Einkommensteuer | Bondstripping bei im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen (FG)
Im Falle des Bondstrippings von im Privatvermögen gehaltenen
Bundesanleihen sind bei Veräußerung der Zinsscheine die Anschaffungskosten der
Anleihe (samt Zinsscheinen) auf die Zinsscheine und den Anleihemantel
(Stammrecht) aufzuteilen (; Revision anhängig, BFH-Az. VIII R 17/22).
Hintergrund: Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist der Veräußerungsgewinn der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Der Begriff der Anschaffungskosten in § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG bestimmt sich nach dem handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB.
Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Jahr 2013 eine deutsche Bundesanleihe. Noch am Tag des Kaufs erteilte er der depotführenden Bank den Auftrag, die Zinsscheine vom Anleihemantel zu trennen. Einige Tage später verkaufte er die Zinsscheine und erzielte einen Gewinn. Noch einige Tage später verkaufte er das Stammrecht an die B-GmbH, deren Anteile er zu 50 % hielt. In der Einkommensteuererklärung erklärte er den Erlös aus dem Verkauf der Zinsscheine als inländischen Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalanlagen i.S. von § 20 Abs. 2 EStG. Aus dem Verkauf des Anleihemantels erklärte er einen Veräußerungsverlust. Dabei zog er vom Veräußerungspreis die gesamten Anschaffungskosten der Bundesanleihe ab.
Das beklagte FA teilte die Anschaffungskosten auf den Anleihemantel (Stammrecht) und die Zinsscheine auf.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg:
Sowohl die isolierte Veräußerung der Zinsscheine (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) als auch die Veräußerung des Anleihemantels (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) haben zu Einkünften aus Kapitalvermögen geführt.
Da der für Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich geltende Abgeltungsteuersatz von 25 % nicht gilt, wenn Kapitalerträge nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist, unterliegt nur der Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine dem Abgeltungsteuersatz, nicht aber der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung des Anleihemantels an die B-GmbH.
Dieser unterliegt dem allgemeinen Steuertarif, da der Kläger im Streitjahr 50 % der Anteile der B-GmbH gehalten hat.
Für den Fall des Bondstrippings von im Betriebsvermögen gehaltenen Anleihen geht die vorherrschende Auffassung davon aus, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten im Verhältnis der jeweiligen Marktwerte auf das Stammrecht einerseits und die Zinsscheine andererseits aufzuteilen sind.
Eine solche Aufteilung hat auch im Fall des Bondstrippings bei im Privatvermögen gehaltenen Anleihen zu erfolgen. Denn Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB liegen nach dem dieser Norm immanenten Surrogationsgedanken auch dann vor, wenn ein ursprünglich vom Steuerpflichtigen angeschaffter Vermögensgegenstand durch mehrere andere Vermögensgegenstände ersetzt wird und sich die auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden Anschaffungskosten anteilig in mehreren Ersatzvermögensgegenständen fortsetzen.
Da der Anschaffungskostenbegriff gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte gilt, ist auch im Fall des Bondstrippings von im Privatvermögen gehaltenen Anleihen eine Aufteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten der ungetrennten Anleihe auf den Anleihemantel und die Zinsscheine vorzunehmen.
Für diese Gleichbehandlung von im Betriebsvermögen einerseits bzw. im Privatvermögen andererseits gehaltenen Bundesanleihen spricht auch der Umstand, dass mit der Einführung der Abgeltungsteuer eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden sollte. Dafür ist die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben worden. Die Aufgabe der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene im Bereich der Kapitaleinkünfte bewirkt eine Angleichung an die Besteuerung im betrieblichen Bereich.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2023 (il)
Fundstelle(n):
XAAAJ-43631