Elektronischer Rechtsverkehr und Word-Datei
Leitsatz
Ein elektronisch eingereichtes Dokument - auch eine Word-Datei - ist bei führender Papierakte iSv. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen, wenn es druckbar war und gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen worden ist.
Gesetze: § 46c Abs 2 S 1 ArbGG, § 298 Abs 1 S 1 ZPO, § 46c Abs 2 S 2 ArbGG, § 46c Abs 6 S 2 ArbGG, § 2 Abs 1 S 1 ERVV, § 298 Abs 4 ZPO
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 23 Ca 9497/20 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 369/22 Beschluss
Gründe
1I. Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Ruhegeld.
2Das Arbeitsgericht hat die Klage am abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden. Am hat der neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin per Telefax seine Bevollmächtigung beim Arbeitsgericht angezeigt und um Akteneinsicht gebeten, die ihm am bewilligt worden ist.
3Er hatte bereits am um 17:41 Uhr mit einem über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten Schreiben „Berufung“ eingelegt. Das Schreiben wurde vom Landesarbeitsgericht ausgedruckt, dort mit dem Tag des Eingangs „Eing.: “ gestempelt und zur Akte genommen. Um 18:00 Uhr wurde die Berufung zudem als unterschriebenes Fax und am auf unterschriebenem Papier beim Berufungsgericht eingereicht.
4Am hat der Leiter der Geschäftsstelle, dem diese Befugnis von der Gerichtsleitung übertragen worden war, eine ausgedruckte Verfügung unterschrieben, nach der die Berufungsschrift dem Beklagtenvertreter per Fax und beA zugestellt werden sollte. Am hat der Vorsitzende, der ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ganz überwiegend mit der elektronischen Akte arbeitet, die Klägerin darauf hingewiesen, dass die eingereichten Dokumente nicht den gesetzlichen Formanforderungen genügten. Die elektronischen Dokumente seien nicht als PDF-Datei übermittelt worden.
5Bl. 208 der Vorakte ist ein undatiertes gedrucktes Blatt mit dem Inhalt:
6Danach ist ein weiterer Ausdruck der Berufungsschrift zu finden, jedoch ohne Stempel. Am hat der Klägervertreter die Berufungsschrift erneut mit dem Datum per beA als Word-Dokument beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingereicht. Am hat der Vorsitzende die Parteien darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, und dass auch der am eingereichte Schriftsatz nicht den gesetzlichen Formanforderungen genüge. Der Klägervertreter hat am erneut per beA Berufung mit einer PDF-Datei eingelegt.
7Mit einer PDF-Datei vom hat der Klägervertreter per beA zu dem Hinweis des Vorsitzenden Stellung genommen. Er habe den Mangel bzgl. des Word-Dokuments am durch nochmalige Einreichung der Berufungsschrift - diesmal im PDF-Format - geheilt. Sowohl der am als auch der am eingereichte Schriftsatz nebst Anlage (Berufungsschrift und erstinstanzliches Urteil) seien jeweils als Word-Datei per beA eingereicht worden und stimmten inhaltlich exakt mit demjenigen Schriftsatz überein, der am nochmals per beA bei Gericht eingereicht worden sei. Dieser entspreche im Übrigen auch demjenigen, den er am vorab per Telefax und im Original bei Gericht eingereicht habe, was er anwaltlich versichere und glaubhaft mache. Zur Einreichung im (nicht formgerechten) Word-Format sei es gekommen, da der auf seinem Rechner installierte Acrobat Reader nicht mehr funktioniert habe. Eine Umwandlung der Word-Datei in das PDF-Format sei ihm nicht möglich gewesen. Am habe ihm ein Kollege helfen können, der im Gegensatz zu ihm über entsprechende Kenntnisse verfüge. Soweit für ihn nachvollziehbar habe dieser die auf dem Rechner installierte Version des Acrobat Readers gelöscht und eine neue Version installiert. Seither könne er wieder Word-Dateien in PDF-Format umwandeln.
8Nachdem die Papierakte am vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main an das Hessische Landesarbeitsgericht übermittelt worden ist, ist der Klägerin die Frist zur Begründung ihrer Berufung mit elektronisch verfügtem Beschluss vom bis zum verlängert worden. Zudem hat die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht erhalten. Mit dem am per beA als PDF-Datei eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet.
9Durch Beschluss vom hat der Vorsitzende die Berufung als unzulässig verworfen und die Revisionsbeschwerde zugelassen.
10II. Die Revisionsbeschwerde der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
111. Die Klägerin hat am frist- und formgerecht Berufung eingelegt, ohne dass es auf die Heilungsmöglichkeit nach § 64 Abs. 6, § 46c Abs. 6 Satz 2 ArbGG in der ab dem geltenden Fassung ankommt. Die am als Word-Datei aus dem beA des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangene Berufungsschrift ist zwar, anders als nach den ab dem gemäß § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV 2022 geregelten technischen Rahmenbedingungen kein PDF-Dokument. Aber auch nach dem stellte dies keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments dar, wenn - wie im Streitfall - weiterhin die Papierakte führte und der Schriftsatz druckbar war und ausgedruckt zur Papierakte genommen wurde.
12a) Bei der führenden Papierakte ist ein elektronisch eingereichtes Dokument iSv. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen, wenn es druckbar ist und gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen wurde. Soweit nach § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV 2022 ein PDF verlangt wird, handelt es sich nach Sinn und Zweck der Ermächtigung in § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG, die Lesbarkeit und Bearbeitungsfähigkeit elektronisch eingereichter Dokumente für das Gericht zu gewährleisten (BT-Drs. 17/12634 S. 25, 37), jedenfalls dann nicht um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung, wenn weiterhin die Papierakte führte und das Dokument druckbar war und gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen wurde. Die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht ist in diesem Fall ausreichend dadurch gewährleistet, dass das Dokument in Form eines Papierausdrucks unveränderlicher Aktenbestandteil ist. Das elektronische Dokument kann dann nach Ablauf von sechs Monaten gelöscht werden (§ 298 Abs. 4 ZPO). Es stellte in dieser Konstellation eine reine Förmelei dar, die Formwirksamkeit des elektronisch eingereichten Schriftsatzes von seiner Durchsuchbarkeit und Kopierbarkeit sowie der Einbettung der verwendeten Schriftarten im elektronischen Dokument abhängig zu machen (zu § 130a ZPO vgl. - Rn. 20 f.). Dies bestätigt auch vorliegend der Umstand, dass die Erstbearbeitung der Berufung durch das Gericht und den Kammervorsitzenden ohne Weiteres anhand der Papierakte möglich war (vgl. - Rn. 11, 12). Ob der Kammervorsitzende - auch bei führender Papierakte - „ganz überwiegend mit der elektronischen Akte arbeitet“, ist unerheblich.
13b) Die Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu unzureichenden Word-Dokumenten steht dieser Annahme nicht entgegen (vgl. - Rn. 13). Er hat sie auf die führende elektronische Akte beschränkt ( - Rn. 54).
142. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 77 Satz 4 ArbGG iVm. § 577 Abs. 3 ZPO). Die Berufung ist nicht aus anderen Gründen unzulässig.
153. Da sich die Revisionsbeschwerde als begründet erweist, ist der Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben ( - Rn. 51).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:290623.B.3AZB3.23.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 30
NJW 2023 S. 2445 Nr. 33
ZIP 2024 S. 208 Nr. 4
WAAAJ-43640