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BVerwG Beschluss v. - 1 WB 32/22

Erfolgreicher Neubescheidungsantrag; Laufbahnaufstieg; Laufbahn der Fachunteroffizierinnen und Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes

Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, § 3 Abs 1 SG, § 17 WBO, § 21 WBO

Tatbestand

1Der Antragsteller begehrt die Zulassung zur Laufbahn der Fachunteroffizierinnen und Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes.

2Der ... geborene Antragsteller hatte von Oktober 2006 bis September 2010 im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit Wehrdienst geleistet. Im März 2015 wurde er erneut in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem Februar 2028 enden. Am wurde er zum Oberstabsgefreiten befördert. Er wird derzeit als Stabsdienstsoldat und Kraftfahrer beim ... verwendet.

3Mit Bewerbungssofortmeldung vom beantragte der Antragsteller seine Zulassung zur Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes. Hiernach wünschte er seine spätere Verwendung auf dem Dienstposten eines Luftumschlagunteroffiziers bei der ... des ... in ... im Werdegang der Werdegangskennung der ... .

42015 erkrankte der Antragsteller an einem bösartigen Hautkrebs (Malignes Melanom), der operativ entfernt wurde. Eine wehrmedizinische Begutachtung des Antragstellers durch das Bundeswehrkrankenhaus ... am stellte zwar keine Anzeichen für Hautkrebs fest, hielt aber die Gesundheitsziffer VI/5 aufrecht und befürwortete gleichwohl eine Weiterverpflichtung. Mit Ärztlicher Mitteilung für die Personalakte vom , dem Antragsteller am selben Tag eröffnet, wurde als Ergebnis der Begutachtung für den beantragten Laufbahnwechsel und die Weiterverpflichtung die fehlende Verwendungsfähigkeit festgestellt, eine Ausnahmegenehmigung aber "mit Nachdruck" befürwortet. Eine Ausnahmegenehmigung wurde aber mangels dienstlichen Interesses nicht beantragt.

5Daraufhin wurde der Antrag auf Laufbahnwechsel mit Bescheid vom , dem Antragsteller ausgehändigt am , abgelehnt. Nach der ärztlichen Begutachtung sei er derzeit gesundheitlich für den Laufbahnwechsel nicht geeignet. Daher werde auch die Reservierung seines Zieldienstpostens wieder aufgehoben.

6Hiergegen beschwerte sich der Antragsteller mit am bei seinem Disziplinarvorgesetzten eingegangenen Schriftsatz vom . Zur Begründung machte er geltend, die Vergabe der Gesundheitsfehlziffer 6 sei rechtswidrig. Erforderlich sei eine individuelle auf seine Person und die fragliche Laufbahn bezogene Gesundheitsprognose. Dem werde das System der Fehlerziffern nicht gerecht. Seit der Hautkrebserkrankung seien mehr als fünf Jahre vergangen, sodass nach versorgungsmedizinischen Grundsätzen von einer "Heilungsbewährung" auszugehen sei.

7Die Beratende Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr führte unter dem aus, die Gesundheitsstörung des Antragstellers sei dauerhaft mit der Gesundheitsziffer VI/5 zu bewerten. Eine Einzelfallprüfung erfolge nur, wenn ein dringliches dienstliches Interesse vorliege oder der Bedarf nicht anderweitig gedeckt werden könne. Ob ein versorgungsmedizinisch als geheilt geltendes Malignes Melanom erneut auftrete, sei nicht exakt vorhersehbar. Ein erhöhtes Risiko ergebe sich aus starker wiederkehrender UV-Belastung und aus individuellen Risikofaktoren wie dem hellen Hauttyp des Antragstellers, dessen medizinischer Vorgeschichte und dem Vorhandensein von Leberflecken. Eine militärärztliche Ausnahme sei 2017 für die Weiterverpflichtung vom SaZ 08 zum SaZ 12 um den überschaubaren Zeitraum von vier Jahren erteilt worden. Ein Laufbahnwechsel mit einer Weiterverpflichtung auf SaZ 21 wäre bei dienstlichem Interesse im Auftrag der Personalführung zu prüfen.

8Mit Beschluss vom lehnte der Senat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels eines Anordnungsgrundes ab (BVerwG 1 W-VR 9.21). Dem Erfolg des Antrages stehe das Fehlen eines Anordnungsanspruches nicht entgegen. Die Ablehnung des Antrages auf Laufbahnwechsel mangels gesundheitlicher Eignung sei voraussichtlich rechtswidrig. Wegen Art. 33 Abs. 2 GG könne ein Bewerber nur dann von einem Leistungsvergleich mit anderen Kandidaten für den Laufbahnaufstieg ausgeschlossen werden, wenn die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach der ZV A1-831/0-4000 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aus medizinischen Gründen verweigert werde. Eine Ausnahmegenehmigung sei in der Ärztlichen Mitteilung vom mit Nachdruck befürwortet und für die Weiterverpflichtung bereits erteilt worden. Für ihre Erteilung seien nicht die Anforderungen eines speziellen Dienstpostens, sondern die allgemeinen gesundheitlichen Anforderungen für die Fachunteroffiziere eines bestimmten Werdegangs maßgeblich.

9Unter dem beschwerte sich der Antragsteller gegen die Untätigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung im Beschwerdeverfahren. Das Bundesministerium der Verteidigung wertete diese Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte ihn mit einer Stellungnahme vom dem Senat vor.

10Der Antragsteller macht geltend, für den beantragten Laufbahnwechsel gesundheitlich geeignet zu sein. Das System der Vergabe von Fehlerziffern werde der Bewertung der gesundheitlichen Eignung für den Laufbahnwechsel nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht gerecht. Erforderlich sei statt der verallgemeinernden Betrachtung eine individuelle Gesundheitsprognose. Dass diese für ihn günstiger sei als unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom wiederum typisierend angeführt, ergebe sich aus dem aktuellen Bericht (2019) des Zentrums für Krebsregisterdaten im Robert-Koch-Institut. Dass der Zielwerdegang überplant sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Die wehrmedizinische Begutachtung müsse versorgungsmedizinischen Grundsätzen folgen, nach denen nach Ablauf von fünf Jahren von einer Heilungsbewährung auszugehen sei. Da er seit sechs Jahren keinen Rückfall erlitten habe, müsse er nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG für die Zulassung mitbetrachtet werden. Er trage zwar die Beweislast für seine aktuelle Dienstfähigkeit. Diese sei aber gegeben, wie sich aus der Verlängerung seiner Dienstzeit auf die in seinem Dienstgrad maximal mögliche Dauer von 17 Jahren bis zum ergebe. Für die Prognose seiner dauerhaften Verwendungsunfähigkeit in der angestrebten Laufbahn trage der Dienstherr die Beweislast. Es fehle an den für die negative Prognose notwendigen Darlegungen. Der Truppenarzt habe wehrmedizinisch zutreffend eine Ausnahmegenehmigung befürwortet. Diese sei wegen der bedarfsgerechten Anzahl gesundheitlich nicht belasteter Aufstiegskandidaten gar nicht geprüft worden. Die Prüfung durch die zuständige Stelle sei nicht wegen der Stellungnahme der Beratenden Ärztin vom entbehrlich. Die von ihr angeführten Prognoseunsicherheiten gingen zu Lasten des Dienstherrn. Es werde weder auf die gesundheitlichen Anforderungen in seinem Werdegang als Fachunteroffizier Bezug genommen, noch eine individuelle Prognose angestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass Risiken durch Lichteinstrahlung nicht durch Bekleidung minimiert werden könnten. Der Dienstherr widerlege sich selbst, wenn er ihm die Erfüllung der gesundheitlichen Anforderungen an den Soldatenberuf abspreche, aber seine Dienstzeit auf das Höchstmaß verlängere. Von ihm werde aktuell nicht verlangt, sich überwiegend im Schatten aufzuhalten und Vorlaufzeiten beim Auftragen von Sonnenschutzcreme zu wahren. Es werde nicht zwischen seiner aktuellen Tätigkeit und der angestrebten Laufbahn differenziert. Welche Ausbildungsteile er nicht absolvieren könne, sei nicht ersichtlich. Fürsorgegründe hätten der Dienstzeitverlängerung nicht entgegengestanden. Das allgemeine Risiko eines Rezidivs sei nicht hinreichend individuell. Die Beratende Ärztin hätte ihm eine gute Prognose bescheinigt und spreche nicht von der höchsten Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs. Für eine konkrete Prognose sei die Prüfung einer militärärztlichen Ausnahme wie vom Truppenarzt empfohlen durchzuführen.

11Der Antragsteller beantragt,

das Bundesministerium der Verteidigung unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom zu verpflichten, über seinen Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

12Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

13Dem Antragsteller fehle die gesundheitliche Eignung für den Laufbahnaufstieg. Auf die Stellungnahmen der Beratenden Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom und vom werde verwiesen. Die Gesundheitsstörung des Antragstellers sei hiernach dauerhaft mit der Gesundheitsziffer VI/5 zu bewerten. Die wichtigste Ursache von Hautkrebs sei starke, wiederkehrende UV-Belastung, die aber weder unter dem Aspekt der allgemeinen Verwendungsfähigkeit noch im Rahmen einer militärischen Laufbahnausbildung zu vermeiden sei. Dass Ausnahmegenehmigungen in der Vergangenheit erteilt worden seien, begründe keinen Anspruch auf weitere Ausnahmen. Nach den individuellen medizinischen Gegebenheiten des Antragstellers und seiner Vorgeschichte käme eine Ausnahme von vornherein nicht in Betracht. Ihre Voraussetzungen nach Nr. 1089 ZV A1-831/0-4000 lägen nicht vor. Mit Schreiben vom teilte das Bundesministerium der Verteidigung mit, dass bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung eine militärärztliche Ausnahme nicht erteilt werden könne. Nach erneuter Prüfung sei nun aber unter dem eine militärärztliche Ausnahme für den Wechsel in die Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes in einer Verwendung als Luftumschlagunteroffizier erteilt worden.

14Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

15Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

161. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG antragsbefugt.

17Es ist auch nicht durch Zeitablauf Erledigung eingetreten. Denn eine rückwirkende Zulassung zum Laufbahnaufstieg ist rechtlich zulässig und erfolgt nach der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung aufgrund einer Ausnahmegenehmigung auch regelmäßig, wenn der Zulassungsantrag in der Sache Erfolg hat (vgl. 1 WB 8.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 14 m. w. N. zur Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes).

18Erledigung ist auch nicht dadurch eingetreten, dass das Bundesministerium der Verteidigung unter dem eine Stellungnahme des Beratenden Arztes des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom übermittelt hat, in der nach Auswertung neuerer truppenärztlicher Stellungnahmen die militärärztliche Ausnahme für den Wechsel in die Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes in der in Rede stehenden Verwendung unter Auflagen erteilt wurde. Damit ist dem auf die Neubescheidung des Antrages auf Laufbahnzulassung gerichteten Antrag im gerichtlichen Verfahren noch nicht entsprochen. Dass das Bundesministerium der Verteidigung am zur Prüfung einer Ausnahmegenehmigung angewiesen hat, stellt ebenfalls noch keine Abhilfe dar.

192. Der Antrag ist auch begründet. Die Ablehnung des Antrages auf Laufbahnzulassung durch den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Das Bundesministerium der Verteidigung ist verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag vom zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).

20a) Als Entscheidung über die Zulassung zu einer höherwertigen Laufbahn unterliegt der Aufstieg von Mannschaften in eine Laufbahn der Fachunteroffiziere dem Grundsatz der Bestenauslese (vgl. 1 WB 51.12 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 67 Rn. 28). Aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG folgt dabei ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der Bewerbern um die Laufbahnzulassung ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch den Grundsatz der Bestenauslese gedeckt sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 8.18 - BVerwGE 169, 290 Rn. 18 und vom - 1 WB 35.18 - juris Rn. 19).

21Die Forderung nach einer auch gesundheitlichen Eignung für den Laufbahnaufstieg wird den Anforderungen aus dem Leistungsprinzip zwar grundsätzlich gerecht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 Rn. 40, vom - 1 WB 51.12 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 67 Rn. 32 und vom - 1 WB 8.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 30). Der Dienstherr legt in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest, welchen körperlichen Anforderungen ein Soldat genügen muss, um den Anforderungen an die Ämter einer bestimmten Laufbahn genügen zu können (vgl. 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 18). Hierbei kommt ihm bei Fragen der militärischen Zweckmäßigkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Ob ein Bewerber den gesundheitlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn voraussichtlich genügen wird, ist jedoch auf fundierter medizinischer Tatsachengrundlage uneingeschränkt von den Wehrdienstgerichten zu überprüfen (vgl. 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 20).

22b) Hiernach ist die Ablehnung des Antrages auf Zulassung zur Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes mangels gesundheitlicher Eignung rechtswidrig. Dies ergibt sich nicht erst aus der am erfolgten Erteilung einer Ausnahmegenehmigung durch den Beratenden Arzt des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr. Vielmehr war auch zuvor die Erteilung der vom Antragsteller spätestens mit der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Laufbahnzulassung sinngemäß gestellten Antrages nicht rechtmäßig.

23aa) Zwar mag die Vergabe der Gradation VI zur Gesundheitsnummer 5 im April 2021 für den Antragsteller der üblichen Handhabung bundeswehrinterner Vorgaben entsprochen haben.

24Nach Nr. 1066 Zentralvorschrift (ZV) A1-831/0-4000 "Wehrmedizinische Begutachtung" sind Soldaten vor einem Laufbahnwechsel gesundheitlich auf ihre gesundheitliche Eignung zu begutachten. Der Befund ist nach Anlage 7.1.5 ZV A1-831/0-4000 mit einem numerischen Schlüssel zu kodieren, wobei eine römische Zahl - die Gradation - die Auswirkung auf die Verwendungsfähigkeit angibt, während die arabische Zahl - GNr - das Organ, Organsystem oder den Körperteil angibt, der den wehrmedizinisch relevanten Befund aufweist. Nach Anlage 7.3 ZV A1-831/0-4000 entspricht die Gradation VI der Bewertung "nicht verwendungsfähig" und meint "Gesundheitsstörungen, die in der Folge jeden militärischen Dienst unmöglich machen." Die Gesundheitsnummer 5 bezeichnet Neubildungen der Haut (vgl. Anlage 7.3.5 ZV A1-831/0-4000).

25Hiernach mag es der regelmäßigen praktischen Handhabung der internen Vorgaben für die wehrmedizinische Begutachtung entsprechen, dass das Bundeswehrkrankenhaus ... unter dem die Vergabe der Gesundheitsziffer VI/5 nach einer Nachuntersuchung des Antragstellers aufrechterhalten hatte und auf dieser Grundlage die Ärztliche Mitteilung vom seine fehlende Verwendungsfähigkeit feststellte. Die Beratende Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr hat am unter Auswertung der ihr nach Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zugänglichen Befundberichte des Bundeswehrkrankenhauses ..., Abteilung Dermatologie, aus den Jahren 2015 bis 2021 nachvollziehbar erläutert, dass diese Einschätzung auf einer 2015 diagnostizierten Hautkrebserkrankung des Antragstellers und den hierauf und auf individuellen Risikofaktoren des Phänotyps des Soldaten beruht. Nach der operativen Entfernung seines bösartigen Hauttumors 2015 waren neben konsequentem Lichtschutz regelmäßige dermatologische Nachsorgeuntersuchungen zum Ausschluss von Metastasen bzw. einer Neubildung eines Malignen Melanoms erforderlich. Insbesondere die von der Beratenden Ärztin angeführte Eigenart eines Malignen Melanoms, auch mit weiterem zeitlichen Abstand zur Erstdiagnose zu metastasieren, macht die Aufrechterhaltung einer Gradation auch in zeitlichem Abstand zur Erstdiagnose und Operation plausibel. Diese Einschätzung wird zudem durch den Hinweis auf das erhöhte Risiko eines Wiederauftretens der Gesundheitsstörung in den ersten fünf Jahren nach der Operation sowie die Risikofaktoren einer starken, wiederkehrenden UV-Belastung und eines - beim Antragsteller unstreitig vorliegenden - hellen Hauttyps gestützt.

26bb) Allerdings muss die hiernach offensichtlich regelmäßig mit einem gewissen Schematismus auf der Grundlage medizinstatistischer Erfahrungswerte praktizierte Handhabung der Vergabe und Aufrechterhaltung von Gradationen durch eine individuelle Einzelfallprüfung von Ausnahmegenehmigungen ergänzt werden, um den Anforderungen aus § 3 Abs. 1 SG und Art. 33 Abs. 2 GG für den Laufbahnaufstieg genügen zu können. Hiernach konnte die gesundheitliche Eignung für den Laufbahnaufstieg bereits 2021 jedenfalls dann nicht allein wegen der mit dieser Gradation umschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigung verneint werden, wenn die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach Maßgabe der für die wehrmedizinische Prüfung geltenden ZV A1-831/0-4000 im Einzelfall in Betracht kommt.

27aaa) Gibt es mehr Bewerber als Aufstiegsplätze, können im Lichte von Art. 33 Abs. 2 GG aus dem Leistungsvergleich nur solche Kandidaten von vorneherein ausgeschlossen werden, deren gesundheitliche Eignung auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Prüfung des Einzelfalles ausgeschlossen werden kann. Erlauben die regelmäßig angewandten Verwaltungsvorschriften bei gesundheitlichen Einschränkungen Ausnahmen, so dient dies der im Lichte der subjektiv-öffentlichen Rechte der Bewerber gebotenen individuellen, prognostischen Prüfung. Nur wenn die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aus medizinischen Gründen verweigert wird, darf ein Bewerber mangels körperlicher Eignung für den Laufbahnaufstieg aus dem Leistungsvergleich der in Betracht kommenden Kandidaten ausgeschlossen werden ( 1 W-VR 9.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 113 Rn. 22).

28Gemäß Nr. 1084 ZV A1-831/0-4000 können der Soldat, sein Disziplinarvorgesetzter oder die personalbearbeitende Stelle einen Antrag auf eine Einzelfallentscheidung zur Erteilung einer militärärztlichen Ausnahme vom Begutachtungsergebnis bei Eignungsbegutachtungen für den Laufbahnwechsel stellen. Zuständig für die Einzelfallentscheidung für Laufbahnwechsler bei der Gradation II bis VI ist nach Nr. 1094 ZV A1-831/0-4000 die Beratende Ärztin oder der Beratende Arzt des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr. Nach Nr. 1089 ZV A1-831/0-4000 kann eine Ausnahme nur vorgeschlagen werden, wenn Veränderungen des Gesundheitszustandes oder die Defizite der körperlichen Merkmale, die zum ausschließenden Begutachtungsergebnis geführt haben, durch Erfahrungswerte ausgeglichen werden können und eine Verschlimmerung nicht zu erwarten ist. Gemäß Nr. 1090 Satz 3 ZV A1-831/0-4000 erfolgt eine Einzelfallprüfung, wenn ein dringendes dienstliches Interesse vorliegt oder der Bedarf nicht anderweitig gedeckt werden kann.

29bbb) Vorliegend ist die für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung zuständige Beratende Ärztin nach dem Beschluss des Senats im Eilverfahren mehrfach durch das Bundesministerium der Verteidigung beteiligt worden. Sie hat zwar nicht ausdrücklich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung geprüft und abgelehnt, in ihren Stellungnahmen vom und vom aber erläutert, dass es auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren an den Erteilungsvoraussetzungen fehle. Die darin liegende Verweigerung einer Ausnahmegenehmigung bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung genügt allerdings den rechtlichen Anforderungen an die Prüfung nicht und ist daher nicht geeignet, die Ablehnung des Laufbahnaufstieges mangels gesundheitlicher Eignung rechtsfehlerfrei zu begründen. Zwar weist die Beratende Ärztin zutreffend darauf hin, dass in der Vergangenheit zu einem anderen Zweck als dem Laufbahnaufstieg erteilte militärärztliche Ausnahmegenehmigungen die Erteilung der hier in Rede stehenden Ausnahmegenehmigung nicht präjudizieren. Sie verkennt aber bei ihrer Einschätzung der Erteilungsvoraussetzungen der hier in Rede stehenden Ausnahme den rechtlichen Rahmen, der ihren Prüfmaßstab bestimmt.

30Für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung sind nicht die Anforderungen eines speziellen Dienstpostens, sondern die allgemeinen gesundheitlichen Anforderungen für die Fachunteroffiziere eines bestimmten Werdegangs maßgeblich ( 1 W-VR 9.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 113 Rn. 22).

31Zwar gehört zu den gesundheitlichen Anforderungen an Fachunteroffiziere jedes Werdeganges als Grundvoraussetzung auch die gesundheitliche Eignung für den Soldatenberuf im Allgemeinen. Wer die für jeden Soldaten erforderliche gesundheitliche Eignung als Basis nicht mitbringt, ist grundsätzlich - erst recht - nicht für eine Laufbahn mit besonderen Anforderungen an die gesundheitliche Belastbarkeit geeignet.

32Wenn der Dienstherr aber einen von ihm als "nicht verwendungsfähig" eingestuften Soldaten über Jahre weiter in seiner bisherigen Laufbahn verwendet und seine Dienstzeit - wie hier - sogar mehrfach verlängert, darf er dem Betroffenen nicht allein deshalb den Laufbahnaufstieg verwehren, weil er nicht als Soldat verwendet werden könne. Damit würde er sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen und dem auch im öffentlichen Recht geltenden, aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst und Treueverhältnis sowie Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitendem Grundsatz von Treu und Glauben zuwiderhandeln (vgl. 1 WB 29.21 - juris Rn. 41). Ein Soldat muss sich bei gleichbleibenden oder sogar geringer werdenden Gesundheitsrisiken, denen er ausgesetzt ist, darauf verlassen können, dass eine Einschätzung dieses Risikos für seine fortbestehende Dienstfähigkeit nicht ohne nachvollziehbaren Grund wieder geändert wird. Da er seine Dienstzeit im Vertrauen auf die Einschätzung des Dienstherrn, dass seine gesundheitliche Eignung für den Soldatenberuf nicht fehlt, verlängert hat, muss der Dienstherr nachvollziehbare Argumente für eine veränderte Gefahrenprognose haben, wenn er für den Laufbahnaufstieg von der fehlenden Eignung für den Soldatenberuf ausgehen will, die er für die Verlängerung der Dienstzeit angenommen hatte.

33Hieran fehlt es vorliegend aber. Dem Anspruch eines Soldaten, nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese für den Laufbahnaufstieg betrachtet zu werden, darf der Dienstherr eine fehlende gesundheitliche Eignung nur insoweit entgegenhalten, als ihm dieser Einwand nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben abgeschnitten ist. Hier hat der Dienstherr trotz der seit 2015 feststehenden Diagnose eines Malignen Melanoms und der damit verbundenen Risiken eines Rezidivs bzw. von Metastasen kein Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit des Antragstellers durchgeführt, dessen Dienstzeit vielmehr bis auf 17 Jahre verlängert.

34Wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die der Dienstherr trotz der Bewertung mit einer die fehlende Verwendungsfähigkeit anzeigenden Gradation nicht zum Anlass nimmt, den aktiven Dienst des Soldaten vorzeitig zu beenden, kann er diesem eine Förderung allenfalls verweigern, wenn die angestrebte Laufbahn im in Rede stehenden Werdegang besondere Gesundheitsgefahren begründet, die vor dem Hintergrund der medizinischen Vorgeschichte des Soldaten die für ihn bestehenden Gefahren - hier eines erneuten Auftretens von bösartigem Hautkrebs oder der Bildung von Metastasen - im Vergleich mit dem Dienst, den der Antragsteller gegenwärtig leistet und für den ihn der Dienstherr deswegen offensichtlich auch gesundheitlich für geeignet hält, signifikant erhöht.

35Entsprechende Feststellungen lagen der Einschätzung der Beratenden Ärztin aus dem Jahre 2021 aber nicht zugrunde. Diese basiert vielmehr auf dem - unstreitigen - Umstand, dass der Antragsteller 2015 an bösartigem Hautkrebs erkrankt war und operiert werden musste. Sie führt weiter den - ebenfalls unstreitigen - Umstand an, dass diese medizinische Vorgeschichte und der Hauttyp des Antragstellers sowie der Einfluss von UV-Strahlen Risikofaktoren für ein erneutes Auftreten von Krebs bedeuten. Insbesondere die sehr ausführliche Stellungnahme vom erläutert unter Bezugnahme auf zahlreiche medizinische Studien die Risikofaktoren in der Folge eines Malignen Melanoms überzeugend und gründlich. Bezogen auf den Antragsteller wird allerdings ausdrücklich aus dem Fehlen zusätzlicher in der medizinischen Literatur angeführten Risikofaktoren eine günstige Prognose abgeleitet. Dass die Gefahr einer Metastasierung dennoch bestehe, wird im Kern mit dem Hauttyp des vorerkrankten Antragstellers und den Risiken einer - durch Sonnenschutz zu verringernden, aber nicht völlig auszuschließenden - UV-Exposition begründet. Dies betrifft aber keine spezifische Verwendung, gilt vielmehr für jeden Dienstposten. Konsequent leitet die Stellungnahme daher auch hieraus Folgerungen für die Verwendungsfähigkeit als Soldat ab. Dies entspricht aber nach dem oben Ausgeführten nicht dem hier aus Rechtsgründen anzulegenden Maßstab.

36Besondere gesundheitliche Risiken durch UV-Expositionen ergeben sich auch nicht aus der vom Bundesministerium der Verteidigung im Eilverfahren mit Schriftsatz vom vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung eines Luftumschlagunteroffiziers Streitkräfte. Denn diese Beschreibung führt als mögliche Gefährdungen durch die Arbeitsbedingungen Lärm und Abgasemissionen sowie den Umgang mit gesundheitsschädlichen Gefahrstoffen an. Von einer im Vergleich mit anderen Verwendungen signifikant höheren Belastung durch UV-Strahlung ist dort gerade nicht die Rede.

37Aus diesem Grunde ist nunmehr auch die militärärztliche Ausnahmegenehmigung rechtsfehlerfrei erteilt worden. Soweit das Bundesministerium der Verteidigung ausgeführt hat, dass die Voraussetzungen dafür im Juli 2021 noch nicht vorgelegen hätten, wird dafür keine medizinisch nachvollziehbare Begründung gegeben. Vielmehr erscheint die fachliche Einschätzung des Bundeswehrkrankenhauses ... vom naheliegend, dass eine entsprechende Ausnahme bereits damals erteilt werden konnte.

38Hiernach kommt es auf die Beweisangebote des Antragstellers auf Einholung von Sachverständigengutachten zu seiner aktuellen Dienstfähigkeit und seiner dauerhaften Verwendungsfähigkeit in der konkreten Verwendung als Fachunteroffizier nicht mehr an.

393. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:250523B1WB32.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-43686