. § 7 Buchst. f idF der ÄV 2002 setzt eine Regelhaftigkeit voraus. § 5.1 MTV bestimmt, dass Schichtarbeit vorliegt, wenn im Wechsel in Zwei- oder Drei-Schicht-Systemen gearbeitet wird. Dies knüpft an die Definition des Begriffs der Schichtarbeit in seiner allgemeinen arbeitsrechtlichen Bedeutung an. Danach ist wesentlich, dass eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die wirkliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus anfällt und diese daher von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht wird. Die Arbeit muss dabei nach einem Schichtplan erfolgen, wobei nicht erforderlich ist, dass dieser vom Arbeitgeber vorgegeben ist ( - Rn. 10; - 10 AZR 570/09 - Rn. 14 mwN). Schichtarbeit ist damit eine regelmäßige Form der Nachtarbeit. „Regelmäßig“ bedeutet „einer bestimmten festen Ordnung, Regelung (die besonders durch zeitlich stets gleiche Wiederkehr, gleichmäßige Aufeinanderfolge gekennzeichnet ist) entsprechend, ihr folgend“ (www.duden.de Stichwort „regelmäßig“, zuletzt abgerufen am ; vgl. auch - Rn. 16). Bei typisierender Betrachtung folgt hieraus, dass regelmäßige Nachtarbeit besser vorhersehbar und planbar ist als unregelmäßige Nachtarbeit. Das gilt unabhängig davon, wie oft regelmäßige Nachtarbeit geleistet wird. Typischerweise werden bei dieser Art der Nachtarbeit (Schicht-)Pläne mit zeitlichem Vorlauf aufgestellt, die einem gewissen Rhythmus folgen. Deshalb ist es auch besser möglich, dass der Arbeitnehmer sich auf diese regelmäßig geschuldete Arbeitsleistung einstellt und sein privates Umfeld ggf. darauf ausrichtet.
60(cc) Nicht erkennbar ist allerdings, dass die Nachtarbeit iSv. § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 ausschließlich unregelmäßige Arbeit zur tariflichen Nachtzeit ist. Es fehlt nicht nur an einer Bezeichnung wie „unregelmäßig“. Auch im Übrigen ist aus den Regelungen des MTV nicht ersichtlich, dass sonstige Nachtarbeit nicht regelmäßig oder sogar dauerhaft anfallen kann. Der MTV beschränkt insoweit weder in den allgemeinen Regelungen über die Arbeitszeit in § 3 MTV noch in den speziellen Bestimmungen über die Nachtarbeit und deren Ausgleich (§ 3 Nr. 6 MTV, § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002) die Gestaltungsfreiheit für den Arbeitgeber bzw. die Betriebsparteien hinsichtlich der Arbeitszeitmodelle. Insbesondere ist danach nicht ausgeschlossen, dass ständige oder wiederkehrende Nachtarbeit auf Arbeitsplätzen außerhalb eines Schichtsystems anfällt. Eine solche Arbeitszeitgestaltung ist regelmäßig und planbar. Dass die Tarifvertragsparteien keine Beschränkung der sonstigen Nachtarbeit auf Ausnahmesituationen vorgesehen haben (vgl. zu einer solchen Tarifgestaltung zB - Rn. 57), wird im Übrigen auch aus einem Vergleich mit der Regelung zur Mehrarbeit in § 4 Nr. 3.1 MTV iVm. § 7 Buchst. a MTV idF der ÄV 2002 deutlich. Danach ist Mehrarbeit weitestgehend zu vermeiden und soll nur vorübergehend in Fällen dringender Notwendigkeit unter Mitbestimmung des Betriebsrats festgelegt werden. Eine solche Regelung für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit fehlt.
61Soweit § 3 Nr. 5.3 MTV Regelungen zur unvorhergesehenen Nachtschichtarbeit vorsieht, in § 3 Nr. 6.2 MTV die unvorhergesehene Nachtarbeit definiert und in § 7 Nr. 5.3 MTV unter der Überschrift „Nachtarbeit und Schichtarbeit“ differenzierende Zuschlagsregelungen - ua. ein Zuschlag in Höhe von 60 % für unvorhergesehene Nachtarbeit - beinhaltet, ändert das nichts. Denn diese Differenzierung ist durch die ÄV 2002 ersetzt worden. Für „unvorhergesehene“ Nachtarbeit gibt es mangels Bezugsobjekts in der ÄV 2002 keinen Anwendungsbereich mehr. Die Bestimmungen in § 3 Nr. 5.3 und 6.2 MTV knüpfen ersichtlich an die Staffelung der Zuschläge in § 7 Nr. 5.3 MTV an. Eine solche Staffelung findet sich mangels einer Zuschlagsregelung für unvorhergesehene Nachtarbeit in § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 nicht mehr. Durch die Änderungen in der ÄV 2002 laufen die noch bestehenden Bestimmungen in § 3 Nr. 5.3 und 6.2 MTV ins Leere und können daher nicht zur Auslegung der Zuschlagsregelung in § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 herangezogen werden. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten hat, § 3 Nr. 6 MTV definiere die Nachtarbeit stets als unvorhergesehene, weshalb der Zuschlag in Höhe von 50 % in § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 nur eine unvorhergesehene bzw. unregelmäßige Form der Nachtarbeit umfassen könne, kann dem nicht gefolgt werden. Ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien hat keinen Niederschlag im MTV idF der ÄV 2002 gefunden. § 3 Nr. 6 MTV differenziert in den Definitionen zwischen Nachtarbeit allgemein (Nr. 6.1) und unvorhergesehener Nachtarbeit (Nr. 6.2). Wäre Nachtarbeit stets unvorhergesehen iSv. § 3 Nr. 6.2 MTV, hätte es dieser Differenzierung nicht bedurft. Eine Änderung der Regelung in § 3 Nr. 6 MTV für den Anwendungsbereich der ÄV 2002 ist nicht erfolgt. Es ist lediglich Abstand genommen worden von einer Zuschlagsregelung speziell für die unvorhergesehene Nachtarbeit. § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 knüpft wiederum an den Begriff der „Nachtarbeit“ nach § 3 Nr. 6.1 MTV, nicht an den der „unvorhergesehenen Nachtarbeit“ nach § 3 Nr. 6.2 MTV an.
62Im Übrigen ergibt sich aus der Differenzierung in § 7 Nr. 5.3 MTV, dass die Tarifvertragsparteien des MTV für die fehlende Planbarkeit bei unvorhergesehener Nachtarbeit lediglich einen um 10 Prozentpunkte höheren Zuschlag gegenüber dem Zuschlag für mindestens zwei Arbeitstage vor ihrem Beginn angeordnete Nachtarbeit gewähren wollten. Die Ungleichbehandlung zwischen Nachtschichtarbeit und sonstiger (vorhersehbarer) Nachtarbeit, die - wie ausgeführt (Rn. 60) - auch ständige bzw. wiederkehrende Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit umfassen kann, beseitigt dies nicht.
63(dd) Nichts anderes ergibt sich aus dem langjährigen Begriffsverständnis in der Rechtsprechung zur Differenzierung bei Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige bzw. planbare und unplanbare Nachtarbeit auch bereits vor Abschluss des hier maßgeblichen MTV (zur Fortführung eines bestimmten Begriffs durch die Tarifvertragsparteien vgl. zB - Rn. 22, BAGE 134, 34). Dieses ging dahin, „unregelmäßige“ Nachtarbeit sei weniger vorhersehbar und die ungeplante und nicht vorhersehbare Heranziehung bringe eine weitere, anders gelagerte Belastung - nicht unbedingt gesundheitlicher Art - mit sich (vgl. -; - 5 AZR 808/06 - Rn. 31 ff.; - 10 AZR 736/12 - Rn. 23, BAGE 147, 33). Ein solches Begriffsverständnis hat sich in der hier streitgegenständlichen Tarifregelung gerade nicht niedergeschlagen. Soweit in einer frühen Entscheidung ohne nähere Begründung unter „Nachtarbeit“, die nicht Schichtarbeit ist, iSd. damals maßgeblichen Tarifvertrags ohne Weiteres ein unregelmäßiges Arbeiten und ein Ausnahmecharakter solcher Arbeiten verstanden wurde ( - zu II der Gründe, BAGE 5, 107), ist dieses Verständnis in der späteren Rechtsprechung nicht mehr fortgeführt worden. Hinsichtlich der Bestimmungen des MTV idF der ÄV 2002 scheidet es - wie dargelegt - schon deshalb aus, weil dauerhafte und regelmäßige Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit als Arbeitszeitmodell möglich und zulässig ist.
64(c) Ob § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 den Zweck verfolgt, einen Anreiz zu bilden, ggf. dauerhafte oder regelmäßige Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit zu leisten, kann dahinstehen. Darin läge angesichts der Gesundheitsschädlichkeit von Nachtarbeit kein legitimer Zweck. Durch Ausgleichsregelungen soll die Nachtarbeit verringert und nicht ausgedehnt werden. Eine solche Zwecksetzung könnte daher keinen sachlichen Grund für einen höheren Nachtarbeitszuschlag bilden (vgl. - Rn. 81, BAGE 173, 205; Kohte Gutachten zu Nachtarbeitszuschlagsregelungen S. 43 f., 50; aA Kleinebrink NZA 2019, 1458, 1461).
653. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz hat zur Folge, dass der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Zahlung des höheren Nachtarbeitszuschlags von insgesamt 50 % des Stundenverdiensts des tatsächlich gezahlten Monatsentgelts für die von ihm geleistete streitgegenständliche Nachtarbeit hat. Die gleichheitswidrige Ungleichbehandlung kann für die im Streit stehende Vergangenheit nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden (umfassend dazu - Rn. 87 ff. mwN, BAGE 173, 205).
66a) Den Angehörigen der benachteiligten Gruppe sind dieselben Vorteile zu gewähren wie den nicht benachteiligten Arbeitnehmern; die begünstigende Regelung bleibt insoweit das einzig gültige Bezugssystem. Kann der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die gewährten Leistungen - wie hier - nicht mehr entziehen, ist eine solche zur Beseitigung der Diskriminierung erforderliche Anpassung „nach oben“ selbst dann gerechtfertigt, wenn sie zu erheblichen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führt (vgl. - Rn. 91; - 10 AZR 334/20 - Rn. 87 f., BAGE 173, 205; - 9 AZR 266/19 - Rn. 41 [zu § 7 AGG]; - 1 AZR 590/18 - Rn. 32 [zu § 75 Abs. 1 BetrVG]; - 8 AZR 168/14 - Rn. 30 [zu § 4 Abs. 1 TzBfG]). Um den gleichheitswidrigen Zustand zu beseitigen, muss daher § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 unangewendet bleiben, soweit der Anspruch auf den Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 50 % für Nachtschichtarbeit ausgeschlossen ist. Daran ändert auch - entgegen der Ansicht der Beklagten - die in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich verbürgte Tarifautonomie nichts, da eine andere Möglichkeit der Beseitigung der Benachteiligung für die Vergangenheit nicht besteht (vgl. - Rn. 32).
67b) Soweit die Beklagte einwendet, eine Anpassung nach oben scheide aus, weil die Gesamtregelung zu den Zuschlägen eine Einheit bilde und nur insgesamt nichtig sein könne, kann dem nicht gefolgt werden. § 139 BGB findet auf Tarifverträge keine Anwendung. Die Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung führt nicht zur Unwirksamkeit der übrigen tariflichen Bestimmungen, sondern bleibt auf die inkriminierte Vorschrift beschränkt. Maßgebend ist, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Bestimmung noch eine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung enthält (st. Rspr., zuletzt zB - Rn. 27 mwN, BAGE 170, 56). Dies ist hier der Fall. Nicht die Gesamtheit der Zuschlagsregelungen in § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 ist gleichheitswidrig. Der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot betrifft im vorliegenden Rechtsstreit allein die Zuschlagsregelung zur Nachtschichtarbeit. Nur sie benachteiligt die Normunterworfenen im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die sonstige Nachtarbeit leisten (vgl. - Rn. 95 mwN, BAGE 173, 205). Auch ohne die Geltung der Zuschlagsregelung für Nachtschichtarbeit trifft der MTV idF der ÄV 2002 in § 7 Buchst. f noch eine Regelung zum Ausgleich für Nachtarbeit, die § 6 Abs. 5 ArbZG verdrängt. Damit verbleibt insoweit ein sinnvolles und in sich geschlossenes Regelwerk.
68c) Auch würde ein bloßer Rückgriff auf die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG im Weg der Derogation (vgl. - Rn. 96 mwN, BAGE 173, 205) zwar dazu führen, dass dem Kläger, soweit er Nachtarbeitnehmer iSv. § 2 Abs. 5 ArbZG ist, für die während der gesetzlichen Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden ein Ausgleichsanspruch zusteht. Die hier gegebene Benachteiligung wäre aber nicht beseitigt.
69d) Danach hat der Kläger Anspruch auf den Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 50 % entsprechend § 7 Buchst. f MTV idF der ÄV 2002 unter Anrechnung des gezahlten Zuschlags für Nachtschichtarbeit in Höhe von 25 %. Diese Differenz reduziert sich nicht um den Anspruch auf Schichtfreizeiten nach § 15 Buchst. b MTV idF der ÄV 2002, da es sich dabei nicht um einen spezifischen Ausgleich für Nachtarbeit handelt (Rn. 32).
704. Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist für die geforderten Nachtarbeitszuschläge für die Monate Januar bis Mai 2019 gewahrt, wobei die erstmalige Geltendmachung in der vorliegenden Streitkonstellation auch für später entstandene Ansprüche auf der ersten Stufe genügt. Hingegen sind die verlangten Zuschläge für Dezember 2018 verfallen, so dass die Klage in Höhe von 213,50 Euro brutto unbegründet ist.
71a) Der Kläger hat hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge für Dezember 2018 die erste Stufe der Ausschlussfrist des § 26 Nr. 2 MTV nicht gewahrt, so dass diese Ansprüche verfallen sind.
72aa) Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die streitgegenständlichen Nachtarbeitszuschläge hinsichtlich der ersten Stufe der Ausschlussfrist die Regelung in § 26 Nr. 2 MTV maßgeblich. Danach sind Ansprüche auf Bezahlung von Zuschlägen - wovon die streitgegenständlichen Nachtarbeitszuschläge umfasst sind - innerhalb von einem Monat nach Erhalt der Entgeltabrechnung, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen, geltend zu machen. Diese Regelung ist auch nicht widersprüchlich. § 26 Nr. 2 MTV sieht eine kürzere Ausschlussfrist als nach § 26 Nr. 1 MTV ausschließlich und ausdrücklich - insoweit auch hinreichend bestimmt - für Zuschläge vor. Diese sind danach von der (Grund-) Regelung des § 26 Nr. 1 MTV ausgenommen und einem abweichenden, kürzeren Ausschlussfristenregime unterworfen.
73bb) Die Anwendung des § 26 Nr. 2 MTV scheidet entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deswegen aus, weil Streit nicht über das „Ob“, sondern ausschließlich über die Höhe des Zuschlags für abgerechnete Nachtschichtarbeitsstunden bestanden habe. Der Tarifregelung kann nicht entnommen werden, dass Streitigkeiten über Zuschlagszahlungen dem Grund nach unter § 26 Nr. 1 MTV fallen, während Streitigkeiten über die Höhe von zu leistenden Zuschlägen von § 26 Nr. 2 MTV erfasst werden.
74cc) Der Kläger hat die Nachtarbeitszuschläge für Dezember 2018 erstmals mit einem undatierten Schreiben geltend gemacht, das der Beklagten am zugegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt war eine ausschlussfristwahrende Geltendmachung nicht mehr möglich.
75(1) Grundsätzlich ist nach § 10 Nr. 1 und 2 MTV das Entgelt am Monatsende fällig und abzurechnen, und dem Arbeitnehmer ist eine Abrechnung auszuhändigen (§ 10 Nr. 4 MTV). Allerdings besteht bei der Beklagten - wie die Parteien in der Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt haben - eine abweichende betriebliche Regelung (vgl. § 10 Nr. 3 MTV). Die Abrechnung der Nachtarbeitszuschläge erfolgt jeweils im Folgemonat. Aufgrund dessen sind die Zuschläge fällig mit dem Entgelt des Folgemonats, dh. grundsätzlich zum Ende des jeweiligen Folgemonats. Handelt es sich um einen arbeitsfreien Tag, ist es der vorhergehende Tag (vgl. § 10 Nr. 1 und 2 MTV). Soweit die Entgeltabrechnung bereits vor dem Monatsende erfolgt, ändert das nichts an der Fälligkeit, da der Gläubiger vom Schuldner die Leistung nicht vor Fälligkeitseintritt verlangen und im Weg der Klage durchsetzen kann (vgl. - Rn. 35; - 10 AZR 290/17 - Rn. 55 mwN, BAGE 163, 144).
76(2) Danach waren die Nachtarbeitszuschläge für den Monat Dezember 2018 am , einem Donnerstag, fällig und hätten bis Ende Februar 2019 gegenüber der Beklagten auf der ersten Stufe geltend gemacht werden müssen. Mit dem Schreiben, das der Beklagten erst am zuging, ist das nicht rechtzeitig erfolgt. Die Ansprüche waren zu diesem Zeitpunkt bereits verfallen.
77b) Die Nachtarbeitszuschläge für die Monate Januar bis Mai 2019 hat der Kläger durch das der Beklagten am zugegangene Schreiben ausschlussfristwahrend auf der ersten Stufe geltend gemacht.
78aa) Die ältesten Ansprüche aus Januar 2019 sind nach den dargestellten Grundsätzen fällig geworden mit dem Entgeltanspruch für Februar 2019 und somit am , einem Donnerstag. Die Ausschlussfrist endete damit am (§ 187 Abs. 1 iVm. § 188 Abs. 2 BGB; - Rn. 12, BAGE 154, 252).
79bb) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das erste Geltendmachungsschreiben der Beklagten am zugegangen.
80cc) Diese erstmalige Geltendmachung genügt nach § 26 Nr. 2 MTV auch für später entstandene Ansprüche.
81(1) Eine Geltendmachung von Ansprüchen setzt zwar grundsätzlich voraus, dass der Anspruch bereits entstanden ist. Eine Besonderheit liegt aber vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung kann die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Auch wenn die jeweilige Tarifbestimmung dies nicht ausdrücklich vorsieht, kommt eine entsprechende Auslegung in Betracht, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch die einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus. Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen in Streit, erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat (vgl. - Rn. 61, BAGE 170, 24; umfassend - Rn. 31, BAGE 144, 210).
82(2) Nach diesen Grundsätzen genügt vorliegend die einmalige Geltendmachung auch für die später entstandenen Differenzansprüche zwischen dem geleisteten Zuschlag für Nachtschichtarbeit und dem für Nachtarbeit auf der ersten Stufe der Ausschlussfrist. Der Wortlaut des § 26 Nr. 2 MTV schließt die Geltendmachung künftiger Ansprüche nicht von vornherein aus. Die Leistung von Nachtschichtarbeit durch den Kläger steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Soweit die Beklagte pauschal die Zahl der geleisteten Nachtarbeitsstunden bestritten hat, ist das unschädlich. Abgesehen davon, dass ein solch pauschales Bestreiten nach Erteilung der im Verfahren vorgelegten Entgeltabrechnungen nicht hinreichend ist, war für die Beklagte nach Erhalt des Geltendmachungsschreibens am erkenn- und vorhersehbar, dass der Kläger für seine in Nachtschichten geleisteten Arbeitsstunden auch zukünftig weitere 25 Prozentpunkte Zuschlag verlangt. Die Beklagte musste damit rechnen, dass sich die Streitfrage der Höhe des Nachtarbeitszuschlags auch bei in den Folgemonaten geleisteter Nachtschichtarbeit stellen wird, und konnte ihr Verhalten darauf einstellen.
83c) Die zweite Stufe der Ausschlussfrist in § 26 Nr. 3 MTV wahrte der Kläger durch seine am bei dem Arbeitsgericht eingegangene Klage. Mit dieser hat er, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom iSv. § 26 Nr. 3 MTV die Erfüllung höherer Nachtschichtzuschläge nachweislich abgelehnt hatte, innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung die streitgegenständlichen Ansprüche gerichtlich geltend gemacht.
845. Danach stehen dem Kläger weitere Nachtarbeitszuschläge für die Monate Januar bis Mai 2019 in Höhe von insgesamt 1.398,62 Euro brutto zu (170,80 Euro brutto für Januar, 304,24 Euro brutto für Februar, 351,84 Euro brutto für März, 87,96 Euro brutto für April und 483,78 Euro brutto für Mai). Die Höhe der Zuschläge ist zwischen den Parteien unstreitig und zutreffend berechnet. Soweit die Beklagte die Anzahl der geleisteten Nachtarbeitsstunden pauschal bestritten hat, ist das nicht hinreichend. Vielmehr gilt die Anzahl der vom Kläger für jeden Monat substantiiert unter Vorlage der Entgeltabrechnungen vorgetragenen Nachtarbeitsstunden als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
856. Nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB schuldet die Beklagte Verzugszinsen, die dem Kläger gemäß § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zustehen (vgl. - Rn. 38 mwN). Fällig sind die Ansprüche auf Nachtarbeitszuschläge - wie ausgeführt - am Ende des Folgemonats bzw. am vorhergehenden Tag, wenn es sich um einen arbeitsfreien Tag handelt (§ 10 Nr. 2 MTV). Danach besteht ein Zinsanspruch des Klägers für die für Januar 2019 abzurechnenden Stunden ab dem , für die für Februar 2019 abzurechnenden Stunden ab dem , für die für März 2019 abzurechnenden Stunden ab dem , für die für April 2019 abzurechnenden Stunden ab dem und für die für Mai 2019 abzurechnenden Stunden ab dem .
86Der Kläger macht Zinsen für die Ansprüche Januar und Februar 2019 ab dem geltend, für März und April 2019 ab dem sowie für Mai 2019 ab dem . Dementsprechend hat der Senat Zinsen zugesprochen, dabei jedoch übersehen, dass Zinsbeginn - wie dargelegt - für die Ansprüche aus Februar 2019 erst am , aus April 2019 am und aus Mai 2019 am ist.
87III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen und Zuschläge für Dezember 2018 geltend gemacht hat, hat er die Kosten zu tragen, im Übrigen die Beklagte.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:240523.U.10AZR423.20.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-44484